Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Fichtenau, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Dr. Edwin Schubert, Rechtsanwalt in Neunkirchen, gegen die beklagten Parteien 1. C*****, 2. W*****, beide vertreten durch Mag. Alexander Henker, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 17. Juli 2020, GZ 58 R 41/20g-58, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Neunkirchen vom 29. April 2020, GZ 4 C 305/17v-50, nicht Folge gegeben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien haben die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin und die Beklagten sind Eigentümer benachbarter Liegenschaften. Die Beklagten stellten 2014 in einem Abstand von 1,6 m zur Grundstücksgrenze zur Liegenschaft der Klägerin eine Luft-Wasser-Wärmepumpe auf und zwar so, dass der Luftdurchsatz (Ansaugung und Ausblasung) parallel zur Grundstücksgrenze erfolgt.
An der linken Grundstücksgrenze sowie im Badezimmer der Beklagten sind die Betriebsgeräusche der Wärmepumpe subjektiv wahrnehmbar, nicht jedoch in den Wohnräumlichkeiten der Klägerin oder an sonstigen Stellen ihres Grundstücks. Durch den Betrieb der Wärmepumpe kommt es außer an der linken Grundstücksgrenze der Liegenschaft der Klägerin zu keiner Veränderung der örtlichen akustischen Umgebungssituation. An der linken Grundstücksgrenze überschreiten die Betriebsgeräusche der Wärmepumpe die Planungsrichtwerte nach der Flächenwidmung. Einen Meter von der linken Grundstücksgrenze entfernt beträgt die äquivalente Schallpegelveränderung zur Tageszeit 1 dB, die vom Menschen subjektiv nicht wahrnehmbar ist.
Die Klägerin begehrt, die Beklagten zu verpflichten, die Einwirkung von Lärm zu unterlassen, der von der Luftwärmepumpe ausgeht, „da dadurch das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und die ortsübliche Nutzung des Klagsgrundstücks durch massive Minderung der Schlaf- und Ruhensqualität beeinträchtigt werde“.
Die Beklagten bestreiten eine über das ortsübliche Ausmaß hinausgehende Beeinträchtigung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung der Klägerin nicht Folge. Die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach § 364 Abs 2 ABGB lägen nicht vor, da ausgehend von den Feststellungen die ortsübliche Nutzung der Liegenschaft der Klägerin nicht beeinträchtigt sei. Eine „unmittelbare Zuleitung“ liege nicht vor.
Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, da zur Frage, ob die von einer nahe der Grundstücksgrenze situierten Wärmepumpe ausgehenden Lärmimmissionen als unmittelbare Zuleitung zu qualifizieren seien, höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht bestehe.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagten beantragen, die Revision „mangels Begründetheit abzuweisen“.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
1. Nach § 364 Abs 2 ABGB sind Immissionen nur soweit unzulässig, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB setzt daher voraus, dass die Beeinträchtigung (Immission) sowohl ortsunüblich als auch unzumutbar ist (RS0010587). Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig (§ 364 Abs 2 Satz 2 ABGB).
2. Das Gesetz unterscheidet damit zwischen unmittelbaren und mittelbaren Einwirkungen auf das Nachbargrundstück, je nachdem ob die Tätigkeit des einen Eigentümers unmittelbar auf die Einwirkung gerichtet ist oder ob diese nur zufällig eintritt. Unmittelbare Zuleitungen sind somit solche, die durch eine „Veranstaltung“ bewirkt werden, die für eine Einwirkung gerade in der Richtung des Nachbargrundstücks hin ursächlich ist (RS0010635), wie insbesondere die Zuleitung von Ab- oder Niederschlagswässern durch Rohre oder Rinnen.
3. Zu Lärmeinwirkungen hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgeführt, dass diese „eindeutig mittelbare Immissionen sind, die nur so weit, als sie das ortsübliche Ausmaß überschreiten und die ortsübliche Benützung wesentlich beeinträchtigen, verboten werden können (8 Ob 635/92). In einer weiteren Entscheidung (6 Ob 109/98t) wurde ausgeführt, dass vom Nachbargrundstück ausgehende Geräusche unter § 364 Abs 2 erster Satz zu subsumieren seien und nicht „unmittelbare Zuleitungen“ darstellten, ergebe sich schon aus dem Gesetzeswortlaut und bedürfe keiner näheren Erläuterung. Auch aus der Entscheidung 3 Ob 201/99a lässt sich keine andere Wertung ableiten. In dieser wurde nur darauf verwiesen, von einer unmittelbaren Zuleitung könne schon aufgrund des großen Abstands der lärmerregenden Quelle zur gemeinsamen Grundgrenze keine Rede sein. Die vorliegenden Entscheidungen der Vorinstanzen halten sich damit im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung.
4. Ausführungen dazu, warum entgegen dieser Judikatur bei Lärm im Allgemeinen und im konkreten Fall von einer unmittelbaren Zuleitung iSd § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB auszugehen ist, enthält die Revision nicht.
Letztlich kann aber die Frage, ob bei Lärmimmissionen eine unmittelbare Zuleitung überhaupt in Betracht kommt, dahingestellt bleiben, weil die Klägerin ihren Anspruch in erster Instanz nicht auf eine unmittelbare Zuleitung gestützt hat. Darüber hinaus erfolgt nach den Feststellungen der Luftdurchsatz der Wärmepumpe parallel zur Grundstücksgrenze. Weder daraus noch aus dem Umstand, dass Schall sich in alle Richtungen ausbreitet, worauf die Klägerin selbst hinweist, lässt sich daher auf eine Zuleitung gerade in Richtung des klägerischen Grundstücks schließen.
5. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Klägerin zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen und nicht deren Zurückweisung beantragt (RS0035979).
Textnummer
E130240European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0090OB00056.20F.1125.000Im RIS seit
11.01.2021Zuletzt aktualisiert am
11.01.2021