Entscheidungsdatum
09.11.2020Norm
ASVG §58Spruch
W198 2218932-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid (Beschwerdevorentscheidung) der vormaligen Wiener Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse, vom 15.04.2019, BZ: XXXX , wegen Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG iVm § 58 Abs. 5 ASVG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.10.2020 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die vormalige Wiener Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse (im Folgenden: ÖGK) hat mit Bescheid 28.01.2019, BZ: XXXX , festgestellt, dass XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) als Geschäftsführer der XXXX (im Folgenden: Beitragsschuldnerin) verpflichtet ist, der ÖGK gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge s.Nbg. aus den Vorschreibungen für den Zeitraum August 2017 in der Höhe von € 13.987,38 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach
§ 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das sind ab 28.01.2019 3,38% p.a. aus € 13.144,66 binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Beitragsschuldnerin aus den Beiträgen August 2017
€ 13.987,38 und weitere Verzugszinsen schulde. Sämtliche Einbringungsmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Über das Vermögen der Beitragsschuldnerin sei am 11.10.2017 die Insolvenz eröffnet worden. Da die Beitragsschuldnerin keine Tätigkeit mehr ausübe, sei die Hereinbringung der Forderung nicht mehr möglich. Der Beschwerdeführer sei im gegenständlichen Zeitraum handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin gewesen. Er habe nicht dargetan, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen sei.
2. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 06.02.2019 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin führte er aus, dass er als Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin das Unternehmen im August 2017 schließen habe müssen, da die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlt werden konnten. Die Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Beitragsschuldnerin sei ab Juli 2017 nicht mehr möglich gewesen. Er habe als Geschäftsführer alles in seiner Macht Stehende unternommen, sodass keine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflichten angenommen werden könne.
3. Im Verfahren über die Beschwerde erließ die ÖGK als belangte Behörde gemäß
§ 14 VwGVG iVm § 56 AlVG eine mit 15.04.2019 datierte Beschwerdevorentscheidung, mit welcher die Beschwerde abgewiesen wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf sein Beschwerdevorbringen aufgefordert worden sei, Nachweise für fehlende liquide Mittel im August 2017 beizubringen. Es sei diesbezüglich eine Frist bis zum 09.04.2019 gesetzt worden. Es sei jedoch keine Stellungnahme des Beschwerdeführers eingelangt. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass es sich beim Vorbringen in der Beschwerde um eine reine Schutzbehauptung handle. Darüber hinaus seien im Juli und August 2017 Zahlungen getätigt worden und spreche dies nicht dafür, dass in diesem Zeitraum keine liquiden Mittel vorhanden gewesen wären.
4. Mit Schreiben vom 23.04.2019 stellte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Antrag auf Vorlage, in welcher er auf sein Beschwerdevorbringen verwies.
5. Die Beschwerdesache wurde unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Bundesverwaltungsgericht am 16.05.2019 zur Entscheidung vorgelegt.
6. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 12.06.2019 den Beschwerdeführer aufgefordert, eine Auflistung vorzulegen, welche zeigt, welche fälligen Gesamtverbindlichkeiten die Beitragsschuldnerin am 31.08.2019 hatte. Zudem wurde die Bekanntgabe sämtlicher Zahlungen aufgetragen, welche zur Tilgung der fälligen Verbindlichkeiten vom 31.08.2019 bis zur Insolvenzeröffnung am 11.10.2017 getätigt wurden.
7. Am 26.06.2019 langte eine mit 25.06.2019 datierte Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, mit welcher diverse Unterlagen übermittelt wurden.
8. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 18.09.2019 der ÖGK die Auftragserteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.06.2019 sowie die Eingabe des Beschwerdeführers vom 25.06.2019 übermittelt.
9. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 07.10.2020 die damalig gerichtlich ergangene Auftragserteilung vom 12.06.2019 dahingehend abgeändert, sodass die in Punkt 1 und 2 des damaligen Schreibens angeführte Datumsangabe „31.08.2019“ auf „31.08.2017“ korrigiert wird.
10. Das Bundesverwaltungsgericht hat die ÖGK mit Schreiben vom 07.10.2020 aufgefordert, eine Stellungnahme in Bezug auf die vom Beschwerdeführer am 26.06.2019 vorgelegten Kontoauszüge der Beitragsschuldnerin, welche Zahlungen – in nicht unerheblichem Ausmaß – an die ÖGK aufweisen, abzugeben.
11. Am 14.10.2020 langte eine mit 12.10.2020 datierte Stellungnahme der ÖGK beim Bundesverwaltungsgericht ein.
12. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 16.10.2020 dem Beschwerdeführer die Stellungnahme der ÖGK vom 12.10.2020 übermittelt.
13. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 30.10.2020 eine öffentliche, mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer war seit 13.04.2016 bis zur Konkurseröffnung am 11.10.2017 selbstständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin.
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 11.10.2017, Aktenzahl XXXX , wurde über das Vermögen der Beitragsschuldnerin der Konkurs eröffnet. Die Gesellschaft wurde infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst. Das am 11.10.2017 eröffnete Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss vom 19.11.2018 nach Schlussverteilung aufgehoben und die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.
Die rückständigen Beiträge sind bei der Beitragsschuldnerin uneinbringlich.
Sämtliche Beitragsrückstände sind in dem Zeitraum entstanden, in dem der Beschwerdeführer Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin war. Im Zeitpunkt des Entstehens der Rückstände war sohin der Beschwerdeführer für die rechtzeitige und ordnungsgemäße Entrichtung der Beiträge verantwortlich.
Liquide Mittel waren während des haftungsgegenständlichen Zeitraumes bei der Beitragsschuldnerin vorhanden.
Im verfahrensrelevanten Zeitraum sind Zahlungen der Beitragsschuldnerin an andere Gläubiger als die ÖGK erfolgt; an die ÖGK jedoch nicht.
Es wird festgestellt, dass keine Gläubigergleichbehandlung erfolgte.
2. Beweiswürdigung:
Der Beginn der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin ergibt sich aus dem Firmenbuch.
Die Höhe der aushaftenden Beiträge und Verzugszinsen ergibt sich aus dem dem Bescheid vom 28.01.2019 angefügten Rückstandsausweis vom 28.01.2019. Ebenso ergibt sich der Zeitpunkt der Entstehung der aushaftenden Beiträge aus dem Rückstandsausweis.
Dass die Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Beitragsschuldnerin gegeben ist, ergibt sich daraus, dass über das Vermögen der Beitragsschuldnerin am 11.10.2017 der Konkurs eröffnet wurde und das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 19.11.2018 nach Schlussverteilung aufgehoben wurde.
Der Umstand, dass liquide Mittel während des haftungsgegenständlichen Zeitraumes bei der Beitragsschuldnerin vorhanden waren, ergibt sich aus einem vorgelegten Kontoauszug des Girokontos der Beitragsschuldnerin. Aus diesem Kontoauszug ist ersichtlich, dass im beschwerdegegenständlichen Zeitraum 09/2017 Beträge in Summe von € 51.006,16 am Konto der Beitragsschuldnerin eingelangt sind. So wurde am 04.09.2017 an die Beitragsschuldnerin ein Betrag von € 20.000 von der Firma XXXX GmBH für Leiharbeiter überwiesen. Zudem wurde am 13.09.2017 ebenfalls von der XXXX GmBH ein Betrag von € 20.694,93 an die Beitragsschuldnerin überwiesen. Die in diesem Kontoauszug ersichtlichen Zahlungsvorgänge belegen, dass die Beitragsschuldnerin noch über liquide Mittel im beschwerdegegenständlichen Zeitraum verfügt hat.
Die Feststellung, wonach Zahlungen der Beitragsschuldnerin an andere Gläubiger als die ÖGK erfolgt sind, ergibt sich ebenfalls aus dem vorgelegten Kontoauszug des Girokontos der Beitragsschuldnerin. Zudem gab der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auf Vorhalt, dass er ca. € 50.000 von dem Girokonto der Beitragsschuldnerin abgehoben habe, selbst an, dass er damit die Löhne bezahlt habe und bestätigte er, dass er die Löhne im vollen Ausmaß beglichen habe. Am 02.08.2017 wurde – wie aus dem Kontoauszug ersichtlich - der Lohn für Juli 2017 für die im Kontoauszug namentlich genannten Mitarbeiter der Beitragsschuldnerin, in Summe 32 Personen, in der im Kontoauszug ersichtlichen Höhe ausgezahlt. Am 04.09.2017 wurden vom Konto der Beitragsschuldnerin Beträge in Höhe von € 5.000 und € 15.000 in bar behoben, am 12.09.2017 und 13.09.2017 wurden Beträge in Höhe von € 9.000, € 5.000 sowie € 15.800 behoben und wurden mit diesen Beträgen – laut Aussage des Beschwerdeführers in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht – die Löhne der Mitarbeiter bezahlt.
Zu der Feststellung, wonach keine Gläubigergleichbehandlung erfolgte, ist beweiswürdigend festzuhalten, dass der Beschwerdeführer - trotz mehrmaliger Aufforderung sowohl der ÖGK als auch des Bundesverwaltungsgerichts - keine Nachweise zur Gläubigergleichbehandlung erbracht hat. Das vom Beschwerdeführer vorgelegte Anmeldeverzeichnis der Beitragsschuldnerin XXXX , kann nicht als Nachweis für eine Gläubigergleichbehandlung herangezogen werden. Es weist einerseits nicht nach, welche Verbindlichkeiten am 31.08.2017 (älteste Verbindlichkeit gegenüber der ÖGK) bestanden haben und andererseits zeigt es nicht die Gläubiger, welche bereits vor der Insolvenzeröffnung befriedigt wurden. Gläubiger, die vor der Insolvenzeröffnung befriedigt wurden, können bzw. werden ihre Forderungen nämlich nicht zum Insolvenzverfahren anmelden.
3. Rechtliche Beurteilung:
§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG ist die Entscheidung über Beitragshaftungen gemäß § 67 ASVG nicht von einer Senatsentscheidung umfasst. Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnerin für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Voraussetzung für die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist neben der Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Beitragsschuldnerin auch deren ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe nach, schuldhafte und rechtswidrige Verletzungen der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den Vertreter und die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters für die Uneinbringlichkeit.
Für den Eintritt der Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist also Voraussetzung, dass die rückständigen Beiträge beim Dienstgeber uneinbringlich und der Höhe nach bestimmt sind.
Verfahrensgegenständlich kann die Beitragseinbringung als uneinbringlich qualifiziert werden, weil über das Vermögen der Beitragsschuldnerin am 11.10.2017 der Konkurs eröffnet wurde und das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 19.11.2018 nach Schlussverteilung aufgehoben wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Erkenntnis vom 12.01.2016, Zl. Ra 2014/08/0028, zur ziffernmäßigen Bestimmtheit der Höhe des Haftungsbetrags wie folgt aus: "... so legte die Revisionswerberin ihrem Bescheid einen Rückstandsausweis vom 2. Oktober 2012 zugrunde; in ihrer Stellungnahme zur Beschwerde schränkte sie nach teilweiser Zahlung durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds den Haftungsbetrag ein und legte einen modifizierten Rückstandsausweis vom 6. Juni 2013 vor. Der Haftungsbetrag wurde im Rückstandsausweis näher aufgegliedert; die Aufschlüsselung entsprach den Vorgaben des § 64 Abs. 2 ASVG, wonach der rückständige Betrag, die Art des Rückstands samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren anzuführen sind. Der Rückstandsausweis ist eine öffentliche Urkunde und begründet nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld (vgl. OGH RIS-Justiz RS0040429 mwN). Indem die Revisionswerberin ihrem Bescheid den Rückstandsausweis zugrunde legte, brachte sie damit zum Ausdruck, auf welchen Sachverhalt sich die Vorschreibung gründet, welche ziffernmäßige Höhe der Haftungsbetrag aufweist und wie sich die Forderung konkret zusammensetzt. Auf Grund der Heranziehung des Rückstandsausweises, einer öffentlichen Urkunde mit erhöhtem Beweiswert, sind freilich keine (krassen bzw. besonders gravierenden) Ermittlungslücken im Sinn der oben aufgezeigten Rechtsprechung (Punkt 5.) zu erkennen. ..." Und weiters: "... Was die Frage nach dem Vorliegen einer kausalen schuldhaften Pflichtverletzung betrifft, so ist eine solche schon dann anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermag, dass ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war. Es ist also seine Sache, die Gründe darzulegen und entsprechende Beweisanbote zu erstatten, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls seine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs: vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Juni 1999, 99/08/0075). Allerdings darf diese besondere Behauptungs- und Beweislast auch nicht überspannt oder so aufgefasst werden, dass die Behörde - bzw. hier das Verwaltungsgericht - von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre (vgl. das VwGH, Erkenntnis vom 12. April 1994, 93/08/0232; uva.). ..."
Was die ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe des Haftungsbetrages anbelangt, so legte die ÖGK ihrem Bescheid einen Rückstandsausweis vom 28.01.2019 zugrunde. Der Haftungsbetrag wurde im Rückstandsausweis näher aufgegliedert. Die Aufschlüsselung entsprach den Vorgaben des § 64 Abs. 2 ASVG, wonach der rückständige Betrag, die Art des Rückstandes samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren anzuführen sind. Der Rückstandsausweis ist eine öffentliche Urkunde und begründet nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld. Aufgrund des Vorliegens des Rückstandsausweises ist sohin hinreichend bestimmt, welche ziffernmäßige Höhe der Haftungsbetrag aufweist und wie sich die Forderung konkret zusammensetzt.
Der Beschwerdeführer war des Weiteren unstrittig ab 13.04.2016 Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin und kann somit grundsätzlich zu einer Haftung wegen Ungleichbehandlung für die gesamte Beitragsschuld herangezogen werden. Sämtliche Beitragsrückstände sind in dem Zeitraum entstanden, in dem der Beschwerdeführer Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin war. Somit ist zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer infolge schuldhafter Pflichtverletzung für die nicht einbringlichen Beitragsforderungen der ÖGK haftet.
Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG in der hier maßgebenden Fassung des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2010 - 2. SVÄG 2010, BGBl. I Nr. 102/2010, besteht neben den im § 67 Abs. 10 ASVG auferlegten Pflichten aber auch eine allgemeine, die Vertreter der Beitragsschuldner gegenüber den Beitragsgläubigern treffende Pflicht, aus den von ihnen verwalteten Mitteln für die Abfuhr der Beiträge zu sorgen. Damit ist zur bisherigen Haftung für nicht abgeführte Dienstnehmerbeiträge und Meldeverstöße (gleichrangig) eine neue Haftung wegen Ungleichbehandlung (von Gläubigern) hinzugetreten (Derntl in Sonntag (Hrsg), ASVG6 (2015) § 67 Rz 77a).
Gemäß der auf die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG übertragbaren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Parallelbestimmung des § 25a Abs. 7 BUAG liegt Gläubigergleichbehandlung dann vor, wenn das Verhältnis aller im Beurteilungszeitraum erfolgten Zahlungen zu allen Verbindlichkeiten, die zu Beginn des Beurteilungszeitraumes bereits fällig waren oder bis zum Ende des Beurteilungszeitraumes fällig wurden, dem Verhältnis der in diesem Zeitraum erfolgten Beitragszahlungen zu den insgesamt fälligen Beitragsverbindlichkeiten entspricht. Unterschreitet die Beitragszahlungsquote die allgemeine Zahlungsquote, so liegt eine Ungleichbehandlung des Sozialversicherungsträgers vor (vgl. VwGH 29.01.2014, 2012/08/0227).
Unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Rechtsprechung zur abgabenrechtlichen Haftung (vgl. u.a. VwGH 19.06.1985, Slg. Nr. 6012/F, 17.09.1986, 84/13/0198, 16.12.1986, 86/14/0077, und 06.03.1989, 88/15/0063) ist es auch im sozialversicherungsrechtlichen Haftungsverfahren Sache des haftungspflichtigen Geschäftsführers dazulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Beitragsschulden rechtzeitig (zur Gänze) entrichtet wurden, und dafür entsprechende Beweisanbote zu erstatten. Denn ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde trifft denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt - über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus - die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (VwGH 13.03.1990, 89/08/0217).
Gegen die Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Beitragsverbindlichkeiten mit anderen Schulden verstößt ein Geschäftsführer auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, er aber (zumindest fahrlässig) diese Mittel auch nicht anteilig für die Behandlung aller Verbindlichkeiten verwendet und dadurch die Beitragsschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt hat (VwGH 22.12.1998, 97/08/0117).
Für die Haftung nach § 67 Abs 10 ASVG genügt bereits leichte Fahrlässigkeit in Bezug auf das Verschulden für die Nichtleistung von Sozialversicherungsbeiträgen. Eine solche Pflichtverletzung kann darin liegen, dass der Geschäftsführer die fälligen Beiträge (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt, bzw - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen der Gebietskrankenkasse Sorge trägt. Der Geschäftsführer wäre nur dann exkulpiert, wenn er entweder nachweist, im fraglichen Zeitraum, in dem die Beiträge fällig geworden sind, insgesamt über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Beitragsschuldigkeiten - ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger - nicht oder nur zum Teil beglichen zu haben, die Beitragsschuldigkeiten also nicht in Benachteiligung der belangen Behörde in einem geringeren Ausmaß beglichen zu haben als die Forderungen anderer Gläubiger (VwGH 20.06.2018, Ra 2018/08/0039).
Hiervon kann im gegenständlichen Fall aber – wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt - keine Rede sein, weshalb das Verschulden des Beschwerdeführers gegeben ist.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren die Gläubigergleichbehandlung nicht nachgewiesen. Im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.10.2001, Zl. 98/08/0368 ist daher davon auszugehen, dass er seiner Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Gläubiger schuldhaft nicht nachgekommen ist. Da im Falle der Nichterbringung eines Nachweises der Gläubigergleichbehandlung der Vertreter der Beitragsschuldnerin konsequenterweise auch für die von der Haftung betroffenen Beitragsschulden zur Gänze haftet (vgl. nochmals VwGH, 04.10.2001, Zl. 98/08/0368), besteht die Haftung des Beschwerdeführers für die zur Nachverrechnung gelangten Beiträge im vorliegenden Fall sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht.
Gemäß § 83 ASVG gelten die Bestimmungen über die Haftung auch für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze. Weil die Pflichtverletzung des Vertreters dafür ursächlich ist, dass der Sozialversicherungsträger die Beitragszahlungen nicht ordnungsgemäß erhalten hat, hat dieser Vertreter auch die (anteiligen) Verzugszinsen als wirtschaftliches Äquivalent für die verspätete Zahlung - wie im vorliegenden Fall - zu tragen (vgl. Derntl a.a.O., § 67 Rz 104a).
Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben unter A) zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Beitragsrückstand Geschäftsführer Gleichbehandlung Haftung Nachweismangel Pflichtverletzung UneinbringlichkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W198.2218932.1.00Im RIS seit
12.01.2021Zuletzt aktualisiert am
12.01.2021