Entscheidungsdatum
19.08.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W161 1435384-3/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Mario ZÜGER, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2020, Zl. 821266209/200505865, zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Spruchpunkte I., II., IV., V., VI. und VII. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
II. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird dem Antrag vom 05.05.2020 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung des XXXX alias XXXX als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 20.05.2022 verlängert.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste im September 2012 in die Republik Österreich ein und stellte am 14.09.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.
In seiner Erstbefragung am 15.09.2012 gab er zu seinen persönlichen Verhältnissen an, am XXXX in Peshawar (Pakistan) geboren zu sein. Er sei ledig, pakistanischer Staatsangehöriger und spreche Paschtu, Urdu und schlecht Englisch. Er sei sunnitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an. Er habe sieben Klassen der Grundschule in Peshawar besucht. Zuletzt habe er den Beruf des Schweißers ausgeübt. Er habe noch seine Eltern, zwei Schwestern und zwei Brüder. Ein Bruder sei verschollen.
Am 17.10.2012 wurde eine Bestimmung des Knochenalters durchgeführt, wobei als Ergebnis „GP 31, Schmeling 4“ festgehalten wurde.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 29.10.2012 gab der BF zusammengefasst an, dass er mit Vornamen XXXX und mit Familiennamen XXXX heiße. Er sei nicht aus Pakistan, sondern Afghane. Er sei in Afghanistan (Provinz Laghman) geboren. Zuletzt habe er in Pakistan gelebt. Sie seien geflüchtet, als er 4-5 Jahre alt gewesen sei. Seine Eltern würden in Pakistan leben. Die ganze restliche Verwandtschaft sei in Afghanistan.
In weiterer Folge beauftragte das Bundesasylamt ein Gutachten zur Altersfeststellung des BF, wobei vom Sachverständigen in seinem Gutachten vom 12.12.2012 festgestellt wurde, dass das angegebene Alter des BF ( XXXX ) aufgrund der erhobenen Befunde aus gerichtsmedizinischer Sicht nicht ausgeschlossen werden könne.
Am 15.05.2013 wurde der BF vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Der BF gab ergänzend an, dass seine Eltern im Heimatdorf in der Provinz Laghman ein Haus und Grundstücke hätten. Sein Onkel wohne jetzt dort. Er habe alle seine Verwandten (Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen) dort. Eine Tante und ein Onkel würden in Pakistan leben. In Afghanistan sei es der Familie finanziell sehr gut gegangen, in Pakistan nicht so gut. Befragt, welche Verwandten er in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif habe, gab der BF an, dies nicht zu wissen. Er sei in Pakistan aufgewachsen und habe sein Vater nicht darüber gesprochen. Das Verhältnis zu seinen Angehörigen in Afghanistan sei gut. Zuletzt habe er in Pakistan (Peshawar) gewohnt, seine Eltern würden auch dort wohnen. In Pakistan habe er 3-4 Jahre als Schweißer gearbeitet. Anfangs neben der Schule, dann hauptberuflich. Seine Geschwister würden bei seinen Eltern leben. Seit seiner Ausreise im Alter von 4 oder 5 Jahren sei er nicht mehr in Afghanistan gewesen. Das Verhältnis zu seinen Angehörigen sei gut. Seine Versorgung in Afghanistan sei nicht gesichert, die Verwandten seien nicht so gut bekannt und jeder habe sein eigenes Leben. Er könne sich von Afghanistan oder Pakistan auch kein Geld schicken lassen. Aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten wegen eines gemeinsamen Grundstückes mit dem Onkel könne er nicht nach Afghanistan zurück. Befragt, warum er als junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann nicht nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat zurückkönne, gab der BF an, dass er sich in Afghanistan nicht auskenne, er dort keine Verwandten habe, minderjährig und alleine sei.
1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.05.2013 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 20.05.2014 erteilt.
Festgestellt wurde, dass der BF ein minderjähriger Staatsangehöriger Afghanistans sei, Moslem sei und der Volksgruppe der Paschtunen angehöre. Seine Identität stehe nicht fest.
Beweiswürdigend führte die Behörde aus, es sei glaubhaft, dass der BF Afghanistan im Alter von 4 oder 5 Jahren gemeinsam mit seiner Familie verlassen habe und nach Pakistan gegangen sei. Die familiären Probleme betreffend die Grundstücksstreitigkeiten seien nicht glaubhaft gewesen.
Der BF sei minderjährig und stamme aus der Provinz Laghman. Seine wirtschaftliche Lage sei (noch) angespannt, eine Versorgung durch Angehörige in Afghanistan nicht möglich. Aufgrund der Länderfeststellungen ergebe sich derzeit noch eine Rückkehrgefährdung und könne zum derzeitigen Zeitpunkt aufgrund der noch ständig in Afghanistan und in seinem Wohngebiet bzw. Aufenthaltsbereich (Provinz) stattfindenden Anschläge, der (noch) schlechten Versorgungslage, der hohen Arbeitslosenrate und mangelnden Familienanbindung von einer einer unmenschlichen Behandlung gleich zu setzenden Situation nach einer Rückkehr in die Heimat Afghanistan gesprochen werden. Somit sei ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen.
Rechtlich folgerte das Bundesasylamt zu Spruchpunkt II. dieses Bescheides, dass im Falle des BF von einer realen Gefahr einer Bedrohung auszugehen sei. Dies aufgrund die in als Minderjähriger betreffende Situation in seiner Heimatprovinz und seinem Aufenthaltsgebiet. Dies ebenso aufgrund der in Afghanistan, in seiner Heimatregion prekären Sicherheits- und Versorgungslage für ihn als Angehöriger der vulnerablen Personengruppe. Von einer IFA (Kabul) könne in seinem speziellen Fall – ohne dortige Familienanbindung und Versorgungsmöglichkeit – derzeit nicht ausgegangen werden. Somit sei eine derzeitige Rückkehr nach Afghanistan in seinen Aufenthaltsbereich nicht zumutbar.
Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides (§ 3 AsylG) brachte der BF fristgerecht eine Beschwerde ein und legte eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses A1.1 vor. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 08.07.2013 als unbegründet abgewiesen wurde.
1.3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 28.05.2014 wurde die Aufenthaltsberechtigung des BF gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 20.05.2016 verlängert. Das Bundesamt führte aus, dass aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage in seinem Herkunftsstaat in Verbindung mit seinem Vorbringen bzw. seinem Antrag das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet werden habe können.
1.4. Am 29.04.2016 stellte der BF neuerlich einen Antrag auf Verlängerung der der subsidiären Schutzberechtigung. Mit Bescheid des BFA vom 18.05.2016 wurde dem BF die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 20.05.2018 erteilt. Auch dieser Bescheid wurde gleich begründet.
1.5. Am 19.03.2018 stellte der BF abermals einen Antrag auf Verlängerung der subsidiären Schutzberechtigung. Mit Bescheid des BFA vom 30.05.2018 wurde dem BF die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 20.05.2020 erteilt. Das Bundesamt stützte sich dabei abermals auf die gleiche Begründung wie in den beiden zuvor ergangenen Bescheiden.
2. Gegenständliches Verfahren:
2.1. Am 05.05.2020 stellte der BF unter Verwendung des vorgesehenen Formulars einen neuerlichen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung.
2.2. Am 05.05.2020 wurde dem BF ein Parteiengehör gewährt und er aufgefordert binnen einer Frist von zwei Wochen Fragen zu seiner Gesundheit bzw. zu seiner Integration in Österreich zu beantworten.
2.3 Mit 18.05.2020 langte die Stellungnahme des BF ein. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF mehrmals in der Nase operiert worden sei und er aufgrund der schlecht heilenden Wunde 2017 und 2018 länger wegen Krankenstandes arbeitslos gewesen sei. Derzeit würden aber keine Probleme bestehen und läge keine lebensbedrohliche Krankheit vor. Der BF sei nach der Winter- und COVID-Sperre wieder seit 21.04.2020 beschäftigt und verdiene 1.541,60 EUR netto. Die Eltern und drei Brüder des BF würden in Pakistan (Peshawar) leben. In Afghanistan (Laghman) habe der BF einen Onkel väterlicherseits und eine ihm nicht bekannte Tante väterlicherseits (ihr Aufenthaltsort sei ihm unbekannt). Zudem habe er drei Onkel und vier Tanten mütterlicherseits in Peshawar. Mit keinem dieser Verwandten bestehe Kontakt. Es bestehe nur zu den Eltern und den Brüdern ein telefonischer Kontakt. Mit Freunden oder Bekannten in Afghanistan habe er keinen Kontakt. Der BF lebe in Österreich mit einem Verwandten in einer Mietwohnung. Er sei ledig, habe keine Kinder und bestehe kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zu einer in Österreich lebenden Person. Er sei kein Mitglied in Vereinen. Der BF habe etwa bis zu seinem 5. Lebensjahr in Afghanistan (Provinz Laghman), danach in Pakistan (Peshawar) gelebt. Der BF beherrsche Deutsch auf A2 Niveau, er sei seit langem selbsterhaltungsfähig.
Weiters wird ausgeführt, dass sich die Gründe, die zur Zuerkennung subsidiären Schutzes geführt hätten, nicht geändert hätten. Seit der Zuerkennung bzw. seit der letzten Verlängerung sei keine signifikante Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten. Die Voraussetzungen für die Aberkennung lägen nicht vor. Dem BF stehe keine IFA offen, weil er nicht zu dem Personenkreis der erwachsenen, jungen und gesunden Männer mit afghanischer Staatsangehörigkeit zähle, die in Afghanistan aufgewachsen wären und dort Sozialisierung erfahren hätten. Vielmehr habe der BF seit seiner Kindheit in Pakistan gelebt. Der BF habe auch keine Schul- oder Berufsausbildung abgeschlossen. Er sei in Österreich zwar selbsterhaltungsfähig, habe aber keine Ersparnisse, welche ihm bei einer Rückkehr helfen könnten. In den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif fehle das notwendige soziale und familiäre Netzwerk sowie die Ortskenntnisse. Seine Herkunftsregion sei wegen der Sicherheitslage kein geeigneter Ort für eine Rückführung. Zudem würden die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ vorliegen.
Mit der Stellungnahme wurden folgende Dokumente in Vorlage gebracht:
- Dienstzettel für die Tätigkeit als Hilfsarbeiter (Beginn 21.04.2020 für 39 Stunden);
- Lohn/Gehaltsabrechnung für April 2020;
- Versicherungsdatenauszug;
- Hauptmietvertrag;
- ÖSD Zertifikat A2;
- Schweißer Prüfungsbescheinigung.
2.4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 29.06.2020 wurde dem BF der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.05.2013 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die mit Bescheid vom 21.05.2013 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter wurde dem BF gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.) und sein Antrag vom 05.05.2020 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 57 AsylG wurde ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt IV.). Ferner wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt V.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt VI.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VII.).
Festgestellt wurde im Wesentlichen, dass der BF afghanischer Staatsangehöriger sei, der Volksgruppe der Paschtunen angehöre und sich zum muslimischen Glauben bekenne. Er stamme aus der Provinz Laghman und sei im Alter von ca. vier Jahren mit der Familie nach Pakistan gezogen, habe dort als Schweißer gearbeitet und sei im Alter von 16 Jahren ins Bundesgebiet eingereist. Er sei ledig, jung, gesund und arbeitsfähig. Er wohne in Österreich mit einem Verwandten zusammen und arbeite derzeit als Hilfsarbeiter. Der BF spreche Deutsch auf A2 Niveau. Zum Zeitpunkt der Asylantragstellung sei er minderjährig gewesen, inzwischen sei er volljährig. Er sei strafrechtlich unbescholten.
Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der Situation im Falle der Rückkehr, führte das BFA aus, dass ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten damals zugesprochen worden wäre, weil er minderjährig gewesen wäre, keine vorhandenen familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat gehabt habe und deshalb vulnerabel gewesen wäre. Dieser Sachverhalt liege nun nicht mehr vor. Zum heutigen Zeitpunkt bestehe für den BF als alleinstehender, junger, arbeitsfähiger, gesunder und inzwischen volljähriger Mann die Möglichkeit einer Rückkehr in sein Heimatland. Er habe sich in Österreich wertvolle Kenntnisse aneignen können, welche bei seiner Rückkehr in die Heimat von Vorteil wären. Den aktuellen Länderinformationen sei zu entnehmen, dass in Afghanistan keine allgemein relevante Gefährdungslage bestehe. Seine Heimatprovinz (Laghman) sei zwar noch volatil, ihm stehe aber eine IFA in Herat und Mazar-e Sharif zur Verfügung. Er verfüge über Familienangehörige in Pakistan, welche ihn unterstützen können. Aufgrund des vorhanden Bankenwesens in Afghanistan gäbe es die Möglichkeit der Geldüberweisung für eine finanzielle Unterstützung durch die Verwandten. Auch wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Paschtunen sei eine weitere Unterstützung gegeben. Ihm sei es zumutbar bei einer Rückkehr seinen Lebensunterhalt zumindest mit Gelegenheitsjobs zu verdienen. Er habe in Österreich wertvolle Erfahrung (Schweißerprüfung, verschiedene Tätigkeiten in unterschiedlichen Betriebe) gesammelt, die ihm bei einer Rückkehr zu Gute kommen würden. Durch diese in Österreich angeeigneten Kenntnisse habe er einen Vorteil gegenüber den anderen Arbeitssuchenden im Heimatland.
Im Zuge der Beweiswürdigung wurde unter anderem ausgeführt, dass der Tatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG vorliege. Im Vergleich zum Zeitpunkt der Erlassung der vorhergehenden Bescheide des BFA sei der BF inzwischen erwachsen, erfahrener, selbstständiger und habe Berufserfahrung sammeln können. Es sei daher von einer IFA in Herat oder Mazar-e Sharif auszugehen. Er sei mit den Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut, da er in Pakistan mit seiner afghanischen Familie gelebt habe und mit der afghanischen Kultur aufgewachsen sei. Er gehöre keinem Personenkreis an, der in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger sei als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für die Existenzsicherung aufkommen müsse. Herat sei weiterhin als sicher einzustufen und stehe unter der Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte. Die Sicherheitslage in Mazar-e Sharif stelle sich noch besser dar. Hinsichtlich der Arbeitssuche seien nunmehr „Employment Service Centers“ errichtet worden, welche die Vermittlung und Qualifizierung von Arbeitssuchenden als Ziel hätten, wobei vor allem Frauen und Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen. Die Tatsache, dass der BF nicht über hinlängliche Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Herat oder Mazar-e Sharif verfüge, reiche für die Annahme der Unzumutbarkeit einer IFA nicht aus, zumal gerade durch dort ansässige Hilfsorganisationen und auch durch die islamische Glaubensgemeinschaft Möglichkeiten gegeben seien, um diesem Problem Abhilfe zu schaffen. Es sei dem BF mit 24 Jahren auch zumutbar, sich in Herat oder Mazar-e Sharif Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten anzueignen. Er könne sich auch an diverse Hilfsorganisationen wenden und werde finanzielle Rückkehrhilfe erhalten. Ganz wesentlich sei auch die Volksgruppenzugehörigkeit des BF zu den Paschtunen (deren Ehrenkodex – Paschtunwali), welcher die Übernahme einer ideellen und physischen Schutzfunktion der Familie, des Stammes, der Nation und der Ehre vorsehe. Es liege im grundlegendsten Interesse sämtlicher in Afghanistan existierenden Volksgruppen ihre Mitglieder zu schützen und im Falle der Rückkehr zu unterstützen. Es sei daher schon im Vornherein davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht vor eine unzumutbare Situation gestellt werde, umso mehr er im „Auffangbecken“ der Volksgruppe landen werde und entsprechende Unterstützung erwarten dürfe. Die zu erwartende Unterstützung durch die in Mazar-e Sharif und Herat ansässigen Führungspersönlichkeiten der Volksgruppe der Paschtunen und der existierenden Stammes- und Volksgruppenstrukturen sei mit den familiären oder sozialen Netzwerken im klassischen Sinn mehr als zu vergleichen und lasse sich daher ableiten, dass selbst wenn er keine nahen Verwandten in Afghanistan haben sollte, er nicht vor eine auswegslose Lage bei einer Rückkehr gestellt werde.
Rechtlich folgerte das Bundesamt, dass beim BF eine Entwicklung zur persönlichen Selbstständigkeit festzustellen sei. Diese sei im beruflichen Alltag stark sichtbar, da er – wenn auch mit Unterbrechungen – in verschiedenen Firmen tätig gewesen sei und nach der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung auch noch eine Schweißerprüfung absolviert habe und anschließend eine Beschäftigung bekommen habe. Diese Umstände würden dazu führen, dass die Annahmen in dem Anerkennungsbescheid und den Verlängerungsbescheiden nicht mehr in gleicher Weise zutreffen. Die für die Zuerkennung ausschlaggebende Tatsachen würden aktuell nicht mehr aufrechterhalten werden können. Gerade die persönliche Situation, welche damals der ausschlaggebende Umstand gewesen sei, liege nun nicht mehr vor. Damit gehe die gewonnene Lebenserfahrung und gesteigerte Selbstständigkeit einher, weshalb der BF nicht mehr in derselben Situation sei, die in den Vorbescheiden angenommen worden sei. Der Vorgang, mit den eine Person älter, erfahrener und selbstständiger werde, sei kein sprunghafter mit dem Erreichen der Volljährigkeit abgeschlossener Prozess, sondern eine kontinuierliche, in der Regel auch danach fortschreitende Entwicklung. Aus diesen Gründen würden die Bescheide, mit denen die Behörde, die Aufenthaltsberechtigung nach Erreichen der Volljährigkeit verlängert habe (Bescheid vom 28.05.2014, 17.05.2016 und 18.05.2018), wegen der Relevanz der inzwischen eingetretenen Entwicklungen keine Rechtskraftwirkung in dem Sinne entfalten, dass die nachfolgende persönliche Entwicklung nicht mehr zum Entfall der Voraussetzungen des ihm zuerkannten Schutzes führen könnte. Sohin seien nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung eingetreten seien, sondern dürfen im Rahmen der Beurteilung, bei Hinzutreten neuer Umstände alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn diese sich vor der Verlängerung ereignet hätten. Zwar sei für seine Heimatprovinz Laghman derzeit von einer allgemein relevanten Gefährdungslage auszugehen, die Lage habe sich für ihn als jungen, gesunden, arbeitsfähigen, an Berufserfahrung reicheren und alleinstehenden Mann in Bezug auf eine IFA geändert und sei diese nun möglich. Herat und Mazar-e Sharif seien relativ friedliche Provinzen, auch die Versorgunglage sei grundsätzlich sicher. Herat und Mazar-e Sharif würden über einen Flughafen verfügen. Der BF spreche Paschtu und sei mit den kulturellen und sprachlichen Gepflogenheiten im Heimatstaat vertraut. In Afghanistan würden komplementäre Auffangmöglichkeiten, wie etwa Lager existieren, die er im Falle einer erfolglosen Suche nach einer Unterkunft in Anspruch nehmen könne. Er könne Unterstützung von UNHCR oder IOM und auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Es sei auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Schutzsuchende, sofern die den Wunsch auf Unterstützung in Moscheen und anderen islamischen Einrichtungen entsprechend formulieren, auch Gehör und Hilfe bei der Neu- und Wiederansiedelung in Mazar-e Sharif und Herat erfahren. Zudem könne er als Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, grundsätzlich Hilfe und Unterstützung von anderen Paschtunen erwarten. Im Ergebnis seien keine besonderen individuellen Gefährdungsfaktoren zu erkennen und werde der BF schnell in der Lage sein, nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein relativ normales Leben ohne unangemessene Härten führen können. Auch nach Berücksichtigung der UNHCR-Richtlinien sei eine IFA in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif zumutbar.
2.5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, worin ausgeführt wird, dass die belangte Behörde davon ausgehe, dass sich die persönliche Situation des BF geändert habe, weil er Lebenserfahrung gewonnen habe und eine gesteigerte Selbstständigkeit aufweise. Diese Gründe (unzureichende Lebenserfahrung und fehlende Selbstständigkeit) seien für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes aber gar nicht ausschlaggebend gewesen. Vielmehr wurde damals ausgeführt, dass er wegen des fehlenden familiären oder sozialen Netzwerkes und seiner Minderjährigkeit in eine aussichtslose Lage geraten könne. Diese Gesichtspunkte würden aber nach wie vor bestehen. Wenn die Behörde ausführe, dass dem BF nunmehr eine IFA zur Verfügung stehe, so gelte dies nur für Personen, die in Afghanistan sozialisiert worden seien. Der BF lebe aber seit seinem vierten/fünften Lebensjahr in Pakistan, sodass er nicht zum Personenkreis zähle, der auf eine IFA in Afghanistan verwiesen werden könne. Für den BF hätten sich die persönlichen Umstände seit der Erlassung des Zuerkennungsbescheides bzw. des letzten Verlängerungsbescheides gerade nicht geändert. Die Voraussetzungen für die Aberkennung lägen daher aktuell nicht vor. Der BF halte sich seit fast acht Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf, spreche Deutsch auf A2 Niveau und sei seit vielen Jahren erwerbstätig und selbsterhaltungsfähig. Er lebe mit seinem Cousin zusammen. Die Bindung zu seinen in Pakistan lebenden Eltern und Geschwister beschränke sich auf telefonische Kontakte. In Österreich habe er einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA und den hg. Akt betreffend den BF, durch Einsicht in das dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegte Länderinformationsblatt zu Afghanistan vom 13.11.2019 (letzte Kurzinfo vom 18.05.2020) sowie durch Einholung eines aktuellen Strafregisterauszugs.
1. Feststellungen:
Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan, wurde am XXXX geboren und stellte als Minderjähriger am 14.09.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er ist Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zum Islam. Die Muttersprache des BF ist Paschtu.
Der BF wurde in der Provinz Laghman in Afghanistan geboren und ist etwa im Alter von 4 bis 5 Jahren mit seiner Familie nach Pakistan (Peshawar) gezogen und hat seitdem dort gelebt. Er hat in Pakistan einige Jahre lang die Schule besucht und 3-4 Jahre lang als Schweißer (anfangs neben der Schule, dann hauptberuflich) gearbeitet. Im Jahr 2012 ist er endgültig aus Pakistan ausgereist.
Die Familie des BF (Eltern, Brüder) lebt nach wie vor in Pakistan, der BF hat zu seiner Familie telefonischen Kontakt. Der BF hat zwar nach wie vor Verwandte in Afghanistan, zu diesen hat der BF aber nach wie vor keinen Kontakt. Er verfügt im Herkunftsstaat über kein tragfähiges soziales Netzwerk, welches im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan willig und in der Lage wäre, ihn zu unterstützen.
Der BF ist gesund und seit XXXX volljährig. Er ist arbeitsfähig, ledig und hat keine Kinder. Während seines Aufenthaltes in Österreich hat er Deutschkurse besucht, die Deutschprüfung A2 bestanden, eine Schweißerprüfung (am 14.03.2018) absolviert und ist diversen beruflichen Tätigkeiten (unter anderem als geringfügiger Beschäftigter in der Gastronomie) nachgegangen. Seit April 2020 ist er bei einer Stahlbaufirma als Schweißer beschäftigt. Er wohnt mit einem Cousin in einer Mietwohnung.
Der BF ist nicht straffällig geworden.
Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des BF sowie der humanitären Lage bzw. Sicherheits- und Versorgunglage in Afghanistan, insbesondere auch in der Herkunftsprovinz des BF (Laghman) sowie in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, kann nicht festgestellt werden, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.05.2013 bzw. seit der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des BFA vom 30.05.2018 wesentlich verändert oder nachhaltig verbessert haben.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person des BF (Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, Glaubensrichtung), zu seiner Herkunft, zu seinem Leben in Pakistan, zu seiner Schulbildung sowie zu seiner Berufserfahrung, zu seiner Ausreise aus Pakistan, zu seinen Sprachkenntnissen und zu seinem Familienstand ergeben sich zweifelsfrei aus den Akteninhalten, die im Wesentlichen auf den Angaben des BF in seinen Verfahren basieren.
Die Feststellungen betreffend das Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz sowie betreffend das gegenständliche Verfahren über seinen Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung ergeben sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt, dessen Inhalt im Übrigen auch nicht bestritten wurde.
Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand gründen auf den Angaben des BF in der eingebrachten Stellungnahme, denen zufolge der BF gesund sei. Unter Berücksichtigung seines Alters und seines Gesundheitszustandes konnte ferner festgestellt werden, dass der BF arbeitsfähig ist.
Die Feststellungen zum Aufenthaltsort seiner Familienangehörigen bzw. dem telefonischen Kontakt des BF zu seinen Angehörigen, ergeben sich ebenso aus den Angaben des BF in seiner Stellungnahme. Demnach leben seine Eltern und seine Brüder nach wie vor in Pakistan. Seine Ausführungen, wonach er zu seinen Verwandten in Afghanistan nach wie vor keinen Kontakt hat, sind vor dem Hintergrund des Umstandes, dass er bereits im Alter von 4-5 Jahren mit seinen Eltern und Geschwistern den Herkunftsstaat verlassen hat und nunmehr seit fast acht Jahren in Österreich lebt, nachvollziehbar. Anhaltspunkte dafür, dass der BF im Herkunftsstaat über sonstige soziale Anknüpfungspunkte verfügt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurde in der Stellungnahme auch explizit angegeben, dass der BF keinen Kontakt zu Freunden oder Bekannten in Afghanistan hat. Folglich gelangt das erkennende Gericht zu dem Ergebnis, dass der BF im Herkunftsstaat über keine Angehörigen oder Bekannten verfügt, welche fähig und auch willig wären, ihn im Fall seiner Rückkehr zu unterstützen.
Die Feststellungen zum Berufsweg des BF in Österreich bzw. zu seinen Deutschkenntnissen ergeben sich aus seinen Angaben während des Verfahrens, den Angaben in der Stellungnahme sowie aus den mit der Stellungnahme vorgelegten Unterlagen.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug.
Die (Negativ)feststellung, wonach nicht festgestellt werden kann, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.05.2013 sowie auch seit der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des BFA vom 30.05.2018 wesentlich und nachhaltig verändert haben, konnte im Lichte eines Vergleichs der individuellen Situation des BF sowie der Sicherheits- und Versorgungslage in (ganz) Afghanistan zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes einerseits und zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. der vorliegenden Entscheidung andererseits getroffen werden. Dabei erfolgte insbesondere eine Gegenüberstellung des Inhalts der dem Bescheid vom 21.05.2013 zugrunde gelegten Länderberichte mit jener Berichtslage, die das Bundesamt bei Erlassung des angefochtenen Bescheides herangezogen hat sowie auch mit der zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bestehenden Lage im Herkunftsstaat (siehe dazu wie folgt in der rechtlichen Beurteilung).
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).
Zu Spruchpunkt A):
3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes lauten (auszugsweise) wie folgt:
§ 8 (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
[…]
(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
[…]
§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;
2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder
3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn
1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;
2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder
3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.
In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.
(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.
Vorauszuschicken ist, dass sich die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides lediglich auf „§ 9 Absatz 1 Zi 1 Asylgesetz 2005“ beruft, aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht aber deutlich hervor, dass sich das BFA im vorliegenden Fall bei der Aberkennung auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z.1 AsylG 2005 stützt (vgl. S. 98 des Bescheides).
Im zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, in dem die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, wird auf eine Änderung der Umstände abgestellt, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Zu den Voraussetzungen der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und damit auch ihrer Dauer ergibt sich aus § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG, dass die Verlängerung auf Antrag des Betroffenen und nach Maßgabe des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für den subsidiären Schutz zu erfolgen hat. Dies entspricht auch Art. 16 der Statusrichtlinie (= Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 304), wonach ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser nicht mehr subsidiär Schutzberechtigter ist, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist (Abs. 1). Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (Abs. 2). Dieses Erforderlichkeitskalkül ist auch bei der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und bei der Bestimmung ihrer Dauer anzulegen (vgl. VwGH vom 31.03.2010, Zl. 2007/01/1216).
Die Annahme einer grundlegenden politischen Veränderung im Herkunftsstaat setzt eine gewisse Konsolidierung der Verhältnisse voraus, für deren Beurteilung es in der Regel eines längeren Beobachtungszeitraumes bedarf (vgl. zu § 7 AsylG 1997 etwa VwGH vom 16.02.2006, Zl. 2006/19/0030, mwH).
In Anlehnung an Art. 16 der Statusrichtlinie bedarf es hier (§ 9 Abs. 1 Z. 1, zweiter Fall AsylG) einer grundlegenden und dauerhaften Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland des Fremden. So ist es keineswegs ausreichend, lediglich festzustellen, dass sich seit der ursprünglichen Antragstellung in Österreich die Gegebenheiten im Herkunftsstaat wesentlich gebessert haben und darauf basierend gegenwärtig keine reale Gefahr für den bislang subsidiär Schutzberechtigten besteht, im Fall seiner Abschiebung in dieses Land, Opfer einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zu werden, respektive als Zivilperson ernsthaft am Leben oder an der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bedroht zu sein. Um die Voraussetzungen der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1, zweiter Fall AsylG objektiv zu erfüllen, muss eine entsprechende Nachhaltigkeit der positiven Veränderungen im Herkunftsland des Fremden gewährleistet sein. Dies erfordert im Regelfall eine längere Beobachtungsphase, anhand deren Verlaufs und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sich das nachhaltige Ende der bisherigen Bedrohungssituation entsprechend verifizieren lässt (vgl. „Schrefler-König/Gruber, Asylrecht“, § 9 AsylG 2005, Anm. 11).
Im konkreten Fall hat das Bundesasylamt die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Bescheid vom 21.05.2013 darauf gestützt, dass für den minderjährigen BF die wirtschaftliche Lage (noch) angespannt sei und eine Versorgung durch Angehörige in Afghanistan nicht möglich sei. Es liege eine Rückkehrgefährdung vor und könne zum derzeitigen Zeitpunkt aufgrund der noch ständig in Afghanistan und im Wohngebiet bzw. Aufenthaltsbereich stattfindenden Anschläge, der (noch) schlechten Versorgungslage, der hohen Arbeitslosenrate und mangelnden Familienanbindung von einer unmenschlichen Behandlung gleichzusetzender Situation nach einer Rückkehr in die Heimat Afghanistan gesprochen werden. Der BF sei wegen der ihn als Minderjährigen betreffenden Situation in seiner Heimatprovinz und seinem Aufenthaltsgebiet, ebenso aufgrund der in seiner Heimatregion in Afghanistan prekären Sicherheits- und Versorgungslage für ihn als Angehöriger der vulnerablen Personengruppe der realen Gefahr einer Bedrohung ausgesetzt. Von einer IFA in Kabul könne in seinem speziellen Fall – ohne dortige Familienanbindung und Versorgungsmöglichkeit – derzeit nicht ausgegangen werde, weshalb eine derzeitige Rückkehr nach Afghanistan in seinen Aufenthaltsbereich nicht zumutbar sei.
Im angefochtenen Bescheid wurde nun im Wesentlichen ausgeführt, dass der damalige Sachverhalt (Minderjährigkeit, keine vorhandenen familiären Anknüpfungspunkte und Vulnerabilität) nun nicht mehr vorliege. Zum heutigen Zeitpunkt bestehe für den BF als alleinstehenden, jungen, arbeitsfähigen, gesunden und inzwischen volljähriger Mann die Möglichkeit einer Rückkehr in sein Heimatland. Der BF sei inzwischen erfahrener und selbstständiger. Er habe sich in Österreich wertvolle Kenntnisse bzw. wertvolle (Berufs)-erfahrung (Schweißerprüfung, verschiedene Tätigkeiten in unterschiedlichen Betrieben) aneignen können, welche bei seiner Rückkehr in die Heimat von Vorteil wären.
Seine Heimatprovinz (Laghman) sei zwar noch volatil, ihm stehe aber – selbst nach Berücksichtigung der UNHCR-Richtlinien - eine IFA in Herat und Mazar-e Sharif zur Verfügung. Er verfüge über Familienangehörige in Pakistan, welche ihn unterstützen und aufgrund des vorhandenen Bankwesens in Afghanistan Geldüberweisungen machen könnten. Auch wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Paschtunen sei eine weitere Unterstützung gegeben. Herat sei weiterhin als sicher einzustufen und stehe unter der Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte. Die Sicherheitslage in Mazar-e Sharif stelle sich noch besser dar. Auch die Versorgungslage sei in beiden Städten grundsätzlich sicher und würden Herat und Mazar-e Sharif über einen Flughafen verfügen. Hinsichtlich der Arbeitssuche seien nunmehr „Employment Service Centers“ errichtet worden, welche die Vermittlung und Qualifizierung von Arbeitssuchenden als Ziel hätten, wobei vor allem Frauen und Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen. Die Tatsache, dass der BF nicht über hinlängliche Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Herat oder Mazar-e Sharif verfüge, reiche für die Annahme der Unzumutbarkeit einer IFA nicht aus, zumal gerade durch dort ansässige Hilfsorganisationen und auch durch die islamische Glaubensgemeinschaft Möglichkeiten gegeben seien, um diesem Problem Abhilfe zu schaffen. Er könne sich an diverse Hilfsorganisationen wenden und werde finanzielle Rückkehrhilfe erhalten. Ganz wesentlich sei auch die Volksgruppenzugehörigkeit des BF zu den Paschtunen (deren Ehrenkodex – Paschtunwali), welcher die Übernahme einer ideellen und physischen Schutzfunktion der Familie, des Stammes, der Nation und der Ehre vorsehe. Die zu erwartende Unterstützung durch die in Mazar-e Sharif und Herat ansässigen Führungspersönlichkeiten der Volksgruppe der Paschtunen und der existierenden Stammes- und Volksgruppenstrukturen sei mit den familiären oder sozialen Netzwerken im klassischen Sinn mehr als zu vergleichen und lasse sich daher ableiten, dass selbst wenn er keine nahen Verwandten in Afghanistan haben sollte, er nicht vor eine auswegslose Lage bei einer Rückkehr gestellt werde. Beim BF sei eine Entwicklung zur persönlichen Selbstständigkeit festzustellen. Diese sei im beruflichen Alltag stark sichtbar, da er – wenn auch mit Unterbrechungen – in verschiedenen Firmen tätig gewesen sei und nach der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung auch eine Schweißerprüfung absolviert habe und anschließend eine Beschäftigung bekommen habe. Gerade die persönliche Situation, welche damals der ausschlaggebende Umstand gewesen sei, liege nun nicht mehr vor. Damit gehe die gewonnene Lebenserfahrung und gesteigerte Selbstständigkeit einher, weshalb der BF nicht mehr in derselben Situation sei, die in den Vorbescheiden angenommen worden sei. Der Vorgang, mit den eine Person älter, erfahrener und selbstständiger werde, sei kein sprunghafter mit dem Erreichen der Volljährigkeit abgeschlossener Prozess, sondern eine kontinuierliche, in der Regel auch danach fortschreitende Entwicklung. Aus diesen Gründen würden die Bescheide, mit denen die Behörde, die Aufenthaltsberechtigung nach Erreichen der Volljährigkeit verlängert habe, wegen der Relevanz der inzwischen eingetretenen Entwicklungen keine Rechtskraftwirkung in dem Sinne entfalten, dass die nachfolgende persönliche Entwicklung nicht mehr zum Entfall der Voraussetzungen des ihm zuerkannten Schutzes führen könnte. Sohin seien nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung eingetreten seien, sondern dürfen im Rahmen der Beurteilung, bei Hinzutreten neuer Umstände alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn diese sich vor der Verlängerung ereignet hätten. Der BF spreche Paschtu und sei mit den kulturellen und sprachlichen Gepflogenheiten im Heimatstaat vertraut. Es bestünden in Afghanistan komplementäre Auffangmöglichkeiten (Lager) bestehen, er könne Unterstützung von UNHCR oder IOM und auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Weiters könne er Unterstützung in Moscheen und anderen islamischen Einrichtungen erhalten.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid entgegen richtlinienkonformer Interpretation der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG (vgl. Art. 16 Abs. 2 Statusrichtlinie) eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, nicht dargetan:
Soweit sich das BFA nunmehr hinsichtlich der Begründung einer zumutbaren IFA ua. darauf stützt, dass der BF inzwischen volljährig, erfahrener und selbstständiger sei bzw. er sich in Österreich wertvolle Kenntnisse bzw. (Berufs)-erfahrung (Schweißerprüfung, verschiedene Tätigkeiten in unterschiedlichen Betrieben) aneignen habe können, so vermochte diese Argumentation der belangten Behörde nicht zu überzeugen. Für das Bundesverwaltungsgericht ist nicht ersichtlich, weshalb beim BF gerade zum jetzigen Zeitpunkt eine ausschlaggebende Änderung der persönlichen Situation eingetreten sein soll, zumal der BF schon seit XXXX – sohin schon seit über 6 Jahren - und somit schon vor Erlassung des ersten Verlängerungsbescheides des BFA am 28.05.2014 die Volljährigkeit erreicht hat. Der BF hat auch schon mit Februar 2014 – sohin ebenfalls schon vor Erlassung des ersten Verlängerungsbescheides - eine Erwerbstätigkeit in Österreich aufgenommen und wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten des BF zwischenzeitig dreimal verlängert. Das BFA führte erklärend zwar auch aus, dass der BF nach der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung (Bescheid vom 30.05.2018) eine Schweißerprüfung absolviert habe und anschließend eine Beschäftigung bekommen habe; aber auch diese Argumentation der belangten Behörde vermochte nicht zu überzeugen und ist darüber hinaus auch nicht mit dem Akteninhalt vereinbar, zumal – wie aus der vorgelegten Schweißerprüfungsbestätigung ersichtlich ist – die Prüfung tatsächlich schon am 07. bzw. 14.03.2018 stattfand. Richtig ist zwar, dass der BF seinem nunmehrigen Job bei einem Stahlbauunternehmen erst seit 21.04.2020 nachgeht, da der BF aber schon in Pakistan 3-4 Jahre als Schweißer gearbeitet hat und diese Tatsache bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzes auch als glaubwürdig erachtet wurde, konnte allein durch den nunmehrigen (neuen) Job des BF keine wesentliche oder nachhaltige Änderung der persönlichen Situation des BF festgestellt werden. Ebenso war der BF auch schon bei Zuerkennung des subsidiären Schutzes, genauso wie zum heutigen Zeitpunkt, grundsätzlich arbeitsfähig und auch gesund, weshalb auch damit keine wesentliche Sachverhaltsdarstellung dargelegt werden konnte.
Richtig ist, dass der BF in Österreich neue Fähigkeiten erlernt hat bzw. neue Lebenserfahrung gewonnen hat, allerdings hat der BF unverändert keine Kontakte zu Verwandten im Herkunftsstaat und ist der BF unverändert – seit seiner Ausreise mit 4-5 Jahren – nie mehr in Afghanistan aufhältig gewesen. Das BFA hat diesbezüglich aber auch nicht dargetan, weshalb es gerade zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgeht, dass diese Eigenschaften eine wesentliche und nachhaltige Sachverhaltsänderung darstellen.
Wenn vom Bundesamt weiter ausgeführt wird, dass der BF über Familienangehörige in Pakistan verfüge, welche ihn (mit Hilfe des vorhandenen afghanischen Bankwesens) finanziell unterstützen könnten, so ist zunächst auszuführen, dass die Angehörigen des BF schon bei der Zuerkennung des subsidiären Schutzes in Pakistan aufhältig waren, weshalb insofern keine Änderung der Sachlage eingetreten ist. Weiters erschließt sich dem Bundesverwaltungsgericht nicht, weshalb die belangte Behörde nunmehr davon ausgeht, dass die Verwandten den BF finanziell unterstützen könnten, zumal der BF in seiner Stellungnahme mit keinem einzigen Wort ausführte, dass seine Verwandten dazu in der Lage sein würden ihm Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Der BF wurde vom BFA aber auch gar nicht danach gefragt (siehe dazu die gestellten Fragen im Parteiengehör, AS 441). Die belangte Behörde hat sich somit auf eine bloße Vermutung gestützt, ohne aber konkret zu wissen bzw. zu erfragen, unter welchen finanziellen/sozialen Verhältnissen die Verwandten des BF in Pakistan leben, ob diese einer Arbeit nachgehen bzw. die Familie den BF generell unterstützen will oder kann.
Insofern das Bundesamt Weiters ausführt, dass der BF einerseits aufgrund seiner Religionszugehörigkeit Schutz von der moslemischen Glaubensgemeinschaft, andererseits aber auch infolge seiner Volksgruppenzugehörigkeit Unterstützung von Mitgliedern der Volksgruppe der Paschtunen erhalten könne, ist nicht ersichtlich, inwieweit die belangte Behörde daraus eine wesentliche und nachhaltige Verbesserung der Situation für den BF ableitet, zumal aus den Länderfeststellungen deutlich hervorgeht, dass Moscheen in der Regel nur besonders vulnerable Personen unterstützen, dies auch nur für eine begrenzte Zeit (vgl. S. 86 des Aberkennungsbescheides).
Insgesamt ist eine wesentliche und nachhaltige Veränderung der individuellen Situation des BF seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht erkennbar.
Es kann aber auch nicht von einer wesentlichen und dauerhaften Verbesserung der allgemeinen Situation in Afghanistan ausgegangen werden, sondern hat sich die Situation sowohl hinsichtlich der Sicherheitslage, als auch hinsichtlich der Versorgungslage tendenziell sogar verschlechtert.
So ergibt sich aus den Feststellungen, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor volatil ist. Schon im Jahr 2012 gab es innerstaatliche bewaffnete Konflikte sowie Aktivitäten von Aufständischen bzw. regierungsfeindlichen Gruppen (Taliban, Haqqani-Netzwerk, Hezb-e Islami Gulbuddin). Auch heute gibt es nach wie vor Aktivitäten von Aufständischen (Taliban, Haqqani-Netzwerk, Islamischer Staat, Al-Qaida), doch nahmen feindliche Aktivitäten zu und breiten sich in größeren Gebieten des Nordens und Ostens aus. Im September 2019 (als die afghanischen Präsidentschaftswahlen stattfanden) wurde die höchste Anzahl feindlicher Angriffe eines einzelnen Monats seit Juni 2012 und die höchste Anzahl effektiver feindlicher Angriffe seit Beginn der Aufzeichnungen registriert. Dieses Ausmaß an Gewalt setzte sich auch nach den Präsidentschaftswahlen fort, so wurde im Oktober 2019 die zweithöchste Anzahl feindlicher Angriffe in einem Monat seit Juli 2013 dokumentiert. Auch die Anzahl der zivilen Opfer nahm seit 2012 zu. Damals waren es 7.559 (vgl. S. 11 des Zuerkennungsbescheides), nunmehr (Jahr 2019) 10.392 zivile Opfer als Folge des bewaffneten Konflikts in Afghanistan (vgl. S. 20 des Aberkennungsbescheides).
Die Herkunftsprovinz des BF (Laghman) galt schon im Jahr 2012 (Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes) als eine volatile Region in Afghanistan und ist dies auch heute noch, weshalb keine wesentliche und nachhaltige Veränderung/Verbesserung eingetreten ist.
Zu den Städten Mazar-e Sharif und Herat ist zu ergänzen, dass diese beiden Städte schon im Jahr 2012 als sehr sicher galten, wobei die Stadt Herat laut den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides nunmehr als COVID-19-Hotspot Afghanistans gilt. Der internationale Flughafen Mazar-e Sharif wurde im Jahr 2013 eröffnet, der Flughafen Herat gilt seit dem Jahr 2012 als internationaler Flughafen.
Soweit das Bundesamt ausführte, dass der BF nunmehr Unterstützung von internationalen Organisationen (UNHCR, IOM) in Anspruch nehmen könne, so wird angemerkt, dass die afghanische Regierung schon im Jahr 2012 mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen zusammenarbeitete um IDPs, Flüchtlinge, zurückkehrende Flüchtlinge und andere gefährdete Personen zu unterstützen und zu schützen. Schon im Mai 2012 implementierte IOM Wien das Projekt „Unterstützung der freiwilligen Rückkehr und Reintegration von Rückkehrern nach Afghanistan“, auch die UNO war im Jahr 2012 schon 40 Jahre lang in Afghanistan aktiv (vgl. S. 54 des Zuerkennungsbescheides).
Auch eine Verbesserung hinsichtlich der Grundversorgung bzw. der Situation am Arbeitsmarkt ist den Länderberichten nicht zu entnehmen. Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stützt sich die Wirtschaft hauptsächlich auf den informellen Sektor. Am Arbeitsmarkt müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neuankömmlinge in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Somit treten jedes Jahr sehr viele junge Afghanen in den Arbeitsmarkt ein, während die Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund unzureichender Entwicklungsressourcen und mangelnder Sicherheit nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten können. Zudem geht aus den Länderfeststellungen hervor, dass persönliche Kontakte bei der Arbeitssuche eine wichtige Rolle spielen (vgl. S. 74 und 75 des Zuerkennungsbescheides). Die Situation im Jahr 2012 stellte sich diesbezüglich vergleichsweise noch besser dar, zumal nach dem damaligen Länderinformationsblatt alleinstehende junge Männer, die über eine Berufsausbildung verfügen, gute Chancen hatten, bei einer Rückkehr nach Afghanistan einen Job zu finden (vgl. S. 47 des Zuerkennungsbescheides). Eine im Jahr 2012 durchgeführte Studie über die Beschäftigungsverhältnisse in Afghanistan bestätigt, dass Arbeitgeber persönliche Beziehungen und Netzwerke höher bewerten als formelle Qualifikationen, wobei es Analysen zufolge keine Hinweise darüber gibt, dass sich diese Situation seit 2012 geändert hätte (vgl. S. 75 des Aberkennungsbescheides).
Auch ein genereller Vergleich der Situation von Rückkehrenden im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides mit der aktuellen Lage lässt die Annahme einer entscheidungswesentlichen anhaltenden Veränderung nicht zu. So lag die soziale Absicherung schon im Jahr 2012 traditionell bei den Familien und Stammesverbänden und konnten alleinstehende Männer unter gewissen Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und semi-urbanen Gegenden mit entwickelter Infrastruktur und unter effektiver Kontrolle der Regierung leben. Auch aus den aktuellen Länderberichten geht die große Bedeutung sozialer Netzwerker hervor, zumal ausgeführt wird, dass die Rolle sozialer Netzwerke – der Familie, der Freunde und der Bekannten – für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend ist, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen (vgl. S. 85 des Aberkennungsbescheides).
Wenn das BFA im angefochtenen Bescheid anführt, dass der BF bei einer Rückkehr in sein Heimatland eine Rückkehrunterstützung in Anspruch nehmen könne, so ist zu betonen, dass Rückkehrunterstützungen nur vorübergehend in Anspruch genommen werden können, weshalb damit lediglich allfällige Anfangsschwierigkeiten ausgeglichen werden können. Aufgrund des bloß vorübergehenden Charakters vermögen sie sohin keine dauerhafte Veränderung der individuellen Umstände des BF zu bewirken. Festzuhalten ist daher, dass insoweit keine Änderung der für die Zuerkennung des Schutzstatus maßgeblichen Umstände vorliegt.
Es mag zwar stimmen, dass hinsichtlich einer Arbeitssuche in Afghanistan „Employment Service Centers“ errichtet wurden, welche die Vermittlung und Qualifizierung von Arbeitssuchenden als Ziel haben; die belangte Behörde führte in ihrem Bescheid aber sogar selbst aus, dass hierbei aber vor allem Frauen und Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen. Da der BF weder eine Frau ist, noch körperlichen oder geistige Einschränkungen aufweist, ist nicht ersichtlich, weshalb dies zu einer wesentlichen oder nachhaltigen Verbesserung der persönlichen Situation des BF führen sollte. Weiters ist noch anzumerken, dass schon in den Länderberichten des Zuerkennungsbescheides von der Errichtung von „Employment Service Centers“ berichtete wurde (vgl. S. 52 des Zuerkennungsbescheides).
Der Vollständigkeitshalber ist noch auszuführen, dass auch unter Berücksichtigung des EASO-Berichtes sowie der aktuellen Situation aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht festgestellt werden kann, dass sich die Lage im Herkunftsstaat Afghanistan im Allgemeinen wesentlichen und nachhaltig verändert und verbessert hat.
Das Bundesamt hat es sohin verabsäumt konkret darzulegen, inwiefern sich die Lage für den BF entscheidungswesentlich verändert hat. Vielmehr erfolgte eine neuerliche Beurteilung desselben Sachverhalts. Festzuhalten ist jedoch, dass (lediglich) eine andere rechtliche Beurteilung oder Würdigung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts dem Wegfall oder (zumindest) der maßgeblichen Änderung jener Umstände, die zur rechtskräftigen Zuerkennung subsidiären Schutzes geführt haben, nicht gleichzuhalten ist.
Das Bundesamt formuliert eine neue Begründung, mit der es den Antrag auf subsidiären Schutz abgelehnt hätte, wenn es nunmehr darüber zu entscheiden hätte. Dabei übersieht es, dass es bereits eine rechtskräftige Entscheidung gibt, an welche das Bundesamt auch gebunden ist, soweit nicht ein Aufhebungsgrund nach § 9 ASylG vorliegt, was – nach den obigen Erwägungen – im gegenständlichen Fall zu verneinen ist, da keine Anhaltspunkte hervorgetreten sind, die auf eine Änderung der maßgeblichen Sach- oder Rechtslage hindeuten. Der Tatbestand des § 9 Abs. 1 Z.1, zweiter Fall AsylG ist sohin nicht erfüllt und liegen die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z. 1, zweiter Fall AsylG gegenständlich nicht vor.
Zu der von der belangten Behörde zitierten aktuellen Judikatur zum Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative für junge, gesunde, arbeitsfähige Männer auch ohne familiären Rückhalt, ist darauf zu verweisen, dass der VwGH jüngst im Zusammenhang mit der Refoulement-Beurteilung nach § 52 Abs. 9 FPG ausgesprochen hat, dass eine maßgebliche Sachverhaltsänderung nicht schon per se in der neueren Judikatur zu vergleichbareren Fällen erblickt werden kann (VwGH 24.01.2019, Ro 2018/21/0011).
Die Änderung der Rechtsprechung zu einer Norm bietet keine rechtliche Grundlage, den Grundsatz der Rechtskraft zu durchbrechen und die Entscheidung eines Gerichts oder einer Behörde ohne hinreichenden Grund zu beseitigen und neu zu entscheiden. Jedenfalls lässt sich weder aus § 9 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 noch aus der Statusrichtlinie eine solche Berechtigung ableiten.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben. Dem B