Entscheidungsdatum
11.11.2020Norm
GewO 1994 §13 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Cervenka-Ehrenstrasser über die Beschwerde des A, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH, ***, *** gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya vom 17. Mai 2020, ***, betreffend Nachsicht vom Ausschluss der Gewerbeausübung nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben vom 19. Februar 2020 hat A, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH, ***, *** einen Antrag auf Erteilung der Nachsicht zur Ausübung des Gewerbes „Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsagent“ gemäß § 26 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) gestellt.
Zur Begründung wurde vorgebracht, dass ihm im Jänner 2018 das Gewerbe aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung durch das Landesgericht ***, ***, aus dem Jahr 2014 entzogen worden sei, das Betrugsdelikt sei jedoch in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausübung des damaligen Gewerbes gestanden sei. Er sei großteils als Beitragstäter in untergeordneter Rolle involviert gewesen und aufgrund dessen seien auch Teilfreisprüche sowie ein milderes Urteil im Vergleich zu den übrigen Angeklagten ergangen. Weiters sei zu beachten, dass die letzte Tathandlung bereits 2008 gesetzt worden sei und er in der Zeit zwischen dem letzten Delikt und dem Entzug der Gewerbeberechtigung selbständig tätig gewesen sei und in dieser Zeit keinerlei strafbare Handlungen gesetzt worden seien.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya vom 17. Mai 2020, ***, wurde dieser Antrag gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 abgewiesen.
In der Begründung wurde darauf verwiesen, dass er mit Urteil des Landesgerichtes *** vom 20. Oktober 2014 wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betrugs teils als Bestimmungstäter nach den §§ 146, 147 Abs.1 Z. 1 und Abs. 3, 148 2. Fall in Verbindung mit § 12 iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, welche unter der Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei, verurteilt worden sei. Damit sei ein Gewerbeausschlussgrund gemäß § 13 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 gegeben.
Die der Verurteilung zugrundeliegenden Taten seien in Ausübung des gegenständlichen Gewerbes begangen worden, der Tatzeitraum habe sich dabei auf die Jahre 2007 bis 2011 erstreckt, wobei die letzte Tat im Jahr 2011 begangen worden sei und nunmehr etwa neun Jahre zurückliege. Seit der Verurteilung im Jahr 2014 seien nunmehr fünfeinhalb Jahre vergangen.
Der Antragsteller sei in den Jahren nach der letzten Tathandlung bis zur Entziehung der Gewerbeberechtigung im Jahr 2018 selbständig im gegenständlichen Gewerbe tätig gewesen und habe auch nach Entziehung der Gewerbeberechtigung diese Tätigkeit im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses bis zum 31.12.2019 ausgeübt. Seit der Verurteilung im Jahr 2014 habe er sich wohlverhalten und keine weiteren strafbaren Handlungen gesetzt.
Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs sei als Beurteilungszeitraum des Wohlverhaltens auf den seit der Begehung der Delikte verstrichenen Zeitraum abzustellen. In seinem Fall sei jedoch die Entziehung der Gewerbeberechtigung erst im Februar 2018 erfolgt, somit etwas über drei Jahre nach Verurteilung, die im Entziehungsverfahren getroffene negative Prognoseentscheidung könne deshalb von der erkennenden Behörde nicht gänzlich außer Betracht gelassen werden, insbesondere da einerseits die im Entziehungsverfahren zu treffende Prognoseentscheidung auf denselben Grundlagen wie jene im Nachsichtsverfahren basiere und andererseits davon auszugehen sei, dass ein etwaiger Wandel des Persönlichkeitsbildes vielmehr im Zeitraum zwischen der Verurteilung im Jahr 2014 und dem Entziehungsverfahren im Jahr 2018 als im Zeitraum zwischen Entziehungsverfahren und nunmehrigen Nachsichtsverfahren vollzogen worden sei.
Bei der Prüfung der Frage, ob die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten sei, sei auf die Eigenart der strafbaren Handlung und auf das Persönlichkeitsbild des Verurteilten Bedacht zu nehmen.
Zur Eigenart der strafbaren Handlung sei auszuführen, dass er vom Landesgericht *** mit Urteil vom 20.10.2014 wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs verurteilt worden sei. Dabei sei das Rechtsgut des Vermögens geschädigt worden. Die im Ansuchen um Nachsicht aufgestellte Behauptung, dass die Betrugsdelikte in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausübung des damaligen und nunmehr beantragten Gewerbes gestanden seien, sei nicht nachvollziehbar, da diese Behauptung dem Urteil des Landesgerichtes *** widerspreche, wonach er gemeinsam mit einem seiner Versicherungsklienten bereits in der Vergangenheit bei anderen Versicherungen eingereichte Versicherungsfälle neuerlich eingereicht habe. Zudem seien durch diese Delikte Versicherungsunternehmen geschädigt worden, zu welchen er ein aufrechtes Agenturverhältnis gehabt habe. Jedenfalls sei davon auszugehen, dass er zumindest sein aufgrund der langjährigen Tätigkeit im Versicherungsbereich erlangtes Wissen über den Ablauf von Versicherungsverfahren zur Begehung dieser Straftaten herangezogen habe.
Es sei somit davon auszugehen, dass die Ausübung des Gewerbes als Versicherungsvermittler in der Form Versicherungsagent ihm jedenfalls die Möglichkeit zur Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bieten würde. Zur Beurteilung des Persönlichkeitsbildes habe die Behörde den Gerichtsakt, Telefonate, den im Akt festgehaltenen E-Mail-Verkehr sowie seine persönliche Vorsprache bei der Behörde herangezogen. Aus dem Gerichtsakt gehe hervor, dass er erst nach längerem Vorhalten bereit gewesen sei, eine Beteiligung an den strafbaren Handlungen zuzugeben. Bei der Vorsprache bei der Behörde am 5. Mai 2020 habe er unaufgefordert hinsichtlich seines Verhaltens in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht *** angegeben, dass dieses nicht richtig gewesen sei, und sein Verhalten insbesondere auf das Verschweigen seiner Taten gegenüber der Familie zurückzuführen gewesen sei sowie darauf, dass seiner Meinung nach das Urteil auf eine falsche Rechtsvertretung zurückzuführen sei. Auch in dem E-Mail-Verkehr mit der Behörde seien häufig Angaben gemacht worden, die sich nach Anforderung des Gerichtsaktes als falsch herausgestellt hätten. So habe er ausgeführt, dass die Taten, die zur Verurteilung durch das Landesgericht *** geführt hätten, zur Gänze mit KFZ-Schäden zu tun gehabt hätten. Aus dem Urteil gehe hingegen hervor, dass er unter anderem deswegen verurteilt worden sei, da er Versicherungsfälle nach Ablehnung durch ein Versicherungsunternehmen in der Vergangenheit bei der anderen Versicherung eingereicht habe oder Versicherungsfälle fingiert habe. Bei diesen Versicherungsfällen habe es sich entgegen seiner Behauptung überwiegend um keine Schäden an Kraftfahrzeugen gehandelt.
Weiters habe er behauptet, dass die letzte Tat im Jahr 2008 begangen worden sei, wohingegen er mit Urteil des Landesgerichtes *** auch für Taten in den Jahren 2009 bis 2011 verurteilt worden sei. Damit konfrontiert habe er gegenüber der Behörde angegeben, dass es sich um einen Schreibfehler gehandelt habe. Diese Aufklärung sei jedoch nicht nachvollziehbar, da auch im Ansuchen um Nachsicht angeführt worden sei, dass die letzte Tathandlung im Jahr 2008 erfolgt sei. Bei der Vorsprache am 5. Mai 2020 habe er seine Rolle bei der Tatbegehung als untergeordnet dargestellt, er habe diese Vorfälle als Dummheit bezeichnet. Insgesamt ergebe sich für die Behörde hinsichtlich seines Persönlichkeitsbildes, dass er trotz der mittlerweile verstrichenen Zeit über kein ausreichendes Eingeständnis betreffend die durch ihn verwirklichten Taten verfüge. Die Inhalte der E-Mails würden ein identes Verhalten zu jenem zeigen, welches bereits gegenüber den ermittelnden Beamten des Landeskriminalamtes sowie gegenüber der Richterin des Landesgerichtes *** gesetzt worden sei. Dass er dieses Verhalten selbst nach erbrachtem Beweis und Verurteilung weiterhin aufrechterhalte, lasse nicht auf die Wandlung seiner Persönlichkeit schließen. Die verwirklichten Taten seien seinerseits gegenüber der Behörde verharmlost sowie falsch dargestellt worden. Dass in den Jahren mit aufrechter Gewerbeberechtigung nach der Verurteilung keine Straftaten begangen worden seien, könne die Befürchtung der Behörde nicht widerlegen, dass er im Rahmen der Gewerbeberechtigung die gleiche oder eine ähnliche strafbare Handlung begehen werde. Darüber hinaus wurde auch im gewerberechtlichen Entziehungsverfahren durch das Verwaltungsgericht Wien im Februar 2018 darüber rechtskräftig abgesprochen. Auch nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei bei einem längeren Tatzeitraum auch sechseinhalb Jahre Wohlverhalten nicht als ausreichend anzusehen. Im gegenständlichen Fall sei ein Deliktszeitraum von fünf Jahren mit einer Vielzahl von Betrugshandlungen und einer Schadenssumme von über € 50.000,-- dem Wohlverhalten von achteinhalb Jahren seit der letzten Tat bzw. fünfeinhalb Jahren seit der Verurteilung entgegenzusetzen. Dies werde nicht als ausreichend erachtet, um zur Gänze die Befürchtung der Begehung der gleichen oder ähnlichen Tat auszuräumen. Zudem sei auch zu berücksichtigen, dass ihm im Jahr 2018 im Entziehungsverfahren keine positive Prognose erstellt worden sei. Seit dieser Entscheidung seien erst zwei Jahre verstrichen, sohin ein noch kürzerer Zeitraum für den etwaigen Wandel seines Persönlichkeitsbildes. Insgesamt ergebe sich aus seinen Ausführungen das Bild, dass er überwiegend andere Personen für sein Fehlverhalten verantwortlich mache, um seines abgeschwächt darzustellen.
Trotz der positiv zu wertenden Umstände des mittlerweile mehrjährigen Wohlverhaltens sowie der bedingten Strafnachsicht durch das Landesgericht *** komme die Behörde nicht zuletzt aufgrund der verhältnismäßig kurzen Zeitspanne zwischen Entziehungs- und Nachsichtsverfahren aus der wertenden Zusammenschau der angeführten Umstände zu dem Schluss, dass die Begehung einer ähnlichen oder der gleichen Straftat bei Ausübung des gegenständlichen Gewerbes zu befürchten sei. Dies einerseits aufgrund der Eigenart der strafbaren Handlung, der gerade die Tätigkeit als Versicherungsagent durchaus die Gelegenheit zur Begehung gleichartiger betrügerische Handlungen biete, sodass die Verurteilung wegen teils vollendeten und teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Betruges und des langen Deliktszeitraumes jedenfalls schwerwiegend für die negative Prognose sei. Zudem gehe die Behörde auch von keinem abschließenden Wandel seines Persönlichkeitsbildes aus. Dies vor allem aufgrund der zahlreichen widersprüchlichen Angaben, der verharmlosenden Darstellung der Taten sowie der Beschuldigung anderer, womit wiederholt aufgezeigt worden sei, dass trotz des mittlerweile verstrichenen Zeitraums seit Tatbegehung die gänzliche Einsicht des Unrechts der verwirklichten Taten nicht gegeben sei.
Dagegen hat A, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH, ***, *** fristgerecht Beschwerde erhoben und beantragt, den angefochtenen Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung dahingehend abzuändern, dass dem Ansuchen auf Nachsicht stattgegeben werde, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache zur Verfahrensergänzung an die Behörde zurückzuverweisen.
Dazu wurde vorgebracht, dass die Behörde überhaupt nicht auf die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Rechtfertigungen eingangen sei, wie zum Beispiel, dass das Kerngeschäft des Beschwerdeführers nicht in der Schadensabwicklung, sondern in der Vermittlung und dem Abschluss von Versicherungsverträgen gelegen sei. Er habe nur peripher mit der tatsächlichen Schadensabwicklung zu tun gehabt, bei der im gegenständlichen Fall die Betrugshandlung begangen worden sei. Vielmehr sei das Hauptinteresse des Beschwerdeführers darin gelegen, die bestmögliche Beratung bei Abschluss von Versicherungsverträgen zu erteilen und bestehe es immer noch. Nur in Ausnahmefällen sei er unterstützend für die Schadensabwicklung zur Seite gestanden. Die Behörde habe auch außer Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer aus einem komplett anderen Grund um Nachsicht angesucht habe, nämlich um wieder seine Kerntätigkeit als Versicherungsagent/Versicherungsmakler selbstständig (und nicht wie seit der Verurteilung angestellt) ausüben zu können.
Die Behörde habe auch außer Acht gelassen, dass der Beschwerdeführer bereits seit einigen Jahren wieder unselbständig in der Versicherungsbranche tätig sei und sogar die ehemaligen Kontakte, welche durch die strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers geschädigt worden seien, diesen wieder vollends vertrauen und nicht davor zurückscheuen würden, in wirtschaftliche und finanzielle Handlungen mit dem Beschwerdeführer einzutreten.
Es sei sohin sehr wohl eine umfassende Einsicht des Beschwerdeführers zu erkennen, die sogar die damals geschädigten Vertragspartner überzeugen habe können.
Zudem habe das Strafgericht die letzte Tathandlung des Antragstellers im Jahr 2008 (!) beschrieben und damals bereits das Wohlverhalten seit der Tat als strafmildernd gewertet. Zum Zeitpunkt des Entzugs der Gewerbeberechtigung habe sich der Beschwerdeführer bereits seit zehn Jahren wohlverhalten, bis heute seit zwölf Jahren. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer der einzige aus dem verurteilten Personenkreis gewesen sei, dem die Gewerbeberechtigung entzogen worden sei.
Aufgrund der Beteiligung an Betrugsdelikten gegen Versicherungsgesellschaften sei es ihm anfangs nicht möglich gewesen, Agenturverträge mit den zuvor geschädigten Versicherungsgesellschaften zu schließen. Der Beschwerdeführer betreue aber nach wie vor rund 200 Kunden, die seine fachkundige Beratung sehr schätzen würden. Er habe sich zu diesem Zweck bei einer Gesellschaft namens „C“ anstellen lassen, die dann den Kundenstock des Beschwerdeführers übernommen habe. Vereinbart sei eben gewesen, dass der Beschwerdeführer seine Kunden übergebe und dafür eine angemessene Vergütung erhalte. Die C halte sich aber nicht an die Vereinbarung und habe dem Beschwerdeführer gekündigt, nachdem dieser zuvor seine Kunden übergeben habe. Das Problem sei nur gewesen, dass die meisten dieser Kunden nach wie vor vom Beschwerdeführer betreut werden hätten wollen. Als die C gemerkt habe, dass die Kunden wieder zum Beschwerdeführer, welcher mittlerweile wieder Agenturverträge gehabt habe, wechseln würden, hätten sie ihn wegen Betrugs und Urkundenfälschung bei der Staatsanwaltschaft *** angezeigt und das Verfahren zum Entzug der Gewerbeberechtigung initiiert, um die Kunden des Beschwerdeführers behalten zu können. Das Strafverfahren sei trotz aller Versuche der C eingestellt worden, nur die Gewerbebehörde habe das Spiel nicht durchschaut und dem Beschwerdeführer nach damals bereits zehn wohlverhaltener Jahre die Gewerbeberechtigung entzogen.
Der Beschwerdeführer habe seine Kunden erneut einer Maklergesellschaft übergeben und sich dort anstellen lassen, um seine Kunden weiter betreuen zu können und nicht arbeitslos zu werden. Dieses Engagement habe jedoch vor einigen Wochen geendet.
Der Beschwerdeführer habe seine Beteiligung an den Betrugsdelikten vor 2008 bitter bereut. Es bestehe heute aber kein Grund mehr, am Entzug der Gewerbeberechtigung festzuhalten. Dazu sei auch ein Gutachten eingeholt worden, welches von der Behörde nicht angemessen berücksichtigt worden sei, ebenso wie die lange Zeit des Wohlverhaltens. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Kunden außergewöhnlich gut betreut würden, sonst würden sie nicht beim nunmehrigen Beschwerdeführer bleiben.
Von einem kriminellen Einschlag könne seit zwölf Jahren keine Rede mehr sein. Einzig und allein das Erfordernis der Bindung des Beschwerdeführers und der Kunden an Dritte habe in der Vergangenheit zu unangenehmen Situationen für Beschwerdeführer und Kunden geführt.
Der Beschwerdeführer habe somit nachgewiesen, dass er nicht nur einen umfassenden Lebenswandel durchlaufen habe, sondern auch, dass ihm bereits seit Jahren wieder tiefgreifendes Vertrauen der ehemals geschädigten Vertragspartner zuteil werde und er keinerlei Interesse daran habe, sich dieses hart erarbeitete Vertrauen abermals zu zerstören.
Mit Schreiben vom 17. Juni 2020 hat die Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 23. Oktober 2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der Beweis erhoben wurde durch Verlesung des Aktes der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya zur Zahl ***, und des Aktes des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich zur Zahl
LVwG-AV-632-2020, sowie durch Einvernahme des Beschwerdeführers.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat dazu wie folgt erwogen:
Von folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen ist auszugehen:
Der nunmehrige Beschwerdeführer war seit 16. Juni 1997 Inhaber der Gewerbeberechtigung für das reglementierte Gewerbe „Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsagent“ im Standort **, ***.
Mit Urteil des Landesgerichts *** vom 20. Oktober 2014, ***, wurde der nunmehrige Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges teils als Bestimmungstäter nach dem §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 Abs. 3, 148 2. Fall, 12, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt, welche unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Demnach hat er im Zeitraum von März 2008 bis August 2012 in *** und anderen Orten Österreichs teils alleine und teils im Zusammenwirken mit mehreren Mittätern mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, näher bezeichnete Versicherungsunternehmen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die diese am Vermögen schädigten, indem er bzw. sie bewusst teils gegenseitige Unfälle vorsätzlich herbeiführten und die von ihnen gelenkten Fahrzeuge vorsätzlich beschädigten, teils Versicherungsfälle fingierten, indem sie die Fahrzeuge vorsätzlich beschädigten und in der Folge unter Vorlage von inhaltlich falschen Schadensmeldungen, sohin unter Verwendung falscher Beweismittel, zur Auszahlung überhöhter und nicht zustehender Versicherungsleistungen verleitet, wodurch die Versicherungsunternehmen in einem € 50.000,-- übersteigenden Betrag geschädigt wurden.
Konkret sind folgende Taten von der gegenständlichen Verurteilung umfasst:
? die Meldung eines Zusammenstoßes eines Fahrzeugs des Unternehmens D, dessen Gesellschafter der Beschwerdeführer war, mit einem anderen Fahrzeug der D am 13.9.2011, wodurch die E € 2.252,03 an das Unternehmen D auszahlte.
? Die Meldung eines Vandalismusschadens am 26.5.2010, wodurch die F an das Unternehmen D € 1.922,75 auszahlte.
? die Meldung eines Vandalismusschaden am 3.2.2011 an einem Fahrzeug, wodurch die F € 3.710,-- an A auszahlte.
? Die Meldung eines gemeinsamen Verkehrsunfalls im Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten F am 10. November 2010, wodurch die H € 6.508,60 an das Unternehmen D auszahlte.
? die Meldung eines gemeinsamen Verkehrsunfalls am 28. September 2010 im Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten I am 30.9.2010, wodurch die E € 1.277,66 an das Unternehmen D und € 3.090,-- an I auszahlte.
? die Bestimmung des abgesondert verfolgten J zur Behauptung eines aktuellen Rohrbruchs, welcher jedoch bereits aus dem Jahr 1998/99 stammte und zur Einreichung der Schadensmeldung bei der K am 26.5.2007, wodurch es zur Auszahlung von € 5.300,-- kam.
? die Bestimmung des abgesondert verfolgten J am 23.7.2007, einen tatsächlich nichtexistenten Blitzschaden bei der K einzureichen, wobei es beim Versuch blieb.
? mit dem abgesondert verfolgten J durch die neuerliche Geltendmachung von Versicherungsfällen am Haus des J am 29. Oktober 2007, deren Bezahlung zuvor bereits seitens der K erfolgte oder abgelehnt wurde, wobei € 2.261,03 an J ausbezahlt wurden und es bei der Auszahlung von € 17.738,97 beim Versuch geblieben ist.
? mit dem abgesondert verfolgten J durch die neuerliche Geltendmachung eines Versicherungsfalls am Haus des J am 3. Februar 2010, dessen Bezahlung im Jahr 2006 von der K abgelehnt wurde, wobei es bezüglich der Auszahlung von € 7.500,-- beim Versuch geblieben ist.
? die Behauptung, eine Kuh sei in das Fahrzeug des A gelaufen und habe dieses beschädigt, am 10. April 2008 durch die Auszahlung von € 366,--durch die E an A.
? die Behauptung, dass bei einem Einbruchsdiebstahl im Haus des J € 40.000,-- gestohlen worden seien, obwohl es sich in Wahrheit um maximal € 13.700,-- gehandelt hat, zu unberechtigten Auszahlung von zumindest € 26.300,-- am 27. Juli 2008, wobei es beim Versuch geblieben ist.
Mildernd wertete das Gericht das teilweise Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung sowie den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, erschwerend den langen Tatzeitraum und die Faktenvielzahl.
Mit Mitteilung des Landesgerichts *** vom 26. April 2018 wurde die Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen, die Tilgungsfrist beginnt mit 24. Oktober 2014. Diese Strafe ist noch nicht getilgt.
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 2. August 2017, ***, wurde Herrn A die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes „Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsagent im Standort ***, ***“ gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 Gewerbeordnung 1994 entzogen.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 16. Februar 2018, ***, wurde der dagegen erhobenen Beschwerde keine Folge gegeben. Dies wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer sich in dem gerichtlichen Strafverfahren, wie auch in der Begründung des Urteils ausgeführt sei, nur teilgeständig erwiesen habe. Er habe schon im gerichtlichen Verfahren versucht, seine Rolle als eher untergeordnet darzustellen, im gegenständlichen Verwaltungsverfahren habe er zunächst die unmittelbare Täterschaft in Abrede gestellt und sich nur als „aufgrund des bloßen Versuchs anhand einer Mittäterschaft verurteilt“ bezeichnet. Ausschlaggebend für die Verurteilung sei bloß seine Gesellschafterstellung und nicht sein aktives Zutun gewesen.
In der Verhandlung habe er teilweise die im rechtskräftigen Urteil festgestellten Taten bestritten bzw. sie anders und für ihn in einem günstigeren Licht dargestellt.
Daraus sei erkennbar, dass die gerichtliche Verurteilung keine gravierende Umkehr in der Einstellung des Beschwerdeführers bewirkt habe, da er versucht habe, seine Straftaten zu beschönigen und deren Bedeutung herabzusetzen. Zudem habe er in der Beschwerde sein Wohlverhalten vor den Straftaten aktenwidrig lange, nämlich beginnend mit 1997, 17 Jahre lang dargestellt.
Zwar könne nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ein zwischenzeitliches Wohlverhalten von sieben Jahren ausreichend für eine günstige Prognose sein, dies aber nur bei Vorliegen besonderer Umstände. Bei einem längeren Deliktszeitraum habe der Verwaltungsgerichtshof auch ein Wohlverhalten von sechseinhalb Jahren nicht als ausreichend erachtet.
Im Hinblick auf den langen Deliktszeitraum, das Ausmaß der vom Strafgericht verhängten Strafe, das Schadensausmaß und die Vielzahl der Betrugshandlungen sei nicht von einer nachhaltigen Veränderung des Persönlichkeitsbildes auszugehen.
Die gerichtliche Strafe sei zwar bedingt nachgesehen worden, besondere Umstände für eine Berücksichtigung dieses bedingten Strafausspruchs seien nicht aufgezeigt worden.
Auch nach der rechtskräftigen Verurteilung durch das Landesgericht *** vom 20. Oktober 2014 hat der nunmehrige Beschwerdeführer weiterhin das gegenständliche Gewerbe „Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsagent“ ausgeübt, mit dem geschädigten Versicherungsunternehmen E AG hat er nach Schadenswiedergutmachung weiterhin zusammengearbeitet, dass Agenturverhältnis mit der F, das von 17.10.2011 bestanden hat, wurde mit 30.9.2014 beendet, ebenso das Agenturverhältnis mit der H AG, welches vom 1.4.2011 bis 1.6.2016 bestanden hat.
Nach Entziehung der Gewerbeberechtigung war der nunmehrige Beschwerdeführer als Angestellter beim Versicherungsmakler und Vermögensberater L in *** beschäftigt, wobei er einen Kundenstock an indischen Kunden mitgebracht hat, die er seit vielen Jahren zu deren vollster Zufriedenheit betreut. Dieses Angestelltenverhältnis war zu Beginn des Jahres 2020 kurzfristig unterbrochen, derzeit besteht es unbefristet weiter, auch sein Dienstgeber ist mit seiner Arbeitsleistung zufrieden und attestiert ihm, ein qualifizierter Mitarbeiter zu sein.
Im Beschwerdeverfahren hat er ein psychologisches Gutachten vom 2. Mai 2020 vorgelegt, worin ihm eine durchschnittliche nonverbale und leicht unterdurchschnittliche verbale Intelligenz, eine leicht überdurchschnittliche visuelle Merkfähigkeit und durchschnittliche Aufmerksamkeit attestiert wird. Im Persönlichkeitsbereich würden sich keine Hinweise auf eine akute oder frühere psychische Erkrankung und auch keine Anzeichen für eine dissoziale oder gar kriminelle Neigung zeigen.
Der nunmehrige Beschwerdeführer ist sich nach wie vor nicht des Unrechtsgehalts der Taten bewusst, derentwegen er rechtskräftig verurteilt wurde. Er stellt weiterhin seine Rolle im Zusammenhang mit den strafbaren Handlungen als untergeordnet dar bzw. stellt er sich in einem besseren Licht dar, indem er die Hauptrolle an den strafbaren Handlungen anderen zuschiebt und seinen Tatbeitrag als untergeordnet sieht. Darüber hinaus versucht er seine strafbaren Handlungen dadurch zu relativieren, dass er die E ohnehin vor einem Versicherten namens M gewarnt habe und auch jedes Mal angeregt habe, dass der Schaden durch einen externen Sachverständigen begutachtet werden solle. Dabei wird verkannt, dass er Herrn J dazu bestimmt hat, Versicherungsfälle, der E neuerlich einzureichen oder Versicherungsfälle zu fingieren.
Zu diesen Festungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund folgender Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur gerichtlichen Verurteilung bzw. zu den einzelnen Tathandlungen basieren auf der Einsichtnahme in die diesbezügliche Urteilsausfertigung des Landesgerichts ***, die bereits im Akt der Verwaltungsbehörde enthalten ist, in dem auch der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 2. August 2017, ***, betreffend die Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 1 Z. 1 Gewerbeordnung 1994 und das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Wien vom 16.2.2018 enthalten sind. Weiters wurde Einsicht in das Gewerbeinformationssystem Austria zur GISA-Zahl *** genommen, worauf die Feststellungen betreffend das Agenturverhältnis mit der F, der H AG und der E AG beruht.
Im Übrigen beruhen die Feststellungen insbesondere auf dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, in der sich das erkennende Gericht einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen konnte. Dieser hat in der Verhandlung zwar betont, dass die strafbaren Taten nicht hätten passieren dürfen und auch angegeben, dass es ihm heute auch leidtue. Das erkennende Gericht hatte jedoch nicht den Eindruck, dass er die Taten tatsächlich bereut. So hat er auf Befragen, wie es zu den Betrugshandlungen im Zusammenhang mit Herrn J gekommen sei, mehrfach betont, dass er die E vor ihm gewarnt habe und auch bei jeder Schadensmeldung angeregt habe, dass der Schaden durch einen externen Sachverständigen begutachten werden solle. Damit wird jedoch völlig verkannt, dass das Landesgericht *** ihn unter anderem für schuldig befunden hat, dass er Herrn J dazu bestimmt hat, sich etwa eine Rechnung über einen Blitzschaden schreiben zu lassen, welcher tatsächlich gar nicht existierte, die er dann bei der K einreichen würde, obwohl die in Rechnung gestellte Abtauuhr im Tiefkühlraum des J aus unbekannter Ursache nicht mehr funktionierte, wobei es beim Versuch geblieben ist. Ebenso hat er am 26. Mai 2007 J bestimmt, einen aktuellen Rohrbruch zu behaupten und die Schadensmeldung in der Folge bei der K einzureichen, obwohl dieser Schaden bereits aus den Jahren 1998/99 stammte.
Weiters hat er auf die Frage, wie es zu den strafbaren Handlungen gekommen sei bzw. wieso man weiterhin straffällig werde angegeben, dass er es sich heute nicht mehr erklären könne und es auch irgendwie eine Gruppendynamik gewesen sei. Er habe eigentlich mit der Firma „D“ nichts zu tun gehabt. Das Gericht habe dann gesagt „Vorsatz“, er selbst wüsste nicht, wie es passieren habe können. Schließlich hat er als Hauptverantwortlichen Herrn G angegeben, der das geplant habe, er selbst hätte sich dabei immer schon zurückgehalten. Diese Aussagen des Beschwerdeführers stehen im Einklang mit seinem Verhalten vor der belangten Behörde, welche zusammenfassend im Bescheid zum Ergebnis gekommen ist, dass er überwiegend andere Personen für sein Fehlverhalten verantwortlich macht. Auch bei seiner Vorsprache am 5. Mai 2020 hat er ausgeführt, dass es bei anderwärtiger Rechtsvertretung zu einem anderslautenden Urteil gekommen wäre, wonach er wiederum das Fehlverhalten anderer in den Vordergrund rückte, um seines abgeschwächt darzustellen (Seite 10 des angefochtenen Bescheides).
Die Feststellungen zur Einschätzung seines jetzigen Arbeitgebers als qualifizierten Mitarbeiter beruhen auf dem im Beschwerdeverfahren vorgelegener Dienstzeugnis vom 19. Oktober 2020. Dass der indische Kundenstock mit der Arbeit des Beschwerdeführers zufrieden ist, hat dieser ausgesagt, was insoferne glaubhaft ist, weil er auch angegeben hat, dass er den indischen Kundenstock in sein nunmehriges Dienstverhältnis mitgebracht habe, und nach dem Vorbringen die Kunden teilweise seit mehr als 20 Jahren betreut werden. Insofern war die beantragte Einvernahme von namentlich gemachten Zeugen zur gewissenhaften Betreuung der Versicherungskunden durch den Beschwerdeführer nicht mehr erforderlich.
Die Feststellung zum psychologischen Gutachten beruht auf eben diesem.
Die Feststellungen zum aufrechten Agenturverhältnis mit den geschädigten Versicherungsunternehmen, insbesondere mit der E beruhen auf der Einsichtnahme in den Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria zur GISA-Zahl ***. Daraus geht hervor, dass die Agenturverhältnisse mit der H AG und der F AG beendet wurden, wohingegen der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung wie auch im Schriftsatz vom 19.10.2020 versucht hat glaubhaft zu machen, dass sämtliche Versicherungsunternehmen weiterhin mit ihm zusammenarbeiten würden bzw. nach der strafbaren Tat eine Prognoseentscheidung bezüglich der Zusammenarbeit mit dem nunmehrigen Beschwerdeführer treffen hätten müssen, welche zugunsten des Beschwerdeführers ausgegangen sei. Zwar hat er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass die F und die H AG keine Versicherungsverträge mit ihm gehabt hätten, was einen geschäftlichen Hintergrund gehabt habe, heute hätte er diese Versicherungsverträge mit beiden Gesellschaften wieder. Dabei wird aber verkannt, dass er heute nicht mehr selbständig tätig ist, sondern als Angestellter, das Agenturverhältnis mit dem Versicherungsunternehmen kann daher nicht mit ihm, sondern lediglich mit seinem Arbeitgeber bestehen.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat dazu in rechtlicher Hinsicht wie folgt erwogen:
Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles ... und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Folgende rechtliche Bestimmungen kommen zur Anwendung:
§ 26 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lautet:
(1) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.
(2) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 3 oder 4 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage des Rechtsträgers erwartet werden kann, daß er den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird.
(3) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 5 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn auf Grund der Umstände, die zum Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt haben und nach der Persönlichkeit der natürlichen Person erwartet werden kann, daß sie den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird.
(4) Die Nachsicht gemäß Abs. 1, 2 oder 3 ist nicht zu erteilen, wenn andere Ausschlußgründe gemäß § 13 vorliegen als jene, für die die Nachsicht erteilt werden soll.
…
§ 13 Abs. 1 GewO 1994 lautet:
(1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie
1. von einem Gericht verurteilt worden sind
a) wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder
b) wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und
2. die Verurteilung nicht getilgt ist.
Von der Ausübung eines Gastgewerbes sind natürliche Personen ausgeschlossen, wenn gegen sie eine nicht getilgte gerichtliche Verurteilung wegen Übertretung der §§ 28 bis 31a des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997, in der jeweils geltenden Fassung, vorliegt. Bei Geldstrafen, die nicht in Tagessätzen bemessen sind, ist die Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend. Bei Verhängung einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe sind Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zusammenzuzählen. Dabei ist ein Monat dreißig Tagen gleichzuhalten. Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten auch, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.
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Gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 die Nachsicht von diesem Ausschluss zu erteilen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes nicht zu befürchten ist.
Aufgrund der Verurteilung durch das Landesgericht *** vom 20.10.2014, ***, zu einer bedingten Freiheitstrafe von 18 Monaten, welche noch nicht getilgt ist, liegt der Gewerbeausschlussgrund des § 13 Abs. 1 Z 1 lit. b GewO 1994 vor, sodass gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 zu prüfen ist, ob nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit der Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.
Die Nachsicht gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 ist erst dann zu erteilen, wenn die in dieser Bestimmung genannte Befürchtung gar nicht besteht (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2015/04/0031 mit Verweis auf E vom 27.5.2004, 2007/04/0195 und vom 17.9.2010, 2009/04/0237; 25.9.2012; 2012/04/0113; 17.4.2012, Zl. 2008/04/0009 etc.). Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Erteilung der Nachsicht gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 ausgesprochen, dass diesbezüglich eine Prognoseentscheidung über das zukünftige Verhalten des Betroffenen zu treffen ist, bei der auch auf seine Persönlichkeit bzw. auf sein Wohlverhalten abzustellen ist, wobei es hier auf den seit der Begehung der Delikte verstrichenen Zeitraum ankommt (vgl. VwGH 20.5.2015, Ra 2015/04/0031 mit Verweis auf E vom 27.10.2014, 2013/04/0103 mwN und vom 28.9.2011, 2011/04/0148).
Bei dieser Prognose ist auf die Eigenart der strafbaren Handlung gleichermaßen wie auf die Persönlichkeit der Verurteilten und eine allfällige positive Persönlichkeitsentwicklung Bedacht zu nehmen. Zu berücksichtigen sind alle äußeren Umstände, die auf die Persönlichkeitsentwicklung – sei es im positiven oder negativen Sinn – von Einfluss sein können, wie z. B. die unbescholtene Lebensführung seit Tatbegehung, der Rückfall in neuerliche Straftaten, etc.
Hinsichtlich des Gewerbeausschlussgrundes des § 13 Abs. 1 Z. 1 lit. b Gewerbeordnung 1994 ist festzuhalten, dass die letzte Tat (13.9.2011) nunmehr neun Jahre zurückliegt und der nunmehrige Beschwerdeführer keine einschlägige weitere Straftat begangen hat. Er hat das gegenständliche Gewerbe auch nach der rechtskräftigen Verurteilung im Jahr 2014 über einen Zeitraum von etwas mehr als drei Jahren bis zur Bestätigung der Entziehung der Gewerbeberechtigung durch das Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom 16.2.2018 ausgeübt, danach war er mit kurzfristiger Unterbrechung von 5 Monaten im Jahr 2020 Angestellter bei einem Versicherungsmakler, ohne sich etwas zuschulden kommen zu lassen.
Der Beschwerdeführer hat schließlich im Verfahren ein psychologisches Gutachten vom 2. Mai 2020 vorgelegt. In diesem Gutachten wird ihm eine durchschnittliche nonverbale und leicht unterdurchschnittliche verbale Intelligenz, eine leicht überdurchschnittliche visuelle Merkfähigkeit und durchschnittliche Aufmerksamkeit attestiert. Im Persönlichkeitsbereich würden sich keine Hinweise auf eine akute oder frühere psychische Erkrankung und auch keine Anzeichen für eine dissoziale oder gar kriminelle Neigung zeigen. Abgesehen davon, dass sich nach der höchstgerichtlichen Judikatur für die gewerberechtlich vorzunehmende Beurteilung die Einholung eines Sachverständigengutachtens erübrigt, da die nach Annahme der Behörde gegebene tatbestandsmäßige Befürchtung sich bereits in der Art der strafgerichtlichen Verurteilung manifestiert (vgl. VwGH 8.5.2002, 2001/04/0043), ist dieses vom Beschwerdeführer beigebrachte Gutachten eine reine Momentaufnahme, eine Zukunftsprognose wird damit nicht abgegeben und könnte ein Gutachter auch niemals eine solche für alle Zeit mit hundertprozentiger Gewissheit abgeben.
Zwar ist nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs iZm dem Ausschlussgrund des § 13 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ohne rechtliche Relevanz, ob eine Straftat im Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes erfolgte. Allerdings muss die Eigenart der begangenen strafbaren Handlungen im Zusammenwirken mit der Persönlichkeit des verurteilten Gewerbeinhabers die Begehung gleicher oder ähnlicher Straftaten bei Ausübung des Gewerbes in der Zukunft mit gutem Grund befürchten lassen. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Antrag vom 19.2.2020 standen die Taten, wegen welcher er verurteilt wurde, sehr wohl im unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausübung des Gewerbes, hat er doch etwa den Versicherungsnehmer J bestimmt, Versicherungsfälle, welche seitens der K abgelehnt wurden, bei der E einzureichen. Auch durch die Behauptung, eine Kuh sei in sein eigenes Fahrzeug gelaufen und habe dieses beschädigt, hat er die E AG schädigt, mit welcher er als Versicherungsagent ein aufrechtes Agenturverhältnis hatte. Dies gilt ebenso für die übrigen fingierten Schadensmeldungen im Zusammenhang mit vermeintlichen KFZ-Schäden. Insofern ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass er zumindest sein aufgrund der langjährigen Tätigkeit im Versicherungsbereich erlangtes Wissen über den Ablauf von Versicherungsverfahren zur Begehung der Straftaten herangezogen hat. Daran ändert auch das Vorbringen des Beschwerdeführers nichts, wonach das Kerngeschäft des Beschwerdeführers nicht in der Schadensabwicklung, sondern in der Vermittlung und dem Abschluss von Versicherungsverträgen gelegen sei und dies auch heute noch so sei. Nur in Ausnahmefällen sei er unterstützend für die Schadensabwicklung zur Seite gestanden. Ungeachtet dessen hat er die mit Urteil des Landesgerichtes *** verurteilten Tathandlungen begangen. Die Ausübung des Gewerbes „Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsagent“ bietet ihm jedenfalls die Möglichkeit zur Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich konnte sich in der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer machen. Aufgrund dessen wurde festgestellt, dass der nunmehrige Beschwerdeführer sich nach wie vor nicht des Unrechtsgehalts der Taten bewusst ist, derentwegen er rechtskräftig verurteilt wurde. Er stellt weiterhin seine Rolle im Zusammenhang mit den strafbaren Handlungen als untergeordnet dar bzw. stellt er sich in einem besseren Licht dar, indem er die Hauptrolle an den strafbaren Handlungen anderen zuschiebt und seinen Tatbeitrag als untergeordnet sieht. Bereits im Antrag auf Nachsicht vom 19. Februar 2020 betont er, dass das Delikt auch nicht im Rahmen der Beratung eines Kunden oder direkt in Ausübung seines Berufs erfolgt sei, sondern großteils als Beitragstäter in untergeordneter Rolle. Diese Behauptung steht in diametralen Gegensatz zum Urteil des Landesgericht *** vom 20. Oktober 2014, wonach er teils alleine und teils im Zusammenwirken mit mehreren Mittätern vorsätzlich Versicherungsunternehmen am Vermögen geschädigt hat, wobei einzelne Tathandlungen in der Form der Bestimmungstäterschaft erfolgt sind, teilweise als Versuch. Darüber hinaus versucht er, seine strafbare Handlung dadurch zu relativieren, dass er die E ohnehin vor einem Versicherten namens M gewarnt habe und auch jedes Mal angeregt habe, dass der Schaden durch einen externen Sachverständigen begutachtet werden solle. Dabei wird eben verkannt, dass er Herrn J dazu bestimmt hat, Versicherungsfälle, die bei anderen Versicherungen erfolglos eingereicht worden waren, bei einer neuen Versicherung neuerlich einzureichen oder Versicherungsfälle zu fingieren.
Der Eindruck, den das erkennende Gericht vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, unterscheidet sich nicht von dem, den das Verwaltungsgericht Wien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer hatte. Dass sich das Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers derartig gewandelt hat, dass die Begehung gleichartiger oder ähnlicher Straftaten nicht mehr zu befürchten ist, konnte somit nicht festgestellt werden.
Weiters wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer seit Jahren einen indischen Kundenstock betreut, der mit ihm sehr zufrieden ist. Diese Tatsache ändert jedoch nichts an der Einschätzung des Beschwerdeführers, da die Zufriedenheit von Versicherungsnehmern für die Beurteilung, ob der Beschwerdeführer in Ausübung des Gewerbes neuerlich einen Versicherungsbetrug begehen wird, nicht relevant ist. Weiters wurde vom Beschwerdeführer vorgebracht, dass sämtliche Versicherungsunternehmen weiterhin mit ihm zusammenarbeiten würden bzw. nach der strafbaren Tat eine Prognoseentscheidung bezüglich der Zusammenarbeit mit dem nunmehrigen Beschwerdeführer treffen hätten müssen, welche zugunsten des Beschwerdeführers ausgegangen sei. Dazu wurde jedoch festgestellt, dass zwar das Agenturverhältnis mit der geschädigten E auch nach der rechtskräftigen Verurteilung fortbestanden hat, das Versicherungsverhältnis mit der ebenfalls geschädigten H AG wurde jedoch mit 1.6.2016 beendet, ebenso das mit der F, welches mit 30.9.2014 beendet wurde. Zwar hat er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass die F und die H AG keine Versicherungsverträge mit ihm gehabt hätten, was einen geschäftlichen Hintergrund gehabt habe, heute hätte er diese Versicherungsverträge mit beiden Gesellschaften wieder. Dabei wird aber verkannt, dass er heute nicht mehr selbständig tätig ist, sondern als Angestellter, das Agenturverhältnis mit dem Versicherungsunternehmen kann daher nicht mit ihm, sondern lediglich mit seinem Arbeitgeber bestehen.
Dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer seit der letzten Tatbegehung neun Jahre wohlverhalten hat, kann daher nicht jenes Gewicht beigemessen werden, das die in der Eigenart der strafbaren Handlung und der Persönlichkeit des Beschwerdeführers begründete Befürchtung der Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes „Versicherungsvermittlung in der Form Versicherungsagent“ ausgeschlossen werden kann. Hier ist auch der lange Tatzeitraum und die Höhe des Schadens ebenso zu berücksichtigen (vgl. VwGH 28.9.2011, 2011/04/0148, wo sechseinhalb Jahre Wohlverhalten seit der letzten Straftat angesichts eines längeren Deliktszeitraumes als nicht ausreichend angesehen wurde), wie der Umstand, dass seit der rechtskräftigen Entziehung der Gewerbeberechtigung erst ca. 2,5 Jahre vergangen sind.
Aufgrund der Persönlichkeit des Verurteilten bzw. aufgrund des Eindrucks, den er gegenüber dem erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, geht das erkennende Gericht daher davon aus, dass die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes mit guten Gründen nicht ausgeschlossen werden kann, sodass die Voraussetzungen für die Nachsichtserteilung nicht vorliegen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht das gegenständliche Erkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Gewerbliches Berufsrecht; Gewerbeausübung; Ausschluss; Nachsicht; Prognoseentscheidung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.632.001.2020Zuletzt aktualisiert am
11.01.2021