TE Lvwg Erkenntnis 2020/12/16 LVwG-2020/40/1849-7

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Veröffentlicht am 16.12.2020
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Entscheidungsdatum

16.12.2020

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §74

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerden 1. des AA, Adresse 1, *** Z, 2. des BB, Adresse 2, *** Y, 3. des CC, Adresse 3, *** Y, alle vertreten durch Rechtsanwalt DD, Adresse 4, *** X, 4. der EE, Adresse 5, *** W und 5. des FF, Adresse 5, *** W gegen Spruchpunkt C des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft X vom 29.07.2020, Zl ***, betreffend die gewerberechtliche Genehmigung für einen Parkplatz nach der GewO 1994, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung

zu Recht erkannt:

1.       Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 29.07.2020, Zl *** wurde der Gemeinde Y in Spruchpunkt A die naturschutzrechtliche Bewilligung, in Spruchpunkt B die baurechtliche Bewilligung und in Spruchpunkt C die gewerberechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Parkplatz mit 109 Stellplätzen und einem Busparkplatz auf Grundstück Nr **1, KG Y, erteilt.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde bringen die Beschwerdeführer AA, BB, GG und CC, vertreten durch Rechtsanwalt DD, zusammengefasst vor, dass durch die Errichtung der projektierten Anlage die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Staub und Erschütterung, insbesondere die ständigen Vibrationsgeräusche erheblich belästigt und letztlich auch in ihrer Gesundheit geschädigt würden, sodass die belangte Behörde die gewerberechtliche Bewilligung nicht erteilen hätte dürfen. Durch das Ein- und Ausfahren zahlreicher Fahrzeuge sowie durch die mit dem Parkvorgang zusammenhängende Geräuschkulisse entstehe eine Situation, welche für die Nachbarn untragbar sei. Weiters habe es die Behörde unterlassen, die materielle Wahrheit zu erforschen und die erforderlichen fachlichen Stellungnahmen/Sachverständigengutachten einzuholen, um zu beurteilen können, ob tatsächlich keine unzumutbaren Belästigungen der Nachbarn durch Lärm, Geruch, Staub und/oder Vibrationen bestehen. Die Behörde habe durch ihre Vorgehensweise zudem eine Rechtswidrigkeit infolge von einer Verletzung von Verfahrensvorschriften begründet, da unter anderem das eingeholte Gutachten ergänzungsbedürftig sei.

Von EE und FF wird in ihrer als Einspruch bezeichneten Beschwerde noch zusätzlich vorgebracht, dass die Errichtung des gegenständlichen Parkplatzes zusätzlichen Verkehr und damit unzumutbaren Lärm und Abgase in den Ort hineinbringe, statt wie in den anderen Ortsteilen für Verkehrsberuhigung zu sorgen.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Akt der belangten Behörde und durch Einholung eines emissions- und immissionstechnischen Gutachtens. Am 16.12.2020 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol statt, in der die Akten verlesen und das Gutachten des emissions- und immissionstechnischen Amtssachverständigen erörtert wurde. Im Rahmen dieser Verhandlung wurde die Beschwerde der Frau GG zurückgezogen.

II.      Sachverhalt:

Mit dem vorgelegten Einreichprojekt der Gemeinde Y ist die Errichtung eines öffentlichen Parkplatzes mit 109 PKW- und einem Bus-Stellplatz beantragt. Der Parkplatz soll auf Gst. Nr. **1 KG Y im Ortsteil V errichtet werden. Der Parkplatz ist südlich entlang der U mit einer Gesamtlänge von rund 170 m projektiert. Die Stellplätze sind beidseitig eines zentralen Zufahrtswegs angeordnet. Dieser Weg weist eine Breite von 6 m auf. Der Parkplatz soll täglich im Zeitraum von 6 bis 22 Uhr betrieben werden. Zur Einhaltung der Nachtsperrzeiten soll eine Schrankenanlage errichtet werden, die im Zeitraum von 22 bis 6 Uhr geschlossen wird. Die mittlere Parkdauer beträgt zwei bis acht Stunden, sodass von einem ein- bis zweifachen Stellplatzwechsel pro Tag ausgegangen wird. In der Spitzenstunde werden auf der Zufahrt zum Stellplatz 119 KFZ Fahrbewegungen angesetzt. Die Emissionserklärung für Lärm beinhaltet nach der Bayerischen Parkplatzlärmstudie einen Anpassungswert für die Impulshaltigkeit, um den Effekt zuschlagender Türen nach dem Stand der Technik zu berücksichtigen. Mit einer Bewegungshäufigkeit von 0,3 pro Stellplatz und Stunde, der Parkplatzart Park&Ride und unter Berücksichtigung einer meteorologischen Korrektur wird im Projekt für die Nachbarn mit einer vereinfachten A-bewerteten Berechnung (keine oktavweise Ermittlung der Dämpfungsmaße und der Quellterme) die Einhaltung des planungstechnischen Grundsatzes der ÖAL-Richtlinie 3 ausgewiesen.

Nördlich des geplanten Parkplatzes grenzt die U an. Im Bereich der Einfahrt zum Parkplatz, die sich am nordwestlichen Ende der Parkfläche befindet, befinden sich die Stellflächen nur geringfügig unter Niveau der Landesstraße. Im östlichen Teil des Parkplatzes ist dieser um bis zu 2 m unter der Landesstraße gelegen, sodass die Landesstraße in diesen Bereichen eine optische und akustische Barriere zu den nördlich der Landesstraße gelegenen Wohngebäuden der Beschwerdeführer darstellt. Der Planungstechnische Grundsatz wird bei sämtlichen Wohnnachbarn bzw den Beschwerdeführern eingehalten. Die akustische Ist-Situation wird bei den Nachbarn damit weiterhin im Wesentlichen durch die nahe gelegene T gebildet. Der weiter entfernte und teilweise abgeschirmte, weil tiefer liegende Parkplatz ist nicht geeignet, die akustische Ist-Situation zu erhöhen.

Die Ermittlung der motorischen Emissionen sowie der Immissionsbelastung erfolgte nach der Technischen Grundlage „Emissionen von Kraftfahrzeugen im Bereich von Abstellflächen“. Bei einer Emission von CO 13,9 g/h, NOx 6,1 g/h, Benzol 71,8 mg/h, Partikel 81,6 mg/h werden im Projekt mit dem einfachen Box-Fluss-Modell samt Abklingkurve Maximalimmissionen von (gerundet) CO 12 ?g/m³, NOx 5 ?g/m³, Benzol 0,06 ?g/m³, Partikel 0,07 ?g/³ abgeschätzt und mit den Grenzwerten nach IG-L verglichen. Das Untersuchungsgebiet befindet sich weder in einem belasteten noch in einem Sanierungsgebiet gemäß IG-L. Damit kann die Relevanzschwelle mit 3 % des Grenzwerts angesetzt werden. Beim NO2 Jahresmittel - Grenzwert von 35 ?g/m³ beträgt die Relevanzschwelle 1,05 ?g/m³, für den Halbstundenmittelwert von 200 ?g/m³ beträgt diese 6 ?g/m³. Diese Schwellen werden bei den Nachbarn durch den Parkplatzbetrieb schon bei der Substanz NOx, umso mehr bei der Teilmenge NO2, deutlich unterschritten. Damit liegen die Immissionsbelastungen auch für die anderen betrachteten Luftschadstoffkomponenten deutlich unter der Relevanzschwelle, sodass keine weiteren Untersuchungen notwendig sind.

Im Vergleich zu der deutlich näher an den Nachbarn liegenden Landesstraße sind die Erschütterungsemissionen und –immissionen des Parkplatzes vernachlässigbar gering.

III.     Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurde ein Gutachten für die Bereiche Schall, Erschütterungen und Luftschadstoffe eingeholt und dieses im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2020 eingehend erörtert.

Das Gutachten des emissionstechnischen Amtssachverständigen ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Die Beschwerdeführer konnten diesem Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten, auch ist es ihnen nicht gelungen, Zweifel an der Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit zu erwecken, sodass die Beurteilung des emissionstechnischen Amtssachverständigen der gegenständlichen Entscheidung unbedenklich zugrunde gelegt werden konnte.

Bei Einhaltung des planungstechnischen Grundsatzes im Bezug auf Lärm und aufgrund der Feststellungen des Amtssachverständigen, dass die akustische Ist-Situation bei den Nachbarn durch die nahe gelegene T gebildet wird und der weiter entfernte und teilweise abgeschirmte, weil tiefer liegende Parkplatz nicht geeignet ist, die akustische Ist-Situation zu erhöhen, die zusätzlichen Immissionsbelastungen deutlich unter der Relevanzschwelle liegen und die Immissionen durch Erschütterungen vernachlässigbar gering sind, ist eine weitere humanmedizinische Untersuchung nicht erforderlich.

Der Antrag auf ergänzende Lärmmessungen in der Motorradsaison war abzuweisen, da der lärmtechnische Amtssachverständige im Rahmen der mündlichen Verhandlung dazu angab, dass ein Verhalten, wie seitens der Beschwerdeführer geschildert, aus fachlicher Sicht nicht prognostizierbar ist.

IV.      Rechtslage:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994, BGBl 194 idF BGBl I 2018/45 lauten wie folgt:

§ 74 GewO

(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

…“ […]

§ 75.

(2) Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.

…“

§ 77.

(1) Die Betriebsanlage ist zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die nach dem ersten Satz vorzuschreibenden Auflagen haben erforderlichenfalls auch Maßnahmen für den Fall der Unterbrechung des Betriebes und der Auflassung der Anlage zu umfassen; die Behörde kann weiters zulassen, dass bestimmte Auflagen erst ab einem dem Zeitaufwand der hiefür erforderlichen Maßnahmen entsprechend festzulegenden Zeitpunkt nach Inbetriebnahme der Anlage oder von Teilen der Anlage eingehalten werden müssen, wenn dagegen keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen bestehen.

(2) Ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 zumutbar sind, ist danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

(…)“

V.       Erwägungen:

Die Betriebsanlage ist gemäß § 77 Abs 1 GewO 1994 zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a GewO 1994) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 GewO 1994 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Nachbarn im Sinne der GewO 1994 sind gemäß § 75 Abs 2 alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind.

Ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs 2 Z 2 GewO 1994 zumutbar sind, ist gemäß § 77 Abs 2 GewO 1994 danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

Dem Akt der belangten Behörde liegt ein lärmtechnisches Gutachten bei. In diesem Gutachten wurden die lärmtechnischen Emissionsangaben des Projekts herangezogen und darauf aufbauend eine Ausbreitungsberechnung nach ÖNORM ISO 9613-2 durchgeführt. Die Umgebungsgeräuschsituation wurde detailliert ermittelt und dann gutachterlich festgestellt, dass die Parkplatz-Lärmemissionen nicht geeignet sind, die akustische Ist-Situation bei den Nachbarn relevant zu verändern. Dem Gutachten kann entnommen werden, dass der sogenannte Planungstechnische Grundsatz nach ÖAL-Richtlinie 3 Blatt 1 im Tag- und Abendzeitraum (6 bis 19 und 19 bis 22 Uhr) eingehalten ist.

Die Emissionsberechnung für Lärm im Projekt erfolgt für einen Park & Ride Parkplatz, das sind Parkplätze, bei denen PKW typischerweise mit 1 bis 2 Personen belegt sind. Wie im Projekt angeführt wird, sind die PKW hier typischerweise mit 2 bis 5 Personen besetzt. In diesem Zusammenhang kann die von den Nachbarn in der Beschwerde vorgebrachte Anmerkung, wonach häufiges Türen-Zuschlagen und die Gespräche der Parkplatzbenutzer im Emissionsansatz nicht ausreichend berücksichtigt wären, fachlich bestätigt werden. Aus fachlicher Sicht wäre der gegenständliche Parkplatz im Sinne der Bayerischen Parkplatzlärmstudie als Parkplatz einer Gaststätte mit einem Parkplatzart-Zuschlag KPA von +3 dB zu berechnen. Auch der im Projekt gewählte Impulszuschlag KPI von +4 dB entspricht nicht dem in Österreich gemäß ÖAL-Richtlinie 3 Blatt 1 anzuwendenden Anpassungswert von +5 dB. Aus diesen Gründen wurde eine kontrollierende Ausbreitungsberechnung durch den lärmtechnischen Amtssachverständigen des Landesverwaltungsgerichtes im Beschwerdeverfahren durchgeführt. Dazu wurde das Untersuchungsgebiet in einem dreidimensionalen Geländemodell erfasst. Die Berechnung der Schallemissionen und der -immissionen erfolgte mit dem EDV-Programm Soundplan 8.2 nach dem in Österreich anzuwendenden Berechnungsverfahren der ÖNORM ISO 9613-2.

Der Vergleich mit den Ergebnissen des erstinstanzlichen Gutachtens zeigt eine gute Übereinstimmung. Diese kann darauf zurückgeführt werden, dass im erstinstanzlichen Gutachten dem Emissionsansatz des Projekts ein genereller Anpassungswert nach ÖAL-Richtlinie 3 von 5 dB zugeschlagen und damit der zu geringe Emissionsansatz im Projekt (Parkplatzart - 3 dB und Impulshaltigkeit - 1 dB = -4 dB) kompensiert wurde. Damit können die Schlüsse des erstinstanzlichen Gutachtens bezüglich der Lärmbelastung durch den Parkplatz bestätigt werden, wonach der Planungstechnische Grundsatz bei sämtlichen Wohnnachbarn bzw. Beschwerdeführern eingehalten wird.

Der Planungstechnische Grundsatz ist ein auf der Basis von Beurteilungspegeln gebildeter, entsprechend strenger Beurteilungsmaßstab, bei dessen Einhaltung davon ausgegangen werden kann, dass die zu beurteilende Schallimmission zu keiner über die Schwankungsbreite der ortsüblichen Schallimmission hinausgehenden Veränderung derselben führt. Damit kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass die Veränderung wahrnehmbar ist, sie kann aber im Rahmen der jederzeit erwartbaren Variabilität von Umweltbedingungen als für die Betroffenen akzeptabel angesehen werden. Für die Betrachtung über die gesamte Bezugszeit bedeutet die Einhaltung des Planungstechnischen Grundsatzes keine messbare Veränderung des Mittelungspegels. Die akustische Ist-Situation wird bei den Nachbarn damit weiterhin im Wesentlichen durch die nahe gelegene T gebildet. Der weiter entfernte und teilweise abgeschirmte, weil tiefer liegende Parkplatz ist nicht geeignet, die akustische Ist-Situation zu erhöhen.

Aufgrund der schlüssigen uns nachvollziehbaren Beurteilung des lärmtechnischen Amtssachverständigen, dass Parkplatz nicht geeignet ist, die akustische Ist-Situation zu erhöhen, ist eine weitere Beurteilung durch einen medizinischen Sachverständigen nicht erforderlich. Eine Belästigung oder Gesundheitsgefährdung durch Lärm liegt sohin nicht vor.

Erschütterungen durch Straßenverkehr hängen von der Fahrzeugmasse, den Bodenunebenheiten und der Geschwindigkeit ab. Im Vergleich zu der deutlich näher an den Beschwerdeführern gelegenen U sind die Erschütterungen am Parkplatz tatsächlich vernachlässigbar gering. Diesbezüglich kann auch auf die ÖNORM S 9020 verwiesen werden. Diese Norm setzt sich mit dem Erschütterungsschutz für ober- und unterirdische Anlagen auseinander. Dort wird für verkehrsbedingte Erschütterungen von Straßen bei Straßen mit einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 50 km/h angegeben, dass es in einem Abstand von 5 Meter zur Straße unabhängig von den geotechnischen Verhältnissen zu keinen Gebäudeschäden kommt. Erschütterungen sind nur dann spürbar und relevant, wenn tatsächlich erhebliche Unebenheiten vorhanden sind und schwere Fahrzeuge wie Lastkraftwagen über diese Unebenheiten fahren und gleichzeitig das Gebäude sich unmittelbar am Straßenrand befindet. In solchen Fällen kann es zu spürbaren Erschütterungen im Gebäude kommen. Im gegenständlichen Fall ist dies nicht gegeben. Es ist daher auszuschließen, dass die Beschwerdeführer durch Erschütterungen belästigt werden können, zumal der gegenständliche Parkplatz lediglich über einen Busparkplatz verfügt und daher die überwiegende Anzahl von Fahrzeugen nicht die erforderliche Masse aufweist, um Erschütterungen entstehen zu lassen. Die gefahrenen Geschwindigkeiten auf einem Parkplatz werden die 50 km/h- Marke nicht überschreiten, Bodenunebenheiten sind aus den Projektsunterlagen nicht erkennbar. Zudem sind die Beschwerdeführer vom gegenständlichen Parkplatz durch die Bundesstraße B 199 getrennt, sodass Erschütterungen vor allem durch den Schwerverkehr auf dieser Straße spürbar sein können.

Die Emissionsdaten wurden im Projekt nach dem Stand der Technik ermittelt. Eine Kontrollrechnung ergab – unter Berücksichtigung jeweils eines Stauereignisses beim Ein- und Ausfahren – folgende Emissionsfrachten: CO 416 g/Tag, NOx 72 g/Tag, Benzol 6 g/Tag, Partikel 1,6 g/Tag.

Berechnet man die durchschnittliche Emission für die Betriebszeit von 16 Stunden, ergibt sich eine im Vergleich zur Projektangabe geringfügig höhere Emissionsfracht. Die im Projekt verwendete Methodik mit dem Box-Fluss Modell samt Abklingkurve ist aktuell noch in der Technischen Grundlage enthalten, entspricht aber nicht mehr dem Stand der Technik. Für Parkplätze kann damit jedoch eine worst-case Abschätzung vorgenommen werden.

Für die Immissionsprognose nach dem Stand der Technik wird das am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik entwickelte Modellsystem GRAMM/GRAL verwendet. Dieses setzt sich aus dem prognostischen Windfeldmodell GRAMM (Grazer Mesoskaliges Modell) und dem lagrange´schen Partikelmodell GRAL (Grazer Lagrange Modell) zusammen. Die zur Berechnung der räumlichen Schadstoffausbreitung benötigten dreidimensionalen Strömungsfelder werden mit Hilfe des prognostischen Windfeldmodells GRAMM berechnet. Prognostische Windfeldmodelle haben gegenüber diagnostischen Windfeldmodellen den Vorteil, dass neben der Erhaltungsgleichung für Masse auch jene für Impuls und Enthalpie in einem euler’schen Gitter gelöst werden. Damit können dynamische Umströmungen von Hindernissen in der Regel besser simuliert werden. Für eine Ausbreitungsrechnung eignen sich derartige Modelle aus Gründen der nicht-adäquaten Turbulenzmodellierung (v.a. bei windschwachen Wetterlagen) und der groben räumlichen Auflösung von Emissionsquellen nicht. Daher wird für die Ausbreitungsrechnung das lagrange’sche Partikelmodell GRAL verwendet. Bei lagrange’schen Partikelmodellen wird die Schadstoffausbreitung durch eine große Anzahl von Teilchen simuliert, deren Bewegung durch das vorgegebene Windfeld sowie einer überlagerten Turbulenz bestimmt ist. Für die Bestimmung von Immissionskonzentrationen werden in einem festgelegten Gitter zu jedem Zeitpunkt die Anzahl an Teilchen in jedem Gittervolumen ermittelt und über die Zeit integriert. Dieses Modellsystem entspricht dem Stand der Technik und wird den besonderen Ansprüchen bei Simulationen im komplexen Gelände und bei windschwachen Wetterlagen gerecht.

Für die Ausbreitung von Luftschadstoffen sind insbesondere der Wind und die Stabilität der Atmosphäre die bestimmenden Größen. Die modellierten Wind- und Stabilitätsverhältnisse für den Untersuchungsraum ergeben in der Zusammenschau mit der Messstation R sowie dem Schema des Hang-, Berg- und Talwindsystems nach Defant ein plausibles Bild und stellen damit eine geeignete meteorologische Grundlage für die Ausbreitungsberechnung dar. Die Windgeschwindigkeiten sind, wie durch den Talverlauf und die geringe Rauigkeit des Haldensees zu erwarten ist, höher als am Messstandort, zudem verursacht die Lage am Talrand thermisch bedingte Hangauf- und Hangabwinde. Die Parkplatzemission wurde als Volumenquelle über die Parkplatzfläche und einer initialen Höhe von 3 m definiert. Als Referenzschadstoff wurde Stickoxid gewählt, da dieser Luftschadstoff im konkreten Projekt das ungünstigste Verhältnis zwischen Emissionsfracht und Grenzwert nach IG-L aufweist.

Nach dem Leitfaden für UVP und IG-L „Umgang mit Überschreitungen von Immissionsgrenzwerten von Luftschadstoffen in UVP-Verfahren - Überarbeitete Version 2007“ kann eine Immission außerhalb belasteter oder Sanierungsgebiete als nicht relevant betrachtet werden, wenn die Zusatzbelastungen nicht über 3 % des jeweiligen Immissionsgrenzwerts liegen. Das Untersuchungsgebiet befindet sich weder in einem belasteten noch in einem Sanierungsgebiet gemäß IG-L. Damit kann die Relevanzschwelle mit 3 % des Grenzwerts angesetzt werden. Beim NO2 Jahresmittel - Grenzwert von 35 ?g/m³ beträgt die Relevanzschwelle 1,05 ?g/m³, für den Halbstundenmittelwert von 200 ?g/m³ beträgt diese 6 ?g/m³. Diese Schwellen werden bei den Nachbarn durch den Parkplatzbetrieb schon bei der Substanz NOx, umso mehr bei der Teilmenge NO2, deutlich unterschritten. Damit liegen die Immissionsbelastungen auch für die anderen betrachteten Luftschadstoffkomponenten deutlich unter der Relevanzschwelle, sodass keine weiteren Untersuchungen notwendig sind.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat aufgrund seiner Verpflichtung zur Entscheidung in der Sache eine Überprüfung in Bezug auf die Verletzung von den Beschwerdeführern vorgebrachten subjektiven Rechte (Lärm, Staub, Abgase und Erschütterungen) durchgeführt. Die diesbezügliche Überprüfung über einen eigens für das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht herangezogenen Amtssachverständigen hat ergeben, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen. Die Beschwerden waren daher abzuweisen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Piccolroaz

(Richter)

Schlagworte

Nachbarbeschwerde;

Anmerkung

Aufgrund der außerordentlichen Revision hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 10.06.2021, Z Ra 2021/04/0072 bis 0073-8, das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 16.12.2020, Z LVwG-2020/40/1849-7 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.40.1849.7

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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