TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/9 W133 2226007-1

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Veröffentlicht am 09.11.2020
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Entscheidungsdatum

09.11.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2226007-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den gemäß § 45 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 70 von Hundert ergangenen Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 28.10.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen weiterhin vor. Der Grad der Behinderung beträgt ab 01.03.2020 80 (achtzig) von Hundert.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte am 11.10.2019 im Wege ihrer Rechtsvertretung beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet), unter Vorlage eines umfangreichen Befundkonvoluts einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Diesem Antrag wurden des Weiteren eine Sponsionsurkunde sowie eine von der Beschwerdeführerin gezeichnete Vollmacht zugunsten des KOBV vom 17.04.2019 beigelegt. Anträge auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass bzw. auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29 b StVO wurden von der damals rechtlich vertretenen Beschwerdeführerin nicht gestellt.

In der Folge holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 25.10.2019 ein. In diesem Gutachten wurden auf Grundlage der vorgelegten Befunde die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Mammakarzinom rechts ED 6/2017

Heranziehung dieser Position mit 1 Stufe über dem unteren

Rahmensatz, da im 3. Jahr nach Ablatio mammae mit weitgehend stationären multiplen Knochensekundaria

13.01.03

60

2

Innenohrschwerhörigkeit

Heranziehung dieser Position mit dem mittleren Rahmensatz, da hochgradig beidseits

Tabelle Zeile 4 Kolonne 4

12.02.01

50

3

Diabetes mellitus Typ II

Heranziehung dieser Position mit dem mittleren Rahmensatz, da weitgehend ausgeglichene Blutzuckereinstellung durch regelmäßige Medikamenteneinnahme gewährleistet ist.

09.02.01

20

4

Presbyopie mit Sehverminderung auf 0,8 beidseits

Tabelle Zeile 1 Kolonne 1

11.02.01

0

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, die Erhöhung der führenden funktionellen Einschränkung 1 durch Leiden 2 um eine Stufe sei aufgrund der zusätzlichen Beeinträchtigung durch dieses Leiden gerechtfertigt. Die Leiden 3 und 4 würden nicht weiter erhöhen, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung bestehe. Es wurde nach der erweiterten fünfjährigen Heilungsbewährung eine Nachuntersuchung für 10/2024 empfohlen. Der Grad der Behinderung wurde aufgrund der vorgelegten Befunde ab Juni 2017 angenommen.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 25.10.2019 wurde der Beschwerdeführerin im Wege ihrer Rechtsvertretung aufgrund des Antrages vom 11.10.2019 mitgeteilt, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 70 v.H. festgestellt worden sei. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist schwer hörbehindert“ und „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" würden vorliegen. Der Behindertenpass im Scheckkartenformat werde in den nächsten Tagen übermittelt werden. Der Behindertenpass werde mit 31.12.2024 befristet ausgestellt, weil nach diesem Zeitpunkt eine Überprüfung des Gesundheitszustandes erforderlich sei. Das Aktengutachten vom 25.10.2019 wurde der Beschwerdeführerin gemeinsam mit diesem Schreiben übermittelt.

Mit Begleitschreiben der belangten Behörde vom 28.10.2019 wurde der Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 70 v.H. übermittelt. Diesem Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Gegen diesen in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 70 v.H. ergangenen Bescheid des Sozialministeriumservice vom 28.10.2019 brachte die Beschwerdeführerin – nunmehr rechtlich unvertreten - mit E-Mailnachricht vom 13.11.2019 fristgerecht eine Beschwerde ein. Darin bringt sie vor, dass sie große Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel habe. Weiters sei es ihr nicht möglich über einen längeren Zeitraum stehend zu verharren. Längere Gehwege des Alltags - zu denen auch die Nutzung von Stiegen gehöre – könne sie nur schwer bewältigen. Diese Schwierigkeiten würden sich aufgrund der Einnahme der verschriebenen Medikamente für den Krebs, allen voran IBRANCE 125mg, ergeben. Dieses Medikament sei auch dafür verantwortlich, dass bei Einnahme das Immunsystem stark geschwächt sei, wodurch sie einem starken Ansteckungsrisiko, vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln, ausgesetzt sei. Dieser Umstand solle so gut wie möglich vermieden werden, da jede zusätzliche Erkrankung ihr ohnehin angeschlagenes Immunsystem noch weiter beeinträchtige. Der Beschwerde wurde ein Konvolut an medizinischen Unterlagen beigelegt.

Die belangte Behörde legte am 02.12.2019 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt mit dem Hinweis, dass eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb der Frist nicht möglich gewesen sei, da die Beschwerdeführerin erst im Jänner 2020 zur Untersuchung hätte kommen können, zur Entscheidung vor. Das Verfahren wurde der hg. Gerichtsabteilung W162 zugeteilt.

Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung vom 03.07.2020 eingeholt. In diesem Gutachten wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Mammakarzinom rechts ED 06/2017 

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da bei Zustand nach Ablatio mammae weitgehend stationäre multiple Knochensecundaria ohne Absiedelung in parenchymatösen Organen, berücksichtigt neuropathische Beschwerden und Gefühlsstörungen.

13.01.03

60

2

Innenohrschwerhörigkeit 

Mittlerer Rahmensatz, da beidseits hochgradig ausgeprägt.

Tabelle Zeile 4 Kolonne 4

12.02.01

50

3

Diabetes mellitus Typ II 

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da unter medikamentöser Therapie ausgeglichene Stoffwechsellage.

09.02.01

20

4

Presbyopie mit Sehverminderung auf 0,8 beidseits 

Tabelle Zeile 1 Kolonne 1

11.02.01

0

5

Degenerative und posttraumatische Veränderungen der Wirbelsäule, Lumboischialgie rechts

Unterer Rahmensatz, da anhaltende Beschwerden bei fortgeschrittenen Abnützungserscheinungen mit höhergradiger Einschränkung der Beweglichkeit ohne radikuläres Defizit.

02.01.03

50

6

Posttraumatische und degenerative Veränderungen rechtes Kniegelenk

Oberer Rahmensatz, da geringgradige Einschränkung der Beweglichkeit.

02.05.18

20

7

Polyarthrose der Fingergelenke

Unterer Rahmensatz, da geringgradig ausgeprägt.

02.02.01

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 80 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, Leiden 1 werde durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da ein maßgebliches Zusatzleiden vorliege. Das Leiden 5 erhöhe um eine Stufe, da eine maßgebliche zusätzliche Beeinträchtigung vorliege. Die weiteren Leiden würden nicht weiter erhöhen, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken mit dem führenden Leiden 1 bestehe. Der aktuelle Grad der Behinderung sei ab 03/2020 anzunehmen, da ab diesem Zeitpunkt in den nachgereichten Befunden eine erhebliche Verschlechterung durch eine pathologische Fraktur des 10.Brustwirbelkörpers dokumentiert sei. Im Vergleich zum Vorgutachten seien die Leiden 5 bis 7 neu hinzugekommen, dadurch komme es zu einer Neueinstufung des Gesamtgrades der Behinderung.

Mit Schreiben vom 09.07.2020, der Beschwerdeführerin am 17.07.2020 zugestellt, informierte das Bundesverwaltungsgericht die Parteien des Verfahrens über das Ergebnis der Beweisaufnahme und räumte ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit ein, dazu eine Stellungnahme abzugeben.

Weder die Beschwerdeführerin, noch die belangte Behörde erstatteten eine Stellungnahme. Das aktuelle Gutachten wurde nicht bestritten.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.09.2020 wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren mit Wirksamkeit vom 08.09.2020 der Gerichtsabteilung W162 abgenommen und der Gerichtsabteilung W133 neu zugeteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin stellte am 11.10.2019 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Anträge auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in diesen Behindertenpass bzw. auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29 b StVO wurden im vorliegenden Verfahren nicht gestellt.

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens aufgrund der Aktenlage eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 25.10.2019, mit dem ein Grad der Behinderung von 70 v.H. festgestellt worden war, wurde der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde ein befristeter Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 70 v.H. ausgestellt.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin die gegenständliche Beschwerde. Sie bekämpft in ihrer Beschwerde den in ihrem Behindertenpass festgestellten Grad der Behinderung von 70 v.H. und zielt damit auf die Feststellung eines anderen – höheren - Grad der Behinderung ab. In ihrer Beschwerde wendet sie auch ein, dass sie öffentliche Verkehrsmittel nicht benützen könne.

Die Beschwerdeführerin ist österreichischer Staatsbürgerin und hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       Mammakarzinom rechts ED 06/2017 bei Zustand nach Ablatio mammae weitgehend stationäre multiple Knochensecundaria ohne Absiedelung in parenchymatösen Organen, berücksichtigt neuropathische Beschwerden und Gefühlsstörungen;

2.       Innenohrschwerhörigkeit, beidseits hochgradig ausgeprägt;

3.       Diabetes mellitus Typ II, unter medikamentöser Therapie ausgeglichene Stoffwechsellage;

4.       Presbyopie mit Sehverminderung auf 0,8 beidseits;

5.       Degenerative und posttraumatische Veränderungen der Wirbelsäule, Lumboischialgie rechts, anhaltende Beschwerden bei fortgeschrittenen Abnützungserscheinungen mit höhergradiger Einschränkung der Beweglichkeit ohne radikuläres Defizit;

6.       Posttraumatische und degenerative Veränderungen rechtes Kniegelenk, geringgradige Einschränkung der Beweglichkeit;

7.       Polyarthrose der Fingergelenke, geringgradig ausgeprägt.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 80 v.H. Das führende Leiden 1 wird durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da ein maßgebliches Zusatzleiden vorliegt. Das Leiden 5 erhöht um eine weitere Stufe, da eine weitere maßgebliche zusätzliche Beeinträchtigung vorliegt. Die übrigen Leiden erhöhen nicht weiter, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken mit dem führenden Leiden 1 besteht.

Im Vergleich zu dem im gegenständlichen Verfahren bisher eingeholten Gutachten vom 25.10.2019 sind die Leiden 5 bis 7 neu hinzugekommen. Dadurch kommt es zu einer Neueinstufung des Gesamtgrades der Behinderung.

Der aktuelle Grad der Behinderung ist ab März 2020 anzunehmen, da ab diesem Zeitpunkt in den nachgereichten Befunden eine erhebliche Verschlechterung durch eine pathologische Fraktur des 10.Brustwirbelkörpers dokumentiert ist.

Im Oktober 2024 ist nach Ablauf der erweiterten fünfjährigen Heilungsbewährung eine Nachuntersuchung der Beschwerdeführerin durchzuführen.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Orthopädie sowie Ärztin für Allgemeinmedizin vom 03.07.2020 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt. Die Gutachterin begründet ihre Beurteilungen im Gutachten vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Dieses aktuelle Gutachten wurde von beiden Parteien des Verfahrens nicht bestritten.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt. Daraus ergibt sich auch, dass der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde nach Einholung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 25.10.2019 ein befristeter Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 70 v.H. ausgestellt wurde und, dass die Beschwerdeführerin dagegen die gegenständliche Beschwerde erhob.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden ZMR-Auszug und ihren eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten Sachverständigengutachten vom 03.07.2020, in welchem ein höherer Grad der Behinderung als im Vorgutachten vom 25.10.2019 festgestellt wurde. Im Gutachten vom 03.07.2020 wird auf die Art der Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das Gutachten setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit sämtlichen vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Bei der Beschwerdeführerin liegt aktuell ein Gesamtgrad der Behinderung von 80 v.H. vor. Das führende Leiden 1, Mammakarzinom rechts, wird durch das Leiden 2 (Innenohrschwerhörigkeit) um eine Stufe erhöht, da ein maßgebliches Zusatzleiden vorliegt. Das Leiden 5 (Degenerative und posttraumatische Veränderungen der Wirbelsäule, Lumboischialgie rechts) erhöht um eine weitere Stufe, da eine weitere maßgebliche zusätzliche Beeinträchtigung vorliegt. Die übrigen Leiden erhöhen nicht weiter, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken mit dem führenden Leiden 1 besteht. Diese Feststellungen der vom Bundesverwaltungsgericht beigezogenen Gutachterin sind nicht zu monieren.

Im Vergleich zu dem im gegenständlichen Verfahren bisher eingeholten Gutachten sind die Leiden 5 bis 7 neu hinzugekommen, da diese gegenständlich objektivierbar waren. Hinsichtlich des Gesamtgrades der Behinderung kam es zu einer Verschlimmerung aufgrund der Neueinstufung von Leiden 5 des aktuellen Gutachtens, der Gesamtgrad der Behinderung wurde daher um eine Stufe angehoben.

Der aktuelle Grad der Behinderung ist ab März 2020 anzunehmen, da ab diesem Zeitpunkt in den nachgereichten Befunden eine erhebliche Verschlechterung durch eine pathologische Fraktur des 10.Brustwirbelkörpers dokumentiert ist (vgl. das bei der persönlichen Untersuchung am 28.05.2020 vorgelegte MRT der BWS und LWS vom 09.03.2020).

Im Oktober 2024 wird bei der Beschwerdeführerin nach Ablauf der erweiterten fünfjährigen Heilungsbewährung eine Nachuntersuchung durchzuführen sein. Betreffend die angeordnete Nachuntersuchung wurden von der Beschwerdeführerin in der gegenständlich erhobenen Beschwerde keinerlei Vorbringen erstattet.

Zu den Ausführungen in der Beschwerde bezüglich die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass bzw. auf die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) wird auf die nachfolgende rechtliche Beurteilung verwiesen.

Seitens beider Parteien wurde das aktuelle Gutachten vom 03.07.2020 nicht bestritten. Es wurden gegen dieses Gutachten keinerlei Einwendungen vorgebracht.

Vonseiten des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Gutachtens vom 03.07.2020. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“

Wie oben unter Punkt II.2. im Rahmen der beweiswürdigenden Ausführungen, auf die verwiesen wird, ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte, schlüssige, nachvollziehbare und widerspruchsfreie und von den Parteien des Verfahrens nicht bestrittene Sachverständigengutachten vom 03.07.2020 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 80 v.H. beträgt. Aufgrund der vorliegenden Befunde ist davon auszugehen, dass dieser Grad der Behinderung ab März 2020 besteht.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, liegen daher weiterhin vor.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben und der Grad der Behinderung mit 80 v.H. festzusetzen.

Die belangte Behörde wird somit der Beschwerdeführerin in der Folge einen befristeten Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 80 v.H. auszustellen haben. Im Oktober 2024 wird bei der Beschwerdeführerin nach Ablauf der erweiterten fünfjährigen Heilungsbewährung eine Nachuntersuchung durchzuführen sein.

Insoweit die Beschwerde auf die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass bzw. auf die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis für Menschen mit Behinderungen) abzielt, ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin diesbezüglich bei der belangten Behörde keine entsprechenden Anträge gestellt hat und die belangte Behörde daher nicht darüber abgesprochen hat. Diese Fragen sind daher mangels Vorliegens von anfechtbaren Bescheiden nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Sollte die Beschwerdeführerin einen Ausweis gemäß § 29b StVO (Parkausweis) erlangen wollen, müsste sie in weiterer Folge einen entsprechenden Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass bei der belangten Behörde stellen.

Für den Fall einer solchen künftigen Antragstellung wird im Übrigen auf die Ausführungen im Sachverständigengutachten vom 03.07.2020 hingewiesen, wonach bei der aktuellen Begutachtung eine höhergradige Funktionseinschränkung im Bereich der Wirbelsäule festgestellt wurde und die maßgeblichen Veränderungen und anhaltenden Beschwerden zu einer erheblichen Erschwernis beim Zurücklegen kurzer Westrecken und Überwinden von Niveauunterschieden führen (Gutachten Seite 5-6).

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde sowie insbesondere aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten vom 03.07.2020. Dies lässt - gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass von beiden Parteien des Verfahrens kein Verhandlungsantrag gestellt wurde und mit der Entscheidung der Beschwerde stattgegeben wird - die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2226007.1.00

Im RIS seit

12.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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