Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei P*****, vertreten durch Lachinger Rechtsanwälte OG in Korneuburg, wegen 19.046,21 EUR sA, infolge des Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Juli 2020, GZ 14 R 22/20p-68, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 2. Dezember 2019, GZ 4 Cg 103/18i-63, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
[1] Mit Kaufvertrag vom 19. 1. 2018 verkaufte die Klägerin der Beklagten eine Liegenschaft samt Wohnhaus zu einem Kaufpreis von 630.000 EUR. Die Zahlung des restlichen Barkaufpreises von 595.645,37 EUR sollte laut Pkt IV des Kaufvertrags derart erfolgen, dass dieser Betrag von der Beklagten binnen zwei Wochen nach Vertragsunterfertigung beim Urkundenverfasser mit einseitig unwiderruflichem Auftrag treuhändig hinterlegt wird. Für den Fall der nicht fristgerechten Entrichtung des Kaufpreises, der Grunderwerbssteuer und der Eintragungsgebühr behielt sich die Klägerin das Recht vor, unter Setzung einer 14-tägigen Nachfrist vom Vertrag zurückzutreten. In Punkt VI des Kaufvertrags vereinbarten die Kaufvertragsparteien, dass die Verkäuferin nicht für ein bestimmtes Ausmaß oder eine bestimmte Beschaffenheit oder Eignung des Kaufgegenstandes bzw daraus resultierende Erträgnisse haftet und die Beklagte ein noch aushaftendes Wohnbauförderungsdarlehen übernimmt.
[2] Die Liegenschaft wurde am 21. 1. 2018 an die Beklagte übergeben.
[3] Mit Schreiben vom 2. 2. 2018 machte die Beklagte diverse Mängel geltend und gab bekannt, die Überweisung des Barkaufpreises gestoppt zu haben. Mit Schreiben vom 22. 2. 2018 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Vertrag unter Setzung einer Nachfrist zur Zahlung des gesamten Kaufpreises bis spätestens 9. 3. 2018. Die Beklagte akzeptierte den Vertragsrücktritt nicht und benutzte die Liegenschaft weiter. Mit Urteil vom 7. 9. 2018, 9 C 265/18f, gab das Bezirksgericht ***** der Räumungsklage der Klägerin gegen die Beklagte (rechtskräftig) statt.
[4] Im November 2018 schlossen die Streitteile eine Dissolutionsvereinbarung, in der sie den Kaufvertrag aufgrund des wechselseitig erklärten Vertragsrücktritts für aufgelöst ansahen; die Käuferin wurde ermächtigt, beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern die Rückerstattung der für den Kauf entrichteten Grunderwerbssteuer und Eintragungsgebühr zu beantragen. Sonstige wechselseitige Ansprüche, die aus dem beiderseits erklärten Vertragsrücktritt und/oder aus der Verletzung (neben) vertraglicher Verpflichtungen resultieren, sollten durch diese Vereinbarung nicht berührt werden.
[5] Die Klägerin begehrt ein monatliches Benutzungsentgelt von (zuletzt) 2.200 EUR für den Zeitraum von 21. 1. bis 14. 11. 2018 mit dem Vorbringen, die Beklagte habe die Liegenschaft titellos benutzt.
[6] Die Beklagte wendete – soweit für das Rekursverfahren noch wesentlich – ein, die Liegenschaft habe zahlreiche Mängel aufgewiesen, die die Klägerin bei Vertragsabschluss verschwiegen habe. Diese Mängel hätten eine Nutzung der Liegenschaft in der vorgesehenen und von der Klägerin zugesagten Weise unmöglich gemacht. Insbesondere seien die Kellerräume zu niedrig und durchfeuchtet gewesen, der Pool sei undicht. Der Gebrauch der Schwimmhalle und die – von der Klägerin ausdrücklich zugesagte – gewerbliche Nutzung bzw Vermietung des Untergeschosses für Bürozwecke sei unmöglich gewesen. Das begehrte Benützungsentgelt sei im Hinblick auf das Vorliegen noch weiterer Mängel überhöht (Fehlen von Absturzsicherungen bei der überwiegenden Zahl der Fenster im Dachgeschoss, fehlende Feuchtigkeitsabdichtung bei der Terrassentür des Wohnhauses und bei den Schiebeelementen zur Terrasse beim Hallenbad, mangelnder Anschluss des Blechdachs an das Wohnhaus, nicht genehmigte Pultdächer, kein Passivhaus, mangelhafte und unterdimensionierte Heizungsanlage etc).
[7] Infolge des bewussten Verschweigens dieser und weiterer Mängel bzw der ausdrücklichen (gegenteiligen) Zusagen würden aus dem Titel des Schadenersatzes im Einzelnen aufgeschlüsselte Ansprüche in Höhe von 33.971,63 EUR als Gegenforderung geltend gemacht (im Wesentlichen Kosten für die Rechtsvertretung im Räumungsverfahren, für Sachverständige im Beweissicherungsverfahren, für den Notar im Zusammenhang mit der Errichtung des Kaufvertrags, weiters Kosten für die Beglaubigung der Dissolutionsvereinbarung, Gebühren und Zinsen für den aufgenommenen Kredit, Zinsen für die Grunderwerbssteuer, Raten für die Wohnbauförderung, Gemeindeabgaben, Mehrkosten für Wasser und Heizung, Kosten neuer Türverglasungen, Mehraufwand für zweimaligen Umzug). Das Obergeschoss hätte ab März 2018 an Frau P***** zu einem monatlichen Mietzins von 768,65 EUR und das Untergeschoss an die K***** GmbH zu einem monatlichen Mietzins von 847,80 EUR vermietet werden können. An entgangenen Mieten würden daher zusätzlich 6.917,04 EUR und 7.630,20 EUR als Gegenforderung geltend gemacht.
[8] Die Klägerin replizierte, die behaupteten Mängel würden das Benützungsentgelt nicht schmälern, weil sie den Gebrauch nicht beeinträchtigten. Schadenersatz stehe nicht zu, weil die Klägerin kein Verschulden am Vertragsrücktritt treffe und ein Rechtswidrigkeitszusammenhang fehle. Eine gewerbliche Nutzung des Objekts sei nicht vereinbart worden.
[9] Das Erstgericht stellte die Klageforderung mit 21.607,31 EUR sA und die Gegenforderung mit 2.561,10 EUR als zu Recht bestehend fest und sprach der Beklagten 19.046,21 EUR sA zu. Das Mehrbegehren, von 2.561,10 EUR sA wurde abgewiesen.
[10] Das Erstgericht traf über den eingangs bereits wiedergegebenen Sachverhalt unter anderem folgende weitere Feststellungen:
[11] Der Gesamtnettomietzins für das Haus samt Garten beträgt unter Berücksichtigung eines zehnprozentigen Zuschlags für die Schwimmhalle monatlich 2.155 EUR. Die (statistischen) Unterhaltskosten betragen 650 EUR monatlich (435 m² Fläche des Wohnhauses á 1,50 EUR). Unter Berücksichtigung der Nichtbenützbarkeit der im Kellergeschoss gelegenen Schwimmhalle (infolge von Anfang an gegebener Durchfeuchtung des Untergeschosses und Wasseraustritten aus dem undichten Pool) mindern sich der Mietzins sowie die Unterhaltskosten um 28,77 %, sodass unter Berücksichtigung einer 10%igen Umsatzsteuer von einem geminderten Benützungsentgelt von 2.200 EUR monatlich auszugehen ist. Darüber hinausgehende Mängel hinderten die Benützbarkeit der Räume nicht. Die Beklagte hat die Gemeindeabgaben für das 1. Quartal 2018 in Höhe von 628,30 EUR getragen und zwei Raten der Wohnbauförderung in Höhe von 1.932,80 EUR gezahlt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte um 845,29 EUR höhere Heizkosten hatte, weil das Haus entsprechend der (behaupteten) Information der Klägerin nicht die Eigenschaft eines Passivhauses aufweist.
[12] Rechtlich ging das Erstgericht zusammengefasst davon aus, dass die Klägerin nach den Ergebnissen des Räumungsverfahrens rechtmäßig vom Kaufvertrag zurückgetreten sei. Der Beklagten sei als Vorleistungspflichtiger im Verhältnis zur Verkäuferin weder das Leistungsverweigerungsrecht noch die Unsicherheitseinrede zugestanden. Der Rücktritt vom Vertrag wirke schuldrechtlich ex tunc. Die nachträglich geschlossene Dissolutionsvereinbarung sei offensichtlich aus gebührenrechtlichen Gründen geschlossen worden. Sie habe auf den bereits zuvor bewirkten Rücktritt der Klägerin keinen Einfluss und biete keine eigenständige Rechtsgrundlage für Schadenersatzansprüche der Beklagten. Sei der Rücktritt der Klägerin vom Vertrag zu Recht erfolgt, habe sie kein Verschulden daran getroffen, dass die Beklagte frustrierte Kosten für die Kaufabwicklung, für Gerichtsverfahren zur Geltendmachung von Mängeln oder zusätzliche Aufwendungen gehabt habe. Dies treffe auch auf den Entgang von Mieteinnahmen zu. Aus diesen Gründen seien keine Beweise zu den behaupteten Mängeln oder Aufwendungen aufzunehmen gewesen. Für den Zeitraum der titellosen Benützung bestehe auf bereicherungsrechtlicher Grundlage Anspruch auf monatliches Benützungsentgelt, das die Unterhaltskosten beinhalte (nicht aber verbrauchsabhängige Energiekosten). Da das Benutzungsentgelt von der Klägerin als Einnahme zu versteuern sei, stehe ihr auch die Umsatzsteuer zu. Insgesamt bestehe daher die Klageforderung mit 21.607,31 EUR zu Recht. Die von der Beklagten getragenen Raten der Wohnbauförderung im Betrag von 1.932,80 EUR sowie die Gemeindeabgaben von 628,30 EUR seien von der Klägerin aus bereicherungsrechtlichen Gründen zu ersetzen, sodass die Gegenforderung im Ausmaß von 2.561,10 EUR zu Recht bestehe.
[13] Das von der Beklagten angerufene Berufungsgericht hob das Ersturteil auf.
[14] Wie sich aus dem Sachverständigengutachten ergebe, umfassten die vom Sachverständigen als Teil des Benutzungsentgelts angesehenen (statistischen) Unterhaltskosten Betriebskosten und auch Kosten von Erhaltungsmaßnahmen, wie etwa Instandhaltungsmaßnahmen, Gebäudeversicherung, Grundsteuer, Müllentsorgung, Rauchfangkehrer, Gehsteigreinigung, Gartenpflege etc. Diese Kosten habe nach einem Liegenschaftskauf stets der Käufer als neuer Eigentümer allein zu tragen. Ein Grund dafür, dass derartige Kosten und Aufwendungen im vorliegenden Fall Teil eines an den Verkäufer zu zahlenden Benützungsentgelts sein sollten, sei nicht ersichtlich. Umsatzsteuer sei für das Benutzungsentgelt nicht zuzusprechen. Die Voraussetzung für eine umsatzsteuerpflichtige Leistung nach § 1 Abs 1 Z 1 UStG sei ein willentliches Verhalten (der Klägerin). Ein solches liege – wie aus der Einbringung der Räumungsklage ersichtlich sei – nicht vor. Die rechtswirksame Rücktrittserklärung der Klägerin sage aber noch nichts über deren etwaige Verpflichtung aus, der Beklagten aus einer allfälligen fahrlässigen oder vorsätzlichen (arglistigen) Irreführung beim oder vor dem Kaufvertragsabschluss Schadenersatz leisten zu müssen. Über derartige Schadenersatzansprüche hätten die Gerichte im Räumungsverfahren nicht abgesprochen. Das Erstgericht werde sich daher nach entsprechenden ergänzenden Feststellungen auch mit den Gegenforderungen der Beklagten auseinanderzusetzen haben. Festzuhalten sei aber, dass jene Gegenforderungen, die frustrierte Kosten und Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Kaufvertragsabschluss sowie für Kreditgebühren und -zinsen zum Gegenstand haben, in der geltend gemachten Rechtsgrundlage keine Deckung fänden, weil es die Beklagte selbst in der Hand gehabt hätte, durch Erlag des Kaufpreises beim Treuhänder die Vertragsauflösung zu verhindern.
[15] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Klägerin, der auf eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils abzielt.
[16] In ihrer Rekursbeantwortung beantragt die Beklagte, den Rekurs ab- bzw zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
[17] Der Rekurs ist zulässig, weil die Beurteilung des Berufungsgerichts zum Benutzungsentgelt und der Umsatzsteuer korrekturbedürftig ist. Er ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.
[18] I. Der gerügte Mangel des Berufungsverfahrens wegen Abgehens von den erstinstanzlichen Feststellungen wurde geprüft, liegt aber nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[19] II. Zur Klageforderung
[20] 1 Zum Benutzungsentgelt:
[21] 1.1 Bei einem Vertragsrücktritt infolge Verzugs nach § 918 ABGB erfolgt die Rückabwicklung nach § 921 Satz 2 ABGB. Diese Bestimmung gewährt – als Anwendungsfall des § 1435 ABGB – einen vom Verschulden des Vertragspartners unabhängigen Anspruch auf Ersatz der Vorteile, die der Empfänger einer Sache durch deren Verwendung erzielt hat (RIS-Justiz RS0018688 [T1]; RS0018527; Koziol/Spitzer in KBB6 § 1435 Rz 1). Auf die Redlichkeit des einen oder anderen Vertragspartners kommt es nicht an (RS0018515; RS0018688 [T1]).
[22] 1.2 Bei der Ex-tunc-Aufhebung eines Kaufvertrags über eine Wohnung (oder – wie hier – einer Liegenschaft mit einem Wohnhaus) ist dem Verkäufer ein Benützungsentgelt zu zahlen (RS0016342). Als Maßstab für dessen Höhe kann grundsätzlich das gelten, was der Bereicherte sonst auf dem Markt für diesen Vorteil aufwenden hätte müssen. Bei Wohnungen, die üblicherweise auch vermietet werden, kann ein zu zahlender Mietzins Anhaltspunkte für die Bemessung des Gebrauchsvorteils liefern (RS0016342 [T3]). Das schließt aber die Berücksichtigung besonderer Verhältnisse des Einzelfalls nicht aus. Zu vergüten ist stets der Vorteil, der nach den subjektiven Verhältnissen entstanden ist (1 Ob 214/02f mwN).
[23] 2.1 Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Beklagte auf dem Markt ein Benutzungsentgelt leisten hätte müssen, das neben dem Nettomietzins zusätzlich auch statistische Unterhaltskosten in Höhe von 1,50 EUR pro m² für Betriebskosten und Kosten von Erhaltungsmaßnahmen, wie etwa Instandhaltungsmaßnahmen, Gebäudeversicherung, Gemeindeabgaben wie Grundsteuer etc umfasst. Da beim Rücktritt vom Vertrag bei zweiseitig verbindlichen Verträgen bereichungsrechtliche Ansprüche beider Vertragsteile entstehen, sofern sie Leistungen erbracht haben (RS0086350), steht allerdings der Beklagten ein Anspruch auf Ersatz der von ihr im ersten Quartal 2018 noch selbst entrichteten Gemeindeabgaben und Raten für das Wohnbauförderdarlehen als Gegenforderung zu.
[24] 2.2 Im Einklang mit den dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung weist die Klägerin im Rekurs zutreffend darauf hin, dass die Beklagte nach Vertragsauflösung das Benutzungsentgelt entsprechend dem ihr entstandenen (subjektiven) Vorteil auf bereicherungsrechtlicher Grundlage zu leisten hat und sich ihre Verpflichtung zum Ersatz der darin enthaltenen (statistischen) Unterhaltskosten nicht mit der Begründung verneinen lässt, nach einem Liegenschaftskauf habe stets der Käufer derartigen Kosten (allein) zu tragen. Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, bilden die Unterhaltskosten einen Teil des Benützungsentgelts.
[25] 3. Zur Umsatzsteuerpflicht :
[26] Auch der Ansicht des Berufungsgerichts, das von der Klägerin begehrte Benutzungsentgelt gebühre ohne Umsatzsteuer, kann nicht gefolgt werden.
[27] 3.1 Der Anspruch des Unternehmens auf Umsatzsteuer setzt voraus, dass ihn selbst eine Umsatzsteuerpflicht trifft. Dass die Klägerin (grundsätzlich) umsatzsteuerpflichtig ist, wird von der Beklagten in ihrer Rekursbeantwortung nicht mehr bekämpft.
[28] 3.2 Eine Umsatzsteuerpflicht besteht dann, wenn ein Leistungsaustausch iSd § 1 Abs 1 Z 1 UStG vorliegt. Nach dieser Regelung unterliegen ua die Lieferung und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Nach § 3a Abs 9 UStG ist die Einräumung von Rechten zur Nutzung von Grundstücken eine sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück.
[29] 3.3 Da nur gewolltes und bewusstes Verhalten die Grundlage einer Leistung darstellt, ist grundsätzlich der Leistungswille als wesentliches Element im Leistungsbegriff enthalten (Wieland in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/ Wakounig, UStG-ON3.00 § 1 Rz 33; Ruppe/Achatz UStG5 § 1 Rz 20).
[30] 3.4 Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt ein Leistungswille beim sogenannten „echten Schadenersatz“, nicht aber dann, wenn die Ersatzleistung des Schädigers eine Gegenleistung für eine besondere Leistung des Geschädigten darstellt (sogenannter „unechter Schadenersatz“). Bei Geltendmachung eines Benutzungentgelts nach Auflösung eines Vertrags, verweigerter Herausgabe und unberechtigter Weiterbenützung der im Eigentum eines anderen stehenden Sache hat der Oberste Gerichtshof einen Leistungsaustausch bejaht. Dieser liegt einerseits in der – wenn auch unfreiwilligen – Zurverfügungstellung der Sache, andererseits in dem für die Verwendung zu leistendem Entgelt (RS0075920; 6 Ob 523/93).
[31] 3.5 Auch der Unabhängige Finanzsenat bejaht die Umsatzsteuerbarkeit, wenn ein schuldrechtlicher Vertrag geschlossen wurde, dieser aber nicht erfüllt wird. Für die Umsatzsteuerbarkeit bleibt ohne Bedeutung, ob das Geschäft zivilrechtlich gültig ist (RV/0204-W/07-RS1). Nicht das Schuldverhältnis, sondern die Leistung ist Gegenstand der Umsatzsteuer (VwGH 89/15/0036).
[32] 3.6 Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt ein Leistungsaustausch (Umsatz gegen Entgelt) vor, sofern ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Lieferung/Dienstleistung und einer tatsächlich vom Steuerpflichtigen (Unternehmer) empfangenen Gegenleistung gegeben ist (EuGH C-285/10, Campsa, Rn 27; EuGH C-412/03, Hotel Scandic Gåsabäck AB, Rn 21).
[33] 4. Der vom Berufungsgericht für seine Rechtsansicht und zur Begründung des Zulässigkeitsausspruchs zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 3 Ob 61/08d lag nicht der Fall der unberechtigten Weiterbenutzung nach Vertragsauflösung zugrunde, sondern die Verwendung einer fremden Liegenschaft zu Zwecken einer vermeintlichen Dienstbarkeit (der unterirdischen Kabelführung) ohne Wissen und Willen des Liegenschaftseigentümers. Mangels willentlicher Übergabe oder Einräumung durch den Eigentümer lag – betreffend die Frage der Umsatzsteuerpflicht – kein Fall eines „unechten Schadenersatzes“ vor. Dieser Sachverhalt ist mit dem hier zu beurteilenden einer Weiterbenutzung einer Liegenschaft nach Vertragsrückstritt nicht vergleichbar. Aus der Entscheidung 3 Ob 61/08d lässt sich daher nicht ableiten, dass das der Klägerin zustehende Benutzungsentgelt nicht mit einer 10%igen Umsatzsteuer zu belegen wäre.
[34] Auch in diesem Punkt trifft die Rechtsansicht des Erstgerichts zu.
[35] III. Zu den Gegenforderungen:
[36] 1. List iSd § 870 ABGB macht gemäß § 874 ABGB schadenersatzpflichtig. Nicht nur ausdrückliche Zusicherungen, sondern auch Schweigen kann den Tatbestand der Arglist iSd § 870 ABGB erfüllen, wenn der Schweigende gegen eine ihm obliegende Aufklärungspflicht verstößt (RS0014817).
[37] 2. Derjenige, der einen Vertrag durch List bewirkt hat, hat für die nachteiligen Folgen Genugtuung zu leisten. Diese Haftung besteht unabhängig davon, ob der Vertrag aufrecht bleibt (6 Ob 521/94). Dem Irregeführten ist grundsätzlich der Vertrauensschaden (negatives Vertragsinteresse), also der durch die Irreführung und das dadurch veranlasste Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrags verursachte Schaden zu ersetzen (RS0016294).
[38] 3. Das Berufungsgericht hat diese Rechtslage im Hinblick auf die aus der Behauptung der Arglist abgeleiteten (noch verbleibenden) Gegenforderungen richtig wiedergegeben. Die Klägerin hat dem Vorwurf des bewussten Verschweigens und des Tätigens ausdrücklicher Zusagen entgegengesetzt, es handle sich dabei um reine Schutzbehauptungen. Im Hinblick auf dieses widerstreitende Tatsachenvorbringen hat das Berufungsgericht zu den aus dem bewussten Verschweigen der Mängel und der Zusage bestimmter Eigenschaften abgeleiteten Gegenforderungen (die auch vom Gewährleistungsverzicht nicht umfasst sind – RS0018523) ergänzende Feststellungen als nötig erachtet und das Verfahren für ergänzungsbedürftig gehalten.
[39] IV. Ergebnis: Aus den unter III. genannten Gründen hat es bei der Aufhebung des Ersturteils zu bleiben.
[40] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO (RS0035976).
Textnummer
E130238European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0100OB00038.20S.1124.000Im RIS seit
11.01.2021Zuletzt aktualisiert am
29.06.2021