Index
20/05 Wohn- und MietrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung im Gleichheitsrecht und im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums durch eine Regelung im WohnungseigentumsG; Geltendmachung der gerichtlichen Nutzwertfestsetzung innerhalb einer Einjahresfrist bei einer Abweichung des (privaten) Nutzwertgutachtens von 3 % von der tatsächlichen Sachlage einerseits sowie die Möglichkeit der unbefristeten Geltendmachung bei Verstößen gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertfeststellung andererseits nicht unsachlichSpruch
I. Der Hauptantrag wird zurückgewiesen.
II. Der erste Eventualantrag auf Aufhebung des §10 Abs2 WEG 2002, BGBl I Nr 70/2002, idF BGBl I Nr 30/2012 wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG begehrt die Antragstellerin
"1. die Aufhebung der Wörter des §10 Abs2 Satz 1 WEG BGBl I Nr 70/2002 in der geltenden Fassung BGBl I Nr 30/2012 'im Fall des §9 Abs2 Z2 nur innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum und';
2. in eventu die Aufhebung des gesamten §10 Abs2 WEG in der geltenden Fassung sowie
3. in eventu die Aufhebung des gesamten Bundesgesetz über das Wohnungseigentum (Wohnungseigentumsgesetz 2002 - WEG 2002) Stammfassung BGBl I Nr 70/2002 in der Fassung BGBl I Nr 58/2018".
II. Rechtslage
Die §§9 und 10 des Bundesgesetzes über das Wohnungseigentum (Wohnungseigentumsgesetz 2002 – WEG 2002), BGBl I 70/2002, idF BGBl I 30/2012 lauten auszugsweise wörtlich (die im Hauptantrag angefochtene Wortfolge in §10 Abs2 WEG 2002 ist hervorgehoben):
"§9. (1) Die Nutzwerte sind durch das Gutachten eines für den Hochbau zuständigen Ziviltechnikers oder eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Hochbau- oder das Immobilienwesen zu ermitteln.
(2) Auf Antrag sind die Nutzwerte vom Gericht insbesondere dann abweichend vom Nutzwertgutachten (Abs1) festzusetzen, wenn
1. das Gutachten gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung verstößt,
2. das Gutachten bei einem Wohnungseigentumsobjekt um mehr als 3 vH von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht,
3. sich der Nutzwert eines Wohnungseigentumsobjekts durch eine gegenüber den Grundlagen der Nutzwertermittlung abweichende Bauführung um mehr als 3 vH ändert,
4. sich der Nutzwert eines Wohnungseigentumsobjekts nach Vollendung der Bauführung durch bauliche Vorgänge auf der Liegenschaft wesentlich ändert oder
5. sich die Nutzwerte durch Änderungen im Bestand räumlich unmittelbar aneinandergrenzender Wohnungseigentumsobjekte oder durch die Übertragung von Zubehörobjekten im Sinne des §2 Abs3 ändern.
(3) Abs2 gilt entsprechend auch für eine gerichtliche Neufestsetzung der Nutzwerte abweichend von einer bereits früher ergangenen Nutzwertfestsetzung durch das Gericht.
[…]
§10. (1) Die gerichtliche Nutzwertfestsetzung kann in den Fällen des §9 Abs2 Z1 bis 4 von jedem Miteigentümer und Wohnungseigentumsbewerber, in den Fällen des §9 Abs2 Z5 nur gemeinsam von den von der Änderung oder Übertragung betroffenen Wohnungseigentümern beantragt werden.
(2) Die gerichtliche Nutzwertfestsetzung kann im Fall des §9 Abs2 Z2 nur innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum und in den Fällen des §9 Abs2 Z3 und 4 nur innerhalb eines Jahres ab Vollendung der Bauführung beantragt werden. Für einen Wohnungseigentumsbewerber beginnt im Fall des §9 Abs2 Z2 die Antragsfrist erst mit der Verständigung von der Einverleibung des Wohnungseigentums.
[…]"
III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Die Antragstellerin begehrte beim Magistrat Graz, Schlichtungsstelle, am 27. Mai 2016, die Nutzwerte einer Liegenschaft neu festzusetzen. Dies wurde damit begründet, dass das Nutzwertgutachten um mehr als 3 vH von den tatsächlichen Gegebenheiten abweiche (§9 Abs2 Z2 WEG 2002) und auch gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung verstoße (§9 Abs2 Z1 WEG 2002). Dieser Antrag wurde vom Magistrat Graz, Schlichtungsstelle, abgewiesen.
2. Gemäß §40 Abs1 MRG begehrte die Antragstellerin in weiterer Folge eine Entscheidung durch das Bezirksgericht Graz-Ost. Mit Sachbeschluss vom 4. Oktober 2018, Z 255 MSch 4/17t, wurde dieser Antrag abgewiesen. Begründend führte das Bezirksgericht Graz-Ost zusammengefasst aus, dass ein Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung nicht vorliege. Die gerichtliche Neufestsetzung der Nutzwerte bei Abweichen des Nutzwertgutachtens um mehr als 3 vH von den tatsächlichen Gegebenheiten könne gemäß §10 Abs2 WEG 2002 nur innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum beantragt werden. Da das Wohnungseigentum im vorliegenden Fall bereits im Jahr 2008 einverleibt worden sei, sei der Antrag abzuweisen.
3. Die Antragstellerin erhob gegen diesen Sachbeschluss Rekurs und stellte aus Anlass dieses Rechtsmittels den vorliegenden Antrag. Darin legt sie ihre Bedenken wie folgt dar:
3.1. Die Befristung des Antragsrechtes in den Fällen des §9 Abs2 Z2 WEG 2002 auf ein Jahr gemäß §10 Abs2 WEG 2002 verstoße gegen das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes, weil das Gesetz auf gröblich benachteiligende Konstellationen wie die vorliegende nicht Bedacht nehme und einen Antrag nach Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft der Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum nicht mehr zulasse.
3.1.1. Der Gesetzgeber verletze das Sachlichkeitsgebot, wenn zur Zielerreichung ein an sich taugliches Mittel zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung führe. Hinsichtlich §9 Abs2 Z1 WEG 2002 könne eine Neufestsetzung der Nutzwerte ohne zeitliche Begrenzung beantragt werden, wenn zwingende Grundsätze der Nutzwertfestsetzung verletzt worden seien, etwa durch das Übergehen wohnungseigentumstauglicher Objekte, die Zuweisung eines Nutzwertes für allgemeine Teile der Liegenschaft, die Schaffung eines neuen wohnungseigentumstauglichen Objektes "ohne Nutzwert" oder die mit keiner baulichen Veränderung einhergehende Umwidmung allgemeiner Teile einer Liegenschaft in Objekte, an denen Wohnungseigentum oder Zubehör-Wohnungseigentum bestehen solle. Auch begründe die falsche Einordnung in eine der drei wohnungseigentumsrechtlichen Kategorien einen Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung.
3.1.2. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, dass bei einer Abweichung von 3 vH oder mehr von den tatsächlichen Gegebenheiten die Neufestsetzung nicht für einen längeren Zeitraum bzw unbegrenzt möglich sei, sondern nur ein Jahr ab Rechtskraft der Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum. Der Unrechtsgehalt sei bei Zuweisung eines Nutzwertes für allgemeine Teile der Liegenschaft der gleiche bzw zumindest gleich hoch wie bei einem erheblichen Abweichen von den tatsächlichen Gegebenheiten. Sachlicher wäre es, den Beginn des Fristenlaufes an die subjektive Kenntnisnahmemöglichkeit zu knüpfen.
3.1.3. Ein Wohnungseigentümer, dessen Nutzwert zu hoch festgesetzt worden sei, sei gegenüber jenen Miteigentümern, deren Nutzwerte korrekt oder dementsprechend niedriger festgelegt worden seien, maßgeblich benachteiligt. Denn zumindest die Betriebskosten, die Heizungskosten sowie die Rücklagen für Sanierungen würden sich nach den Nutzwerten berechnen. Im Laufe der Jahre führe dies zu einer massiven Schlechterstellung und könne sachlich nicht gerechtfertigt werden.
3.1.4. Die Nutzwertneufestsetzung bilde nur die Grundlage für eine (erforderliche) Änderung der Mindestanteile. Sie schaffe keinen eigenen Rechtsgrund für die Nutzung und regle nicht die Frage, wem Rechte an bestimmten Räumen zustünden. Die Neufestsetzung der Nutzwerte bewirke keine unmittelbare Eigentumsveränderung, insbesondere keine Änderung der Anteilsverhältnisse der Wohnungseigentümer. Es bestehe daher für die übrigen Wohnungseigentümer kein Nachteil, wenn nach Ablauf der Frist von einem Jahr ab Rechtskraft der Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum eine Neufestsetzung bzw Berichtigung des Nutzwertes beantragt und dieser neu festgesetzt werde, weil bloß der Nutzwert den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst und ein Zustand der Gleichbehandlung hergestellt werde.
3.1.5. Die Unrichtigkeit der Nutzwertberechnung sei auch für die anderen Wohnungseigentümer erkennbar. Diese hätten bloß kein Interesse an einer Geltendmachung des Anspruches, weil die Unrichtigkeit des Nutzwertgutachtens zu ihren Gunsten ausschlage. Der Nachteil treffe nicht nur den Wohnungseigentümer, dessen Nutzwerte zu hoch festgesetzt worden seien, sondern auch seine Rechtsnachfolger. Die Ungleichbehandlung bzw das aus der derzeit geltenden Regelung resultierende Unrecht sei daher zeitlich grenzenlos und sachlich nicht zu rechtfertigen.
3.1.6. Der Gleichheitsgrundsatz solle für Gleichheit vor dem Gesetz sorgen. Wenn nun sämtliche Wohnungseigentümer für ihre Wohnung den korrekten Nutzwert zugeteilt bekämen, bloß ein Wohnungseigentümer einen weit überhöhten Nutzwert, werde dieser Wohnungseigentümer ungleich gegenüber den anderen Wohnungseigentümern behandelt. Dies sei sachlich nicht gerechtfertigt. Der benachteiligte Wohnungseigentümer müsse unbegrenzt die Möglichkeit haben, die durch eine eklatant falsche Nutzwertberechnung hervorgerufene Ungleichbehandlung auf Antrag nachträglich beheben zu lassen, möge sie auch nicht zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung verletzen. Eine andere Regelung würde dem Sachlichkeitsgebot widersprechen.
3.2. Darüber hinaus liege auch eine Verletzung des Grundrechtes auf Unversehrtheit des Eigentumes gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK vor.
3.2.1. Vom Schutzbereich des Eigentumsgrundrechtes gemäß Art5 StGG und Art1 1. ZPEMRK seien alle vermögenswerten Privatrechte sowie vorhandenes Vermögen umfasst. Die Befristung der Antragslegitimation verletze die Antragstellerin in ihrem Recht auf Unversehrtheit des Eigentumes.
3.2.2. §10 Abs2 erster Satz WEG 2002 verstoße deshalb gegen das Eigentumsgrundrecht, weil dieser die Neufestsetzung des Nutzwertes, obwohl das Nutzwertgutachten um mehr als 3 vH von den tatsächlichen Gegebenheiten abweiche, nur innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum zulasse. Da jener Wohnungseigentümer, dessen Nutzwerte zu hoch festgesetzt worden seien und dessen Rechtsnachfolger dauerhaft eklatante Mehrzahlungen gegenüber den anderen Wohnungseigentümern, deren Nutzwerte korrekt festgesetzt worden seien, zu leisten hätten, liege eine Eigentumsbeschränkung vor. Es sei nicht gerechtfertigt, dass ein Wohnungseigentümer die Kosten der anderen Wohnungseigentümer tragen müsse.
3.2.3. Die vorliegende gesetzliche Regelung stelle jedenfalls einen unverhältnismäßigen Eingriff dar. Das Kriterium der Verhältnismäßigkeit bedeute bei Eigentumsbeschränkungen, dass bei Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Regelung und dem Interesse des Betroffenen an der Vermeidung von Eigentumseingriffen das öffentliche Interesse überwiegen müsse. Der Eingriff in die Vermögensrechte des Betroffenen überwiege im konkreten Fall jedenfalls das öffentliche Interesse. Durch die Neufestsetzung des Nutzwertes werde nur der den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Zustand hergestellt. Es erfolge damit keine Schlechterstellung von anderen Beteiligten; es werde bloß der korrekte Zustand hergestellt. Andernfalls bestehe der gröblich benachteiligende Zustand auch für Rechtsnachfolger weiter.
4. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:
4.1. Zur anwendbaren Rechtslage wird ausgeführt, dass Wohnungseigentum das dem Miteigentümer einer Liegenschaft oder einer Eigentümerpartnerschaft eingeräumte dingliche Recht sei, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen.
4.1.1. Der Nutzwert sei die Maßzahl, mit welcher der Wert eines Wohnungseigentumsobjektes im Verhältnis zu den Werten der anderen Wohnungseigentumsobjekte der Liegenschaft bezeichnet werde. Der Wert ergebe sich aus der Nutzfläche des Objektes und aus Zuschlägen oder Abstrichen für werterhöhende oder wertvermindernde Eigenschaften (§2 Abs8 WEG 2002). Der Mindestanteil sei jener Miteigentumsanteil an der Liegenschaft, der zum Erwerb von Wohnungseigentum an einem Wohnungseigentumsobjekt erforderlich sei. Er entspreche dem Verhältnis des Nutzwertes des Objektes zur Summe der Nutzwerte aller Wohnungseigentumsobjekte der Liegenschaft (§2 Abs9 WEG 2002).
4.1.2. Der Nutzwert sei für den (relativen) "Wert" des betreffenden Wohnungseigentumsobjektes bzw für die Größe des Mindestanteiles bestimmend und in jenen Fällen der entscheidende Parameter für die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, in denen diese einer Quantifizierung zugänglich seien (etwa beim Gewicht der Stimmen nach §§24, 28 ff. WEG 2002 oder bei der Höhe der Aufwendungen nach §32 Abs1 WEG 2002). Die Nutzwerte seien durch das Gutachten eines für den Hochbau zuständigen Ziviltechnikers oder eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Hochbau- oder das Immobilienwesen zu ermitteln (§9 Abs1 WEG 2002).
4.1.3. Das Gericht könne nach §9 Abs2 WEG 2002 die Nutzwerte abweichend vom Nutzwertgutachten festsetzen, insbesondere wenn das Gutachten gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung verstößt (§9 Abs2 Z1 WEG 2002), das Gutachten bei einem Wohnungseigentumsobjekt um mehr als 3 vH von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht (§9 Abs2 Z2 WEG 2002) oder nachträglich Änderungen auftreten (§9 Abs2 Z3 bis 5 WEG 2002).
4.1.4. §10 Abs2 WEG 2002 enthalte Fristen für die Stellung eines Antrages auf gerichtliche Nutzwertfestsetzung. Für den (angefochtenen) Fall des §9 Abs2 Z2 WEG 2002 sei eine Frist von einem Jahr ab Rechtskraft der Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum festgelegt, für die Fälle des §9 Abs2 Z3 und 4 eine Frist von einem Jahr ab Vollendung der Bauführung. Um sicherzustellen, dass im Fall des §9 Abs2 Z2 WEG 2002 die Wohnungseigentumsbewerber von der fristauslösenden Einverleibung informiert seien, sei ausdrücklich angeordnet, dass für einen Wohnungseigentumsbewerber die Antragsfrist erst mit der Verständigung von der Einverleibung des Wohnungseigentumes beginne. Sonderbestimmungen zum Fristenlauf bestünden überdies für den Fall des vorläufigen Wohnungseigentumes des Alleineigentümers (§47 WEG 2002).
4.1.5. §3 Abs2 WEG 1975, idF BGBl I 7/1997, habe als Vorbild für den geltenden §9 Abs2 WEG 2002 gedient. In der Regierungsvorlage (312 BlgNR 20. GP) sei zu §3 Abs2 WEG 1975, idF BGBl I 7/1997, Folgendes ausgeführt worden:
"Nach der derzeitigen Rechtslage kann in den vom Gericht oder der Gemeinde durchzuführenden Nutzwertfestsetzungsverfahren die Unrichtigkeit des in diesen Verfahren erstatteten Sachverständigengutachtens eingewendet werden. Durch den Entfall dieser Verfahren muß daher auf andere Weise dem Rechtschutzbedürfnis der Betroffenen Rechnung getragen werden, allfällige Fehler, die dem Sachverständigen in dessen Gutachten unterlaufen sind, beheben zu können. Durch die neue Z1 des §3 Abs2 soll nun eine nachträgliche Richtigstellung der Nutzwerte unter der Voraussetzung ermöglicht werden, daß das Gutachten des Ziviltechnikers wesentlich (um mehr als 3 vH) von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht. Die Antragstellung nach §3 Abs2 Z1 in der Fassung des vorliegenden Gesetzesentwurfes wird allerdings aus Gründen der Rechtssicherheit mit einem Jahr nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem erstmals die Einverleibung von Wohnungseigentum bewilligt wurde, befristet; eine andere Regelung würde dazu führen, daß die Frage der Richtigkeit der Nutzwertberechnung laufend wiederaufgerollt werden könnte."
4.1.6. Daraus folge, dass der Gesetzgeber dem Rechtschutzbedürfnis im Rahmen der Nutzwertfeststellung bereits in der Vorgängerbestimmung insoweit Rechnung getragen habe, als er Verfahrensschritte normiert habe, um Fehler, die dem Ziviltechniker in dessen Gutachten unterlaufen seien, zu beheben. Aus Gründen der Rechtssicherheit sei die Frist für eine Antragstellung, mit der geltend gemacht werde, dass das Gutachten des Ziviltechnikers wesentlich (um mehr als 3 vH) von den tatsächlichen Gegebenheiten abweiche, mit einem Jahr festgelegt worden. Die Rechtskraft des Beschlusses über die Einverleibung von Wohnungseigentum sei als fristauslösender Moment normiert worden. Diese Begründung gelte auch für die Bestimmung des §10 Abs2 WEG 2002.
4.2. Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass der vorliegende Parteiantrag teilweise unzulässig ist.
4.2.1. Der Hauptantrag auf Aufhebung der Wortfolge "im Fall des §9 Abs2 Z2 nur innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum und" in §10 Abs2 WEG 2002 sei zu eng gefasst. Nach Aufhebung dieser Wortfolge wäre der verbleibende zweite Satz des §10 Abs2 WEG 2002 unverständlich und ginge ins Leere. Dieser Satz ("Für einen Wohnungseigentumsbewerber beginnt im Fall des §9 Abs2 Z2 die Antragsfrist erst mit der Verständigung von der Einverleibung des Wohnungseigentums.“) setze nämlich voraus, dass die Antragstellung im Fall des §9 Abs2 Z2 WEG 2002 einer Befristung unterliege. Der Parteiantrag ziele aber gerade darauf ab, für diesen Fall die Befristung entfallen zu lassen. Aus diesem Grund hätte der zweite Satz des §10 Abs2 WEG 2002 mitangefochten werden müssen.
4.2.2. Der erste Eventualantrag auf Aufhebung des gesamten §10 Abs2 WEG 2002 sei demgegenüber zu weit gefasst. Davon wären nämlich auch die Fälle des §9 Abs2 Z3 und Z4 WEG 2002 erfasst, die im Antrag nicht relevant seien und auch nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit den präjudiziellen Bestimmungen stünden. Die Antragstellerin führe auch nicht näher aus, warum die Befristung für die Fälle des §9 Abs2 Z3 und Z4 WEG 2002 aus dem Rechtsbestand ausscheiden solle. Dieser Eventualantrag sei somit zu weit gefasst. Gleiches gelte für den zweiten Eventualantrag, der auf die Aufhebung des gesamten WEG 2002 gerichtet sei.
4.3. In der Sache geht die Bundesregierung davon aus, dass die vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zutreffen:
4.3.1. Die Bedenken hinsichtlich einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes seien unbegründet.
4.3.1.1. Aus den Erläuterungen zur Vorgängerbestimmung ergebe sich, dass auch hier Fehler des Gutachtens zeitlich nur beschränkt wahrnehmbar gewesen seien, nämlich bis zum rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Verfahrens. Im Rahmen der Novellierung des WEG 1975 sei aus Gründen der Rechtssicherheit eine zeitliche Beschränkung durch den Gesetzgeber geschaffen worden. Diese sei im WEG 2002 beibehalten worden. Anstelle eines gerichtlichen Verfahrens würden die Nutzwerte nunmehr durch ein Gutachten festgesetzt. Ein Gerichtsverfahren könne lediglich auf Antrag als Prüfinstanz herangezogen werden. Als fristauslösender Zeitpunkt sei die Rechtskraft der Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum gewählt worden, zumal die Einverleibung von Wohnungseigentum die Ermittlung der Nutzwerte voraussetze. Eine zeitliche Beschränkung müsse deshalb vorgesehen werden, weil andernfalls jeder Wohnungseigentümer dauerhaft damit rechnen müsse, dass zu irgendeinem Zeitpunkt Streitigkeiten über eine allfällige Unrichtigkeit des Nutzwertgutachtens entstehen und sich dadurch die Anteile an der Liegenschaft verschieben könnten. Derartige Streitigkeiten sollten im Fall des §9 Abs2 Z2 WEG 2002 verhindert werden, weil eine entsprechende Änderung nur im Einzelinteresse des betroffenen Wohnungseigentümers liege.
4.3.1.2. Völlig anders gelagert sei der zeitlich unbeschränkt wahrnehmbare Fall des §9 Abs2 Z1 WEG 2002 (Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung). In diesem Fall gehe es nämlich nicht nur um Einzelinteressen, sondern um Interessen aller Wohnungseigentümer, weil ein Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung zu einer Nichtigkeit der bücherlichen Eintragung führen könne.
4.3.1.3. Die beiden Fälle seien daher nicht miteinander vergleichbar: Vielmehr könnten Verstöße gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung zur Nichtigkeit der Nutzwertfestsetzung und der darauf aufbauenden bücherlichen Eintragungen führen. Nur für den Sonderfall eines Verstoßes gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung könne daher eine zeitlich unbeschränkte Geltendmachung – ungeachtet des damit potentiell verbundenen Störwertes für die Wohnungseigentümergemeinschaft – hingenommen werden. Die Differenzierung liege somit in sachgerechter Weise in der Gravität des Verstoßes gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung und in einer Abwägung des Gesetzgebers mit den Interessen der übrigen Wohnungseigentümer.
4.3.1.4. Nach Auffassung der Bundesregierung stehe dem Gesetzgeber bei der Festlegung des fristauslösenden Ereignisses ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu. Er könne für den Fristbeginn etwa auf die Rechtskraft der Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum oder auf die Verständigung von der Einverleibung des Wohnungseigentumes abstellen; er könne diesen Zeitpunkt einheitlich oder voneinander abweichend festlegen. Bei all diesen Zeitpunkten handle es sich um sachliche Anknüpfungspunkte für den Beginn des Fristenlaufes, wobei sich der Gesetzgeber bei der Entscheidung von Erwägungen der Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr leiten lassen könne. Die Abwägung dieser Gesichtspunkte liege im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.
4.3.1.5. Ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der gesetzlichen Regelung von Fristen sei auch in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes anerkannt: Danach sei die Bemessung einer Frist nur dann sachlich nicht gerechtfertigt, wenn sie jeglicher Erfahrung entgegenstehe. Die Frist von einem Jahr gemäß §10 Abs2 WEG 2002 für die Geltendmachung einer Abweichung von 3 vH oder mehr von den tatsächlichen Gegebenheiten sei in einer Durchschnittsbetrachtung ausreichend.
4.3.1.6. Soweit die Antragstellerin meine, dass im Fall des §9 Abs2 Z2 WEG 2002 der Beginn des Fristenlaufes an die subjektive Kenntnisnahmemöglichkeit geknüpft werden solle, sei dem entgegenzuhalten, dass durch das Anknüpfen an die Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum eine solche Kenntnisnahmemöglichkeit ohnehin bereits bestehe. Die Ermittlung des Nutzwertes sei nämlich Voraussetzung dafür, dass Wohnungseigentum überhaupt einverleibt werden dürfe. Der Beschluss über die Einverleibung sei nach allgemeinen Regeln allen Miteigentümern zuzustellen. Für Wohnungseigentumsbewerber sei überdies durch den letzten Satz in §10 Abs2 WEG 2002 sichergestellt, dass die Frist erst mit der Verständigung von der Einverleibung des Wohnungseigentumes beginne. Ein Wohnungseigentümer bzw Wohnungseigentumsbewerber habe daher die Gelegenheit, die Nutzwerte zu überprüfen bzw überprüfen zu lassen. Diese Möglichkeit wäre auch der Antragstellerin offen gestanden, die am 8. Februar 2008 den Wohnungseigentumsvertrag unterfertigt habe, in dem explizit auf das nun in Frage gestellte Nutzwertgutachten verwiesen worden sei. Weshalb Fehler im Gutachten erst viele Jahre später geltend gemacht würden, sei nicht zu erkennen. Jedenfalls habe die Antragstellerin spätestens nach Unterfertigung des Wohnungseigentumsvertrages die Möglichkeit gehabt, Fehler im Gutachten festzustellen.
4.3.1.7. Die Antragstellerin übersehe, dass die anderen Wohnungseigentümer durch eine Neufestsetzung schlechter gestellt wären, weil bei höheren Nutzwerten auch der zu tragende Anteil an den Aufwendungen für die Liegenschaft höher wäre. Die Begründung, dass der Nutzwert nur den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst werde, sei vor dem Hintergrund einer Befristung nicht überzeugend. Fällen von Verjährung oder Fristablauf sei stets immanent, dass aus Gründen der Rechtssicherheit in Kauf genommen werde, dass bestimmte Gegebenheiten nicht mehr wahrgenommen werden könnten. So könnten zu Recht bestehende Ansprüche nach einer Verjährung nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden bzw seien auch berechtigte Rechtsmittel nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht mehr zulässig. Nicht anders sei es bei der in §10 Abs2 WEG 2002 normierten Befristung. Der Umstand, dass nach Fristablauf auch Fehler bei der Nutzwertermittlung nicht mehr releviert werden könnten, sei eine unvermeidliche Folge der aus Gründen der Rechtssicherheit vorgenommenen Befristung.
4.3.2. Zu den Bedenken hinsichtlich einer Verletzung des Eigentumsgrundrechtes verweist die Bundesregierung auf die Ausführungen zum behaupteten Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot.
5. Nach der Äußerung der Bundesregierung brachte die Antragstellerin – ohne vom Verfassungsgerichtshof dazu aufgefordert worden zu sein – einen Schriftsatz ein, in dem ihre Bedenken im Wesentlichen wiederholt werden.
6. Eine beteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie den behaupteten Verfassungswidrigkeiten entgegentritt.
6.1. Die angefochtene Regelung sei sachlich gerechtfertigt. Es bestehe eine rechtspolitische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers; insbesondere sei es diesem – außer im Fall eines Exzesses – durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen. Ob die Regelung zweckmäßig sei und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden werde, könne nicht mit dem Maß des Gleichheitsgrundsatzes gemessen werden.
6.2. Selbst wenn man von einem Härtefall hinsichtlich der Antragstellerin ausginge, mache dies das Gesetz deshalb nicht gleichheitswidrig. Insbesondere habe die Antragstellerin die Möglichkeit gehabt, ihre vermeintlichen Ansprüche binnen Jahresfrist geltend zu machen. Im vorliegenden Fall handle es sich um eine unbedenkliche Regelung, in welcher der Gesetzgeber die Verfristung eines Anspruches festgeschrieben habe. Festzuhalten sei auch, dass einem Wohnungseigentümer eine allfällige Unrichtigkeit (Abweichung von mehr als 3 vH) wohl umgehend, zumindest aber zeitnah auffallen müsse. Die Antragstellerin hätte den Antrag schon früher stellen können.
6.3. Die beteiligte Partei verweist insbesondere auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zur Verjährung von Gewährleistungsbehelfen (VfSlg 20.086/2016).
6.4. Auch sei der (vermeintliche) Eingriff in das Eigentumsgrundrecht der Antragstellerin nicht unverhältnismäßig. Es handle sich allenfalls um einen geringfügigen Eingriff. Die Nutzwerte wirkten sich auf die Aufteilung der Betriebskosten aus, die aber nur einige wenige hundert Euro pro Jahr betrügen. Es könne daher nicht von einem erheblichen, geschweige denn von einem unverhältnismäßigen Eingriff die Rede sein.
6.5. Nicht zuletzt verkenne die Antragstellerin das Wesen des Eigentumsrechtes und des (vermeintlichen) Eingriffes in das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentumes: Da sie offenbar der Ansicht sei, die Nutzwerte für ihre Wohnung seien zu hoch, bedeute dies, dass die Antragstellerin – ihrer Ansicht nach – sogar einen größeren Anteil an der Gesamtliegenschaft innehabe, als ihr vermeintlich zustehe. Dies bedeute, dass die Antragstellerin auf Grund der angeblich unrichtigen Nutzwertfestsetzung mehr Eigentum habe, nämlich einen – grundbücherlich festgeschriebenen – größeren Anteil an der Gesamtliegenschaft. Aus diesem Grund könne auch kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentumes vorliegen. Stattdessen könnten sich vielmehr die anderen Wohnungseigentümer als beschwert erachten, zumal ihre jeweiligen Anteile demzufolge geringer seien.
7. Drei weitere beteiligte Parteien erstatteten eine gemeinsame Äußerung, in der sie zusammenfasst Folgendes vorbringen:
7.1. §10 Abs2 WEG 2002 sei verfassungskonform, jedenfalls sei eine verfassungskonforme Auslegung möglich. Der Antrag sei einerseits bereits zurückzuweisen, andererseits aber auch abzuweisen.
7.2. Die Antragstellerin habe im Verfahren lediglich vorgebracht, dass ein Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung vorgelegen sei. Ein Verstoß gegen §9 Abs2 Z2 WEG 2002 sei niemals vorgebracht worden. Das Erstgericht habe lediglich im Sinne einer Klarstellung ausgeführt, dass weder ein Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung vorliege, noch auf Grund anderer Bestimmungen eine Berechtigung zur Neufestsetzung gegeben sei.
7.3. Die Beschränkung der Antragsfrist sei sachlich gerechtfertigt und entspreche dem Gleichheitsgrundsatz. Der Gesetzgeber habe in den unterschiedlichsten Materien Verjährungs-, Präklusions- oder Verfallsfristen vorgesehen, um Rechtssicherheit herzustellen und den Rechtsfrieden zu wahren. Dies sei ein öffentliches Interesse, das die Einschränkung der Geltendmachung von Rechten ermögliche. Auch Beweisschwierigkeiten sollten damit hintangehalten werden. Eine Aufhebung dieser Bestimmung würde auch alle weiteren Verjährungs- oder Präklusivfristen in Frage stellen. Der Antragstellerin sei die Versäumung der Frist selbst zuzurechnen.
7.4. Ein Anknüpfen an die subjektive Kenntnis der jeweiligen Partei sei nicht zielführend, weil diesfalls ständig mit Anträgen auf Neufestsetzung der Nutzwerte zu rechnen sei. Auch bei anderen Fristen werde nicht auf die subjektive Kenntnisnahmemöglichkeit abgestellt. Im Schadenersatzrecht gebe es Mitwirkungspflichten, wonach sich der Geschädigte nicht passiv verhalten und es nicht darauf ankommen lassen dürfe, dass er von den anspruchsbegründenden Tatsachen zufällig Kenntnis erlange. Könne der Geschädigte diese Umstände ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen, gelte die Kenntnisnahme schon in dem Zeitpunkt als erlangt, in dem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre. Nichts anderes könne im Bereich des Wohnungseigentumsgesetzes 2002 gelten. Die Antragstellerin habe bereits vor Jahren moniert, dass ihrer Ansicht nach Ungereimtheiten vorgelegen seien. Es sei nicht klar, warum sie nicht früher tätig geworden sei.
7.5. Überdies habe der Gesetzgeber für grobe Verstöße gegen die Parifizierungsgrundsätze eine unbefristete Antragsmöglichkeit geschaffen. Ein solcher grober Verstoß liege jedoch hier nicht vor.
7.6. In das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentumes werde nicht eingegriffen, weil das im Grundbuch verbriefte Eigentum der Antragstellerin nicht geändert werde. Unabhängig davon sei festzuhalten, dass eine Eigentumsverletzung nur dann vorliegen könne, wenn ein Eigentumsrecht beschränkt oder entzogen werde. Dies sei hier nicht der Fall. Durch das vorliegende Nutzwertgutachten werde die Antragstellerin nicht daran gehindert, ihr Eigentumsrecht auszuüben.
7.7. Der Antrag sei aber auch unzulässig. Die Antragstellerin begehre im Hauptantrag, dass hinsichtlich der Bestimmung des §10 Abs2 WEG 2002 die Wörter "im Fall des §9 Abs2 Z2 nur innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum und" aufgehoben werden. Dies hätte wiederum eine Ungleichbehandlung zur Folge, weil hinsichtlich der anderen Tatbestände erst recht eine kürzere Frist bestünde. Eine Aufhebung des ganzen §10 Abs2 WEG 2002 hätte zur Folge, dass alle Fristen wegfielen, womit der Gesetzgeber aber seiner Pflicht zur sachlichen Differenzierung nicht nachkäme. Auch sei die eventualiter begehrte Aufhebung des ganzen Wohnungseigentumsgesetzes 2002 keinesfalls zulässig.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit
1.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Nach §62a Abs1 erster Satz VfGG kann eine Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.
1.2. Der vorliegende Antrag wurde aus Anlass des Rekurses gegen einen Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Graz-Ost gestellt. Mit diesem Sachbeschluss wurde die Rechtssache in erster Instanz durch ein ordentliches Gericht entschieden (Art140 Abs1 Z1 litd B-VG).
1.3. Als Antragstellerin ist die Einschreiterin Partei des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht, womit sie zur Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG berechtigt ist.
1.4. Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels hat die Antragstellerin jedenfalls dadurch Rechnung getragen, dass sie den vorliegenden Antrag und das Rechtsmittel gegen den oben bezeichneten Sachbeschluss am selben Tag erhoben und eingebracht hat (vgl VfSlg 20.074/2016).
Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass das erhobene Rechtsmittel rechtzeitig und zulässig ist.
1.5. Ein auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG gestützter Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht des Antragstellers wäre. Eine Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG setzt daher voraus, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des ordentlichen Gerichtes im Anlassfall bildet (VfSlg 20.029/2015; vgl VfSlg 20.010/2015).
1.6. Das Erstgericht hat die Wortfolge, deren Verfassungswidrigkeit die Antragstellerin behauptet, ausdrücklich angewendet. So wird im Sachbeschluss ausgeführt, dass die Nutzwerte vom Gericht abweichend vom Nutzwertgutachten festzusetzen seien, wenn dieses bei einem Wohnungseigentumsobjekt um mehr als 3 vH von den tatsächlichen Gegebenheiten abweiche. Dies sei nach §10 Abs2 WEG 2002 innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum möglich. Diese Frist sei im vorliegenden Fall bereits abgelaufen. Die angefochtene Wortfolge ist somit jedenfalls präjudiziell.
1.7. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Gesetzesstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Verfassungswidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Gesetzesvorschrift dieser ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).
Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Bestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).
Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit der Antragsteller solche Normen anficht, die präjudiziell sind und mit präjudiziellen Bestimmungen in untrennbarem Zusammenhang stehen; dabei darf aber nach §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).
Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des Antragstellers den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).
Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl zB VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.
1.8. Die Bundesregierung weist in ihrer Stellungnahme zutreffend darauf hin, dass die Antragstellerin in ihrem Hauptantrag zwar die Aufhebung jener Wortfolge in §10 Abs2 erster Satz WEG 2002 beantragt hat, welche die gerichtliche Neufestsetzung der Nutzwerte bei einem Abweichen um mehr als 3 vH von den tatsächlichen Gegebenheiten (§9 Abs2 Z2 WEG 2002) auf ein Jahr ab Rechtskraft der Bewilligung der Einverleibung von Wohnungseigentum begrenzt. Der in §10 Abs2 zweiter Satz WEG 2002 geregelte Beginn der Frist für Wohnungseigentumsbewerber, nämlich ab Verständigung von der Einverleibung des Wohnungseigentumes, wurde demgegenüber nicht mitangefochten.
1.9. Der Hauptantrag der Antragstellerin ist vor diesem Hintergrund zu eng gefasst: Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes besteht zwischen der Regelung einer Frist und der Regelung des fristauslösenden Ereignisses ein untrennbarer Zusammenhang (VfSlg 20.086/2016). Die Antragstellerin hätte somit auch die Aufhebung des §10 Abs2 zweiter Satz WEG 2002 beantragen müssen. Der Hauptantrag ist somit unzulässig.
1.10. Demgegenüber erweist sich der erste Eventualantrag auf Aufhebung des §10 Abs2 WEG 2002 als zulässig. In §10 Abs2 erster Satz WEG 2002 sind zwar auch Wortfolgen enthalten, die im vorliegenden Verfahren nicht präjudiziell sind, nämlich hinsichtlich des Fristbeginnes in Fällen des §9 Abs2 Z3 und 4 WEG 2002. Diese sind jedoch von den präjudiziellen Bestimmungen nicht offenkundig trennbar, sodass der erste Eventualantrag zur Gänze zulässig ist. Auf den – jedenfalls zu weit gefassten – zweiten Eventualantrag auf Aufhebung des gesamten Wohnungseigentumsgesetzes 2002 muss deshalb nicht eingegangen werden.
1.11. Der erste Eventualantrag auf Aufhebung des §10 Abs2 WEG 2002 ist daher – da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind – zulässig; der Hauptantrag ist demgegenüber wegen zu enger Fassung des Anfechtungsumfanges als unzulässig zurückzuweisen.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2.2. Soweit zulässig, ist der Antrag jedoch nicht begründet.
2.3. Die Antragstellerin bringt zusammengefasst vor, dass die Befristung der Antragslegitimation in den Fällen des §9 Abs2 Z2 WEG 2002 auf ein Jahr das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes verletze, weil auf gröblich benachteiligende Konstellationen wie die vorliegende nicht Bedacht genommen werde. Demgegenüber könne eine Neufestsetzung des Nutzwertes in den Fällen des §9 Abs2 Z1 WEG 2002 zeitlich unbegrenzt beantragt werden. Darüber hinaus wäre es sachlicher, den Beginn des Fristenlaufes an die subjektive Kenntnisnahmemöglichkeit zu knüpfen.
2.4. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).
2.5. Die in §10 Abs2 WEG 2002 angeordnete Differenzierung zwischen der kurzen Frist in den Fällen des §9 Abs2 Z2 WEG 2002 und der Möglichkeit zur unbegrenzten Geltendmachung in den Fällen des §9 Abs2 Z1 WEG 2002 ist aus den folgenden Gründen sachlich begründet:
2.5.1. §9 Abs2 Z1 WEG 2002 betrifft Fälle eines Verstoßes gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertfeststellung. Der Oberste Gerichtshof geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass ein derartiger Verstoß die Nutzwertfestsetzung samt einer darauf beruhenden Grundbucheintragung gemäß §878 ABGB rechtlich unmöglich und daher nichtig machen kann (vgl OGH 13.3.1996, 5 Ob 113/95 ua), weshalb die Wohnungseigentümer bis zu einer Rückabwicklung und anschließenden Neubegründung entgegen dem Grundbuchsstand nicht Wohnungseigentümer, sondern bloße Miteigentümer sind (vgl Ofner, §9 WEG 2002, in: Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner [Hrsg.], Gesamtkommentar Wohnrecht II, 2019, Rz 16 mwN).
2.5.2. §9 Abs2 Z2 WEG 2002 erfasst demgegenüber Abweichungen von mehr als 3 vH zwischen der Festsetzung der Nutzwerte und der tatsächlichen Sachlage, etwa auf Grund von bloßen Rechen- oder Vermessungsfehlern des Nutzwertgutachtens. Diese Abweichungen führen jedoch selbst bei erheblichen quantitativen Abweichungen – im Gegensatz zu den Verstößen gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertfeststellung nach §9 Abs2 Z1 WEG 2002 – nicht zur Nichtigkeit der Eintragung des Wohnungseigentumes im Grundbuch.
2.5.3. Zusammengefasst fallen daher unter §9 Abs2 Z1 WEG 2002 "grobe Systemfehler" und unter §9 Abs2 Z2 WEG 2002 bloß "reine Messfehler" (T. Hausmann, §9 WEG, in: T. Hausmann/Vonkilch [Hrsg.], Österreichisches Wohnrecht WEG4, 2017, Rz 64).
2.6. Die Möglichkeit zur unbefristeten Geltendmachung eines Verstoßes gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertfestsetzung ist dementsprechend vor dem Hintergrund zu sehen, dass ein solcher Verstoß zur – absoluten oder doch zumindest relativen – Nichtigkeit der Nutzwertfestsetzung und darauf beruhender Grundbucheintragungen führt (T. Hausmann, aaO, Rz 32 f.; vgl auch Prader, Nichtigkeiten bei Wohnungseigentumsbegründung und ihre Folgen, immolex 2001, 300).
2.6.1. Nichtigkeit kann nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln z