TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/4 W218 2228575-1

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Veröffentlicht am 04.11.2020
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Entscheidungsdatum

04.11.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W218 2228575-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 03.02.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Bescheid vom 03.02.2020 stellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) fest, dass mit einem Grad der Behinderung von 30 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien.

2.       Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass das Leiden Polyneuropathie enormen Einfluss auf die Wirbelsäule habe, da durch das Brennen in den Füßen die Wirbelsäule komplett blockiere und dies die Schmerzen verstärke. Das Gehen werde dadurch unmöglich. Daher benötige sie beim Gehen Hilfe durch ihren Ehemann sowie mehrmalige Sitzpausen.

Die Fuß- und Zehenfehlstellung habe zudem Einfluss auf die Wirbelsäule, da sie dadurch nicht richtig gehe und nur die Ferse belaste und erhöhe dies das Brennen in den Füßen (Polyneuropathie).

Das Duschen wäre zudem unmöglich, da das Brennen in den Füßen die Schmerzen in der Wirbelsäule multipliziere und sie daher einen Duschhocker benötige. Für längere Strecken brauche sie einen Rollstuhl.

3.       Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 14.02.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

4.       Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt, das einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 vH ergab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 30 vH.

Die Beschwerdeführerin leidet an folgenden Funktionseinschränkungen:

1. Fehlstellung und beginnende Degeneration der Wirbelsäule, Pos.Nr.: 02.01.02, Grad der Behinderung 30%

2. Asthma bronchiale, Pos.Nr.: 06.05.01, Grad der Behinderung 20%

3. Polyneuropathie, Pos.Nr.: 04.06.01, Grad der Behinderung 20%

4. Fuß- und Zehenfehlstellungen beidseits, Pos.Nr.: 02.02.01, Grad der Behinderung 10%

Da die Beschwerdeführerin keinen Gesamtgrad der Behinderung von 50% (fünfzig v.H.) erreicht, sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt.

2.       Beweiswürdigung:

Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar, es wist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

In den medizinischen Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin, wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, am 15.01.2020, sowie im ergänzenden Aktengutachten vom 24.06.2020 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die medizinische Sachverständige stufte das führende Leiden 1 „Fehlstellung und beginnende Degeneration der Wirbelsäule“ schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 02.01.02 mit dem unteren Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 30 vH ein. Bei der Beschwerdeführerin liegt eine mäßiggradige Funktionseinschränkung vor. Bei der persönlichen Untersuchung am 15.01.2020 war an der Wirbelsäule der Beschwerdeführerin kein Klopfschmerz objektivierbar, der Finger-Boden-Abstand war im Stehen knapp unter dem Knie und war sowohl der Zehen- als auch der Fersenstand beidseitig möglich sowie der Lasegue negativ. Aus dem Röntgenbefund vom 14.06.2019 geht hervor, dass sich degenerative Veränderungen nur inzipient an der mittleren Brustwirbelsäule mit leichter Einsenkung der Bandscheiben und kleine Randkantenreaktionen finden. Im Bereich der Halswirbelsäule zeigten sich in Reklination eine minimale Vertiefung der Lordose. In Inlination zeigte sich eine angedeutete Ventralbiegung. An der Lendenwirbelsäule zeigte sich die gesamte Auslenkung L1 bis S1 von etwa 25°. Eine Instabilität liegt nicht vor. Im MRT-Befund vom 21.05.2019 zeigte sich in der Halswirbelsäule eine geringe Discusraumverschmälerung in den Segmenten C2 bis C7, jedoch keine wesentlichen degenerativen Veränderungen im Bereich der kleinen Wirbelgelenke. An der Lendenwirbelsäule ist eine minimale degenerative Discusdehydration an L1/2 sowie eine rechtskonvexe Skoliose der Lendenwirbelsäule sichtbar. Die Einstufung mit einem Grad der Behinderung von 30 vH erfolgte somit in Einstimmung mit der Einschätzungsverordnung, da rezidivierende Episoden über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen und andauernder Therapiebedarf darin mitumfasst sind.

Die medizinische Sachverständige stufte das Leiden 2 „Asthma bronchiale“ schlüssig und nachvollziehbar unter der Positionsnummer 06.05.01 mit dem oberen Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 20 vH ein, da dieses unter Bedarfsmedikation stabil ist.

Die medizinische Sachverständige stufte das Leiden 3 „Polyneuropathie“ schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 04.06.01 mit dem unteren Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 20 vH ein. Die Sachverständige konnte eine geringgradige Funktionseinschränkung unter Dauermedikation objektivieren.

Die medizinische Sachverständige stufte im Aktengutachten vom 24.06.2020 das Leiden 4 „Fuß- und Zehenfehlstellungen beidseits“ unter der Positionsnummer 02.02.01 mit dem untern Rahmensatz mit einem Grad der Behinderung von 10 vH ein, da geringgradige Funktionseinschränkungen objektivierbar sind. Im Zuge der persönlichen Untersuchung am 15.01.2020 zeigten sich an den unteren Extremitäten sowohl eine Zehen- als auch eine Fußfehlstellung beidseitig. Der Beschwerdeführerin war im Zuge der Untersuchung jedoch der Zehen- und der Fersenstand möglich. Sie konnte im Untersuchungszimmer frei, sicher und ohne Hilfsmittel gehen, der Stand und Gang war ausreichend sicher. Die in der Beschwerde vorgebrachte Notwendigkeit der Benützung eines Rollstuhles bei längeren Strecken konnte durch die persönliche Untersuchung nicht objektiviert werden. Im Vergleich zum verwaltungsbehördlichen Sachverständigengutachten wurde das Leiden nunmehr unter der Positionsnummer 02.02.01 zur Ausräumung von Unklarheiten eingestuft, da im vorhergehenden Gutachten die Positionsnummer 02.05.35 gz herangezogen wurde, da eine Einstufung der Funktionseinschränkungen im Bereich beider Füße von 30 bis 40 vH der vorliegenden Funktionseinschränkung nicht entspricht. Es erfolgte eine Neueinstufung der Funktionseinschränkung unter einer anderen Positionsnummer, eine höhere Einstufung des Grades der Behinderung war jedoch nicht vorzunehmen.

Das führende Leiden 1 wird durch die Leiden 2 und 3 nicht weiter erhöht, da der Gesamtzustand nicht wesentlich negativ beeinflusst wird und keine relevante wechselseitige negative Leidensbeeinflussung vorliegt, insbesondere die Polyneuropathie stellt nur eine geringe Funktionseinschränkung dar. Das Leiden 4 ist mit einer Einstufung von 10 vH von zu geringer funktioneller Relevanz und erhöht den Gesamtgrad der Behinderung somit nicht weiter.

Die Behörde (bzw. das Gericht) hat ein Gutachten auf seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten hat die Behörde nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen. Die belangte Behörde und der Beschwerdeführer sind den getroffenen Feststellungen nicht entgegengetreten, weshalb das Gericht die im Gutachten getroffenen Feststellungen ohne weitere Ermittlungen dem Sachverhalt zugrunde gelegt hat.

Mit dem Beschwerdevorbringen hat sich das seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholte Sachverständigengutachten ausführlich auseinandergesetzt. Die beauftragte Sachverständige hält – aufgrund der Aktenlage – zusammengefasst fest, dass weder aus den vorliegenden Befunden, noch aus der persönlichen Untersuchung vom 15.01.2020 die Notwendigkeit einer Begleitperson oder der Benützung eines Rollstuhles objektivierbar ist. Die behauptete wechselseitige Leidensbeeinflussung widerspricht zudem den Befunden und der Untersuchung.

Es wurde dem Vorbringen der Beschwerdeführerin somit nachvollziehbar, schlüssig und vollständig entgegen getreten und kann den Einwendungen der Beschwerdeführerin angesichts des Inhalts des Gutachtens nicht gefolgt werden. Die Beschwerdeführerin konnte weder eine Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit des Gutachtens aufzeigen noch ist sie ihm auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Auch sind an der Person der Sachverständigen keine Bedenken aufgetreten.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das eingeholte Sachverständigengutachten daher als schlüssig, vollständig und nachvollziehbar. In einer Zusammenschau der vorliegenden Befunde, des Gutachtens und dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin dem Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten ist, geht der erkennende Senat davon aus, dass das Sachverständigengutachten bzw. der darin festgelegte Grad der Behinderung von 30 v.H. der Entscheidung zugrunde zu legen ist.

Das Sachverständigengutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung am 15.01.2020 im Zusammenhang mit dem Aktengutachten vom 24.06.2020 wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

Auszug aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) idgF:

„Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
-         sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
-         zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.“

Da ein Grad der Behinderung von 30 (dreißig) vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993).

Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde auf gutachterlicher Basis ermittelt. Zudem wurde vom Beschwerdeführer in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet, welches eine weitere Erörterung notwendig erschienen ließ.

Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W218.2228575.1.00

Im RIS seit

12.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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