Entscheidungsdatum
21.12.2020Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §366 Abs1 Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geboren am xx.xx.xxxx, wohnhaft Adresse 1, *** Z, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 2 , *** Y, vom 07.12.2020, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft X vom 02.12.2020, Zahl ***, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das bekämpfte Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Im bekämpften Straferkenntnis wird Herrn AA folgender Sachverhalt angelastet und Strafe über ihn verhängt:
„Der Beschuldigte, Herr AA , geb. am xx.xx.xxxx, wh. in *** Z, Adresse 1, hat zumindest am 05.12.2019 bzw. 06.12.2019 Tätigkeiten des freien Gewerbes „Betrieb eines Fitnessstudios“ im Standort *** W, Adresse 3 gewerbsmäßig ausgeübt, und zwar selbstständig, regelmäßig und in der Absicht einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welchen Zweck dieser bestimmt ist, obwohl Herr AA nicht im Besitz einer hiezu erforderlichen Gewerbeberechtigung zur Ausübung des genannten Gewerbes am genannten Standort ist.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 366 Abs. 1 Ziffer 1 GewO 1994 iVm § 1 Abs. 4 GewO 1994; BGBl. Nr. 194/1994 mf BGBl, I Nr. 65/2020
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe (€):
Gemäß:
Ersatzfreiheitsstrafe:
400,00
§ 366 Abs. 1 Ziffer 1 GewO 1994 iVm § 1 Abs. 4 GewO 1994; BGBl. Nr. 194/1994 idF BGBl. I Nr. 65/2020
37 Stunden
Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe.
Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
€ 40,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe, wobei jedoch mindestens € 10,00 zu bemessen sind.
Bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe mit 100 Euro anzusetzen.
€ 0,00 als Ersatz der Barauslagen für
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher: € 440,00“
Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in welcher Herr AA durch seinen Rechtsvertreter im Wesentlichen ausführt, dass er für den angesprochenen Standort seit 01.12.2019 im Besitz des freien Gewerbes des selbstständigen Fitnesstrainers und somit für die Erstellung von Trainingskonzepten für gesundheitsbewusste Personen tätig sei. Demgemäß würden von ihm Fitnesskonzepte und Trainingskonzepte mit Kunden erstellt, die richtige Benutzung und Anwendung von Trainingsgeräten erklärt. Er wickle die Trainings- und Turnübungen ab und erkläre diese und zwar stets in seiner Anwesenheit und nur mit seiner Anleitung würden die Turn- und Fitnessgeräte übend praktiziert. Auch lagere er im Rahmen seiner Gewerbetätigkeit dort die dafür erforderlichen Turn- und Gymnastikgeräte. Das Durchüben der Trainingsprogramme und das Erklären und Durchüben der erforderlichen Trainings- und Fitnessgeräte sei zulässig und von seiner Gewerbeberechtigung gedeckt; auf Grundlage eines Gewerbes als selbstständiger Fitnesstrainer dürfe das Training aufgrund der von ihm erstellten Konzepte durchgeführt werden. Der Einsatz von Turngeräten sei zwangsläufig mit dem Erstellen und Erklären der Trainings- und Fitnesskonzepte verbunden und bedürfe keiner weiteren Gewerbeberechtigung und würde gegebenenfalls ein Nebenrecht iSd §§ 31 und 32 GewO darstellen. Eine Turnübung als Privattrainer würde gegebenenfalls auch unter den Erwerbszweig des Privatunterrichts iSd § 2 Abs 1 Z 12 GewO fallen. Es entspreche nicht den Tatsachen, dass er Sport- oder Turn- und Gymnastikgeräte gegen Entgelt vermietet hätte. Der entsprechende Absatz seiner Rechtfertigung enthalte einen Tipp- bzw Schreibfehler, sodass es heißen müsste, dass er „keine“ Sport-, oder Turn- und Gymnastikgeräte vermiete. Diese würden auch von keinem Kunden eigenverantwortlich und selbstständig benützt, sondern nur unter seiner persönlichen Anleitung, Anwesenheit und Verantwortung. Die Geräte würden ausschließlich für die Erstellung und das Erklären der Anwendung der Trainings- und Fitnessprogramme und –pläne von ihm mit seinen Kunden benutzt und zwar nur unter seiner persönlichen Anleitung, Anwesenheit und Verantwortung, ohne dass ein Kunde selbst in eigener Verantwortung ein solches Gerät benutzen kann. Überdies sei die verhängte Geldstrafe überhöht und seine bisherige Unbescholtenheit nicht berücksichtigt. Es werde deshalb ersatzlose Behebung des Straferkenntnisses und Verfahrenseinstellung beantragt, in eventu Ausspruch einer Ermahnung, in eventu Herabsetzung der Strafhöhe.
II. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer AA ist seit 01.05.2013 Inhaber der freien Gewerbeberechtigung „Erstellung von Trainingskonzepten für gesundheitsbewusste Personen“ und seit 01.12.2019 im Standort *** W, Adresse 3. Seitens der Marktgemeinde W wurde angezeigt, dass an diesem Standort gemäß amtlicher Wahrnehmung am 05.12.2019 um 16:00 Uhr ein Personaltraining und am 06.12.2019 um 08:00 Uhr ein Gruppentraining abgehalten wurden. Nicht festgestellt werden kann, welche Tätigkeiten genau diese angeführten Trainingstätigkeiten umfassten ebenso wenig wie der Umstand, dass AA Sport- oder Turn- und Gymnastikgeräte gegen monatliches oder periodisches Entgelt an Kunden vermietete.
III. Beweiswürdigung:
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der Bezirkshauptmannschaft X.
Eine entscheidungsrelevante Frage bestand darin, ob der Beschwerdeführer Fitnessgeräte seinen Kunden zur Verfügung stellte oder nicht. In seiner Rechtfertigung vom 18.11.2020 führte der Beschuldigte aus, dass er „hier eine Sport- oder Turn- und Gymnastikgeräte gegen monatliches oder periodisches Entgelt“ vermiete und dass „die Geräte auch von keinem Kunden eigenverantwortlich und selbständig benutzt, sondern stets wie vorangeführt nur unter persönliches Anleitung, Anwesenheit und Verantwortung des Beschuldigten“ würden.
In der Beschwerde wird abgestritten, eingestanden zu haben, Fitnessgeräte gegen Entgelt vermietet zu haben. Es wird mit einem Tippfehler argumentiert, wonach es statt dem Wort „eine“ richtig „keine“ lauten hätte müssen. Es stellt sich nun die Frage, ob es sich dabei um den Widerruf eines eingestandenen Sachverhaltes handelt, oder ob tatsächlich ein Schreibfehler vorgelegen ist. Bei einer Betrachtung der Formulierung in der Stellungnahme vom 18.11.2020 erweist sich das Wort „eine“ als deplatziert, wenn die Vermietung der Geräte bestätigt werden hätte sollen; das Wort „eine“ ergibt in diesem Satz schlichtweg keinen Sinn. Im Hinblick darauf ist die Rechtfertigung in der Beschwerde als glaubwürdig anzusehen, dass hier ein Tippfehler vorgelegen ist und es richtigerweise „keine“ heißen hätte sollen; dieses Argument wird auch durch den Umstand gestützt, dass in der weiteren Folge des Satzes ausgeführt wird, dass die Geräte auch von keinem Kunden eigenverantwortlich und selbstständig benutzt werden, was aber unvermeidlich wäre, wenn die Geräte zuvor an die Kunden vermietet würden. Aus diesem Grund wurde die Negativfeststellung hinsichtlich der Vermietung der Fitnessgeräte getroffen.
Ebenfalls eine Negativfeststellung war hinsichtlich der Art der ausgeübten Tätigkeiten zu den angelasteten Tatzeiten zu treffen, weil die angezeigten Begriffe „Personaltraining“ und „Gruppentraining“ so unbestimmt sind, dass diesen keine konkreten Tätigkeiten zugeordnet werden können.
IV. Rechtslage:
Folgende Tätigkeiten sind vom Gewerbewortlaut „Erstellung von Trainingskonzepten für
gesundheitsbewusste Personen“ umfasst:
? Kunden bei der Auswahl und Erstellung von Trainingsprogrammen unter Berücksichtigung der körperlichen Voraussetzungen und Fitness beraten
? Trainingsgeräte und deren richtige Benützung erklären
? Planung von Kursen im Bereich Fitness, Aerobic, Gymnastik
V. Erwägungen:
Das freie Gewerbe „Erstellung von Trainingskonzepten für gesundheitsbewusste Personen“ umfasst unter anderem die Tätigkeit, Trainingsgeräte und deren richtige Benutzung zu erklären. Nicht umfasst wäre von dieser Gewerbeberechtigung das zur Verfügung stellen von Fitnessgeräten dahingehend, dass auch Sportgeräte an Kunden vermietet werden, welche eigenverantwortlich diese Geräte nutzen und seitens des Gewerbetreibenden lediglich „Gebrauchsanweisungen“ für die Nutzung der Geräte weitergegeben werden; solche Tätigkeiten sind dem Gewerbe „Betrieb eines Fitnessstudios“ vorbehalten.
Der erstinstanzliche Schuldspruch stützt sich im Wesentlichen auf den Umstand, dass der Beschuldigte Sport-, Turn- und Gymnastikgeräte gegen Entgelt an seine Kunden vermietet hätte und dies eingestanden worden sei. Da der Rechtsmittelwerber jedoch in nachvollziehbarer Weise darlegen konnte, dass diese Annahme auf einer missverständlichen Formulierung in seiner Rechtfertigung vom 18.11.2020 beruhte, welche ihre Ursache wiederum in einem Tippfehler hatte, fielen der Beweis bzw die Feststellung der zur Verfügungsstellung von Fitnessgeräten an Kunden zu deren eigenverantwortlichen Nutzung weg.
Bezüglich der angezeigten Trainingstätigkeiten erläuterte der Beschwerdeführer ausführlich, dass die Geräte ausschließlich seine Kunden in seiner Anwesenheit und unter seiner persönlichen Anleitung benützen, um ihnen die Anwendung seiner Trainings- und Fitnessprogramme zu erklären. Er beruft sich dabei auf die von seiner Gewerbeberechtigung umfasste Tätigkeit „Trainingsgeräte und deren richtige Benutzung erklären“. Da auf Grundlage der Anzeige keine Feststellungen zu den genauen Tätigkeiten zu den angelasteten Tatzeiten getroffen werden konnten, kann die diesbezügliche Rechtfertigung des Beschwerdeführers nicht widerlegt werden, weshalb zumindest im Zweifel zu seinen Gunsten der Beschwerde Folge zu geben war.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Hohenhorst
(Richter)
Schlagworte
Freie Gewerbeberechtigung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.25.2740.1Zuletzt aktualisiert am
12.01.2021