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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der I und des K Z in N, beide vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 23. Dezember 1996, Zl. 318.308/6-III/A/2a/96, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: A-AG in U, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II) wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 27. Februar 1995 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 74 und 77 GewO 1994 in Verbindung mit § 359 Abs. 1 leg. cit. und im Zusammenhalt mit "§ 93 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes BGBl. Nr. 234/1972" die gewerberechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Heißmischanlage an einem näher bezeichneten Standort unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt.
Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl die Beschwerdeführer als auch die Gemeinde Pirka Berufung.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 11. Juli 1995 wurden beide Berufungen zurückgewiesen und "der bekämpfte Bescheid ... zur Gänze bestätigt".
Auch gegen diesen Bescheid erhoben sowohl die Gemeinde Pirka als auch die Beschwerdeführer Berufung.
Mit Spruchpunkt I) des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 23. Dezember 1996 wurde die Berufung der Gemeinde Pirka gemäß § 8 AVG in Verbindung mit § 75 Abs. 2 GewO 1994 abgewiesen. Mit Spruchpunkt II) dieses Bescheides wurde "der Spruch des angefochtenen Bescheides" dahingehend geändert, daß zwei neue Auflagen eingefügt und eine Auflage geändert wurde.
Gegen diesen Bescheid, inhaltlich jedoch nur gegen dessen Spruchpunkt II), richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei stellte in ihrer Gegenschrift ein gleichartiges Begehren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer nach ihrem gesamten Vorbringen in den aus der Gewerbeordnung erfließenden Nachbarrechten verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringen sie primär vor, der angefochtene Bescheid beziehe sich zwar auf die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 11. Juli 1995, im nachfolgenden Spruch werde aber von der belangten Behörde offensichtlich nicht der angefochtene Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark, sondern vielmehr jener der Gewerbebehörde erster Instanz abgeändert.
Schon mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer im Recht.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde, von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall des Abs. 2 abgesehen, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.
Sache im Sinne dieser Bestimmung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Angelegenheit, die den Gegenstand des Verfahrens bzw. den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat. Die Berufungsbehörde darf demnach nicht über anderes entscheiden, als Gegenstand der Entscheidung der Vorinstanz war (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, S. 566 ff, zitierte hg. Judikatur).
Gegenstand des Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark vom 11. Juli 1995 war - wie sich aus der Begründung dieses Bescheides ergibt, ungeachtes der für sich allein unklaren Ausspruches über die Bestätigung des erstbehördlichen Bescheides - die Zurückweisung von Berufungen gegen den erstbehördlichen Genehmigungsbescheid. Sache des zweitinstanzlichen Verfahrens war somit allein die Frage der Zulässigkeit (unter anderem) der Berufung der Beschwerdeführer. Entsprechend der oben dargestellten Rechtslage war es daher verfehlt, wenn die belangte Behörde als Berufungsbehörde dritter Instanz in Überschreitung der Grenzen dieses Gegenstandes der Entscheidung der Behörde zweiter Instanz in Erledigung der Berufung der Beschwerdeführer über die allein den Gegenstand des Verfahrens erster Instanz bildende Frage der Genehmigung der in Rede stehenden Betriebsanlage abgesprochen hat.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997040034.X00Im RIS seit
20.11.2000