Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** OG, *****, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Heinz Häupl Rechtsanwalts GmbH in Nußdorf, wegen 4.500 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 19. August 2020, GZ 22 R 184/20w-26, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 22. Juni 2020, GZ 5 C 364/19a-22, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
[1] Die Parteien schlossen am 9. März 2020 in dem wegen 7.208,29 EUR sA geführten Zivilprozess vor dem Erstgericht einen bedingten Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, der Klägerin 4.500 EUR sowie betraglich bestimmte Kosten binnen 14 Tagen ab Rechtswirksamkeit des Vergleichs zu zahlen. Dieser Vergleich sollte rechtswirksam werden, „wenn er nicht mittels Schriftsatz, der bis zum 3. April 2020 bei Gericht einlangen muss, widerrufen wird“. Das Erstgericht bestätigte am 24. April 2020 die Rechtswirksamkeit und Vollstreckbarkeit des Vergleichs, weil kein Widerruf eingelangt war.
[2] Am 9. Juni 2020 beantragte die Beklagte die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätgung mit der Begründung, dass aufgrund des 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes, BGBl I Nr 16/2020, die Vergleichswiderrufsfrist unterbrochen worden sei und erst mit 1. Mai 2020 neu zu laufen begonnen habe. Der Vergleich sei daher am 24. April 2020 „keinesfalls rechtskräftig“ gewesen. Aufgrund der fälschlich ausgestellten Vollstreckbarkeitsbestätigung führe die Klägerin Fahrnisexekution, die nach Zahlung des Vergleichsbetrags bei tatsächlicher Fälligkeit schon auf die Kosten des Exekutionsantrags und Zinsen eingeschränkt worden sei.
[3] Die Klägerin sprach sich dagegen aus.
[4] Das Erstgericht wies den Antrag ab.
[5] Das Rekursgericht änderte die Entscheidung dahin ab, dass es die Vollstreckbarkeitsbestätigung aufhob. Die Widerrufsfrist sei gemäß § 1 Abs 1 des 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes, BGBl I Nr 16/2020 bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen gewesen und die fälschlich erteilte Vollstreckbarkeitsbestätigung aus diesem Grund aufzuheben. Einen Bewertungsausspruch unterließ das Berufungsgericht, weil der Streitgegenstand zwingend mit jenem über den materiellen Anspruch ident sei.
[6] Über Abänderungsantrag der Klägerin ließ das Rekursgericht nachträglich den Revisionrekurs zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage existiere, ob die bei einem bedingt abgeschlossenen Vergleich vereinbarte Widerrufsfrist in den Anwendungsbereich des § 1 Abs 1 1. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz, BGBl I Nr 16/2020, falle.
[7] In ihrem Revisionrekurs beantragt die Klägerin die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses, hilfsweise die Aufhebung der Rekursentscheidung.
[8] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[9] Der Revisionrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig:
[10] 1. Das Verfahren über die Beschwerde nach § 7 Abs 3 EO ist ein selbständiges, nur dem Titelgericht zustehendes Verfahren, wofür die Grundsätze desjenigen Verfahrens gelten, in dem der betreffende Exekutionstitel entstanden ist; die Entscheidung betrifft die Wirksamkeit des Titels (RIS-Justiz RS0001596), der hier im Vergleich vom 9. März 2020 besteht. Es war auch nie strittig, ob der bedingte Vergleich rechtswirksam wurde, sondern nur wann dies eintrat und folgedessen die Leistungsfrist („binnen 14 Tagen ab Rechtswirksamkeit des Vergleichs“) zu laufen begann.
[11] 2. Gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO ist ein Revisionsrekurs bei einem 5.000 EUR nicht übersteigenden Entscheidungsgegenstand jedenfalls unzulässig. Der in § 528 Abs 2 Z 1 ZPO verwendete Begriff des Entscheidungsgegenstands deckt sich mit dem Begriff des § 502 Abs 2 ZPO (A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 528 Rz 11 mwN). Bei den Aussprüchen über den Wert des Entscheidungsgegenstands sind gemäß § 500 Abs 3 ZPO die §§ 54 Abs 2, 55 Abs 1 bis 3, 56 Abs 3, 57 und 58 JN sinngemäß anzuwenden, weshalb Kosten bei der Frage der Zulässigkeit der Revision (wie auch des Revisionsrekurses) nicht als wertbestimmend einzubeziehen sind (A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 502 Rz 3 mwN).
[12] Den Entscheidungsgegenstand des Zwischenstreits über die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung bildete daher der Vergleichsbetrag über (nur) 4.500 EUR an Kapital, weshalb dieser in der konkreten, besonderen Konstellation nicht zwingend identisch mit dem im Verfahren über den materiellen Anspruch ist (vgl RS0126302).
[13] 3. Da die Beklagte zwar aus anderen Gründen die Zurückweisung des Revisionsrekurses beantragt, nicht aber auf die durch den Wert des Entscheidungsgegenstands gegebene absolute Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, gebührt für die Revisionsrekursbeantwortung kein Kostenersatz (RS0035979 [T23]).
Textnummer
E130239European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00185.20G.1124.000Im RIS seit
11.01.2021Zuletzt aktualisiert am
11.01.2021