TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/12 W170 2235640-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

12.10.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
HDG 2014 §17 Abs1
HDG 2014 §72 Abs3
HDG 2014 §72 Abs4
HDG 2014 §75 Abs1
HDG 2014 §90 Abs3
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W170 2235640-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christof DUNST, gegen den Beschluss der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (jetzt: Bundesdisziplinarbehörde) vom 17.04.2020, Zl. 1035-03-DKS/19, zu Recht:

A) Der Beschluss wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG wegen rechtswidriger Zusammensetzung des erkennenden Senates der Disziplinarkommission für Soldaten als rechtswidrig aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Nachdem gegen XXXX (in Folge: Beschwerdeführer), einem Offizier der Heerestruppenschule, Institut Pionier, wegen eines näher dargelegten Verdachtes einer Dienstpflichtverletzung durch Schreiben der Heerestruppenschule vom 18.01.2019 ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, wurde gegen diesen am 29.03.2019 durch die Heerestruppenschule eine Disziplinaranzeige erstattet.

Mit Beschluss der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (in Folge: Behörde) vom 17.04.2020, Zl. 1035-03-DKS/19, wurde wegen dieses Verdachtes ein Disziplinarverfahren eingeleitet, der Beschluss wurde dem (zu diesem Zeitpunkt) unvertretenen Beschwerdeführer am 23.04.2020 ausgefolgt.

Am 05.05.2020 zeigte der im Spruch bezeichnete Vertreter das Bestehen einer Vollmacht zum Beschwerdeführer an, am 29.05.2020 langte die Beschwerde des Beschwerdeführers bei der Behörde ein.

1.2. Der im Spruch bezeichnete Einleitungsbeschluss wurde durch den Senat 2 der Behörde unter dem Vorsitz von Obst XXXX beschlossen.

Gegen Bgdr XXXX wurde ein Kommandantenverfahren eingeleitet, dieses war zumindest im April 2020 noch offen. Obst XXXX befand sich im April 2020 bereits im Ruhestand. Es ist dem Akt kein Verhinderungsgrund von Obst XXXX zu entnehmen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der unstrittigen Aktenlage der vorgelegten Verwaltungsakte, die Feststellung zur Einleitung des Kommandantenverfahrens gegen Bgdr XXXX und der Ruhestandversetzung des Obst XXXX aus dem Amtswissen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Besetzung des Spruchkörpers des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 90 Abs. 3 HDG ist für die Disziplinarkommission und die bei ihr anhängigen Verfahren die bis zum Ablauf des Tages der Kundmachung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58/2019, geltende Rechtslage bis zum Ablauf des 30. September 2020 weiter anzuwenden. Ab 1. Oktober 2020 sind diese Verfahren durch die zuständigen Disziplinarsenate in der Bundesdisziplinarbehörde als Senatsverfahren fortzuführen. In Disziplinarverfahren, in denen bis zum Ablauf des 30. September 2020 noch kein Disziplinarerkenntnis verkündet wurde, ist durch den zuständigen Disziplinarsenat in der Bundesdisziplinarbehörde in jedem Fall eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Da sich § 90 Abs. 3 HDG nur auf die Behörde bezieht und diese § 75 Abs. 1 HDG (siehe unten), der sich wiederum nur auf das Bundesverwaltungsgericht bezieht, jedenfalls nicht anzuwenden hat und daher die alte Fassung des § 75 Abs. 1 HDG auch über § 17 VwGVG nicht anwendbar ist, hat das Bundesverwaltungsgericht § 75 Abs. 1 HDG in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2020 anzuwenden.

Gemäß § 75 Abs. 1 HDG (in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2019) hat das Bundesverwaltungsgericht nur über Beschwerden (1.) gegen ein Erkenntnis der Bundesdisziplinarbehörde, mit dem die Disziplinarstrafe der Entlassung oder der Unfähigkeit der Beförderung und Degradierung oder der Verlust aller aus dem Dienstverhältnis fließenden Rechte und Ansprüche verhängt wurde, und (2.) gegen ein Erkenntnis der Bundesdisziplinarbehörde, sofern der Disziplinaranwalt die Beschwerde erhoben hat durch einen Senat zu entscheiden.

Gegenständlich liegt eine Beschwerde gegen einen Einleitungsbeschluss vor, daher ist vom Bundesverwaltungsgericht in Einzelrichterbesetzung zu entscheiden.

3.2. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Beschwerdefrist für Bescheidbeschwerden vier Wochen, das HDG kennt nur hinsichtlich im Kommandantenverfahren erlassener Disziplinarerkenntnisse eine abweichende Bestimmung. Demnach wäre die Beschwerdefrist am 21.04.2020 geendet.

Gemäß §§ 1 Abs. 1 1. Fall, 9 Abs. 1 COVID-19-VwBG werden alle Fristen in am 22.03.2020 anhängigen behördlichen Verfahren der Verwaltungsbehörden, auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze anzuwenden sind und deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach den 22.03.2020 fällt, bis zum Ablauf des 30.04.2020 unterbrochen. Sie beginnen neu zu laufen. Bei der Berechnung einer Frist nach § 32 Abs. 2 AVG gilt der 01.05.2020 als Tag, an dem die Frist begonnen hat. Daher endete die Beschwerdefrist mit Ablauf des 29.05.2020 und ist die an diesem Tag eingebrachte Beschwerde rechtzeitig.

3.3. Zum Prüfumfang des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß § 27 1. Fall VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen. Das bedeutet, dass der erste Prüfschritt des Verwaltungsgerichts immer der Zuständigkeit der belangten Behörde gilt.

Kollegialbehörden unterliegen nach der – wenn auch auf den vor dem 31.12.2014 abstellenden Zeitraum – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf Grund ihrer einem ordentlichen Gericht nahekommenden Stellung in der Frage der Zusammensetzung zur Durchführung fortgesetzter Verhandlungen denselben strengen Regeln, wie kollegial besetzte Gerichte (VwGH 20.11.2014, Ro 2014/07/0049). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Kollegialorgan als unzuständige Behörde anzusehen, wenn es nicht in der nach dem Gesetz vorgeschriebenen Besetzung entscheidet; das trifft dann zu, wenn entweder bei der Entscheidung nicht die vorgeschriebene Zahl von Mitgliedern mitgewirkt hat oder Personen daran beteiligt waren, die als Mitglieder von der Mitwirkung ausgeschlossen waren oder bei denen es sich nicht um Mitglieder handelte (VwGH 11.03.1959, VwSlg. 3506; VwGH 22.06.1995, 93/09/0445; VwGH 15.04.1998, 94/09/0305; VwGH 23.11.2001, 98/02/0259; VwGH 25.02.2009, 2006/03/0071; VwGH 14.10.2011, 2008/09/0125).

Aktuell hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass er der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 11.03.1959, VfSlg 3506/1959) beipflichte, dass die Bestellung zum Mitglied einer Kollegialbehörde die Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Willensbildung dieser Behörde mit sich bringt. Eine Stimmenthaltung von Mitgliedern einer Kollegialbehörde, die an der Verhandlung teilnehmen, kann somit ohne gesetzliche Ermächtigung nicht als zulässig angesehen werden. Ebenso teilt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht des Verfassungsgerichtshofes, dass durch eine Stimmenthaltung nicht die vom Gesetz zur Entscheidung berufene Kollegialbehörde, sondern nur eine Fraktion derselben entscheidet, was eine unrichtige Zusammensetzung der Kollegialbehörde bewirkt, die dann zu einer Aufhebung der Entscheidung führen müsse (VwGH 02.06.2020, Ra 2018/11/0084-7). Selbiges muss nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch gelten, wenn eine Kollegialbehörde rechtswidrig zusammengesetzt ist.

Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nach der eine Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG – im Gegensatz zu einer Aufhebung wegen Unzuständigkeit – etwa nicht erfolgen dürfe, wenn ein befangenes Mitglied einer Kollegialbehörde (mit)entschieden habe; diesfalls kann der Verfahrensmangel durch eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtes saniert werden (VwGH 30.01.2018, Ro 2017/08/0036).

Hier stellt sich aber nicht die Frage nach der Befangenheit, sondern nach der richtigen Besetzung des erkennenden Senates; dieser ist – bei entsprechenden Hinweisen im Akt – auch von Amts wegen nachzugehen (siehe § 27 VwGVG).

3.4. Zur Frage, ob der erkennende Senat der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung richtig besetzt war:

Der Beschwerdeführer steht als Offizier und Berufssoldat der Heerestruppenschule in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis.

3.4.1. Zur Rechtslage:

Die Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) für das Kalenderjahr 2020 mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2020, Verlautbarungsblatt II des Bundesministeriums für Landesverteidigung Nr. 7/2020, zuletzt geändert mit Verlautbarungsblatt II des Bundesministeriums für Landesverteidigung Nr. 15/2020 (in Folge: Geschäftseinteilung 2020), lautet auszugsweise:

„I.

Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2020 wird verfügt:

[…]

Vorsitzender der Disziplinarkommission für Soldaten:

Bgdr XXXX

Stellvertreter des Vorsitzenden:

ObstdIntD Mag. iur. Christian PÖCKL

Obst XXXX

Bgdr Prof. Dr. iur. Alois HIRSCHMUGL

Die Disziplinarkommission entscheidet in 7 Senaten.

[…]

Senat 2

Dieser Senat ist zuständig für Disziplinar- und Dienstenthebungsangelegenheiten aller Offiziere bis zum Dienstgrad Oberst und Militärseelsorger im Dienstverhältnis und im Ruhestand, sowie für Überprüfungsanträge nach im Einsatz verhängten rechtskräftigen Disziplinarstrafen in den Bundesländern WIEN, NIEDERÖSTERREICH und BURGENLAND

Senatsvorsitzender:

Bgdr XXXX

Senat 4

[…]

Senatsvorsitzender:

Obst XXXX

[…]

II.

Verhinderung der Senatsvorsitzenden

Bei Verhinderung des Vorsitzenden der jeweiligen Senate aus dienstlichen oder persönlichen Gründen oder bei Vorliegen von Befangenheitsgründen gem. § 7 AVG vertritt

[…]

2. den Senatsvorsitzenden der Senate 2 und 3 der Senatsvorsitzende des Senates 4,

[…]

Der unter Punkt I drittgenannte Stellvertreter des Vorsitzenden tritt bei Verhinderung der in den Punkten 1 bis 4 genannten Vertreter in den jeweiligen Senat ein.

Die einmal begründete Zuständigkeit bleibt dann bestehen.

III.

Einteilung

1. Der Vorsitzende verteilt die einlangenden Geschäftsfälle an den jeweiligen Senatsvorsitzenden.

2. Die weiteren Mitglieder und die Ersatzmitglieder sind vom Senatsvorsitzenden vor Anberaumung des ersten gemeinsamen Beratungstermins nach Abschnitt IV festzulegen und dem Beschuldigten gem. § 72 Abs. 4 HDG 2014 gemeinsam mit dem Einleitungsbeschluss mitzuteilen. Zur Sicherstellung eines arbeitsfähigen Senats sind vom Senatsvorsitzenden allfällige Verhinderungsgründe von weiteren Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in geeigneter Weise vorweg in Erfahrung zu bringen

3. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Senate sind Dienstenthebungsverfahren wie Disziplinarverfahren zu behandeln. Im Dienstenthebungs- und Disziplinarverfahren ist grundsätzlich derselbe Senat einzuteilen. Allfällige Ergänzungen sind nach Abschnitt IV. vorzunehmen.

[…]

VII.

Bisherige Zuständigkeiten bis 31. Dezember 2019

Die bis zum 31. Dezember 2019 mit den Bezug habenden Geschäftsordnungen verfügten Zuständigkeiten der Senate, bleiben bis zum Abschluss der jeweiligen Kommissionsverfahren bestehen.“

Die Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) für das Kalenderjahr 2019 mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2020, Verlautbarungsblatt II des Bundesministeriums für Landesverteidigung Nr. 20/2019 (in Folge: Geschäftseinteilung 2019), lautet auszugsweise:

„I.

Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2019 wird verfügt:

[…]

Vorsitzender der Disziplinarkommission für Soldaten:

Bgdr Mag. iur. KLECATSKY Alexander

Stellvertreter des Vorsitzenden:

Obst EGGER Leonhard Michael

Obst TÖDTLING Hermann

Bgdr Dr. Prof. HIRSCHMUGL Alois

Die Disziplinarkommission entscheidet in 7 Senaten.

[…]

Senat 2

Dieser Senat ist zuständig für Disziplinar- und Dienstenthebungsangelegenheiten aller Offiziere bis zum Dienstgrad Oberst und Militärseelsorger im Dienstverhältnis und im Ruhestand, sowie für Überprüfungsanträge nach im Einsatz verhängten rechtskräftigen Disziplinarstrafen in den Bundesländern WIEN, NIEDERÖSTERREICH und BURGENLAND

Senatsvorsitzender:

Bgdr Mag. iur. KLECATSKY Alexander

[…]

Senat 4

[…]

Senatsvorsitzender:

Obst TÖDTLING Hermann

Senat 6

[…]

Senatsvorsitzender:

Obst EGGER L. Michael

II.

Verhinderung der Senatsvorsitzenden

Bei Verhinderung des Vorsitzenden der jeweiligen Senate aus dienstlichen oder persönlichen Gründen bzw. bei Ablehnung durch den Beschuldigten gemäß § 72 Abs. 4 HDG 2014 oder bei Vorliegen von Befangenheitsgründen gem. § 7 AVG vertritt

[…]

2. den Senatsvorsitzenden der Senate 2 und 3 der Senatsvorsitzende des Senates 6, ist auch dieser verhindert, vertritt der Senatsvorsitzende des Senates 4

[…]

5. Der drittgenannte Stellvertreter des Vorsitzenden tritt bei Verhinderung der in den Punkten 1 bis 4 genannten Vertretern in den jeweiligen Senat ein.

Die einmal begründete Zuständigkeit bleibt dann bestehen.

III.

Einteilung

1. Der Vorsitzende verteilt die einlangenden Geschäftsfälle an den jeweiligen Senatsvorsitzenden.

2. Die weiteren Mitglieder und die Ersatzmitglieder sind vom Senatsvorsitzenden vor Anberaumung des ersten gemeinsamen Beratungstermins nach Abschnitt IV festzulegen und dem Beschuldigten gem. § 72 Abs. 4 HDG 2014 gemeinsam mit dem Einleitungsbeschluss mitzuteilen. Zur Sicherstellung eines arbeitsfähigen Senats sind vom Senatsvorsitzenden allfällige Verhinderungsgründe von weiteren Mitgliedern und Ersatzmitgliedern in geeigneter Weise vorweg in Erfahrung zu bringen

3. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Senate sind Dienstenthebungsverfahren wie Disziplinarverfahren zu behandeln. Im Dienstenthebungs- und Disziplinarverfahren ist grundsätzlich derselbe Senat einzuteilen. Allfällige Ergänzungen sind nach Abschnitt IV. vorzunehmen.“

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26.06.2020, V344/2020 ua, wurde festgestellt, dass die Geschäftseinteilung 2019 rechtswidrig war.

3.4.2. Zum eingeschrittenen Senatsvorsitzenden:

Anzuwenden war zum Zeitpunkt der Erlassung des Einleitungsbeschlusses die Geschäftseinteilung 2020, die jedoch in Punkt VII. „Bisherige Zuständigkeiten bis 31. Dezember 2019“ normiert, dass die bis zum 31. Dezember 2019 mit den Bezug habenden Geschäftsordnungen verfügten Zuständigkeiten der Senate bis zum Abschluss der jeweiligen Kommissionsverfahren bestehen bleiben. Da die Rechtssache bereits im Jahr 2019 bei der Behörde angefallen und gemäß Punkt III. „Einteilung“ Z 1 der Vorsitzende die einlangenden Geschäftsfälle an den jeweiligen Senatsvorsitzenden verteilt, dürfte diesbezüglich (durch einen statischen Verweis) die Geschäftsordnung 2019 materiell (wenn auch als Teil der Geschäftsordnung 2020) anwendbar gewesen sein und sich die Zuständigkeit zumindest des Senatsvorsitzenden auf die Geschäftseinteilung 2019 stützen. Wenn man die Ansicht vertritt, dass – etwa insbesondere folglich der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes mit Erkenntnis vom 26.06.2020, V344/2020 ua, dass die Geschäftseinteilung 2019 rechtswidrig war – die Geschäftseinteilung 2020 anzuwenden wäre, bleibt jedoch das Ergebnis das gleiche.

Der gegenständliche Geschäftsfall ist im Jahr 2019 angefallen, der betroffene Beschwerdeführer ist ein Offizier mit dem Dienstgrad Hauptmann. Es ist daher nach Geschäftseinteilung Pkt. I. der für Disziplinar- und Dienstenthebungsangelegenheiten aller Offiziere bis zum Dienstgrad Oberst und Militärseelsorger im Dienstverhältnis und im Ruhestand zuständige Senat 2 zuständig, dessen Senatsvorsitzender ist Bgdr XXXX . Dies trifft sowohl auf die Geschäftseinteilung 2019 als auch auf die Geschäftseinteilung 2020 zu.

Gemäß § 17 Abs. 1 Z 4 HDG ruht die Mitgliedschaft zur Disziplinarkommission (1.) während eines Strafverfahrens nach der Strafprozessordnung 1975 betreffend eine von Amts wegen zu verfolgende, mit Vorsatz begangene gerichtlich strafbare Handlung ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft einer Anklageerhebung oder (2.) vom Zeitpunkt der Einleitung eines Disziplinarverfahrens bis zu dessen Einstellung oder rechtskräftigem Abschluss oder (3.) während einer, wenn auch nur vorläufigen, Dienstenthebung oder (4.) während einer Außerdienststellung oder (5.) während einer gerechtfertigten Abwesenheit von mehr als drei Monaten oder (6.) während einer Dienstleistung im Ausland. Da gegen den Senatsvorsitzenden Bgdr XXXX ein Kommandantenverfahren – also ein Disziplinarverfahren – eingeleitet wurde, ruht dessen Mitgliedschaft zur Disziplinarkommission sowohl im Regime der Geschäftseinteilung 2019 als auch der Geschäftseinteilung 2020.

Gemäß Geschäftseinteilung 2019 Pkt. II. Z 2 vertritt bei Verhinderung des Vorsitzenden der jeweiligen Senate aus dienstlichen oder persönlichen Gründen oder bei Vorliegen von Befangenheitsgründen gem. § 7 AVG den Senatsvorsitzenden der Senate 2 und 3 der Senatsvorsitzende des Senates 6, das ist Obst XXXX , der am 17.04.2020 bereits im Ruhestand war. Daher war auch dieser verhindert und ist der Vorsitzende des Senates 4, das ist Obst XXXX , zur Vertretung berufen. Es ist der Aktenlage nicht zu entnehmen, dass Obst XXXX am 17.04.2020 verhindert war. Selbst in diesem Fall wäre Bgdr XXXX zuständig gewesen, da gemäß Geschäftseinteilung 2019 Pkt. II. Z 5 der drittgenannte Stellvertreter des Vorsitzenden bei Verhinderung der in den Punkten 1 bis 4 genannten Vertreter in den jeweiligen Senat eintritt. Daher ist der eingeschrittene Obst XXXX im Regime der Geschäftseinteilung 2019 unzuständig.

Würde man die Zuständigkeit nach der Geschäftseinteilung 2020 ohne Rückgriff auf die Geschäftseinteilung 2019 festmachen wollen, gilt folgendes:

Gemäß Geschäftseinteilung 2020 Pkt. II. Z 2 vertritt bei Verhinderung des Vorsitzenden der jeweiligen Senate aus dienstlichen oder persönlichen Gründen oder bei Vorliegen von Befangenheitsgründen gem. § 7 AVG den Senatsvorsitzenden der Senate 2 und 3 der Senatsvorsitzende des Senates 4, das ist Obst XXXX . Es ist der Aktenlage nicht zu entnehmen, dass Obst XXXX am 17.04.2020 verhindert war. Selbst in diesem Fall wäre Bgdr XXXX zuständig gewesen, da gemäß Geschäftseinteilung 2020 Pkt. II. der unter Punkt I drittgenannte Stellvertreter des Vorsitzenden bei Verhinderung der in den Punkten 1 bis 4 genannten Vertreter in den jeweiligen Senat eintritt. Daher ist der eingeschrittene Obst XXXX auch im Regime der Geschäftseinteilung 2020 ohne Rückgriff auf die Geschäftseinteilung 2019 unzuständig.

3.4.3. Conclusio:

Aus den oben angeführten Gründen ist der Spruchkörper der Kollegialbehörde der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) hinsichtlich des gegenständlichen Beschlusses nach der Geschäftseinteilung 2020 (unabhängig davon, ob man die Geschäftseinteilung 2020 mit oder ohne Rückgriff auf die Geschäftseinteilung 2019 liest) jedenfalls falsch besetzt und ist der einschreitende Senat für diesen Beschluss unzuständig. Somit ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts der bekämpfte Beschluss schon aus diesem Grund zu beheben.

Es hat in weiterer Folge der zuständige Senat der Bundesdisziplinarbehörde zusammenzutreten (bzw. im Rahmen eines Umlaufbeschlusses tätig zu werden) und eine Entscheidung über die Einleitung des Disziplinarverfahrens zu treffen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt, da keine explizite Rechtsprechung zur Frage, ob eine rechtswidrige Besetzung einer einschreitenden Kollegialbehörde durch ein mängelfreies Verfahren vor dem Verwaltungsgericht saniert werden kann, zu finden ist. Ebenso ist zur Auslegung der Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung (DKS) für das Kalenderjahr 2019 bzw. 2020 keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu finden.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Dienstenthebung Disziplinarkommission für Soldaten Disziplinarverfahren Einleitungsbeschluss Geschäftseinteilung Disziplinarkommission BMLV gesetzwidrige Zusammensetzung Kollegialorgan Pandemie Rechtsfrage Rechtswidrigkeit Revision zulässig Senatszusammensetzung Unzuständigkeit Verhinderung Vorsitzender

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2235640.1.00

Im RIS seit

12.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten