TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/14 G314 2228317-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.07.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.07.2020

Norm

AVG §13 Abs3
AVG §7 Abs1
B-VG Art133 Abs4
GEG §6 Abs1
GEG §6a Abs1
GEG §9 Abs1
GEG §9 Abs2
GGG Art1 §14
GGG Art1 §16 Abs1 Z1 litc
GGG Art1 §2 Z1 lita
GGG Art1 §31
GGG Art1 §31 Abs1
GGG Art1 §31 Abs2
GGG Art1 §32 TP1
GGG Art1 §4 Abs4
GGG Art1 §7 Abs1 Z1
GGG §1
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §17

Spruch

G314 2228317-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der XXXX gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts XXXX vom XXXX .10.2019, XXXX , wegen Gerichtsgebühren A) beschlossen und B) zu Recht erkannt:

A)

1.       Der Ablehnungsantrag vom 23.03.2020 wird als unzulässig zurückgewiesen.  

2.       Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

3.       Der Antrag auf Herabsetzung, in eventu Stundung, der Gebühren wird wegen Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zurückgewiesen.

B)       Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

C)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Am XXXX .05.2019 brachte die durch einen Rechtsanwalt vertretene Beschwerdeführerin (BF) im Verfahren XXXX des Bezirksgerichts XXXX im elektronischen Rechtsverkehr eine Besitzstörungsklage gegen eine beklagte Partei ein.

Nach einem erfolglosen Versuch, die Pauschalgebühr einzuziehen, wurden der BF mit dem als Mandatsbescheid erlassenen Zahlungsauftrag vom 20.09.2019 die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG von EUR 107, die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 GEG von EUR 8 sowie der Mehrbetrag gemäß § 31 GGG von EUR 22 (insgesamt daher EUR 137) zur Zahlung vorgeschrieben. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass der anwaltliche Vertreter der BF hinsichtlich des Mehrbetrags und der Einhebungsgebühr als Bürge und Zahler zahlungspflichtig sei.

Dagegen erhoben die BF und ihr Rechtsvertreter eine Vorstellung an die Präsidentin des Landesgerichts XXXX . Daraufhin wurden der BF mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid folgende Gerichtsgebühren vorgeschrieben:

Pauschalgebühr TP 1 GGG (Bemessungsgrundlage: EUR 750) EUR     107

Einhebungsgebühr § 6a Abs 1 GEG EUR          8

Mehrbetrag § 31 GGG EUR     22

Summe   EUR

        137

Es wurde ausgesprochen, dass für den Mehrbetrag und die Einhebungsgebühr auch der Rechtsvertreter als Bürge und Zahler zahlungspflichtig sei.

In der Begründung des Bescheids werden Grund und Höhe der zu entrichtenden Gebühren unter Angabe der gesetzlichen Grundlagen detailliert angeführt und dargelegt, dass gegen das System der Gerichtsgebühren keine (verfassungsrechtlichen) Bedenken bestünden.

Dagegen richtet sich die von der BF eingebrachte Beschwerde der BF vom 06.12.2019, von der zunächst nur 5 von 24 Seiten ohne Unterschrift per Fax dem Landesgericht XXXX übermittelt wurden. Aufgrund des Verbesserungsauftrags vom 07.01.2020 wurde am 27.01.2020 per Fax eine vollständige, von der Geschäftsführerin der BF unterschriebene Ausfertigung der Beschwerde nachgereicht, die jedoch zum Teil unleserlich ist. Damit wird der Bescheid vom XXXX . 07.2019 vollinhaltlich wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. Darin beantragen die BF, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu, die Gebühren herabzusetzen, in eventu, sie bis zum Abschluss des Grundverfahrens zu stunden, sowie gemäß Art 267 AEUV eine Vorabentscheidung einzuholen oder die Angelegenheit zur Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 140 B-VG dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen. Außerdem wird beantragt, der Beschwerde „bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dieser Angelegenheit“ die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die BF begründen die Beschwerde zusammengefasst damit, dass die Gerichtsgebühren zu hoch seien. Das System der Gerichtsgebühren sei nicht verfassungskonform; es verletze Art 6 EMRK und Art 7 B-VG. Art 18 B-VG werde durch die überhöhten Gerichtsgebühren, für die es keine sachliche Rechtfertigung gebe, umgangen. Es würden nicht alle, die keine ausreichenden Mittel zur Finanzierung eines Rechtsstreits hätten, Verfahrenshilfe erhalten. Personen, denen die Verfahrenshilfe nicht bewilligt werde, könnten ihr Recht aus finanziellen Gründen weder aktiv noch passiv geltend machen. Gerechtigkeit könne nicht davon abhängig gemacht werden, ob sich eine Partei die Gerichtsgebühren leisten könne. Die Gebühren seien unabhängig vom Prozessaufwand und von der Verfahrensdauer bei der Einbringung zu entrichten; dies widerspräche dem Recht auf ein faires Verfahren. Es sei absurd, wenn jemand in einem Verfahren obsiege und trotzdem die Gerichtsgebühren tragen müsse, weil das Exekutionsverfahren gegen den Gegner erfolglos bleibe. Es sei unverständlich, dass die Gerichtsgebühren am Beginn eines Verfahrens zu zahlen seien, obwohl mitunter Monate bis zur ersten Tagsatzung vergingen. Gerichtsgebühren seien eine unzulässige Steuer, die durch das Fehlen einer Möglichkeit der Herabsetzung, wenn tatsächlich eine geringere Leistung erbracht werde, einen verfassungs- und europarechtswidrigen Eigentumseingriff darstellten. Es sei unverständlich, dass die Gerichtsgebühren vom Streitwert abhängig seien, zumal der Aufwand für das Gericht nicht mit dem Streitwert ansteige. Richter würden die Nichtzahlung von Gerichtsgebühren (zu Unrecht) als Missachtung des Gerichts ansehen. Der EGMR und der EuGH hätten bereits ausgesprochen, dass der Rechtsvertreter nicht zur Haftung für Gerichtsgebühren gezwungen werden dürfe. Der Antrag, die Gebühren herabzusetzen, wird damit begründet, dass es sich in der Gesamtheit um „Unsummen“ handle, die in keinem Verhältnis zum Arbeitsaufwand stünden. Die BF hätten das Recht auf Herabsetzung der Gebühren und Stundung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Grundverfahrens. Dazu wurden mehrere (großteils unleserliche) Artikel vorgelegt, die - soweit erkennbar - Höhe und System der Gerichtsgebühren in Österreich kritisieren.

Die Präsidentin des Landesgerichts XXXX legte daraufhin die Beschwerde und die Verfahrensakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.

Mit dem Mängelbehebungsauftrag vom 04.03.2020 trug das BVwG der BF auf, die Beschwerde innerhalb von zehn Tagen im Original vorzulegen, weil die Faxeingabe vom 27.01.2020 nicht leserlich sei; außerdem wurde der BF der Nachweis ihrer Identität und der Authentizität des Anbringens (etwa durch Vorlage einer Reisepasskopie) aufgetragen. Der Mängelbehebungsauftrag wurde der BF am 17.03.2020 zugestellt. Mit Eingabe vom 17.03.2020 beantragte die BF die Erstreckung der Frist zur Mängelbehebung bis 01.07.2020, weil ihr früherer Rechtsvertreter am 03.12.2019 verstorben sei und zwar schon eine neue Rechtsvertretung gefunden worden, deren „Aktivierung“ jedoch aufgrund des Corona-Virus unmöglich sei. Bislang erfolgte keine Mängelbehebung.

Mit Eingabe vom 23.03.2020 lehnte die BF die Leiterin der Gerichtsabteilung G314 wegen Zweifeln an ihrer Unbefangenheit ab. Dies wurde damit begründet, dass die Geschäftsführerin der BF schwanger und die Befolgung des Mängelbehebungsauftrags, für die sie das Haus verlassen müsse, für sie angesichts der sich ab 10.03.2020 bereits abzeichnenden COVID-19-Krise besonders gefährlich sei. Die Richterin habe sie durch die Ablehnung der Fristerstreckung unnötig einer schweren Gefahr ausgesetzt und sie bei dem Telefonat nicht nach ihrer Schutzbedürftigkeit gefragt, obwohl ihr die damals bereits geplanten gesetzlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sicher bekannt gewesen seien.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Akten. In der Beschwerde, die den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht konkret entgegentritt, wird nur die rechtliche Beurteilung der Vorschreibungsbehörde bekämpft.

Der relevante Sachverhalt steht somit anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens fest, sodass sich mangels widerstreitender Beweisergebnisse eine eingehendere Beweiswürdigung erübrigt.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A) 1.:

Gemäß § 6 VwGVG haben sich u.a. Mitglieder des Verwaltungsgerichts unter Anzeige an den Präsidenten der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit von Amts wegen zu enthalten, wenn ein Befangenheitsgrund nach § 7 Abs 1 AVG vorliegt. Diesbezüglich fehlt ein Ablehnungsrecht der Parteien (siehe etwa VwGH 28.03.2018, Ra 2017/07/0312). Der Ablehnungsantrag der BF1 ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die für dieses Verfahren zuständige Richterin des BVwG ist nicht befangen iSd § 7 Abs 1 AVG. Insbesondere liegen keine Gründe iSd § 7 Abs 1 Z 3 AVG vor, die geeignet wären, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Jeder Vorwurf einer Befangenheit hat konkrete Umstände aufzuzeigen, die die Objektivität des Entscheidungsträgers in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen (siehe VwGH 21.06.2017, Ra 2017/03/0016).

Solche Hinweise liegen hier nicht vor. So hat die Richterin den BF Gelegenheit zur Verbesserung der Beschwerde gegeben und das Einlangen der verbesserten Beschwerde vor der Entscheidung abgewartet. Weder hat sie verlangt, dass die Geschäftsführerin der BF für die Mängelbehebung selbst das Haus verlässt, noch gehören Schwangere zu einer besonderen COVID-19-Risikogruppe (siehe https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen/FAQ--Risikogruppen.html; Zugriff am 13.07.2020).

Letztlich würde sogar eine unrichtige Ablehnung der Fristerstreckung nicht zu einer Besorgnis der Befangenheit (also der Hemmung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive) führen, zumal die Richtigkeit einer Entscheidung im Rechtsmittelverfahren zu überprüfen ist. Der Umstand, dass eine Partei eine Entscheidung für unzutreffend erachtet, ist keine hinreichende Grundlage für die Annahme einer Befangenheit (vgl. VwGH 16.12.2015, 2015/03/0005).

Zu Spruchteil A) 2.:

Gemäß § 13 Abs 1 VwGVG haben Bescheidbeschwerden grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Da diese hier nicht ausgeschlossen wurde, kann sie der Beschwerde auch nicht vom BVwG zuerkannt werden. Der darauf gerichtete Antrag der BF ist daher ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen.

Zu Spruchteil A) 3.:

§ 9 Abs 1 GEG erlaubt eine Verlängerung der Zahlungsfrist oder eine Ratenzahlung, wenn die sofortige Einbringung der Gerichtsgebühren mit besondere Härte verbunden wäre. § 9 Abs 2 GEG ermöglicht einen rückwirkenden Gebührennachlass für den Fall, dass deren Zahlung für den Zahlungspflichtigen eine besondere Härte bedeutet. Voraussetzung ist in beiden Fällen ein konkret begründeter Antrag der betroffenen Partei, über den gemäß § 9 Abs 4 GEG der Präsident des Oberlandesgerichts Wien (der mit der Ausfertigung einen Bediensteten der Einbringungsstelle ermächtigen kann) im Justizverwaltungsverfahren durch Bescheid entscheidet.

Hier wurde erstmals in der Beschwerde ein Antrag auf Herabsetzung und auf Stundung der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren gestellt, den die BF nicht damit begründen, dass deren Zahlung oder Einbringung für sie eine besondere Härte darstelle, sondern mit der unverhältnismäßigen Höhe der Gebühren. Für die Entscheidung über diesen Antrag ist nicht das BVwG, sondern gemäß § 9 Abs 4 GEG der Präsident des Oberlandesgerichts Wien zuständig. Dessen Zuständigkeit besteht erst nach der Entscheidung über den auf Behebung des angefochtenen Bescheids gerichteten primären Beschwerdeantrag, weil die BF (arg „in eventu“) in der Beschwerde eine Reihung ihrer Anträge vorgenommen und die Herabsetzung bzw. Stundung der Gebühren hilfsweise nur für den Fall beantragt haben, dass dem Primärantrag auf Behebung des angefochtenen Bescheids nicht Folge gegeben wird (siehe BVwG 01.03.2016, W208 2118846-1/5E). Der Nachlass- und Stundungsantrag ist daher zurückzuweisen.

Die von den BF in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des EGMR vom 09.12.2010, 35123/05 Urbanek gegen Österreich, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach dieser Entscheidung kann aus Art 6 Abs 1 EMRK kein Recht auf ein kostenloses Gerichtsverfahren in zivilrechtlichen Angelegenheiten abgeleitet werden. Die Notwendigkeit, Zivilgerichten Gerichtsgebühren zu erstatten, ist für sich genommen keine mit der EMRK unvereinbare Beschränkung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht, zumal das Tätigwerden der Gerichte nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren abhängt. Die Einrichtung eines Systems, das Gerichtsgebühren für geldwerte Klagen an den Streitwert knüpft, fällt nach der Ansicht des EGMR in den staatlichen Ermessensspielraum, zumal das Gerichtsgebührensystem in Österreich durch die Möglichkeiten der vollen oder teilweisen Befreiung von Gebühren oder deren Reduktion nach § 63 Abs 1 ZPO sowie § 9 Abs 1 und 2 GEG ausreichend flexibel ist. Aus dieser Entscheidung des EGMR ergibt sich gerade nicht, dass die BF ohne weiteres ein Recht auf eine Reduktion der Gerichtsgebühren oder deren Stundung bis zur Erledigung des Grundverfahrens haben.

Zu Spruchteil B):

Der Mängelbehebungsauftrag wurde nicht fristgerecht befolgt, auch wenn berücksichtigt wird, dass die Verbesserungsfrist gemäß § 1 Abs 1 iVm § 6 Abs 1 des am 22.03.2020 in Kraft getretenen Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes (Art. 16 des 2. COVID-19-Gesetzes BGBl I Nr. 16/2020) bis zum Ablauf des 30.04.2020 unterbrochen war und mit 01.05.2020 neu zu laufen begann. Da die Beschwerde schon nach dem Ableben des früheren Rechtsvertreters des BF eingebracht wurde, ist eine Fristerstreckung, die damit begründet wird, dass eine neue Rechtsvertretung erst „aktiviert“ werden muss, nicht angezeigt. Außerdem schiebt ein zeitlich begrenzter Fristerstreckungsantrag die Verpflichtung zur Vornahme der Verfahrenshandlung höchstens bis zum beantragten Endtermin auf (vg. VwGH 24.10.1986, 83/17/0046). Da hier bis zum von der BF beantragten Endtermin am 01.07.2020 keine Mängelbehebung erfolgte, kommt ein weiteres Zuwarten nicht in Betracht. Da sich die notwendigen Teile der Beschwerde den vorgelegten Eingaben ausreichend deutlich entnehmen lassen, kann über die Beschwerde auch ohne Erfüllung des Mängelbehebungsauftrags entschieden werden.

Der Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG unterliegen nach Anmerkung 1 zu TP 1 GGG alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, also auch die von der BF1 als klagender Partei erhobene Besitzstörungsklage, bei der die Bemessungsgrundlage gemäß § 16 Abs 1 Z 1 lit c GGG EUR 750 beträgt. Ausgehend davon ergibt sich aus TP 1 Z I GGG für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz hier eine Pauschalgebühr von EUR 107.

Gemäß § 2 Z 1 lit a iVm TP 1 GGG entsteht der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage. Zahlungspflichtig ist dabei gemäß § 7 Abs 1 Z 1 GGG der Kläger. Gemäß § 4 Abs 4 GGG sind jene Gebühren, bei denen der Anspruch des Bundes mit der Überreichung der Eingabe begründet wird, durch Abbuchung und Einziehung zu entrichten, wenn die Eingabe im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht wird.

Gemäß § 31 Abs 1 GGG ist von den zur Zahlung verpflichteten Personen ein Mehrbetrag von EUR 22 zu erheben, wenn der Anspruch des Bundes auf eine Gebühr mit der Überreichung der Eingabe begründet und die Gebühr nicht (vollständig) beigebracht wurde oder die Einziehung von Gerichtsgebühren erfolglos blieb. Für diesen Mehrbetrag haften gemäß § 31 Abs 2 GGG die Bevollmächtigten und die gesetzlichen Vertreter, die den Schriftsatz, durch dessen Überreichung der Anspruch des Bundes auf die Gebühr begründet wird, verfasst oder überreicht haben, als Bürge und Zahler mit den zur Zahlung der Gebühr verpflichteten Personen.

Gemäß § 32 GGG gelten für die Einbringung der Gerichtsgebühren die Bestimmungen des GEG. Gemäß § 1 Z 1 GEG sind Gerichtsgebühren von Amts wegen einzubringen. Werden Gerichtsgebühren nicht sogleich entrichtet oder ist die Einziehung erfolglos geblieben, so sind sie gemäß § 6a Abs 1 GEG durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung, diese binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen, zu enthalten. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr von EUR 8 vorzuschreiben.

Ausgehend von diesen gesetzlichen Grundlagen ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. In diesem Zusammenhang kann auf die ausführliche und zutreffende Begründung der Präsidentin des Landesgerichts XXXX als Vorschreibungsbehörde verwiesen werden.

Das BVwG teilt die in der Beschwerde geäußerten grundsätzlichen verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen das System der Gerichtsgebühren und gegen deren am Wert des Streitgegenstands orientierte Höhe – ausgehend von den bei Dokalik, Gerichtsgebühren13 bei § 1 GGG und bei TP 1 GGG E 1 ff angeführten höchstgerichtlichen Entscheidungen – nicht. Gerichtsgebühren sind nicht als Gegenleistungen für konkrete Leistungen konzipiert und unterliegen als solche keinem strengen (Kosten-) Äquivalenzprinzip, das die Erzielung fiskalischer Erträge für den Steuergläubiger ausschließt (siehe VfGH 18.06.2018, E 421/2018).

Vom EGMR wurde die Einrichtung eines Systems, das Gerichtsgebühren für geldwerte Klagen an den Streitwert knüpft, nicht beanstandet. Die Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtsgebühren widerspricht dem Recht auf Zugang zu einem Gericht nicht (EGMR 19.06.2001, 28249/95 Kreuz gegen Polen), zumal das Tätigwerden der Gerichte nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren abhängt und Möglichkeiten der Gebührenbefreiung (z.B. Verfahrenshilfe, Stundungs- oder Nachlassantrag) bestehen (EGMR 09.12.2010, 35123/05 Urbanek gegen Österreich).

Eine exzessive Höhe der Gebühr liegt hier nicht vor, auch wenn berücksichtigt wird, dass die BF eine Vielzahl von Besitzstörungsklagen erhob, zumal gemäß § 63 Abs 2 ZPO auch einer juristischen Person die Verfahrenshilfe bewilligt werden kann, wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von ihr noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Art 6 EMRK verwehrt den Vertragsstaaten nicht, Regelungen über den Zugang zu Gericht im Interesse des Funktionierens der Rechtspflege zu treffen. Durch das Institut der Verfahrenshilfe wird sichergestellt, dass auch wirtschaftlich schwächere Personen den gebührenden Rechtsschutz erfahren (RIS Justiz RS0109487). Wenn eine Vielzahl von Verfahren angestrengt wird und die finanziellen Mittel für einige, aber nicht für alle ausreichen, kann die Verfahrenshilfe für die Verfahren bewilligt werden, für die die erforderlichen Mittel nicht mehr (vollständig) aufgebracht werden können. Gemäß den §§ 63 Abs 1, 64 Abs 2 ZPO besteht auch die Möglichkeit einer Teilverfahrenshilfe in Form der Stundung der Pauschalgebühr auf bestimmte Dauer (etwa bis Verfahrenskosten - allenfalls teilweise - von unterliegenden Prozessgegnern einbringlich gemacht werden können). Außerdem hat die BF die Möglichkeit eines Stundungs- oder Nachlassantrags iSd § 9 GEG.

Die Beschwerde zeigt nicht konkret auf, inwieweit der angefochtene Bescheid in Anwendung von Unionsrecht erging. Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrecht ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass Gerichtsgebühren den Handel oder den Kapital- und Zahlungsverkehr behindern könnten (VwGH 20.12.2007, 2004/16/0138).

Die Pauschalgebühr für die Besitzstörungsklage wurde nicht entrichtet; der Einziehungsversuch blieb erfolglos. Der Rechtsvertreter der BF hat die Klage, durch deren Überreichung der Anspruch des Bundes auf die Gebühr begründet wurde, als Bevollmächtigter der BF verfasst und überreicht. Damit trifft ihn nach § 31 Abs 2 GGG die Haftung für den Mehrbetrag als Bürge und Zahler neben der BF. Für die Einhebungsgebühr gilt mangels einer entgegenstehenden Bestimmung dieselbe Form der Haftung wie für jene Beträge, zu deren Einbringung der Zahlungsauftrag erlassen wurde. Die Vorschreibung des Mehrbetrages samt Einhebungsgebühr an den Rechtsvertreter der BF als Bürgen und Zahler ist daher nicht zu beanstanden, zumal ihm als berufsmäßigem Parteienvertreter die Bestimmungen über die Gerichtsgebühren, insbesondere über das Entstehen des Gebührenanspruchs und der Haftungen, bekannt sind und ihm die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zu seinen Klienten obliegt. Ihm daraus erwachsene Nachteile hat er selbst zu verantworten und zu tragen (siehe VwGH 30.06.2005, 2005/16/0082).

Im Ergebnis ist die Beschwerde somit (soweit sie nicht zurückzuweisen ist) als unbegründet abzuweisen.

Eine mündliche Beschwerdeverhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 4 VwGVG, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG bei der vorliegenden Einzelfallentscheidung keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte und sich an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte.

Schlagworte

Ablehnungsantrag aufschiebende Wirkung - Entfall Befangenheit Besitzstörungsklage Einhebungsgebühr Einziehung Eventualantrag Frist Fristablauf Fristenhemmung Gerichtsgebühren Gerichtsgebühren - Bemessungsgrundlage Gerichtsgebührenpflicht Haftung Herabsetzung Mandatsbescheid Mängelbehebung mangelnde Beschwer Pandemie Pauschalgebühren Pauschalgebührenauferlegung Richter Risikogruppe Stundungsantrag Unionsbürger Unzuständigkeit BVwG verfassungsrechtliche Bedenken Vorstellung Zahlungsauftrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2228317.1.00

Im RIS seit

11.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten