Entscheidungsdatum
13.11.2020Norm
ASVG §18aSpruch
W167 2129548-1/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom XXXX betreffend Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a ASVG aufgrund der Pflege ihres behinderten Kindes XXXX zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird betreffend den Zeitraum XXXX wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
II. Der Beschwerde wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Beschwerdeführerin von XXXX zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 132/2005 iVm 669 Abs 3 ASVG berechtigt ist.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin beantragte am XXXX die rückwirkende Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege des genannten behinderten Kindes (medizinisch nachgewiesene Glutenunverträglichkeit – Zöliakie) ab der „1. Möglichkeit“.
2. Mit Bescheid vom XXXX lehnte die belangte Behörde die Selbstversicherung der Beschwerdeführerin gemäß §§ 18a iVm 669 Abs. 3 ASVG ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin unterliege der Pflichtversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung und es liege kein Bezug einer erhöhten Familienbeihilfe vor. Aufgrund des fachärztlichen Begutachtungsergebnisses werde die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege ihres Kindes mit der Diagnose Zöliakie (glutenindizierte Erkrankung der Dünndarmschleimhaut) nicht gänzlich beansprucht.
3. In der zulässigen und fristgerechten Beschwerde führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass zur Zeit der Diagnose ( XXXX ) und während der Kindergarten- und Schulzeit des Kindes das Angebot an glutenfreien Produkten noch sehr gering gewesen sei, ganz besonders in ihrer Heimatregion. Daher habe sie zwangsläufig begonnen, die erforderlichen Speisen selbst herzustellen. Zudem habe sie sich darum gekümmert, dass Betreuungspersonen ihres Kindes über die Krankheit informiert wurden und sie habe ihrem Kind die benötigten glutenfreien Speisen mitgegeben. In den Jahren XXXX sei zudem erhöhte Familienbeihilfe bezogen worden.
4. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
5. Datiert mit XXXX erstattete der bestellte nichtamtliche Sachverständige ein medizinisches Gutachten.
6. Im Parteiengehör betreffend dieses Gutachten erhoben die Beschwerdeführerin keine Einwendungen. Die belangte Behörde wies auftragsgemäß darauf hin, dass das eingeholte Gutachten nicht geeignet sei, darzutun, ob eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft der Mutter im Sinne des Abs. 1 des § 18a ASVG vorlag. Das Kind habe vor Erreichen des Alters für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht den Kindergarten besucht und bedurfte daher eben gerade nicht der ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege der Mutter. Während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht sei das Kind weder schulunfähig gewesen noch habe es ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedurft. Der vermehrte Aufwand für das Zubereiten von entsprechenden Nahrungsmitteln sei nicht dergestalt gewesen, dass es der Klägerin unmöglich gewesen wäre, einer Beschäftigung nachzugehen. Hinzu komme, dass sich der verfahrensgegenständliche Antrag lediglich auf den Zeitraum XXXX beziehen könne, da dem Zeitraum zuvor der rechtskräftige Bescheid XXXX entgegenstehe. Da die [Beschwerdeführerin] seit diesem Zeitraum durchgehend Versicherungsmonate erworben habe, sei auch über diesen Zeitraum XXXX negativ zu bescheiden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Entscheidung stützt sich auf folgenden Sachverhalt:
1.1. Mit rechtskräftigem Bescheid vom XXXX lehnte die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom XXXX auf Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG mit der Begründung ab, dass die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege nicht gänzlich beansprucht wurde. Der Bescheid sprach über den beantragten Zeitraum ab dem XXXX bis zur Bescheiderlassung ab.
1.2. Die Beschwerdeführerin beantragte neuerlich am XXXX die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Kindes gemäß §§ 18a in Verbindung mit 669 Absatz 3 ASVG ab der „1. Möglichkeit“. Dieser Antrag ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
1.3. Für das im XXXX geborene Kind wurde die Diagnose Zöliakie nach Biopsie im XXXX gestellt. Die Beschwerdeführerin betreute ihr Kind selbst und lebte mit diesem im XXXX im gemeinsamen Haushalt (gemeinsamer Wohnsitz in Österreich). Für das Kind wurde von jedenfalls XXXX erhöhte Familienbeihilfe bezogen. Das Kind besuchte den Kindergarten und die Schule.
1.4. Nach der Diagnose wurde als Therapie für das Kind lebenslange gliatinfreie Ernährung festgelegt. Daher musste die Beschwerdeführerin täglich für gliatinfreie Speisen sorgen. Neben einer intensiven Auseinandersetzung mit den Inhaltsstoffen der einzelnen Lebensmittel erforderte die Beschaffung gliatinfreier Produkte teilweise auch längere Wege, da diese Produkte damals nicht in den üblichen Supermärkten verfügbar waren und die Beschwerdeführerin überdies auch nicht in einer Großstadt lebte. Auch die Nahrungszubereitung erforderte teilweise einen erhöhten Zeitaufwand, da die gliatinfreie Speisen für das Kind gesondert zubereitet werden mussten und aufgrund der strikten Ernährungsvorgaben die Zubereitung wesentlich aufwändiger war. Darüber hinaus musste die Beschwerdeführerin ihr Kind an die gliadinfreie Ernährung gewöhnen. Die Beschwerdeführerin informierte auch familienexterne Betreuungspersonen wie beispielsweise Kindergartenpädagog/innen, Lehrer/innen und Veranstalter/innen von schulbezogenen Veranstaltungen über die Erkrankung und die Erforderlichkeit der Diät des Kindes und gab dem Kind die benötigten gliadinfreien Lebensmittel mit, um dem Kind ein Dabeisein bei Kindergarten- und Schulveranstaltungen, Kindergeburtstagen und religiösen Feiern (Erstkommunion) zu ermöglichen.
1.5. Im Folgenden werden Feststellungen betreffend Versicherungszeiten der Beschwerdeführerin für den Zeitraum XXXX getroffen:
XXXX
Das bedeutet:
Von XXXX liegen Zeiten der Kindererziehung (Ersatzzeiten) der Beschwerdeführerin vor.
Für die Zeiträume XXXX war die Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung nach dem ASVG pflichtversichert, für die Zeiträume XXXX hat sich die Beschwerdeführerin gemäß § 19a ASVG wegen geringfügiger Beschäftigung selbst u.a. in der Pensionsversicherung versichert.
Für folgende Zeiten liegen keine Versicherungszeiten der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung vor: XXXX .
1.6. Feststellungen zum Alter des im XXXX geborenen Kindes der Beschwerdeführerin betreffend die Zeiten, in der keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung vorliegen:
XXXX
XXXX
XXXX
1.7. Wiedergabe des Sachverständigengutachtens:
1) War die Behandlung von Zöliakie im oben angegebenen Zeitraum auf dem gleichen Stand wie heute? Welche medizinischen Maßnahmen waren in diesem Zeitraum für die beim Kind der Beschwerdeführerin bestehende Behinderung bekannt?
Antwort: Die Behandlungsstrategien von Zöliakie in dem oben angegebenen Zeitraum (von XXXX ) waren sicherlich nicht auf dem gleichen Stand wie heute. Sowohl die Diagnostik als auch die therapeutischen Konsequenzen für das Krankheitsbild Zöliakie wurden erst langsam in den späten 1970er-Jahren in die klinische Routine - vorwiegend von Universitätskliniken – eingeführt und waren damals ( XXXX ) zumindest in Mitteleuropa relativ neu und unbekannt. Das heißt, dass sowohl die Behandlung als auch die daraus folgenden medizinischen Maßnahmen im verfahrensrelevanten Zeitraum mit den diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der heutigen Zeit in keiner Weise vergleichbar sind. Die Expertise an der XXXX war damals unique und in keiner Weise allgemein verfügbar.
2) Zu welchen Vorkehrungen für den Tagesablauf hat man im oben angegebenen Zeitraum aus ärztlicher Sicht Eltern von Kindern, die an Zöliakie erkrankt waren, beraten (etwa Besorgung der Lebensmittel, Zubereitung der Speisen, Hygienemaßnahmen, Ermöglichung eines kindgerechten Alltags)?
Antwort: Bei der Zöliakie handelt es sich um eine sogenannte glutensensitive Enteropathie, das heißt, ein im Getreide befindliches Protein kann von der Dünndarmschleimhaut nicht adäquat resorbiert (= aufgenommen) werden, sodass es in der Folge zu einer fast totalen Abflachung der Dünndarmzotten (Atrophie) kommt, die die Resorptionsfläche auch für andere essentielle Nahrungsbestandteile signifikant eingeschränkt. Folge davon sind Resorptionsstörungen, permanente Durchfälle, Gedeihstörung bis zu Blutungen, aber auch erhebliche psychische Beeinträchtigung durch die nicht vorhandene Resorption von essentiellen Nährstoffen und durch ständiges Unwohlsein. Die einzige kausale Therapie besteht in der Vermeidung von gliadinhältigen Lebensmitteln und Speisen. Da jedoch Getreideprodukte und Mehl in fast allen Lebensmitteln enthalten sind (z.B. Würste, Mehlspeisen, selbstverständlich Brot und Brotbestandteile etc.), ist es notwendig, alle Lebensmittel, die auch in Spuren Gliadin enthalten, zu vermeiden. Dies war im Zeitraum XXXX zunächst außerordentlich schwierig, da es in Wien Z.B. nur eine Bäckerei gab, die gliadinfreies Brot für Zöliakiepatienten hergestellt hat. In den Bundesländern war die Situation noch viel schwieriger. Alle anderen Nahrungsmittel waren zur damaligen Zeit in gliadinfreier Form nicht oder kaum verfügbar. Aus diesem Grunde musste eine Diät in der Weise zusammengestellt und hergestellt werden, dass sämtliche Speisen mit Grundnahrungsmitteln hergestellt wurden, die kein Gluten bzw. auch keine glutenhältigen Produkte und Lebensmittel enthalten durften. Dies war damals ( XXXX ) ein außerordentlich aufwendiger Vorgang, der eine entsprechende Beschäftigung mit den Lebensmitteln erforderte und auch eine Kenntnis des Gliadingehaltes und der Zusammensetzung der wichtigsten Lebensmittel voraussetzte.
3) Zu welchen konkreten Diätmaßnahmen hat man aus ärztlicher Sicht Eltern von an Zöliakie erkrankten Kindern im oben angegebenen Zeitraum geraten?
Antwort: Die unter Punkt 2 genannten Diätmaßnahmen mussten streng eingehalten werden, da auch eine geringe Zufuhr von Gliadin bereits zum Wiederauftreten von Symptomen führen konnte bzw. auch unter Umständen toxische Reaktionen beim Patienten hervorrufen konnten. Für die Zubereitung der Speisen gab es ausführliche Diätvorschriften, die von mit Zöliakie vertrauten Diätassistentinnen und Ernährungswissenschaftlern peinlichst genau zusammengestellt werden mussten. Dafür musste ein beträchtlicher Zeitaufwand, aber auch eine intensive Beschäftigung mit den Grundlagen dieser Diätmaßnahmen veranschlagt werden.
4) Musste bei der erforderlichen Diät für das Kind der Beschwerdeführerin auf die Verwendung von nicht mit belastenden Lebensmitteln in Berührung gekommenem Geschirr und Besteck geachtet werden?
Antwort: Jawohl, sehr genau; bereits außerordentlich geringe Mengen von Gliadin konnten toxische-allergische Reaktionen beim Patienten, der von dieser Erkrankung betroffen ist, auslösen.
5) Welche gesundheitlichen Konsequenzen hätte die Einnahme einer Mahlzeit mit belastenden Lebensmitteln für ein Kind im jeweiligen Alter zur Folge?
Antwort: Schon eine Mahlzeit hätte massive Reaktionen wie das Wiederauftreten von Durchfällen und Bauchschmerzen auslösen können und außerdem eine länger dauernde Schädigung der wiederhergestellten Dünndarmschleimhaut (Atrophie) hervorrufen können.
6) Welche gesundheitlichen Konsequenzen hätte eine länger dauernde nicht konsequente Einhaltung der vorgeschriebenen Diät im jeweiligen Alter zur Folge?
Antwort: Eine Nichteinhaltung einer gliadinfreien Diät hätte folgende Konsequenzen: Beginn von Durchfällen, Mangelernährung, Infektionsneigung, Wachstumsstillstand bis zu schweren Blutungen, psychische Veränderungen.
7) Konnte man Eltern von an Zöliakie erkrankten Kindern bzw. ab welchem Alter die Kinder selbst im oben angeführten Zeitraum an vom Krankenversicherungsträger angebotene Diätberatungsstellen verweisen? Kann noch angegeben werden, wo für Einwohner der [Wohnsitzgemeinde der Beschwerdeführerin] die nächstgelegene derartige Beratungsstelle war?
Antwort: Soweit ich informiert bin, gab es diese angebotenen Diätberatungsstellen zum damaligen Zeitpunkt überhaupt noch nicht. Ob in der der [Wohnsitzgemeinde der Beschwerdeführerin] eine derartige Beratungsstelle vorhanden war, ist mir nicht bekannt, ich halte dies aber für äußerst unwahrscheinlich.
8) Wäre eine ganztätige Betreuung von Kindern im jeweiligen Alter des Kindes der Beschwerdeführerin in einer außerhäuslichen Einrichtung im oben angeführten Zeitraum möglich gewesen und wenn ja, unter welchen Bedingungen?
Antwort: Dies wäre nur möglich gewesen, wenn in der entsprechenden Einrichtung eine speziell geschulte Ernährungsfachkraft anwesend gewesen wäre, die außerdem die Möglichkeit gehabt hätte, gliadinfreie Speisen für den Patienten zusammenzustellen. Da die Kenntnisse damals noch rudimentär und nicht allgemein verfügbar waren, hätte es solche Personen höchstwahrscheinlich auch gar nicht in derartigen Einrichtungen gegeben.
9) Bedurfte es bei an Zöliakie erkrankten Kindern im verfahrensgegenständlichen Zeitraum regelmäßiger ärztlicher Kontrollen? Wenn ja, wie oft bzw. in welchen zeitlichen Abständen? Ist dies unterschiedlich nach Lebensalter der Kinder?
Antwort: Ärztliche Kontrollen sind in den ersten zwei Jahren in Abständen von zwei bis drei Monaten unabdingbar, mit zunehmendem Alter können die Intervalle für derartige ärztliche Kontrollen jedoch verlängert werden.
10) Welchen Stellenwert haben Erziehungs-, Motivations- und Kontrollmaßnahmen durch Eltern, damit ein Kind im jeweiligen Alter die Diät (zuhause und in der Schule) im medizinisch erforderlichen Ausmaß einhalten bzw. eigenständig erlernen kann? Was wurde in diesem Zusammenhang aus fachärztlicher Sicht Eltern von an Zöliakie erkrankten Kindern im jeweiligen Alter im oben genannten Zeitraum geraten?
Antwort: Die Eltern wurden damals ( XXXX ) durch intensive Schulungen darauf aufmerksam gemacht, dass behutsame und sorgfältige Erziehungsmaßnahmen notwendig seien, um die Kinder an eine derartige sehr aufwendige Ernährungsweise zu gewöhnen und sogenannte „Ausreißer" zu vermeiden. So durften Kinder bei Kinderfeiern oder Geburtstagsfeiern keine der angebotenen Speisen (z.B. Torten) essen bzw. davon kosten. Derartige Verbote haben offenbar auch psychische Irritationen ausgelöst, die die Eltern mit großem Einfühlungsvermögen bei dementsprechendem Ernährungsregime dem Kind immer wieder erklären mussten.
11) Kann aus medizinischer Sicht ein bestimmtes Alter genannt werden, ab dem ein Kind im Allgemeinen selbst in der Lage ist, bei altersentsprechender Aufklärung seine Krankheit und die notwendige besondere Ernährungsform zu beherrschen und gleichzeitig einen seinem Alter angemessenen Alltag (Schule, Hort, Freizeitgestaltung mit Freunden) zu leben?
Antwort: Diese Frage ist sehr schwierig zu beantworten, da nicht alle Kinder, die von dieser Erkrankung betroffen sind, ab einem gewissen Alter selbständig in der Lage sind, die für sie notwendigen besonderen Ernährungsformen zu kennen und daraus auch die praktischen Konsequenzen zu ziehen. Theoretisch müssten die Kinder genaue Kenntnis über die Zusammen-Setzung der zu verzehrenden bzw. angebotenen Lebensmittel haben und dies auch über solche Lebensmitteln, die bei bestimmten Anlässen außer Haus angeboten werden. Von einem Jugendlichen ab der Pubertät (etwa ab dem 14. Lebensjahr) kann jedoch erwartet werden, dass er oder sie über die Grundsätze der für ihn oder sie notwendigen Diät Bescheid weiß und auch allfällige Erkundigungen über die Zusammensetzung von ihm oder ihr eventuell unbekannten Lebensmittel einholen kann.
12) Ist diese Altersgrenze für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum höher anzusetzen als heute? War die Einhaltung der erforderlichen Diät im oben genannten Zeitraum unter denselben Bedingungen zu bewerkstelligen wie heute?
Antwort: Die Altersgrenze für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum ist mit Sicherheit höher anzusetzen als heute; heute gibt es eine Unzahl von Produkten, die gliadinfrei sind und die eine einigermaßen sogenannte normale Ernährung in ungleich größerem Ausmaß ermöglichen als zur damaligen Zeit.
13) Kann aus heutiger Sicht ärztlicherseits mit einem geringen, mittleren oder hohen Wahrscheinlichkeitsgrad festgestellt werden, bis zu welchem Alter das Kind der Beschwerdeführerin aufgrund seiner Erkrankung an Zöliakie noch auf eine starke psychische Unterstützung (Motivation) der Mutter angewiesen gewesen sein wird?
Antwort: Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist das vorher angegebene Alter, in dem üblicherweise die Pubertät auftritt, als ein Alter anzusehen, ab dem eine Abnahme der Notwendigkeit der psychischen Unterstützung (Motivation) durch die Mutter als gegeben anzusehen ist.
Abschließend erlaube ich mir festzuhalten, dass erst um das Jahr 2000 die Nahrungs- und Lebensmittelindustrie langsam gliadinfreie Lebensmittel und Produkte auf den Markt gebracht hat. Heutzutage gibt es eine Unzahl von gliadinfreien Lebensmitteln, die auch für Personen beworben werden, die keine glutensensitive Enteropathie (Zöliakie) haben. Dadurch ist es aber sichergestellt, dass verschiedene auch wohlschmeckende Produkte und Speisen angeboten werden, die es im verfahrensrelevanten Zeitraum noch in keiner Weise gab. Eine einigermaßen schmackhafte Ernährung für einen von Zöliakie betroffenen Patienten in dem verfahrensgegenständlichen Zeitraum herzustellen war außerordentlich schwierig und erforderte große Sachkenntnisse, Phantasie, Aufmerksamkeit und das intensive Studium der damals noch sehr kargen Literatur über Zöliakie.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergaben sich aufgrund den Informationen im Beitragsakt der belangten Behörde, des chefärztlichen Teilaktes sowie dem eingeholten Sachverständigengutachten, zu welchem den Parteien Parteiengehör eingeräumt wurde.
Zu 1.1. und 1.2. Die Feststellungen ergaben sich aus dem Verwaltungsakt. Der erste Antrag der Beschwerdeführerin auf Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG wurde ursprünglich nicht (OZ 6), allerdings später von der belangten Behörde vorgelegt (OZ 19). Daraus ist ersichtlich, dass die Selbstversicherung rückwirkend ab dem festgestellten Zeitpunkt, welcher innerhalb des Jahres vor der Antragstellung liegt, beantragt wurde (das Formular präzisiert im Vordruck „frühestens ein Jahr vor der Antragstellung“). Dem steht auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie glaube den Antrag auf Selbstversicherung ab Diagnoseerstellung gestellt zu haben, da es lange her sei, sei sie sich nicht 100%ig sicher (OZ 16) nicht entgegen. Dem damaligen Bescheid ist nicht zu entnehmen, über welchen Zeitraum er abspricht. Daher ist anzunehmen, dass dieser über den gesamten beantragten Zeitraum abspricht, zumal der beantragte Zeitraum nicht über das Jahr vor der Antragstellung hinausgeht.
Zu 1.3. Die Feststellungen ergaben sich aus dem Verwaltungsakt und wurden von den Parteien nicht bestritten. Die Diagnose, deren Zeitpunkt sowie die erforderliche Therapie ergeben sich aus dem ärztlichen Attest vom XXXX , wobei diese Therapie ab Diagnoseerstellung erforderlich war, wie auch aus dem Gutachten hervorgeht. Der Bezug der erhöhten Familienbeihilfe ergibt aus der von der belangten Behörde abgefragten Auskunft der Familienbeihilfen-Datenbank vom XXXX , worauf die Behörde auch hingewiesen wurde (OZ 5). Den gemeinsamen Wohnsitz hat die Beschwerdeführerin im beschwerdegegenständlichen Antrag angegeben (Punkt 6.1. des Antragsformulars), dies wird durch die Meldebestätigung über den Hauptwohnsitz und die eingeholten Auszüge aus dem zentralen Melderegister betreffend Mutter und Kind untermauert.
Zu 1.4. Die Angaben der Beschwerdeführerin zu ihren Pflegemaßnahmen für das Kind sind plausibel und entsprechen auch den im Gutachten angeführten erforderlichen Unterstützungen für ein Kind mit dieser Diagnose. Die belangte Behörde bestreitet auch die Pflegemaßnahmen selbst nicht, sondern führt nur aus, dass es sich dabei nicht um eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin handle („Der vermehrte Aufwand für das Zubereiten von entsprechenden Nahrungsmitteln sei nicht dergestalt gewesen, dass es der [Beschwerdeführerin] unmöglich gewesen wäre, einer Beschäftigung nachzugehen.“ OZ 19).
Zu 1.5. und 1.6. Die angeführten Zeiten ergeben sich aus den „Nachgewiesene Versicherungszeiten und neutrale Zeiten“ vom XXXX , dem unverdichteten Basisdatenauszug vom XXXX und der Abfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger vom XXXX . Das jeweilige Alter des Kindes ergibt sich durch Berechnung.
Zu 1.7. Es wird das Sachverständigengutachten (Fachgebiet Kinder- und Jugendheilkunde) wiedergegeben (OZ 17). Soweit die belangte Behörde darauf hinweist, dass das eingeholte Gutachten nicht geeignet sei, darzutun, ob eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft der Mutter im Sinne des Abs. 1 des § 18a ASVG vorlag, wird festgehalten, dass das Gutachten die aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts entscheidungserheblichen Fragen schlüssig und nachvollziehbar beantwortet und daher – in Verbindung mit dem von der Behörde nicht bestrittenen Beschwerdevorbringen – eine taugliche Grundlage für die Beurteilung der Rechtsfrage, ob eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft vorliegt, bildet. Soweit die belangte Behörde darauf hinweist, dass das Kind den Kindergarten und dann die Schule besucht hat, wird festgehalten, dass dies unstrittig ist, zumal die Beschwerdeführerin in ihrem Beschwerdevorbringen explizit Kindergarten- und Schulveranstaltungen ihres Kindes erwähnt.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die, auch seitens der Parteien nicht beantragte, Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 VwGVG für nicht erforderlich, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und die Frage der gänzlichen Beanspruchung der Arbeitskraft eine Rechtsfrage ist, welche auf Grundlage des Sachverständigengutachtens zu beurteilen war.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A)
Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag gemäß § 18a ASVG in Verbindung mit § 669 Absatz 3 ASVG rückwirkend ab dem erstmöglichen Zeitpunkt gestellt. Daher liegt ein Antrag auf Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG ab der Diagnoseerstellung vor, somit für den XXXX vor.
3.1.1. Zu A) I. Zur Frage der Rechtskraftwirkung / res iudicata:
Gemäß § 68 Absatz 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Res judicata gemäß § 68 Abs 1 AVG liegt nur dann vor, wenn seit Erlassung des ersten Bescheides die maßgebende Sach- und Rechtslage in den entscheidungswichtigen Punkten unverändert geblieben ist. Die Sache verliert hingegen ihre Identität, wenn in den entscheidungsrelevanten Fakten bzw in den die Entscheidung tragenden Normen wesentliche, das heißt die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichende oder gebietende Änderungen eintreten. (ständige Rechtsprechung des VwGH, zuletzt VwGH 21.06.2007, 2006/10/0093)
Der nochmaligen Entscheidung einer rechtskräftig entschiedenen Sache steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat (und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt) (vgl. dazu VwGH 05.03.2020, Ra 2019/15/0114 unter Verweis auf weitere Judikatur, u.a. VwGH 28.4.2017, Ra 2017/03/0027).
Für den Beschwerdefall bedeutet das:
Dem Vorbringen der belangten Behörde, der entscheidungsrelevante Zeitraum erfasse lediglich den Zeitraum ab der rechtskräftigen Bescheiderteilung bis zum Ende des Bezugs der erhöhten Familienbeihilfe ist entgegen zu halten, dass der Bescheid aus dem XXXX nur über Zeiten, die vom Antrag umfasst waren, absprechen konnte. Wie festgestellt, war es der Beschwerdeführerin schon nach dem Vordruck seinerzeit lediglich für ein Jahr rückwirkend möglich, die Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG zu beantragen. Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Antrag einen Zeitpunkt gewählt, welcher innerhalb des einen Jahres vor Antragstellung lag. Somit sprach der rechtskräftige Bescheid aus dem XXXX über den beantragten Zeitraum XXXX ab und es ist für diesen Zeitraum zu prüfen, ob Identität der Sache vorliegt.
Im Beschwerdefall beantragte die Beschwerdeführerin seinerzeit und jetzt Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG (u.a.) für den Zeitraum ab XXXX .
Der Sachverhalt – die Erkrankung des Kindes, die erforderliche Therapie, die Pflegemaßnahmen der Beschwerdeführerin für das Kind, der Bezug der erhöhten Kinderbeihilfe, der gemeinsame Wohnsitz im Inland und das Nicht- bzw. das Vorliegen von Ausschlussgründen – ist ebenfalls gleichgeblieben. Daran ändert auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens im Beschwerdefall nichts.
Hinsichtlich der Rechtslage wird Folgendes festgehalten: Der Bescheid aus dem Jahr XXXX stützt sich auf § 18a ASVG, BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 1/2002 (Inkrafttretensdatum 01.01.2002, Außerkrafttretensdatum 31.12.2004). Im Beschwerdefall ist gemäß § 669 Absatz 3 ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 125/2017 die Bestimmung des § 18a ASVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 132/2005 anzuwenden.
Der ablehnende Bescheid aus dem Jahr XXXX führt aus, dass aufgrund des fachärztlichen Begutachtungsergebnisses keine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege des Kindes angenommen wird. Entscheidungsrelevant war also die Beurteilung, ob eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin vorliegt. Die diesbezügliche Definition der „gänzlichen Beanspruchung der Arbeitskraft“ in § 18a Absatz 1 und 3 ASVG hat sich durch die Novelle mit dem BGBl. I Nr. 132/2005 nicht geändert. Somit blieb die Rechtslage in den entscheidungswichtigen Punkten unverändert. Auch die Ausnahmebestimmungen haben sich in der im Beschwerdefall anwendbaren Fassung nicht geändert.
Somit liegt im Beschwerdefall – anders als nach Ansicht der belangten Behörde, aus deren Sicht eine Antragstellung erst XXXX erfolgen könnte – aufgrund des rechtskräftigen Bescheides aus dem Jahr XXXX (lediglich) betreffend den Zeitraum XXXX entschiedene Sache (res iudicata) vor, welche einer neuerlichen inhaltlichen Entscheidung im Beschwerdefall entgegensteht.
Daher steht § 68 Absatz 1 AVG der neuerlichen Entscheidung über diesen Zeitraum entgegen und der Antrag betreffend diesen Zeitraum war spruchgemäß zurückzuweisen.
3.1.2. Zu A) II.
3.1.2.1. Maßgebliche Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG):
§ 18a ASVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 132/2005
§ 18a. (1) Personen, die sich der Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden behinderten Kindes, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, widmen und deren Arbeitskraft aus diesem Grund gänzlich beansprucht wird (Abs. 3), können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.
(2) Die Selbstversicherung ist für eine Zeit ausgeschlossen, während der
1. eine Pflichtversicherung oder Weiterversicherung oder andere Selbstversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung oder ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung besteht oder
2. eine Ausnahme von der Vollversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 besteht oder auf Grund eines der dort genannten Dienstverhältnisse ein Ruhegenuß bezogen wird oder
3. eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 3 bis 6 oder § 227a vorliegt.
(3) Eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 liegt vor, solange das behinderte Kind
1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.
(4) Die Selbstversicherung ist in dem Zweig der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz zulässig, in dem der (die) Versicherungsberechtigte zuletzt Versicherungszeiten erworben hat. Werden keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz nachgewiesen oder richtet sich deren Zuordnung nach der ersten nachfolgenden Versicherungszeit, so ist die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung der Angestellten zulässig.
(5) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den der (die) Versicherte wählt, frühestens mit dem Monatsersten, ab dem die erhöhte Familienbeihilfe (Abs. 1) gewährt wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der auf die Antragstellung folgt.
(6) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonates,
1. in dem die erhöhte Familienbeihilfe oder eine sonstige Voraussetzung (Abs. 1) weggefallen ist,
2. in dem der (die) Versicherte seinen (ihren) Austritt erklärt hat.
Ab dem erstmaligen Beginn der Selbstversicherung (Abs. 5) gelten die Voraussetzungen bis zum Ablauf des nächstfolgenden Kalenderjahres als erfüllt; in weiterer Folge hat der Versicherungsträger jeweils jährlich einmal festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Selbstversicherung nach Abs. 1 gegeben sind. Der Versicherte ist verpflichtet, den Wegfall der erhöhten Familienbeihilfe dem Träger der Pensionsversicherung binnen zwei Wochen anzuzeigen.
(7) Das Ende der Selbstversicherung steht hinsichtlich der Berechtigung zur Weiterversicherung in der Pensionsversicherung dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 lit. a gleich.
§ 669 Absatz 3 ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 125/2017:
(3) Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a kann auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden.
§ 707a ASVG (Weitere Schlussbestimmungen zu Art. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017) in der Fassung BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 125/2017:
(1) Die §§ 330b samt Überschrift und 669 Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017 treten mit 1. Jänner 2018 in Kraft.
3.1.2.2. Für den Beschwerdefall bedeutet das:
§ 707a ASVG sieht das Inkrafttreten des § 669 Abs. 3 ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 125/2017 mit 01.01.2018 ohne Übergangsregelung vor, weshalb diese Fassung der Entscheidung zugrunde zu legen ist (vergleiche auch VwGH 05.06.2019, Ra 2019/08/0051).
Da somit die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht ausschlaggebend ist, ist gemäß § 669 Absatz 3 ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 125/2017, auf die Formulierung des § 18a ASVG im Zeitpunkt der Antragstellung der Beschwerdeführerin abzustellen.
Im Beschwerdefall wurde der Antrag im Jahr XXXX – und somit vor der Änderung des § 18a ASVG durch BGBl. I Nr. 2/2015 – eingebracht. Daher ist auf die im Jahr XXXX geltende Fassung des § 18a ASVG abzustellen (BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 132/2005), welcher u.a. die „gänzliche Beanspruchung“ der Arbeitskraft (Absatz 1 und 3) sowie auch eine Pflichtversicherung oder Weiterversicherung oder andere Selbstversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung (Absatz 2 Ziffer 1) als Ausschlussgrund vorsah.
Soweit die Beschwerdeführerin einer Pflichtversicherung unterlag oder sich aufgrund ihrer geringfügigen Beschäftigung selbst versicherte (vergleiche § 19a ASVG Selbstversicherung bei geringfügiger Beschäftigung), liegen wie festgestellt Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung vor. Für diese Zeiten liegt nach der im Beschwerdefall aufgrund der Antragstellung im Jahr XXXX maßgeblichen Fassung des § 18a ASVG ein Ausschlussgrund vor, da gemäß Absatz 2 Ziffer 1 die Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG u.a. für eine Zeit ausgeschlossen ist, während der eine Pflichtversicherung oder eine Selbstversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung besteht. Bei der Selbstversicherung gemäß § 19a ASVG handelt es sich um eine Selbstversicherung u.a. in der Pensionsversicherung, weshalb diese vom klaren Wortlaut des § 18a Absatz 2 Ziffer 1 ASVG erfasst ist. Darüber hinaus ist eine Selbstversicherung auch ausgeschlossen, wenn eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 3 bis 6 oder § 227a vorliegt (§ 18a Absatz 2 Ziffer 3 ASVG in der maßgeblichen Fassung).
Aus den Feststellungen ist ersichtlich, dass lediglich für folgende Zeiten liegen keine Versicherungszeiten der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung bzw. keine Ersatzzeiten vorliegen (vergleiche § 18a Absatz 2 ASVG in der aufgrund der Antragstellung im Jahr XXXX maßgeblichen Fassung): XXXX .
Wie oben ausgeführt steht den Zeiträumen XXXX die Rechtskraftwirkung des Bescheides von 2004 entgegen.
Es bleibt also nur der Zeitraum XXXX , für welchen Voraussetzungen für die Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG in der aufgrund der Antragstellung im Jahr XXXX maßgeblichen Fassung zu prüfen ist.
Die Beschwerdeführerin verfügte in diesem Zeitraum über einen gemeinsamen Wohnsitz im Inland mit dem behinderten Kind, für welches erhöhte Familienbeihilfe bezogen wurde.
Zur Beanspruchung der gänzlichen Arbeitskraft der Beschwerdeführerin im Sinne des § 18a ASVG in der aufgrund der Antragstellung im Jahr XXXX maßgeblichen Fassung wird Folgendes ausgeführt:
Gemäß § 18a Absatz 3 ASVG liegt eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 u.a. vor, solange das behinderte Kind das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf (Ziffer 1) bzw. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf (Ziffer 2).
Nach der Judikatur des VwGH gilt bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 18a Abs 3 ASVG die gesetzliche Vermutung, derzufolge die Arbeitskraft der Pflegeperson durch die Pflege auf jeden Fall gänzlich in Anspruch genommen ist. Die Aufzählung ist taxativ. (vergleiche VwGH 27.07.2001, 97/08/0651)
Der Wortlaut des Gesetzestextes stellt lediglich darauf ab, dass das behinderte Kind ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf. Vor dem Beginn der allgemeinen Schulpflicht sieht das Gesetz keine Einschränkung beispielsweise im Hinblick auf den Besuch eines Kindergartens vor. Nach dem Wortlaut des Gesetzes schließt auch ein Schulbesuch die gänzliche Inanspruchnahme der Arbeitspflicht nicht aus.
Nach der ständigen Judikatur des VwGH ist vielmehr im Wege entsprechender Sachverständigengutachten zu klären, ob (und in welchem Umfang) unter Berücksichtigung des Alters und der spezifischen Behinderung des Kindes dessen ständige Betreuung auch außerhalb der Zeit des Schulbesuches erforderlich ist und ob bei Unterbleiben dieser Betreuung die Entwicklung des Kindes im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteil wird, benachteiligt oder gefährdet ist (vergleiche beispielsweise VwGH 16.11.2005, 2003/08/0261, unter Hinweis auf VwGH 17.12.1991, 89/08/0353).
Der VwGH hat klarstellend festgehalten, dass die Legaldefinition des § 18a Abs. 3 ASVG jedoch - im Gegensatz zu § 18b ASVG - nicht (primär) auf eine zeitliche Inanspruchnahme durch die Pflege (hier: Anzahl der Pflegestunden) abstellt, sondern auf speziell für behinderte Kinder zugeschnittene andere Kriterien (vergleiche VwGH 19.01.2017, Ro 2014/08/0084).
Nach der Judikatur des VwGH ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs 3 ASVG nicht weiter zu untersuchen, ob und in welchem Ausmaß der Grad der Inanspruchnahme mit jener, die auch bei gesunden Kindern des jeweiligen Alters angenommen werden muss, vergleichbar ist, weil die physische und psychische Inanspruchnahme einer Pflegeperson bei Vorliegen der gesetzlichen Kriterien von ganz anderer Qualität ist, als dies bei gesunden Kindern vergleichbaren Alters der Fall wäre (VwGH 21.09.1999, 99/08/0053).
Dass die Beschwerdeführerin ihr damals XXXX altes Kind unter vollständiger Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung ständig betreute ergibt sich aufgrund der Feststellungen zu den Pflegemaßnahmen der Beschwerdeführerin sowie des Gutachtens:
Aus dem Gutachten geht insbesondere hervor, dass die einzig kausale Therapie die Vermeidung von gliadinhältigen Lebensmitteln und Speisen ist und die strenge Befolgung der ausführlichen Diätvorschriften für die Gesundheit des Kindes unabdingbar ist. Im Zeitraum XXXX war allerdings die Beschaffung von gliadinfreiem Brot außerhalb der Bundeshauptstadt (in der es überdies nur eine spezialisierte Bäckerei gab) außerordentlich schwierig. Alle anderen Nahrungsmittel waren zur damaligen Zeit in gliadinfreier Form nicht oder kaum verfügbar. Es war für die Beschwerdeführerin mit einem beträchtlichen Zeitaufwand verbunden und sie musste sich intensiv mit den Grundlagen dieser Diätmaßnahmen beschäftigen, um ihrem Kind die Einhaltung der vorgeschriebenen Diätvorschriften zu ermöglichen. Zudem war zu beachten, dass bereits außerordentlich geringe Mengen von Gliadin toxische-allergische Reaktionen bei Patienten, die von dieser Erkrankung betroffen sind, auslösen können. Eine Nichteinhaltung der gliadinfreien Diät hätte folgende Konsequenzen für das Kind gehabt: Beginn von Durchfällen, Mangelernährung, Infektionsneigung, Wachstumsstillstand bis zu schweren Blutungen, psychische Veränderungen. Darüber hinaus waren damals behutsame und sorgfältige Erziehungsmaßnahmen notwendig, um das Kind an eine derartige sehr aufwendige Ernährungsweise zu gewöhnen und sogenannte „Ausreißer“ (d.h. kein Essen bzw. Kosten von angebotenen Speisen außer Haus) zu vermeiden.
Somit bedurfte das Kind laut Gutachten ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege um sich körperliche und psychisch normal zu entwickeln. Diese ständige persönliche Hilfe und besondere Pflege erfolgte durch die Beschwerdeführerin. Nach den Feststellungen hat die Beschwerdeführerin die beschriebenen erforderlichen Pflegemaßnahmen vorgenommen, um die vorgeschriebene Therapie des Kindes umzusetzen (insbesondere Zubereitung von gliadinfreien Nahrungsmitteln und die erforderlichen Erziehungsmaßnahmen zur Gewöhnung an die vorgeschriebene Ernährungsweise). Das Kind war im damaligen Alter noch nicht zur eigenverantwortlichen Einhaltung der erforderlichen Diät fähig. Aus dem Gutachten geht zudem hervor, dass ein Unterbleiben der beschriebenen Pflegemaßnahmen durch die Beschwerdeführerin die Entwicklung des Kindes im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteil wird, benachteiligt oder gefährdet hätte. Somit liegt eine gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin im Sinn des § 18a Absatz 3 ASVG in der aufgrund der Antragstellung im Jahr XXXX maßgeblichen Fassung für den Zeitraum XXXX vor.
Die Frage der Lagerung der Zeiten (vergleiche VwGH 06.07.2016, Ro 2015/08/0012) stellt sich im Beschwerdefall nicht, da weniger als 120 Monate, für welche die Voraussetzungen der Versicherung nach §§ 18a in Verbindung mit 669 Absatz 3 ASVG zutreffen, vor der Antragstellung liegen.
Daher war dem Antrag auf Selbstversicherung gemäß § 18a in der genannten Fassung für den Zeitraum XXXX stattzugeben.
Festgehalten wird, dass § 18a ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2015 anders als die im Beschwerdefall anzuwendende Fassung u.a. auf die überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft abstellt (Absatz 1) und beispielsweise Absatz 2 Ziffer 1 („eine Pflichtversicherung oder Weiterversicherung oder andere Selbstversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung oder ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung besteht oder“) entfallen ist. Diese Fassung ist allerdings wie oben ausgeführt gemäß § 669 Absatz 3 ASVG im Beschwerdefall nicht anwendbar, da auf die Formulierung des § 18a ASVG im Zeitpunkt der Antragstellung (hier: im Jahr XXXX ) abzustellen ist.
3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung stützt sich auf den klaren Wortlaut der anzuwendenden Bestimmungen bzw. die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs.
Schlagworte
Arbeitskraft Gutachten Pensionsversicherung Pflegebedarf Prozesshindernis der entschiedenen Sache Rechtslage res iudicata Selbstversicherung Versicherungszeiten Zeitraumbezogenheit ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W167.2129548.1.00Im RIS seit
12.01.2021Zuletzt aktualisiert am
12.01.2021