TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/25 I414 2195180-1

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Veröffentlicht am 25.02.2020
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Entscheidungsdatum

25.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I414 2195180-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. TUNESIEN, vertreten durch: VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich (BAT) vom 04.04.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 27.01.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit Verfolgung durch den IS begründete.

Nach kurzzeitiger Einstellung des Verfahrens wegen Untertauchens wurde der Beschwerdeführer am 13.02.2018 niederschriftlich einvernommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 04.04.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Tunesien (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise besteht eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 27.04.2018. Gleichzeitig wurden eine Vertretungsvollmacht und ein Überweisungsschein für ein MR-Untersuchung eingebracht.

Die Beschwerde samt Verwaltungsakt legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Seitens der Rechtsvertretung wurden am 11.12.2019 weitere ärztliche Unterlagen vorgelegt. Am 12.12.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Erschienen sind der Beschwerdeführer und seine Rechtsberaterin sowie ein Dolmetscher für die arabische Sprache.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Tunesien und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der Araber an. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist in ärztlicher Behandlung wegen Wundrose und Krätzmilben. Die empfohlenen Medikamente sind in Tunesien erhältlich. Er ist ansonsten soweit gesund und arbeitswillig, dass Arbeitsfähigkeit festgestellt wird.

Der Beschwerdeführer reiste legal mit gültigem Reisedokument aus Tunesien nach Serbien aus und gelangte über Ungarn nach Österreich. Er hält sich seit Asylantragstellung im Bundesgebiet auf, reiste aber kurzzeitig nach Deutschland aus. Das Verfahren wurde kurzzeitig eingestellt.

Ob der Beschwerdeführer Familienangehörige hat und wo sich diese gegebenenfalls aufhalten, kann aufgrund stark divergierender Angaben nicht festgestellt werden. Fest steht, dass er in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte hat und keine maßgeblichen privaten Beziehungen pflegt.

Der Beschwerdeführer besuchte einige Jahre lang eine Schule in Libyen, arbeitete dann als Mechaniker, Kellner und in der Landwirtschaft in Libyen und in Tunesien. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung hat er eine Chance auch hinkünftig am tunesischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht vorbestraft.

Er geht in Österreich aktuell keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung in Niederösterreich. Der Beschwerdeführer half aber bei kleineren Arbeiten in der Gemeinde aus und hilft dem Heimleiter bei Reinigungstätigkeiten.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Entgegen seinem Fluchtvorbringen kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Tunesien wegen einem auf ihn verübten Bombenanschlag in Libyen eine Verfolgung droht.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Tunesien:

Im angefochtenen Bescheid wurde das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Tunesien vollständig zitiert. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht wurde die aktuelle Lage im Herkunftsstaat erörtert und wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit geboten, eine Stellungnahme abzugeben. Außerdem wurde auf eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Frage der Staatsangehörigkeit eines Kindes einer Tunesierin und einem ausländischen Vater eingegangen.

Fallbezogen werden aus dem Länderinformationsblatt nachstehende Feststellungen getroffen:

Tunesien ist ein sicherer Herkunftsstaat und gemäß der Verfassung von 2014 ein freier, unabhängiger und souveräner Staat, dessen Religion der Islam, dessen Sprache das Arabische und dessen Regierungsform die Republik ist. Die erste Phase nach der Flucht des Präsidenten Ben Ali am 14.1.2011 prägten Übergangsregierungen, unterstützt von einer Hohen Instanz zur Verwirklichung der Ziele der Revolution als Ersatzparlament. Ferner betont die Verfassung den zivilen und rechtsstaatlichen Charakter des Regierungssystems. Die Verfassung sieht ein gemischtes Regierungssystem vor, in dem sowohl der Präsident als auch das Parlament direkt vom Volk gewählt werden. Die Mitglieder der Regierung werden vom Präsidenten ernannt und benötigen darüber hinaus das Vertrauen des Parlaments. Der Premierminister bestimmt die Richtlinien der Politik, mit Ausnahme der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die in der Zuständigkeit des Staatspräsidenten liegen (AA 18.9.2019a). Die Verfassung garantiert durch eine stärkere Gewaltenteilung und die Einrichtung eines Verfassungsgerichtshofs eine bessere Kontrolle der verschiedenen Gewalten. Außerdem wurde die Gleichstellung von Frauen festgeschrieben. Bezüglich der Rolle der Religion einigten sich die Abgeordneten auf einen zwiespältigen Text, der sowohl den zivilen Charakter des Staates sowie Glaubens- und Gewissensfreiheit garantiert, als auch den Schutz des Sakralen festschreibt (GIZ 9.2019a).

Aktuell ist ein tiefgreifender Umbruch in Tunesien in Gang (TS 14.10.2019). Tunesien hatte nach dem sogenannten Arabischen Frühling vor acht Jahren zwar tiefgreifende demokratische Reformen eingeleitet. Das Land kämpft aber mit großen wirtschaftlichen Problemen und hoher Arbeitslosigkeit. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist groß (DP 14.10.2019; vgl. TS 14.10.2019). Innerhalb weniger Wochen wurden aktuell im Herbst 2019 sowohl der Präsident als auch das Parlament neu gewählt (DP 14.10.2019; vgl. TS 14.10.2019). Am 15.9.2019 wurde ein neuer Präsident gewählt. 26 Kandidaten standen für die Nachfolge des am 25.7.2019 im Alter von 92 Jahren verstorbenen Staatschefs Beji Caid Essebsi zur Wahl. Caïd Essebsi war der erste Präsident seit Tunesiens Unabhängigkeit im Jahr 1956 (BAMF 29.7.2019).

Am Montag, den 14.10.2019, bestätigte das Wahlgremium offiziell den Sieg Kaïs Saïed im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen mit 72,71% der Stimmen um das Präsidentenamt in Tunesien (DP 14.10.2019; vgl. JA 14.10.2019; TS 14.10.2019). Der parteilose Saïed, der gesellschaftlich konservative Positionen vertritt, plant nach eigenen Angaben die Einführung eines dezentralen, basisdemokratisches Regierungssystems (DP 14.10.2019; vgl. TS 14.10.2019).

Bei einer Wahlbeteiligung von nur 45% lagen zwei Außenseiter vorn. Der für seine ultrakonservativen Ansichten bekannte parteilose Jurist Kaïs Saïed holte mit 18,4% der Stimmen das beste Ergebnis, gefolgt von dem aufgrund einer Anklage wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche seit August 2019 inhaftierten Medienunternehmer Nabil Karoui, der auf 15,6% der Stimmen kam. Es kam zur Stichwahl (BAMF 23.9.2019). In der am 13.10.2019 durchgeführten Stichwahl setzte sich der parteilose Verfassungsrechtler Kaïs Saïed gegen den Medienunternehmer Nabil Karoui mit 72,71% der Stimmen durch. Die unabhängige Wahlbehörde ISIE hatte beide Abstimmungsdurchgänge der Präsidentschaftswahl ohne Zwischenfälle organisiert. Stimmberechtigt waren circa sieben Millionen Menschen, die Wahlbeteiligung bei der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl lag bei 56%. Der 61 Jahre alte Saïed wurde Umfragen zufolge vor allem von jungen Tunesiern und Akademikern gewählt. Das Land kämpft mit massiven wirtschaftlichen Problemen (BAMF 21.10.2019).

Der politische Quereinsteiger Kaïes Saïed gilt als unbestechlich und politisch unerfahren. Den Tunesiern verspricht er neben der Bekämpfung der Korruption eine rigorose Überarbeitung der Verfassung und des Wahlsystems sowie mehr Demokratie auf lokaler Ebene. Saïed ist zudem für seine sehr konservativen Ansichten in gesellschaftlichen Fragen bekannt (BAMF 21.10.2019).

Bei der Parlamentswahl wurden die bislang etablierten Parteien deutlich abgestraft (DP 14.10.2019; vgl. TS 14.10.2019). Laut dem am 9.10.2019 veröffentlichten vorläufigen Wahlergebnis sicherte sich die moderat islamistische Partei Ennahda die meisten Stimmen bei den Parlamentswahlen (BAMF 14.10.2019; vgl. DP 14.10.2019) und 52 der insgesamt 217 Sitze im Parlament. Auf Platz zwei landete die Partei Qalb Tounes (Herz von Tunesien), geführt vom Präsidentschaftskandidaten Nabil Karoui, mit 38 Sitzen (BAMF 14.10.2019; vgl. DP 14.10.2019). Beide Parteien schließen eine Koalition aus. Das Parlament ist stark zersplittert, was eine Regierungsbildung nach Ansicht von Beobachtern schwierig machen könnte (DP 14.10.2019).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (18.9.2019a): Tunesien – Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tunesien-node/-/219068, Zugriff 24.10.2019

-BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (14.10.2019): Briefing Notes 14 Oktober 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018357/briefingnotes-kw42-2019.pdf, Zugriff 24.10.2019

-BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (23.9.2019): Briefing Notes 23 September 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2016920/Deutschland___Bundesamt_f%C3%Bcr_Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_23.09._2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 24.10.2019

-BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (29.7.2019): Briefing Notes 29. Juli 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014110/Deutschland___Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_29.07.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 24.10.2019

-BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (16.9.2019): Briefing Notes 16. September 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2016909/Deutschland___Bundesamt_f%C3%Bcr_Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_16.09.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 24.10.2019

-DP – die Presse (14.10.2019): Erdrutschsieg von Parteilosem Saied bei Präsidentschaftswahl, https://www.diepresse.com/5705812/erdrutschsieg-von-parteilosem-saied-bei-prasidentschaftswahl, Zugriff 24.10.2019

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2019a): Tunesien - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/tunesien/geschichte-staat/, Zugriff 24.10.2019

-JA - Jeune Afrique (14.10.2019): Tunisie: Kaïs Saïed élu président, d’après les résultats préliminaires officiels de l’Isie, https://www.jeuneafrique.com/842757/politique/tunisie-kais-saied-elu-president-dapres-les-resultats-preliminaires-officiels-de-lisie/, Zugriff 24.10.2019

-TS - Tageschau.de (14.10.2019): Entscheidung in Stichwahl Parteiloser wird Präsident Tunesiens, https://www.tagesschau.de/ausland/tunesien-stichwahl-107.html, Zugriff 24.10.2019

Sicherheitslage:

Die von der Regierung Essid als auch der Regierung Chahed angestrebte Verbesserung der Sicherheitslage im Inneren und der Anti-Terrorkampf bleiben trotz vermehrter Anstrengungen und zahlreichen Verhaftungs- und Durchsuchungsaktionen weiter eine Herausforderung. Nach den tragischen Anschlägen im Jahr 2015 auf das Bardo Museum, eine Hotelanlage in Sousse sowie einen Bus der Präsidialgarde blieben der Großraum Tunis sowie touristische Anlagen von gezielten Terroranschlägen verschont. Dies mag auch an dem intensiven und konsequenten Vorgehen der Sicherheitskräfte liegen. Dennoch wurde durch den schweren Angriff von IS-Milizen auf die tunesisch-libysche Grenzstadt Ben Guerdane im März 2016 ein neues Kapitel der Gefährdung aufgeschlagen. Hier konnten die Sicherheitskräfte, insbesondere das Militär, den Angriff durch ca. 100 vermeintliche IS-Kämpfer binnen kurzer Zeit niederschlagen. Dies zeigt, dass die Sicherheitskräfte sehr entschlossen gegen die latente und weiterhin präsente Gefährdung vorgehen (AA 2.3.2019).

Laut österreichischem Außenministerium gilt eine partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) für die Saharagebiete, das Grenzgebiet zu Algerien und die westlichen Landesteile (BMEIA 14.10.2019). Reisewarnungen bestehen für die Region südlich der Orte Tozeur – Douz – Ksar Ghilane – Tataouine – Zarzis. Mit gewaltsamen Aktionen von Terrororganisationen ist zu rechnen. Das militärische Sperrgebiet an der Grenze zu Algerien in der Nähe des Berges Chaambi ist teilweise vermint und kann von den Sicherheitskräften kurzfristig ausgedehnt werden. Im Westen des Landes ist mit verstärkter Militär- und Polizeipräsenz zu rechnen; es finden bewaffnete Auseinandersetzungen mit Terroristengruppen statt. Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) im Rest des Landes – bis auf die Touristenzonen (BMEIA 14.10.2019).

Der nach der Attentatsserie von 2015 verhängte weiterhin andauernde Ausnahmezustand wird regelmäßig verlängert und gilt im ganzen Land (AA 21.10.2019; vgl. BMEIA 14.10.2019) und gewährt den Sicherheitsbehörden einen erweiterten Handlungsspielraum, der von der Zivilgesellschaft durchaus kritisch beobachtet wird (ÖB 11.2018). Mit vermehrten Polizeikontrollen ist landesweit weiterhin zu rechnen (AA 21.10.2019).

Die Sicherheitslage ist nach wie vor prekär, geprägt von täglichen Sicherheitsoperationen von Militär und Polizei und Meldungen über vereitelte Anschläge. Die Sorge der Infiltration aus Libyen und anderen Konfliktzonen zurückkehrenden Islamisten tunesischen Ursprungs ist groß. Auch mit Hilfe ausländischer logistischer Unterstützung wurden die Grenzkontrollen drastisch verschärft und es wird auch im Land nach Rückkehrern gefahndet (ÖB 11.2018). Neben dem IS sind weiterhin Gruppen aktiv, die Al Qaida oder anderen extremistisch-islamistischen Ideologien angehören. Beim mit Algerien seit Jahren geführten gemeinsamen Kampf gegen terroristische Gruppierungen im Grenzbereich besteht ein Pattverhältnis, das die Bewegungsfreiheit der Terrorzellen weitgehend einschränkt, aber nicht verhindert. Dennoch sind die Sicherheitskräfte auch hier bemüht, die Situation zunehmend unter Kontrolle zu bringen, wobei das Gelände den Terrorzellen gute Rückzugsmöglichkeiten bietet. Die Sicherheitslage in Libyen verfolgt die tunesische Regierung mit großer Sorge. Die Sicherheitskräfte an der Grenze zu Libyen, einschließlich Militär, wurden daher erheblich verstärkt (AA 2.3.2019).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (2.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005230/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Tunesien_%28Stand_Januar_2019%29%2C_02.03.2019.pdf, Zugriff 21.10.2019

-AA - Auswärtiges Amt (21.10.2019): Tunesien - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tunesien-node/tunesiensicherheit/219024, Zugriff 21.10.2019

-BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (1.7.2019): Briefing Notes, 1. Juli 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2013142/Deutschland___Bundesamt_f%C3%Bcr_Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_01.07.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 21.10.2019

-BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (14.10.2019): Tunesien - Reiseinformationen, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/tunesien/, Zugriff 21.10.2019

-EDA - Eidgenössisches Department für Auswärtige Angelegenheiten (21.10.2019): Reisehinweise für Tunesien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/tunesien/reisehinweise-tunesien.html, Zugriff 21.10.2019

-EDA - Eidgenössisches Department für Auswärtige Angelegenheiten (21.10.2019): Reisehinweise für Tunesien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/tunesien/reisehinweise-tunesien.html, Zugriff 21.10.2019

-ÖB - Österreichische Botschaft Tunis (11.2018): Asylländerbericht Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018250/TUNE_%C3%96B_Bericht_2018_11.pdf, Zugriff 21.10.2019

Sicherheitsbehörden:

Dem Innenministerium untersteht die Polizei (Exekutivfunktion in Städten) und die Nationalgarde bzw. Gendarmerie (Exekutivfunktion in ländlichen Gebieten und Grenzsicherung). Zivile Behörden kontrollieren den Sicherheitsapparat, wie wohl es gemäß NGOs vereinzelt zu Misshandlungen von Häftlingen kommt (USDOS 13.3.2019; vgl. GIZ 9.2019a). Es mangelt an effektiven Strafverfolgungs- und Strafmechanismen bei Vergehen seitens der Sicherheitskräfte und diesbezügliche interne Untersuchungen sind von einem Mangel an Transparenz geprägt (USDOS 13.3.2019).

Der Sicherheitsapparat war unter dem Ben-Ali-Regime allgegenwärtig und sicherte dessen Machterhalt. Die Rolle der Sicherheitskräfte während des Umsturzes, aber teilweise auch bei gewaltsam aufgelösten Demonstrationen gegen die ersten beiden Interimsregierungen im Frühjahr 2011, vertieften den Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber den Sicherheitsorganen, insbesondere der Polizei und den Sondereinheiten des Innenministeriums. Die Kluft zwischen den Behörden für Inneres und der Bevölkerung konnte auch durch die Auflösung der Geheimpolizei („police politique“), die Symbol der staatlichen Repression war, nicht wieder geschlossen werden. Die Demonstranten forderten u.a. den Austausch von führenden Mitarbeitern im Innenministerium. Diese Forderung wurde zunächst nicht im erhofften Maße umgesetzt. Erst mit einiger Verspätung zog das Innenministerium personelle Konsequenzen und Verantwortliche auf verschiedenen Ebenen wurden versetzt, entlassen oder in den Vorruhestand versetzt. Eine von allen internationalen Partnern für notwendig erachtete umfassende Reorganisation des tunesischen Innenministeriums einschließlich der nachgeordneten Behörden wurde bislang noch nicht angegangen, es wurde aber im Sommer 2015 ein internationaler Kooperationsmechanismus etabliert, der zu mehr Transparenz und Koordination der Unterstützung führte (AA 2.3.2019).

Das Militär genießt aufgrund seiner zurückhaltenden Rolle während der Revolution 2011 ein sehr hohes Ansehen in der Bevölkerung, welches bis dato anhält. Durch die derzeit starke Einbindung des Militärs in den Antiterrorkampf als auch bei der Sicherung der Grenzen (so ist z.B. der Süden Tunesiens militärische Sperrzone) ist das Militär nach wie vor wichtiger Stützpfeiler der äußeren, aber auch der inneren Sicherheit (AA 2.3.2019).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (2.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005230/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Tunesien_%28Stand_Januar_2019%29%2C_02.03.2019.pdf, Zugriff 14.10.2019

-CIA - Central Intelligence Agency (8.10.2019): The World Factbook - Tunisia, https://www.cia.gov/library/publications/resources/the-world-factbook/geos/ts.html, Zugriff 14.10.2019

-GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2019a): Tunesien, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/tunesien/geschichte-staat/, Zugriff 14.10.2019

-USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Tunisia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004225.html, Zugriff 14.10.2019

Grundversorgung:

Die Grundversorgung der Bevölkerung gilt als gut (AA 2.3.2019). Tunesien verfügt über eine moderne Wirtschaftsstruktur auf marktwirtschaftlicher Basis sowie wichtige Standortvorteile: Ein hoher Industrialisierungsgrad, gute Infrastruktur, Nähe zu Europa sowie qualifizierte Arbeitskräfte (AA 6.5.2019b) und Steuervorteile für Exportbetriebe ("Offshore-Sektor") (GIZ 9.2019c). Den größten Anteil am Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet der Dienstleistungssektor (ca. 50% aller Erwerbstätigen), gefolgt von der Industrie (32%) und der Landwirtschaft (ca. 25%) (AA 6.5.2019b; vgl. GIZ 9.2019c). Neben dem Bergbau, der einer der wichtigsten Sektoren der tunesischen Wirtschaft ist, spielen Landwirtschaft, Textilfabrikation und Tourismus eine wichtige Rolle für die tunesische Wirtschaft. Im Dienstleistungssektor spielen vor allem nach Tunesien ausgelagerte Callcenter französischer Firmen und IT-Unternehmen eine große Rolle. Außerdem gründen sich seit 2011 immer mehr Start-Ups. Der sogenannte Start Up Act, der im April 2018 verabschiedet wurde, soll aufstrebenden jungen Kleinunternehmen v.a. im IT-Bereich den Start erleichtern (GIZ 9.2019c).

Der Förderung der Wirtschaft und der Schaffung von Arbeitsplätzen kommt nach der Revolution große Bedeutung zu, da die politischen Ereignisse für einen deutlichen Einbruch der Wirtschaft gesorgt haben. Die Arbeitslosigkeit bleibt eines der dringlichsten Probleme des Landes. Die tunesische Wirtschaft ist auch mehr als sieben Jahre nach dem Umbruch nicht besonders konkurrenzfähig. Das Finanzgesetz 2018 hatte zu Beginn des Jahres massive Proteste ausgelöst (GIZ 9.2019c).

Die größten Herausforderungen liegen in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (AA 6.5.2019; vgl. GIZ 9.2019c) und der Beschäftigungsförderung, der Verbesserung der arbeitsmarktorientierten Aus- und Fortbildung, sowie der Erhöhung des Investitionsniveaus im privaten und öffentlichen Sektor (AA 6.5.2019b). Die Arbeitslosigkeit bewegt sich zwischen 15 und 16%, wobei junge Menschen, Frauen, Akademiker (ca. 300.000) und die benachteiligten Regionen im Binnenland überproportional betroffen sind (AA 6.5.2019b; vgl. GIZ 9.2019c, ÖB 11.2018).

Um regionalen Ungleichheiten zu begegnen, hat Tunesien ein ambitioniertes Programm zur Regionalentwicklung vorgelegt (AA 6.5.2019b). Die aktuelle Regierung hat zur Verbesserung der Grundversorgung der Bevölkerung in den armen Gegenden des Südens und des Landesinnern eine Umwidmung der staatlichen Ausgabenprogramme weg vom gut entwickelten Küstenstreifen hin zu den rückständigeren Regionen vorgenommen (AA 2.3.2019).

Der staatliche Mindestlohn wurde nach der Revolution von 225 auf 380 Dinar monatlich (umgerechnet knapp 125 Euro) angehoben. Dies genügt kaum, um den Lebensunterhalt einer Person zu decken, geschweige denn davon eine Familie zu ernähren. Laut einer aktuellen Untersuchung des Sozialministeriums leben rund 24% der Bevölkerung in Armut, d.h. sie leben von weniger als dem staatlichen Mindestlohn (GIZ 9.2019c). Tunesien ist ein Niedriglohnland. Die durchschnittlichen Monatslöhne im produzierenden Gewerbe liegen zwischen 500 und 800 Dinar. Arbeiter im öffentlichen Sektor verdienen rund 900 Dinar, Beamte 1.000-1.600 Dinar (ÖB 11.2018).

Fast ein Viertel der Bevölkerung, vor allem auf dem Land, lebt in Armut. Nichtsdestotrotz verfügt das Land über eine relativ breite, weit definierte Mittelschicht aus selbständigen Kleinunternehmern, Angestellten und Beamten (deren Einkommen niedrig ist) und einer schmalen Oberschicht. Diese spaltet sich in alteingesessenes Bildungsbürgertum und ökonomische Elite (GIZ 9.2019b).

In Tunesien gibt es ein gewisses strukturiertes Sozialsystem. Es bietet zwar keine großzügigen Leistungen, stellt aber dennoch einen gewissen Basis-Schutz für Bedürftige, Alte und Kranke dar. Der Deckungsgrad beträgt 95%. Folgende staatlichen Hilfen werden angeboten: Rente, Arbeitslosengeld, Kindergeld, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Sterbegeld, Witwenrente, Waisenrente, Invalidenrente, Hilfen für arme Familien, Erstattung der Sach- und Personalkosten bei Krankenbehandlung, Kredite für Familien. Eine Arbeitslosenunterstützung wird für maximal ein Jahr ausbezahlt – allerdings unter der Voraussetzung, dass man vorab sozialversichert war. Es gibt folgende Arbeitsvermittlungsinstitutionen: Nationale Arbeitsagentur (ANETI), Berufsbildungsagentur (ATFP), Zentrum für die Ausbildung der Ausbilder und die Entwicklung von Lehrplänen (CENAFFIF), Zentrum für die Weiterbildung und Förderung der beruflichen Bildung (CNFCPP) (ÖB 11.2018).

Es existiert ein an ein sozialversichertes Beschäftigungsverhältnis geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem. Nahezu alle Bürger finden Zugang zum Gesundheitssystem. Die Regelungen der Familienmitversicherung sind großzügig und umfassen sowohl Ehepartner, als auch Kinder und sogar Eltern der Versicherten. Allerdings gibt es keine allgemeine Grundversorgung oder Sozialhilfe. Die mit Arbeitslosigkeit verbundenen Lasten müssen überwiegend durch den traditionellen Verband der Großfamilie aufgefangen werden, deren Zusammenhalt allerdings schwindet (AA 2.3.2019).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (2.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005230/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Tunesien_%28Stand_Januar_2019%29%2C_02.03.2019.pdf, Zugriff 21.10.2019

-AA - Auswärtiges Amt (9.2019b): Tunesien - Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tunesien-node/-/219026, Zugriff 21.10.2019

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2019b): Tunesien - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/tunesien/gesellschaft/, Zugriff 21.10.2019

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2019c): Tunesien - Wirtschaft & Entwicklung, http://liportal.giz.de/tunesien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 21.10.2019

-ÖB - Österreichische Botschaft Tunis (11.2018): Asylländerbericht Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018250/TUNE_%C3%96B_Bericht_2018_11.pdf, Zugriff 21.10.2019

Medizinische Versorgung:

Die medizinische Versorgung (einschließlich eines akzeptabel funktionierenden staatlichen Gesundheitswesens) hat das für ein Schwellenland übliche Niveau (AA 2.3.2019) und ist gewährleistet (BMEIA 14.10.2019). Eine weitreichende Versorgung ist in den Ballungsräumen (Tunis, Sfax, Sousse) gewährleistet; Probleme gibt es dagegen in den entlegenen Landesteilen. Auch die Behandlung psychischer Erkrankungen ist möglich. Die medizinische Behandlung von HIV-Infizierten bzw. AIDS-Kranken ist sichergestellt; es handelt sich jedoch um ein gesellschaftlich tabuisiertes Thema (AA 2.3.2019). Zwar gibt es in allen Landesteilen staatliche Gesundheitseinrichtungen, diese sind jedoch trotz guter medizinischer Ausbildung der Beschäftigten oft in desolatem Zustand: es mangelt an Ausstattung und Fachärzten, die vor allem in den Großstädten an der Küste angesiedelt sind. Darunter leiden vor allem bedürftige Patienten (GIZ 9.2019b).

In Einzelfällen kann es, insbesondere bei der Behandlung mit speziellen Medikamenten, Versorgungsprobleme geben. Ein Import dieser Medikamente ist grundsätzlich möglich, wenn auch nur auf eigene Kosten der Patienten. In Einzelfällen ist also eine konkrete Nachfrage bezüglich der Verfügbarkeit der benötigten Medikamente erforderlich, in den allermeisten Fällen sind sie vor Ort problemlos erhältlich (AA 2.3.2019). Seit dem Sommer 2018 fehlt es überdies immer häufiger an Medikamenten, die auf Grund von Zahlungsschwierigkeiten der Zentralapotheke nicht mehr eingekauft werden (GIZ 9.2018b).

Darüber hinaus gibt es ein weites Netz an Privatkliniken und niedergelassenen Ärzten von oft deutlich besserer Qualität. Tunesien gibt rund 6% seines Staatshaushaltes für das Gesundheitswesen aus. Die staatliche Krankenkasse CNAM ist für die Versicherung zuständig und erstattet Behandlungen in staatlichen Einrichtungen und teilweise auch Behandlungskosten bei niedergelassenen Ärzten. Ähnlich wie in Deutschland wird dabei ein Hausarzt-Modell praktiziert. Auch Medikamente werden teilweise erstattet (GIZ 9.2019b).

Tunesien hat lange Zeit in das Gesundheitswesen investiert. Ein Großteil der Ärzteschaft ist gut ausgebildet (z.T. auch im Ausland) und das Pflegepersonal ist günstig – die Basis für einen zunehmenden Gesundheitstourismus. Eine stark angestiegene Anzahl an Privatkliniken bedient meist Ausländer, u.a. zahlungskräftigen Libyer und Algerier. Die öffentliche Gesundheitsversorgung ist nach einem dreistufigen System organisiert und dringend reformbedürftig: erweiterte Leistung der Bezirkskrankenhäuser, verstärkte Ausstattung der Regionalkrankenhäuser und Ausbau der Uni-Kliniken. Zwar beträgt der Radius weniger als 5 km zur Erlangung medizinischer Hilfe, jedoch ist die qualitative Ausstattung in den öffentlichen Krankenhäusern katastrophal: fehlende Spezialisten, Überbelegung, lange Wartezeiten, katastrophale sanitäre Zustände, geringe Anfangsgehälter für ausgebildete Ärzte sind Realität. Beim Aufsuchen eines Arztes muss der Behandlungspreis stets sofort entrichtet werden. Je nach Praxis (Krankenhaus, Klinik, Hospital, Fachgebiet) sind das zwischen 20 und 80 Dinar, also etwa 8-30 Euro. 2005 wurden die beiden Krankenkassen (CNSS: Caisse nationale de sécurité sociale und CNRPS: Caisse nationale de retraite et de prévoyance sociale) zur Caisse Nationale d’Assurance Maladie (CNAM) zusammengelegt. Allerdings ist diese Kasse mit ca. 1,94 Milliarden Dinar hoch verschuldet – fehlende Beitragszahlungen und verteuerte Medikamente sind nur einige der Gründe. Tatsächlich besteht eine Klassengesellschaft innerhalb der medizinischen Versorgung. Nur gut betuchte können sich Privat- und Spezialkliniken oder Ärztezentren leisten, wo die Versorgung hochpreisig, einwandfrei und an westlichen Standards angepasst ist (ÖB 11.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (2.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005230/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Tunesien_%28Stand_Januar_2019%29%2C_02.03.2019.pdf, Zugriff 21.10.2019

-BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (14.10.2019): Reiseinformationen Tunesien, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/tunesien/, Zugriff 21.10.2019

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2019b): Tunesien - Gesellschaft, http://liportal.giz.de/tunesien/gesellschaft/, Zugriff 21.10.2019

-ÖB - Österreichische Botschaft Tunis (11.2018): Asylländerbericht Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018250/TUNE_%C3%96B_Bericht_2018_11.pdf, Zugriff 21.10.2019

Rückkehr:

Es gibt keine speziellen Hilfsangebote für Rückkehrer. Soweit bekannt, werden zurückgeführte tunesische Staatsangehörige nach Übernahme durch die tunesische Grenzpolizei einzeln befragt und es erfolgt ein Abgleich mit den örtlichen erkennungsdienstlichen Registern. Sofern keine innerstaatlichen strafrechtlich relevanten Erkenntnisse vorliegen, erfolgt anschließend eine reguläre Einreise. Hinweise darauf, dass, wie früher üblich, den Rückgeführten nach Einreise der Pass entzogen und erst nach langer Wartezeit wieder ausgehändigt wird, liegen nicht vor. An der zugrundeliegenden Gesetzeslage für die strafrechtliche Behandlung von Rückkehrern hat sich indes nichts geändert. Sollte ein zurückgeführter tunesischer Staatsangehöriger sein Land illegal verlassen haben, ist mit einer Anwendung der Strafbestimmung in §35 des Gesetzes Nr. 40 vom 14.5.1975 zu rechnen: „Jeder Tunesier, der beabsichtigt, ohne offizielles Reisedokument das tunesische Territorium zu verlassen oder zu betreten, wird mit einer Gefängnisstrafe zwischen 15 Tagen und sechs Monaten sowie einer Geldstrafe zwischen 30 und 120 DT (ca. 15 bzw. 60 Euro) oder zu einer der beiden Strafarten verurteilt. Bei Wiederholung der Tat (Rückfälligkeit) kann sich das im vorhergehenden Absatz aufgeführte Strafmaß für den Täter verdoppeln.“ Soweit bekannt, wurden im Jahr 2017 ausschließlich Geldstrafen verhängt. Die im Gesetz aufgeführten Strafen kommen nicht zur Anwendung bei Personen, die das tunesische Territorium aufgrund höherer Gewalt oder besonderer Umstände ohne Reisedokument betreten (AA 2.3.2019).

Eine „Bescheinigung des Genusses der Generalamnestie“ wird auf Antrag vom Justizministerium ausgestellt und gilt als Nachweis, dass die in dieser Bescheinigung ausdrücklich aufgeführten Verurteilungen - kraft Gesetz - erloschen sind. Eventuelle andere, nicht aufgeführte zivil- oder strafrechtliche Verurteilungen bleiben unberührt. Um zweifelsfrei festzustellen, ob gegen eine Person weitere Strafverfahren oder Verurteilungen vorliegen, kann ein Führungszeugnis (das sog. „Bulletin Numéro 3“) beantragt werden (AA 2.3.2019).

Seit der Revolution 2011 sind tausende Tunesier illegal emigriert. Vor allem junge Tunesier haben nach der Revolution das Land verlassen, kehren nun teilweise zurück und finden so gut wie keine staatliche Unterstützung zur Reintegration. Eine kontinuierliche Quelle der Spannung ist die Diskrepanz zwischen starkem Migrationsdruck und limitierten legalen Migrationskanälen. Die Reintegration tunesischer Migranten wird durch eine Reihe von Projekten von IOM unterstützt. Sowohl IOM als auch UNHCR übernehmen die Registrierung, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Tunesien. Finanzielle Hilfe dafür kommt hauptsächlich von der EU, sowie aus humanitären Programmen der Schweiz und Norwegens. Die Schweiz ist dabei einer der größten Geber und verfügt über zwei Entwicklungshilfebüros vor Ort. Wesentlich für eine erfolgreiche Reintegration ist es, rückkehrenden Migranten zu ermöglichen, eine Lebensgrundlage aufzubauen. Rückkehrprojekte umfassen z.B. Unterstützung beim Aufbau von Mikrobetrieben, oder im Bereich der Landwirtschaft. Als zweite Institution ist das ICMPD [International Centre for Migration Policy Development] seit 2015 offizieller Partner in Tunesien im Rahmen des sog. „Dialog Süd“ – Programms (EUROMED Migrationsprogramm) (ÖB 11.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (2.3.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005230/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Republik_Tunesien_%28Stand_Januar_2019%29%2C_02.03.2019.pdf, Zugriff 21.10.2019

-ÖB - Österreichische Botschaft Tunis (11.2018): Asylländerbericht Tunesien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2018250/TUNE_%C3%96B_Bericht_2018_11.pdf, Zugriff 21.10.2019

Eine nach Tunesien zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

Aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 28.12.2018 wird festgestellt:

Kinder tunesischer Staatsangehöriger erhalten auch wenn nur ein Elternteil – Vater oder Mutter – die tunesische Staatsangehörigkeit besitzen, automatisch die tunesische Staatsangehörigkeit durch Abstammung.

Quelle:

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Tunesien: Tunesierin, Niederlassung in Tunesien nach Eheschließung mit einem Afghanen und Staatsangehörigkeit des gemeinsamen Kindes, 28. Dezember 2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/2001966/TUNE_RA_Mischehe_Tune_Afgh_Kind_2018_12_28_KE.odt (Zugriff am 18. Februar 2020)

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz, in das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Tunesien und in die Anfragebeantwortung sowie durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Die belangte Behörde hat bereits ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht rundet das Beweisverfahren durch Verschaffung eines persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers durch Abhaltung einer mündlichen Verhandlung ab und steht nunmehr der Sachverhalt abschließend fest.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen und seiner Glaubens- und Volkszugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Diese Angaben sind vom Beschwerdeführer als einzige Elemente gleichbleibend vorgetragen worden.

Da der Beschwerdeführer unterschiedliche Staatsangehörigkeiten, Geburts- und Aufenthaltsort angab und keinerlei identitätsbezeugende Dokumente in Vorlage brachte, bedurfte es einer ergänzenden Ermittlung. Zunächst ist festzuhalten, dass dem Beschwerdeführer als Person die Glaubwürdigkeit abzusprechen ist. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung, vor der belangten Behörde und schließlich auch in der mündlichen Verhandlung am 12.12.2019 jeweils divergierende Angaben zu seiner Herkunft, seinem Lebenslauf und Familienangehörigen machte.

Letztlich konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer tunesischer Staatsangehöriger ist, da sich aus der Anfragebeantwortung ergibt, dass ein Kind eines tunesischen Elternteils ebenso die Staatsbürgerschaft erhält. Der Beschwerdeführer gab an, dass seine Mutter Tunesierin war und dass er in Tunesien geboren wurde. Sein Vater ist Libyer. Diese Angaben blieben im Verfahren gleich, er änderte aber seinen Geburtsort vor der belangten Behörde in Tripolis, Libyen ab. Ungeachtet seines Geburtsortes trat er den Ausführungen der Anfragebeantwortung nicht entgegen und ist seine Staatsangehörigkeit als Tunesier somit feststellbar.

Aufgrund der stark abweichenden Angaben zu Familienangehörigen, konnte seine Verwandtschaft nicht festgestellt werden. In der Erstbefragung gab er an, keine Geschwister zu haben, vor der belangten Behörde sprach er von einem mittlerweile verstorbenen Bruder und zwei verheirateten Schwestern in Tunesien, in der mündlichen Verhandlung gab er sodann an, dass sein Bruder in Frankreich lebe und er nur eine Schwester in Algerien habe.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich kein Familienleben führt, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben. Er nannte in der mündlichen Verhandlung eine Freundin namentlich, die in Oberösterreich lebt, ihn abholt und die er nächstes Jahr heiraten möchte. Unter dem angegebenen Namen konnte eine in Oberösterreich lebende Frau im ZMR gefunden werden. Die Frau ist bereits seit Juli 2018 verheiratet und lebt nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer. Eine maßgebliche familiäre Bindung musste somit verneint und konnte ein Familienleben nicht festgestellt werden. Mangels Vorlage irgendwelcher Unterlagen, die seine Integration in Österreich belegen könnten und seinen eigenen Angaben, wonach er kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation ist, mussten auf die Integration betreffend negative Feststellungen getroffen werden. Auch wenn er in der Gemeinde bei verschiedenen Tätigkeiten mitgeholfen hat und gelegentliche Reinigungsarbeiten in der Unterkunft übernahm, belegt dies zwar seine Arbeitswilligkeit und -fähigkeit, eine maßgebliche Integration in beruflicher Hinsicht wird dadurch aber noch nicht belegt. In Zusammenschau mit den in der Verhandlung gezeigten rudimentären Deutschkenntnissen konnte keine maßgebliche Integration erblickt werden.

Wie ausgeführt kann der Beschwerdeführer Tätigkeiten trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen verrichten. Dass der Beschwerdeführer wegen Wundrose und Krätzmilben behandelt wird, ergibt sich aus den beigebrachten ärztlichen Attesten. In der mündlichen Verhandlung gab die Rechtsberaterin zu Protokoll, dass die Narben abgeheilt sind und nur mehr eine Creme gegen die Krätzmilben anzuwenden ist. Insofern konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer soweit gesund ist, um einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, auch wenn im aktuellsten Attest noch eine Vorstellung an der Ambulanz für plastische Chirurgie für Mitte Jänner 2020 vermerkt wurde. Dass die benötigten Medikamente in Tunesien erhältlich sind, ergibt sich aus deiner Recherche auf der tunesischen Seite med.tn (https://www.med.tn/medicament/recherche/CLAVAMOX/ und https://www.med.tn/medicament/recherche/novalgin/, Zugriff 19.02.2020).

Aus dem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem, dem ZMR und dem Strafregister ergeben sich die Feststellungen zu seinem gegenwärtigen Wohnsitz, dem Leistungsbezug der staatlichen Grundversorgung, der momentanen Erwerbslosigkeit und der strafgerichtlichen Unbescholtenheit.

Feststellungen zu seiner Reiseroute und dem bisherigen Verfahrensverlauf ergeben sich aus den gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers und dem IZR sowie einem Aktenvermerk über die zwischenzeitliche Einstellung des Verfahrens und dem Festnahmeauftrag.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer bringt als Fluchtgrund einen Bombenangriff nach vorangegangenen Streitigkeiten vor. In allen Einvernahmen gab er gleichbleibend an, dass die Explosion in Libyen geschehen ist. Dass ein solcher Angriff stattgefunden hat und er eine schwere Verletzung an seinem Bein davongetragen hat, kann auch aufgrund der vorgelegten medizinischen Befunde und Schilderungen des Beschwerdeführers als glaubhaft angenommen werden. Da der Beschwerdeführer tunesischer Staatsangehöriger ist, sich der Anschlag aber in Libyen zugetragen hat, scheidet dieses Vorbringen in Bezug auf den Herkunftsstaat aus.

Zu prüfen ist das weitere Vorbringen, wonach ihm auch in Tunesien von denselben Angreifern weiter Verfolgung drohe. Dazu führte er aus, dass an seine Hauswand in Tunesien eine Todesdrohung geschrieben worden sei. Der Beschwerdeführer nannte in keiner Einvernahme die Angreifer namentlich und sprach stets nur von „ihnen“ und „die“. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer diese Personen nicht klarer definieren konnte, wenn er gleichzeitig vorbringt, dass sein Vater die Personen nach dem Bombenangriff angezeigt hätte. Aufgrund der Anzeige wären sie ihm auch nach Tunesien gefolgt. Der Beschwerdeführer konnte dazu aber auch auf Nachfrage des Richters nicht nachvollziehbar darlegen, wie ihn die Angreifer in Tunesien, im Speziellen in der Millionenstadt Tunis und dort wiederum im angegebenen Stadtteil ausfindig machen konnten. Noch weniger verständlich ist, dass es sich dabei um das Haus seiner Großmutter gehandelt haben soll und er zuvor monatelang im Krankenhaus behandelt worden sei. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass er keinerlei Bedrohung an seinem Vater vorbrachte, schließlich habe dieser die Angreifer angezeigt.

Es ist für den erkennenden Richter nicht schlüssig nachvollziehbar, dass die behauptete Verfolgung sich auch auf Tunesien ausgedehnt haben soll. Zudem konnte festgestellt werden, dass Tunesien ein sicherer Herkunftsstaat ist und wäre es daher am Beschwerdeführer gelegen, sich an die tunesischen Sicherheits- oder Polizeibehörden zu wenden, die fähig und willig sind, ihren Staatsbürgern Schutz vor kriminellen Tätern zu bieten. Der Beschwerdeführer gab an, gleich das Land verlassen zu haben, ohne sich an Sicherheitsbehörden zu wenden. Insofern hat er auch nicht dargelegt oder behauptet, dass Tunesien ihn nicht schützen könnte.

Ferner wurde erstmals in der mündlichen Verhandlung eine Bedrohung in Tunesien vorgebracht, was auf eine wesentliche Steigerung seines Fluchtvorbringens hinweist. Denn der Beschwerdeführer hat sich zuvor lediglich auf die Vorfälle in Libyen bezogen. Erst als der Beschwerdeführer damit konfrontiert wurde tunesischer Staatsangehöriger zu sein, gab der an, dass er bzw. seine Großmutter bedroht worden wären. Auch diese Großmutter wurde erstmals in der mündlichen Verhandlung erwähnt.

Da der Beschwerdeführer weder in seiner Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung weitere Fluchtgründe vorbrachte und die bereits angegebenen als nicht für den Herkunftsstaat relevant bzw. nicht glaubhaft zu qualifizieren waren, konnte keine individuelle Verfolgung oder Bedrohung des Beschwerdeführers in Tunesien festgestellt werden.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Aus § 1 Z 11 Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idgF BGBl. II Nr. 145/2019, ergibt sich, dass Tunesien ein sicherer Herkunftsstaat ist. Die sonstigen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Tunesien vom 31.10.2019 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Erlangung der Staatsangehörigkeit bei einem tunesischen Elternteil ergibt sich aus der eingeholten und in der mündlichen Verhandlung erörterten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 28.12.2018.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen und beharrte indes weiter darauf, Staatsangehöriger Libyens zu sein.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1.    Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1.  Rechtslage

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinaus geht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass er nach einem Bombenanschlag von denselben Leuten auch in Tunesien verfolgt wird und ihm Tunesien keinen Schutz vor derartigen Übergriffen bieten könnte. Ein in der Genfer Flüchtlingskonvention verankerter Asylgrund wurde sohin nicht vorgebracht.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2.    Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1.  Rechtslage

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

3.2.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Dem Beschwerdeführer droht in Tunesien - wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung.

Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Tunesien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist volljährig und soweit gesund, dass er auch arbeitsfähig ist. Er hat bereits Erfahrungen am tunesischen Arbeitsmarkt gesammelt und hat sich seinen Unterhalt in der Vergangenheit durch unterschiedliche Tätigkeiten wie Kellner, Mechaniker und in der Landwirtschaft gesichert. Trotz seines medizinischen Behandlungsbedarfs ist er aber in der Lage, Tätigkeiten anzunehmen und daraus ein Einkommen zu erzielen. Er wird sich eine Lebensgrundlage durch Berufstätigkeit sichern können und wird damit auch ärztliche Hilfe oder Medikamente in Anspruch nehmen können. Die empfohlene Medikation beschränkt sich auf die Einnahme von Schmerzmitteln bei Wundschmerzen und eine Creme gegen die Krätzmilbe und ist in Tunesien erhältlich.

Aus dem Länderinformationsblatt ergibt sich, dass medizinische Versorgung in den Ballungsräumen gewährleistet ist. Der Erhalt von Medikamenten ist meist problemlos und ist auch eine staatliche Krankenkasse eingerichtet, sodass tunesische Staatsbürger sich in öffentlichen Krankenanstalten behandeln lassen können und auch Kosten bei Privatordinationen zumindest zum Teil ersetzt werden. Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit und ist nicht länger pflege- oder rehabilitationsbedürftig. Er wurde bereits nach dem Bombenangriff in einem tunesischen Krankenhaus operiert und war mehrere Monate stationär aufgenommen und wird auch eine eventuelle Weiterbehandlung bzw. Nachsorge mit entsprechenden Schmerzmitteln oder Cremen zukünftig möglich sein.

Damit ist der Beschwerdeführer durch die Abschiebung nach Tunesien nicht in seinem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Tunesien besser gestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Tunesien keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Ganz allgemein besteht in Tunesien derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Tunesien, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw der Todesstrafe besteht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 Z 1 AsylG abzuweisen war.

3.3.    Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides)

3.3.1.  Rechtslage

Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

3.3.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 57 AsylG, abzuweisen war.

3.4.    Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

3.4.1.  Rechtslage

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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