RS Vfgh 2019/9/26 WIII1/2019

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Veröffentlicht am 26.09.2019
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Index

10/06 Direkte Demokratie

Norm

B-VG Art 141 Abs1 lith
B-VG Art41 Abs2
VolksbegehrenG 2018 §4, §5, §6, §10, §11, §14
NRWO §15 Abs3, §16 Abs2, §17
WählerevidenzG §4
E-GovernmentG §4
VfGG §7 Abs1
VfGG §67 Abs1

Leitsatz

Abweisung der Anfechtung des Volksbegehrens "Für verpflichtende Volksabstimmungen"; ordnungsgemäße und vollständige Veröffentlichung der Begründung des Volksbegehrens durch die Bundeswahlbehörde; persönliche Ausübung des Wahlrechts und Sicherstellung der – durch eine Person einmalig abgegebenen – elektronischen Unterstützung hinreichend gesetzlich gewährleistet; korrekte und beschlussfähige Zusammensetzung der Bundeswahlbehörde

Rechtssatz

Kein Verstoß gegen §10 VolksbegehrenG 2018 (VoBeG) im Hinblick auf das unveränderte Zugänglichmachen der Begründung des Volksbegehrens:

Bei dem von der Bundeswahlbehörde nicht veröffentlichten Abschnitt handelt es sich inhaltlich um keinen Teil der Begründung des Volksbegehrens:

Wie dem die Begründung des Volksbegehrens enthaltenden Schriftstück eindeutig zu entnehmen ist, hat der Antragsteller den in der Folge nicht veröffentlichten Textabschnitt optisch durch eine strichlierte Linie klar vom (übrigen) Text der Begründung getrennt, sodass der Antragsteller selbst den Eindruck hervorruft, dass dieser nicht mehr als Teil der Begründung anzusehen ist. Auch inhaltlich stellt dieser Abschnitt keine Begründung dar. Da gemäß §10 VoBeG nur der Text des Volksbegehrens samt Begründung zugänglich zu machen ist und der unveröffentlicht gebliebene Teil eindeutig nicht der Begründung des Volksbegehrens dient, liegt kein Verstoß gegen §10 VoBeG vor.

Bei dem von der Bundeswahlbehörde - optisch eindeutig erkennbar - hinzugefügten Text handelt es sich lediglich um einen Hinweis, mit dem klargestellt wird, dass es sich bei der Begründung des Volksbegehrens um die Ansichten des Antragstellers handelt, die unverändert veröffentlicht wurden. Zudem wird festgehalten, dass sich die in der Begründung erwähnten Beilagen nicht auf die Begründung beziehen, sondern es sich lediglich um Beilagen zum Einleitungsantrag handelt. Diese Beilagen sind daher nicht Teil der Begründung; Gegenteiliges wurde vom Antragsteller auch nicht vorgebracht. §10 VoBeG ist nicht zu entnehmen, dass ein solcher Hinweis unzulässig wäre.

Kein Verstoß gegen Art41 Abs2 B-VG:

Art41 Abs2 B-VG sieht vor, dass jedes von 100.000 Stimmberechtigten oder von je einem Sechstel der Stimmberechtigten dreier Länder unterstützte Volksbegehren von der Bundeswahlbehörde dem Nationalrat zur Behandlung vorzulegen ist. Bundesgesetzlich kann eine elektronische Unterstützung eines Volksbegehrens durch die Stimmberechtigten vorgesehen werden, wobei zu gewährleisten ist, dass sie nur persönlich und nur einmal erfolgt.

Schon aus dem Wortlaut des Art41 Abs2 erster Satz B-VG ergibt sich, dass unter Unterstützung eines Volksbegehrens die eindeutige Erklärung eines Stimmberechtigten zu verstehen ist, das Volksbegehren zu unterstützen. Es wird dabei in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, dass allenfalls zwischen - einfachgesetzlich vorgesehenen - Verfahrensabschnitten zu differenzieren ist. Die Unterscheidung in verschiedene Verfahrensabschnitte (Einleitungs- und Eintragungsverfahren) wird erst im VoBeG getroffen, in Art41 Abs2 B-VG ist keine Differenzierung vorgesehen. Es kommt daher nicht darauf an, ob es sich um die Abgabe einer - ausdrücklich so bezeichneten - Unterstützungserklärung iSd §5 VoBeG oder eine Eintragung iSd §11 VoBeG handelt. Von diesem Verständnis geht auch das VoBeG aus, weil gemäß §5 Abs4 VoBeG Unterstützungserklärungen für den Einleitungsantrag iSd §5 VoBeG als gültige Eintragungen iSd des VoBeG gelten und somit beide Formen als Unterstützung des Volksbegehrens iSd Art41 Abs2 B-VG zu werten sind. Eine unterschiedliche Art der Stimmabgabe wäre auch unsachlich, weil eine Unterstützung, unabhängig davon, ob sie im Einleitungsverfahren oder im Eintragungsverfahren erfolgt, auf die Zahl der erforderlichen Unterstützungen angerechnet wird. Die elektronische Unterstützung soll somit in beiden Verfahrensabschnitten ermöglicht werden.

Keine Bedenken gegen die Möglichkeit einer elektronischen Eintragung iSd §11 Abs1 Z1 VoBeG:

Im Gegensatz zu den mit VfSlg 19592/2011 aufgehobenen Bestimmungen der Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftswahlordnung 2005 (keine Sicherstellung der Wahrung des Wahlgeheimnisses durch eine ausreichende gesetzliche Determinierung des Verwaltungshandelns) liegt bei der elektronischen Unterstützung von Volksbegehren im VoBeG sowie durch die Verweise auf das E-GovernmentG (E-GovG) und WählerevidenzG eine ausreichende gesetzliche Determinierung vor, auf welche Weise sichergestellt wird, dass die verfassungsgesetzlichen Vorgaben der persönlichen und nur einmal erfolgenden Unterstützung gegeben sind.

Das Vorbringen "das Verfahren [sei] durch EDV-Leute im Bundesministerium für Inneres und für externe Hacker manipulierbar [und] 100.000 Stimmen könnten von diesen ergänzt oder gelöscht werden, ohne dass es jemand in der beschlussfassenden Bundeswahlbehörde mitbekäme" wäre vor dem Hintergrund von §67 Abs1 VfGG hinreichend substantiiert darzutun gewesen; ihm liegen aber bloß unbestimmt gehaltene Behauptungen ohne zureichendes Substrat zugrunde. Es wurde kein Vorbringen dahingehend erstattet, dass bei der Durchführung des Volksbegehrens konkrete Hinweise auf Fehler bzw fehlerhafte Eintragungen hervorgekommen wären, obwohl dem in der Anmeldung des Volksbegehrens bezeichneten Bevollmächtigten nach §4 VoBeG eine Registrierungsnummer sowie die Zugangsdaten zur Abfrage der Zahlen der im Rahmen des Einleitungsverfahrens getätigten Unterstützungserklärungen sowie der im Rahmen des Eintragungsverfahrens getätigten Eintragungen, jeweils gegliedert nach Ländern, Stimmbezirken und Gemeinden, zu übermitteln sind. Das Aufzeigen allfälliger Unregelmäßigkeiten und die Konkretisierung des Vorbringens wäre möglich gewesen. Es war daher nicht zu prüfen, ob die Durchführung der elektronischen Unterstützung auch einwandfrei erfolgt ist.

Zum behaupteten Verstoß gegen §14 VoBEG mangels eigener Kontroll- und Rechentätigkeiten der Bundeswahlbehörde ist festzuhalten, dass die Bundeswahlbehörde nach dem VoBeG keine eigenen Ermittlungen durchzuführen hat. Es obliegt hinsichtlich der persönlich vorgenommenen Unterstützungen gemäß §11 Abs2 VoBeG der Gemeinde, bei einer Eintragung anhand des Zentralen Wählerregister zu prüfen, ob der Eintragungswillige in der Wählerevidenz einer Gemeinde eingetragen und stimmberechtigt ist und ob er allenfalls bereits eine Unterstützungserklärung für das Volksbegehren abgegeben oder eine Eintragung getätigt hat. Weiters hat die Gemeinde die getätigte Eintragung in der Datenverarbeitung für das Volksbegehren mit einer aus dem Zentralen Wählerregisters bereichsspezifischen Personenkennzahl des Eintragungswilligen zu vermerken. Bei der elektronischen Unterstützung erfolgt die Überprüfung direkt über die für das Volksbegehren gebildete und in das Zentrale Wählerregister eingebettete Datenverarbeitung sowie über den elektronischen Identitätsnachweis gemäß §4 E-GovG.

Gemäß §13 Abs1 VoBeG ist am letzten Tag des Eintragungszeitraumes um 20:15 Uhr anhand der für ein Volksbegehren gebildeten Datenverarbeitung die Summe der Stimmberechtigten laut Wählerevidenz sowie die Summe der Eintragungen festzustellen und im Internet zu veröffentlichen. Das Ergebnis dieser Feststellung ist der Bundeswahlbehörde schriftlich weiterzuleiten. Gemäß §14 VoBeG hat die Bundeswahlbehörde auf Grund dieser Mitteilung iSd §13 VoBeG die Gesamtzahl der in den Wählerevidenzen verzeichneten Stimmberechtigten, die Zahl der gültigen Eintragungen sowie die Zahl der Personen, die den Einleitungsantrag unterstützt haben und deren Unterschriften als gültige Eintragungen gemäß §5 Abs2 VoBeG gelten, festzustellen. Die Bundeswahlbehörde hat dann die Summen der gültigen Eintragungen zusammenzuzählen und festzustellen, ob ein Volksbegehren iSd Art41 Abs2 B-VG vorliegt.

Die Überprüfung der Eintragungen obliegt somit hinsichtlich der persönlich vorgenommenen Unterstützungen der Gemeinde, bei der elektronischen Unterstützung erfolgt sie über die Datenverarbeitung. Die Bundeswahlbehörde hat die vom Bundesminister für Inneres daraufhin ermittelten und weitergeleiteten Ergebnisse lediglich festzustellen, die sich daraus ergebenden Summen der gültigen Eintragungen zusammenzuzählen sowie festzustellen, ob die für ein Volksbegehren erforderliche Zahl gültiger Eintragungen erreicht wurde.

Der Anfechtungswerber hatte außerdem auf Grund der ihm gemäß §4 Abs2 VoBeG übermittelten Zugangsdaten die Möglichkeit, die Zahlen der getätigten Unterstützungserklärungen und Eintragungen, gegliedert nach Ländern, Stammbezirken und Gemeinden abzufragen. Die Bundeswahlbehörde hält hiezu fest, dass es dem Anfechtungswerber freigestanden wäre, allfällige konkrete Diskrepanzen in Bezug auf die Ergebnisermittlung aufzuzeigen, dies jedoch nicht geschehen sei. Der Anfechtungswerber macht auch in der Anfechtung keine Diskrepanzen geltend.

Soweit der Anfechtungswerber die unrichtige Zusammensetzung der Bundeswahlbehörde daraus ableitet, dass befangene, nicht "unparteiliche" Mitglieder mitgewirkt hätten und somit ein Verstoß gegen §16 Abs2 NRWO vorliege, genügt ein Hinweis darauf, dass gemäß Art26a Abs1 B-VG den Wahlbehörden als stimmberechtigte Beisitzer Vertreter der wahlwerbenden Parteien anzugehören haben, wobei insbesondere die (proporzmäßige) Zusammensetzung der Wahlbehörden die Objektivität dieser Behörden verbürgen soll.

Der Anfechtungswerber bringt weiters vor, dass nicht mehr feststellbar sei, wie die Bundeswahlbehörde tatsächlich zusammengesetzt gewesen sei, und "welche der anwesenden Ersatzmitglieder die fehlenden Mitglieder ersetzten und welche Ersatzmitglieder eben Ersatzmitglieder blieben". Dem hält die Bundeswahlbehörde entgegen, dass sich aus der Anwesenheitsliste der Sitzung der Bundeswahlbehörde am 10.04.2019 klar feststellen lasse, welche der anwesend gewesenen Personen stimmberechtigt gewesen seien und welche nicht; für einen klareren Überblick bediene man sich zudem eines Tischkarten-Systems, wobei bei einer Abstimmung nur die Stimme einer vor einer weißen Tischkarte sitzenden Person (und somit eines Beisitzers) eine zu zählende Stimme sei. Zudem werde anhand einer Tonaufzeichnung ein internes "Resümeeprotokoll" erstellt. Angesichts dieser Ausführungen, des mit den Wahlakten übermittelten Protokolls und der Anwesenheitsliste zur Sitzung der Bundeswahlbehörde vom 10.04.2019 ergibt sich für den VfGH, welche Mitglieder an der Sitzung teilgenommen haben und dass die Bundeswahlbehörde jedenfalls in beschlussfähiger Weise besetzt war, weshalb das Vorbringen des Anfechtungswerbers insofern ins Leere geht.

Kein Verstoß gegen Art6 EMRK und keine Verfassungswidrigkeit des ArtI Abs3 Z4 EGVG - insbesondere mangels Anwendbarkeit des §7 AVG betreffend die Befangenheit von Verwaltungsorganen - nach stRsp des VfGH.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Volksbegehren, Stimmenabgabe, elektronischer Rechtsverkehr, Determinierungsgebot, Wählerevidenz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:WIII1.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.01.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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