TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/28 W131 2160843-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.08.2020
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Entscheidungsdatum

28.08.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W131 2160843-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan, vertreten durch den Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2017, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

II. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer am 13.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung vom selben Tag gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass ein Mann der Behörde seines Dorfes jemand umgebracht und hierfür dem Beschwerdeführer und dessen Familie die Schuld gegeben habe. Die Familie des Opfers habe den Vater des Beschwerdeführers getötet, weshalb er die Flucht angetreten habe.

2. Im Rahmen einer am 02.08.2016 durch die belangte Behörde durchgeführten Einvernahme machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen folgende Angaben:

Die Familie habe in ihrem Herkunftsdorf in der Provinz Bamyan persönliche Feinde, der Dorfälteste habe den Vater des Beschwerdeführers dafür verantwortlich gemacht, weshalb die Familie vor zirka sechs Jahren nach Herat umgezogen sei. Vor zirka zweieinhalb Jahren sei der Vater eines natürlichen Todes gestorben.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Weiters sprach sie aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Zuletzt stellte die belangte Behörde fest, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die Abweisung des Asylantrages begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass das Fluchtvorbringen unglaubwürdig sei.

4. Dagegen richtet sich die binnen offener Frist erhobene Bescheidbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

5. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 21.08.2018, 15.06.2020 und 20.07.2020 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 21.08.2018 wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisher erstattetes Fluchtvorbringen und führte aus, dass er sich für den christlichen Glauben interessiere, er sei dazu an die protestantische Kirche Augsburger Bekenntnisses herangetreten, im nächsten Monat beginne der Vorbereitungskurs für die Taufe.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2020 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er am 20.04.2019 getauft wurde und nunmehr dem evangelischen Glauben angehöre. Im Weiteren beantwortete er Fragen zu seiner inneren Motivation zur Konversion, seinem religiösen Lebenswandel und zu seinem Verständnis der christlichen bzw. evangelikalen Glaubenslehre. Zur Frage der inneren Überzeugung des Beschwerdeführers wurde eine Zeugin vernommen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2020 replizierte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers im Wesentlichen auf die Stellungnahme der belangten Behörde zur mündlichen Verhandlung vom 15.06.2020 und beantwortete weitere Fragen zu religiösen Inhalten.

5. Mit Stellungnahme vom 04.09.2018 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass eine Zurückverweisung seiner Beschwerde gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG nicht infrage komme. Weiters wird auf Judikatur des europäischen Gerichtshofs zum Thema Tatsachenfeststellungen verwiesen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei für den Beschwerdeführer nicht gegeben.

6. Mit Schriftsatz vom 16.06.2020 führte die belangte Behörde die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen Scheinkonvertiten handle. Zuletzt führt sie zum subsidiären Schutz und zum Aufenthaltstitel aus.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer hat den im Spruch genannten Namen und das ersichtliche Geburtsdatum. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, seine Muttersprache ist Dari.

Er ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist evangelischer Christ, Augsburger Bekenntnisses.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat

Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 13.11.2019 idF 29.06.2020 enthält nachfolgende hier relevante Informationen:

16.      Todesstrafe

Die Todesstrafe ist in der Verfassung und im Strafgesetzbuch für besonders schwerwiegende Delikte vorgesehen (AA 2.9.2019). Das neue Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, hat die Anzahl der mit Todesstrafe bedrohten Verbrechen von 54 auf 14 Delikte reduziert (AI 10.4.2019). Vorgesehen ist die Todesstrafe für Delikte wie Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Angriff gegen den Staat, Mord und Zündung von Sprengladungen, Entführungen bzw. Straßenraub mit tödlicher Folge, Gruppenvergewaltigung von Frauen u.a. (MoJ 15.5.2017: Art. 170). Die Todesstrafe wird vom zuständigen Gericht ausgesprochen und vom Präsidenten genehmigt (MoJ 15.5.2017: Art. 169). Sie wird durch Erhängen ausgeführt (AI 10.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Unter dem Einfluss der Scharia hingegen droht die Todesstrafe auch bei anderen Delikten (z.B. Blasphemie, Apostasie, Ehebruch sog. „Zina“, Straßenraub). In der afghanischen Bevölkerung trifft diese Form der Bestrafung und Abschreckung auf eine tief verwurzelte Unterstützung. Dies liegt nicht zuletzt auch an einem als korrupt und unzuverlässig geltenden Gefängnissystem und der Tatsache, dass Verurteilte durch Zahlungen freikommen können (AA 2.9.2019).

Obwohl Präsident Ghani sich zwischenzeitlich positiv zu einem möglichen Moratorium zur Todesstrafe geäußert hat und Gesetzesvorhaben auf dem Weg sind, welche eine Umwandlung der Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsehen, ist davon auszugehen, dass weiterhin Todesurteile vollstreckt werden (AA 2.9.2019). Im Jahr 2018 wurden in Afghanistan drei Menschen hingerichtet (AI 10.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Alle wurden am 28.1.2018 wegen Entführung und Mord an einem Kind exekutiert. Zahlen zu eventuellen weiteren Exekutionen liegen jedoch nicht vor (AI 10.4.2019). . Zu Jahresende 2018 befanden sich mindestens 343 Personen im Todestrakt (AI 10.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Im Jahr 2018 wurden in Afghanistan 44 Todesurteile umgewandelt und 50 zum Tode Verurteilte aufgrund der Vergebung durch die Opferfamilien begnadigt. Es gibt eine Initiative der Regierung, alle Todesurteile neu zu untersuchen (AI 10.4.2019).

Quellen:

[...]

17.      Religionsfreiheit

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 30.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha´i und Christen machen weniger als ein Prozent der Bevölkerung aus (AA 2.9.2019; vgl. CIA 30.4.2019, USDOS 21.6.2019); in Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan (UP 16.8.2019; vgl. BBC 11.4.2019). Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 4.2.2019, MPI 2004). Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist (USODS 21.6.2019; vgl. AA 9.11.2016). Im Laufe des Untersuchungsjahres 2018 gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen aufgrund von Blasphemie oder Apostasie (USDOS 21.6.2019). Auch im Berichtszeitraum davor gab es keine Berichte zur staatlichen Strafverfolgung von Apostasie und Blasphemie (USDOS 29.5.2018).

Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen berichteten, dass sie weiterhin vor Bestrafung durch Regierung sowie Repressalien durch Familie und Gesellschaft fürchteten. Das Gesetz verbietet die Produktion und Veröffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen (USDOS 21.6.2019). Das neue Strafgesetzbuch 2017, welches im Februar 2018 in Kraft getreten ist (USDOS 21.6.2019; vgl. ICRC o.D.), sieht Strafen für verbale und körperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (USDOS 21.6.2019).

Das Zivil- und Strafrecht basiert auf der Verfassung; laut dieser müssen Gerichte die verfassungsrechtlichen Bestimmungen sowie das Gesetz bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. In Fällen, in denen weder die Verfassung noch das Straf- oder Zivilgesetzbuch einen bestimmten Rahmen vorgeben, können Gerichte laut Verfassung die sunnitische Rechtsprechung der hanafitischen Rechtsschule innerhalb des durch die Verfassung vorgegeben Rahmens anwenden, um Gerechtigkeit zu erlangen. Die Verfassung erlaubt es den Gerichten auch, das schiitische Recht in jenen Fällen anzuwenden, in denen schiitische Personen beteiligt sind. Nicht-Muslime dürfen in Angelegenheiten, die die Scharia-Rechtsprechung erfordern, nicht aussagen. Die Verfassung erwähnt keine eigenen Gesetze für Nicht-Muslime (USDOS 21.6.2019).

Anmerkung: Zu Konversion, Apostasie und Blasphemie siehe Unterabschnitt 15.5.

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsalierung gegenüber religiösen Minderheiten und reformerischen Muslimen behindert (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 21.6.2019).

Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 4.2.2019). Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 4.2.2019). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 21.6.2019).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (USDOS 21.6.2019). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind gültig (USE o.D.). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über das Religionsbekenntnis. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 21.6.2019).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 21.6.2019).

Quellen:

[...]

17.2.   Christentum und Konversion zum Christentum

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha‘i, Hindus und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden (USDOS 21.6.2019). USDOS schätzte im Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2009 die Größe der geheimen christlichen Gemeinschaft auf 500 bis 8.000 Personen (USDOS 26.10.2009). Religiöse Freiheit für Christen in Afghanistan existiert; gemäß der afghanischen Verfassung ist es Gläubigen erlaubt, ihre Religion in Afghanistan im Rahmen der Gesetze frei auszuüben. Dennoch gibt es unterschiedliche Interpretationen zu religiöser Freiheit, da konvertierte Christen im Gegensatz zu originären Christen vielen Einschränkungen ausgesetzt sind. Religiöse Freiheit beinhaltet nicht die Konversion (RA KBL 1.6.2017).

Tausende ausländische Christen und einige wenige Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Es gibt kleine Unterschiede zwischen Stadt und Land. In den ländlichen Gesellschaften ist man tendenziell feindseliger (RA KBL 1.6.2017).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 2.9.2019). Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam (LIFOS 21.12.2017). Laut islamischer Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken (USDOS 21.6.2019).

Konvertiten vom Islam zum Christentum werden von der Gesellschaft nicht gut behandelt, weswegen sie sich meist nicht öffentlich bekennen. Zur Zahl der Konvertiten gibt es keine Statistik. In den meisten Fällen versuchen die Behörden Konvertiten gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potenzielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden (RA KBL 1.6.2019).

Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens (AA 2.9.2019; vgl. USCIRF 4.2018, USDOS 21.6.2019), da es keine öffentlich zugänglichen Kirchen im Land gibt (USDOS 21.6.2019; vgl. AA 2.9.2019). Einzelne christliche Andachtsstätten befinden sich in ausländischen Militärbasen. Die einzige legale christliche Kirche im Land befindet sich am Gelände der italienischen Botschaft in Kabul (WA 11.12.2018; vgl. AA 2.9.2019). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung dieser katholischen Kapelle unter der Bedingung, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Missionierung vermieden werde (KatM KBL 8.11.2017).

Gemäß hanafitischer Rechtsprechung ist Missionierung illegal; Christen berichten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Es gibt keine Berichte zu staatlicher Verfolgung aufgrund von Apostasie oder Blasphemie (USDOS 21.6.2019).

Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und missionieren (USDOS 21.6.2019). Ein christliches Krankenhaus ist seit 2005 in Kabul aktiv (CURE 8.2018); bei einem Angriff durch einen Mitarbeiter des eigenen Wachdienstes wurden im Jahr 2014 drei ausländische Ärzte dieses Krankenhauses getötet (NYP 24.4.2014). Auch gibt es in Kabul den Verein „Pro Bambini di Kabul“, der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht. Dieser betreibt eine Schule für Kinder mit Behinderung (PBdK o.D.; vgl. AF 4.1.2019).

Quellen:

[...]

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu den Personalien, der Muttersprache und der Volksgruppe des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglich unbedenklichen Angaben.

Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung, wo am 15.06.2020 auch für die belangte Behörde unstrittig war, dass im Strafregister der Republik Österreich nur eine phonetisch ähnlich klingende Person wie der Bf, allerdings mit anderen Eltern als der Bf, als vorbestraft aufscheint.

Die Feststellung zum Religionsbekenntnis des Beschwerdeführers ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Der Beschwerdeführer wurde zum Hergang seiner Konversion vom Islam zum Christentum, nämlich zum evangelischen Glauben Augsburger Bekenntnisses, zu grundlegenden Inhalten des evangelischen Glaubens, zur Bedeutung des Glaubens für ihn selbst, zu den von ihm praktizierten religiösen Handlungen und dem Unterschied zwischen Christentum und Islam befragt. Weiters wurde die Person, die ihn seit der Taufvorbereitung begleitet, als Zeugin vernommen.

Zum Hergang der Konversion gab er zuerst an, dass er eine Speicherkarte mit Liedern und Filmen, später auch Bücher erhalten hat. Näher zu seinen Beweggründen für die Konversion, insbesondere zur Frage, warum er nicht nur vom Glauben abgefallen (Apostasie) ist, sondern sich gleichzeitig einer anderen Religion zugewandt hat, befragt, konnte der Beschwerdeführer ausführlich Auskunft geben. Er führte an, dass er im Islam keine positiven Dinge erlebt hat, im Christentum er aber die Liebe von Jesus Christus für die Menschen gesehen hat. Der Beschwerdeführer war mit dem Islam völlig unzufrieden, weil die Muslime aus Gott etwas gemacht haben, wovor man Angst haben muss. Auch führte er aus, dass jeder Mensch einen Gott braucht, an den der glauben kann, zu dem er beten und mit dem er kommunizieren kann. Zuletzt führte der Beschwerdeführer aus, dass das Christentum für ihn keine Religion, sondern vielmehr ein Weg der Befreiung sei.

Zum von der belangten Behörde verlangten Schlüsselerlebnis für eine Konversion ist folgendes auszuführen: Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan in einer streng muslimischen Familie erzogen. Er hat ausgeführt, dass seine Erlebnisse mit dem Islam immer nur negativ behaftet waren. Deshalb geht das Gericht im vorliegenden Fall davon aus, dass es beim Beschwerdeführer keines gemeinhin einschneidenden Erlebnisses bedarf, um seine bisherigen negativen religiösen Erfahrungen (hier: mit dem Islam) hinter sich zu lassen und die positiven religiösen Erlebnisse (hier: mit dem Christentum) als Anlass zu nehmen, zu dieser als positiv wahrgenommenen Religion zu wechseln. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass jemand, der mit dem Islam negative Erfahrungen gemacht hat, nicht nur vom Glauben abfällt (Apostasie), wenn er, wie es beim Beschwerdeführer der Fall ist, einen Gott braucht, an den er glauben kann.

Zu den wesentlichen Inhalten der Glaubenslehre befragt konnte der Beschwerdeführer Angaben machen zum Monotheismus, zu den zwei Teilen der Bibel, zu Abraham, zu seiner Lieblingsstelle der Bibel (Joh, 8 „Licht der Welt"), zu einigen Grundsätzen des christlichen Lebens (Du sollst nicht stehlen; Du sollst den Sabbath ehren), zur Dreifaltigkeit, der Beschwerdeführer wusste, dass Jesus für die Sünden der Menschen gekreuzigt wurde, er wusste um die Bedeutung Martin Luthers, er nannte zwei Sakramente der Protestanten, führte aus, dass Moses die zehn Gebote aufgeschrieben hat und nannte dann zumindest neun Gebote. Darauf angesprochen rezitierte der Beschwerdeführer letztlich auch das Vaterunser.

Wissenslücken taten sich beim Beschwerdeführer nur bei der Unterscheidung zwischen Augsburger und Helvetischem Bekenntnis auf, bzw wusste er nur nicht, was die vom Behördenvertreter hinterfragte Confessio Augustana ist.

Auf die Bedeutung des evangelischen Glaubens für ihn angesprochen, gab er an, dass er im Christentum seinen Frieden gefunden hat und jeder Mensch einen Gott braucht, an den er glauben, zu dem er beten, dem er seine Probleme mitteilen und mit dem er kommunizieren kann. Er hat am 20.04.2019 das Sakrament der Taufe empfangen.

Der Beschwerdeführer besucht in Österreich seit Juni 2018 regelmäßig die Kirche. Die Messe am Sonntag, die er regelmäßig besucht, ist für ihn sehr wichtig. Durch seine Freunde wird ihm die Bibel vorgelesen (er kann Farsi nicht lesen), auch informiert sich der Beschwerdeführer über das Christentum mittels YouTube. Der Beschwerdeführer verheimlicht seinen christlichen Glauben nicht, er hat es sowohl seinem persönlichen Umfeld in Österreich als auch seinem Onkel in Deutschland und seiner Familie erzählt. Der Beschwerdeführer sagte dazu, dass er seinen Glauben nicht leugnen will, weil Jesus Christus gesagt hat, dass er jene vor Gott leugnen werde, die ihn verleugnen. Seine Eltern haben daraufhin den Kontakt mit ihm abgebrochen.

Zum Unterschied zwischen dem Islam und dem Christentum führte der Beschwerdeführer aus, dass man sich nach dem Tod im Islam für die Sünden verantworten muss, dass es viele Feindseligkeiten gibt, dass Männer und Frauen im Islam nicht dieselben Rechte haben, dass ein Mann sich mehrere Frauen nehmen kann, dies umgekehrt für die Frau aber nicht möglich ist, dass Frauen gesteinigt werden und dass es viele verschiedenste Feindseligkeiten gegenüber Frauen gibt. Demgegenüber wird man als Christ von seinen Sünden befreit, es gibt keine Feindseligkeiten, man soll auch zu seinen Feinden liebevoll sein und zuletzt merkte der Beschwerdeführer an, dass Jesus barmherziger als alle anderen Propheten des Islam gewesen ist.

Näher dazu befragt zählte der Beschwerdeführer auch einige Unterschiede zwischen dem katholischen und dem protestantischen Glauben auf, insbesondere die Verehrung von Maria und die unterschiedliche Anzahl an Sakramenten.

Weiters ergeben sich die Feststellungen aus den überzeugenden Angaben der glaubwürdigen Zeugin Edith AVERY, die bei der Spende des Sakraments der Taufe an den Beschwerdeführer assistiert hat. Sie ist Gemeindevertreterin der evangelischen Gemeinde, bekennt sich insoweit zum christlichen Glauben und ist gemeinsam mit einer Kollegin mit einem Teil der Flüchtlingsarbeit in der Gemeinde betraut. Sie berichtete unter anderem von einer kleinen Bibelrunde, in der sie beobachten konnte, dass der Beschwerdeführer sehr interessiert war, neues zu lernen, den Willen Gottes kennen zu lernen. In dieser Bibelrunde wurde auch die Bedeutung von Psalm acht besprochen. Nachdem der Beschwerdeführer selbst nicht Farsi lesen kann, wurde es ihm in Farsi vorgelesen und er musste dazu Aussagen treffen. Er hat sich auch mit anderen Christen aus Afghanistan und dem Iran getroffen, um Sonntagspredigten zu verstehen und aufzuarbeiten. Der Beschwerdeführer ist darauf angewiesen, durch sprachliche Audiobotschaften zu verstehen und zu lernen, die Zeugin weiß, dass es regelmäßige Kommunikation zwischen dem Beschwerdeführer und gleichgesinnten Christen aus dem Iran und Afghanistan gibt. Der Beschwerdeführer ist fleißig und mit Freude in der Gemeinde engagiert und hilft, wo er kann. Beispielsweise hat er der Frau Pfarrer beim Übersiedeln geholfen. Im Gottesdienst erlebt die Zeugin ihn als freudig, offen und diskussionswillig über den Inhalt der Predigt. Befragt zur vom Behördenvertreter angesprochenen Confessio Augustana konnte auch die Zeugin keine Auskunft geben, meinte jedoch, dass das wohl etwas Katholisches sein müsse. Auf die Problematik der Scheinkonversion angesprochen gab die Zeugin zu Protokoll, dass sie ihrem Empfinden nach keine Scheinkonversion erkennen kann. Sie bemerkt in den Zusammenkünften vielmehr, dass der Beschwerdeführer nach Gottes Willen forscht und er zu 99 % weiterhin evangelisch bleiben wird und im Glauben wachsen möchte.

Die belangte Behörde führte aus, dass es sich im vorliegenden Fall eindeutig um eine Scheinkonversion handle. Dies leitet sie auch aus der Tatsache ab, dass der Beschwerdeführer seine Konversion auch in der Verhandlung vom Juni 2020 nicht als ersten Fluchtgrund genannt hat. Weiters wären die Angaben des Beschwerdeführers der belangten Behörde insgesamt zu stereotyp, beispielsweise was die Ungleichbehandlung von Frauen anbelangt, die Liebe im Christentum und den Islam als Religion der Angst. Negativ fällt der belangten Behörde hier auf, dass der Beschwerdeführer nicht weiß, ob er Helvetischen oder Augsburger Bekenntnisses ist. Auch die Frage nach der Barmherzigkeit wärer nicht bzw nur ausweichend beantwortet worden. Auch hat der Beschwerdeführer zum Thema der Unterschiede zwischen dem Islam und dem Christentum nur ausweichend geantwortet. Die belangte Behörde geht weiters davon aus, dass viele Ungereimtheiten und Widersprüche vorliegen würden, beispielsweise seien Sakramente falsch genannt worden, weiters sei nicht nachvollziehbar, dass vier Filme der Grund für eine Konversion sind. Der Reformationstag ist kein Sakrament, dies hat auch die Zeugin falsch vorgebracht. Auch habe Martin Luther die Kirche nicht getrennt, sowie der Beschwerdeführer das angeführt hat. Eine Trennung der Kirche war jedenfalls nie Absicht von Luther. Die belangte Behörde will auch einen Widerspruch erkennen in den Aussagen, dass Jesus barmherziger als alle anderen Propheten des Islam gewesen sei, andererseits hat der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er stets nur vom Dschihad gehört habe und den Koran nicht kenne.

Auch habe der Beschwerdeführer die Kirche schon früher besucht als vorgebracht. Nicht nachvollziehbar ist der Grund für die Konversion, vier Filme und ein paar Lieder könnten nicht ausschlaggebend sein. Ebenso falle das Nichtwissen über den Gedenktag des 25. Juni an die Confessio Augustana negativ auf, diesbezüglich wird die Eignung der Zeugin in Zweifel gezogen, die diesen Gedenktag ebenfalls nicht kannte. Zum Thema der Confessio Augustana führt die belangte Behörde einen Auszug aus Wikipedia an.

Weiters geht die belangte Behörde davon aus, dass eine Scheinkonversion vorliege, weil das aus ihrer Sicht absolut notwendige innere Zwiegespräch nicht schlüssig dargestellt werden konnte. Auch ist es für die belangte Behörde nicht logisch nachvollziehbar, weshalb ein unzufriedener Moslem konvertiert und sich nicht bloß vom Islam distanziert, da die bloße Nichtausübung religiöser Riten in den Großstädten gemäß ACCORD-Berichten nicht dergestalt sei, dass daraus eine asylrelevante Rückverfolgung entsteht. Die Qualifikation der Zeugin wird in Zweifel gezogen, weil sie den Gedenktag des 25. Juni nicht kannte und auch bei den Sakramenten in keiner Weise Sattel fest war.

Diese Zweifel an der glaubhaften Konversion sind zurückzuweisen, dies aus folgenden Gründen: Das Gericht hat aufgrund von Fakten und nicht aufgrund von Zufälligkeiten, wie beispielsweise der Reihung von Asylgründen, zu entscheiden. Wenn die belangte Behörde vorbringt, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu stereotyp gewesen seien, so ist die belangte Behörde darauf aufmerksam zu machen, dass die reine Wiedergabe religiöser Inhalte bezüglich jeder Konfession als stereotyp erscheinen kann, einen Beweiswert kann das Gericht darin nicht erkennen. Warum die belangte Behörde gerade die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen im Islam als stereotyp betrachtet, entzieht sich der Kenntnis des Gerichts, ist aber letztlich nicht von Bedeutung, da die Angaben des Beschwerdeführers diesbezüglich jedenfalls als richtig einzustufen sind. Auch ist nicht nachvollziehbar, warum die Bedeutung der Liebe für das Christentum als stereotyp bewertet wird, die Liebe auch für die eigenen Feinde ist eine wichtige Aussagen eines zentralen Teils der Bibel, nämlich der Bergpredigt. Der Beschwerdeführer hat nachvollziehbar ausgeführt, warum er Islam mit Angst verbindet; ein Argument, welches dieses Vorbringen als nicht zutreffend erscheinen lässt, hat die belangte Behörde nicht erstattet. Beizupflichten ist der belangten Behörde dem Grunde nach, wenn sie auf die Wissenslücken des Beschwerdeführers anspricht. Nachdem der Beschwerdeführer jedoch nicht Theologie studiert, sind Wissenslücken etwas Verständliches und für die Frage der Konversion und der inneren Überzeugung zum Glauben nicht relevant. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer sonst sehr umfassendes Wissen zum evangelischen Glauben vorgebracht hat.

Insgesamt besteht für das Gericht dz kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer glaubhaft und nicht bloß zum Schein Mitglied der Evangelischen Kirche, A B, geworden ist

Die Judikatur zu Fragen der Konversion, ihres Nachweises und ihrer asylrechtlichen Relevanz stellt sich insoweit wie folgt dar:

Für die Beurteilung, ob es sich bei der Konversion des Beschwerdeführers um eine Scheinkonversion handelt, kommt der Frage der inneren (Glaubens-)Überzeugung des Beschwerdeführers maßgebliche Bedeutung zu. Für diese Beurteilung ist insbesondere der persönliche Eindruck des Beschwerdeführers wesentlich. Einen solchen Eindruck vermag vor dem Hintergrund des hier vorliegenden Falles aber nur eine Einvernahme in einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu vermitteln. (VfGH 27.11.2019, E 2522/2018)

In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist (Hinweis E vom 23. Juni 2015, Ra 2014/01/0210, mwN). Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (Hinweis E vom 23. Juni 2015, Ra 2014/01/0117, mwN). Die bloße Behauptung eines "Interesses am Christentum" reicht zur Geltendmachung einer asylrechtlich relevanten Konversion zum Christentum nicht aus.

Es ist festzuhalten, dass bei "theologischen Wissenslücken" keine überzogene Erwartungshaltung an das diesbezügliche Wissen des Asylwerbers anlegt werden darf (vgl. VwGH 14.3.2019, Ra 2018/18/0441). Aber auch bei der Beurteilung, welches Wissen konkret von einem Asylwerber erwartet werden kann, handelt es sich letztlich immer um eine Beurteilung im Einzelfall, bei der auch sonstige nach der konkreten Sachlage maßgebliche Umstände zu berücksichtigen sind (- etwa, wenn es um Wissen geht, von dem angenommen werden kann, dass es eine die Konvertierung ernsthaft anstrebende Person jedenfalls erworben hat, umso mehr wenn sie angibt, an bestimmten kirchlichen Unterrichtseinheiten teilgenommen zu haben, VwGH 25.03.2020, Ra 2020/14/0130).

Zusammenfassend ergibt sich für das Gericht folgendes Bild: Der Beschwerdeführer hinterließ beim Gericht einen glaubwürdigen Eindruck. Er konnte den Hergang und die Motivation seiner Konversion vom Islam zum Christentum darlegen. Er konnte grundlegende Inhalte des evangelischen Glaubens zitieren, wobei angenommen werden konnte, dass der Beschwerdeführer das von ihm wiedergegebene Wissen besitzt. Wissen zu einem evangelischen Gedenktag, welches auch gläubige Protestanten, die ihr Wissen an Taufkandidaten weitergeben, nicht besitzen, kann von einem Taufkandidaten auch nicht angenommen werden. Es traten dabei auch einige Wissenslücken auf, die jedoch in einer Gesamtschau jedenfalls nicht derart gravierend sind, dass man die innere Überzeugung des Beschwerdeführers in Zweifel ziehen könnte. Der Beschwerdeführer traf klare Aussagen zur Frage, was der evangelische Glaube für ihn bedeutet, das Gericht konnte sich ein Bild von jenen Handlungen machen, die der Beschwerdeführer im religiösen Umfeld seiner Gemeinde vollzieht, der Beschwerdeführer ist auch soweit mit dem Christentum vertraut, dass er Unterschiede zwischen dem Christentum und dem Islam aufzählen konnte. Zuletzt ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in Österreich als Christ getauft wurde und dass die Person, die ihn seit der Taufvorbereitung begleitet und vom Bundesverwaltungsgericht als Zeugin vernommen wurde, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer auch in Zukunft gläubig sein wird, weil sie bei ihm keinerlei Anzeichen für eine Scheinkonversion erkennen kann und daher davon ausgeht, dass er aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert ist.

Es war somit festzustellen, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung protestantischer Christ Augsburger Bekenntnisses geworden ist.

2.3. Zur Situation im Herkunftsstaat

Angesichts der Seriosität der Quelle und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben des LIB zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Sie erweisen sich für das Vorbringen des Beschwerdeführers auch als hinreichend aktuell und es hat sich seither aufgrund des Amtswissens die Lage im Heimatland nicht maßgeblich geändert, sodass dieser Länderbericht den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnte. Der zitierte Länderbericht enthält eine Vielzahl von Berichten, legt damit ein ausgewogenes Bild betreffend die Situation in Afghanistan dar und bezieht sich zudem auch auf die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers. Da das LIB idF 29.06.2020 zur Verhandlung ausgeschickt wurde, ist festzuhalten, dass das aktuellere LIB idF 21.07.2020 fallbezüglich keinen relevanten Änderungen enthält.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.    Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides
Asyl

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung droht.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (VwGH 31.07.2018, Ra 2018/20/0182). Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011).

Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; VwGH 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse, sondern erfordert eine Prognose (VwGH 16.02.2000, 99/01/0397). Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Einer von Privatpersonen und privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 21.04.2011, 2011/01/0100). Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines – asylrelevante Intensität erreichenden – Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119; 28.10.2009, 2006/01/0793, mwN). Die Richtlinie (EU) 2011/95 (Statusrichtlinie) sieht einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119).

Abgesehen davon, dass einer derartigen, nicht vom Staat sondern von Privatpersonen ausgehenden Bedrohung nur dann Asylrelevanz zuzubilligen wäre, wenn solche Übergriffe von staatlichen Stellen geduldet würden (VwGH 10.03.1993, 92/01/1090) bzw wenn der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt wäre, diese Verfolgung hintanzuhalten, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausdrücklich klargestellt, dass die Asylgewährung für den Fall einer solchen Bedrohung nur dann in Betracht kommt, wenn diese von Privatpersonen ausgehende Verfolgung auf Konventionsgründe zurückzuführen ist (vgl etwa VwGH 23.11.2006, 2005/20/0551).

Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Im Falle der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können positive Feststellungen von der Behörde nicht getroffen werden (vgl VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0058). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051). Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (VwGH 15.03.2016, Ra 2015/01/0069, Rz 16).

Gemäß § 3 Abs 3 Z 1 und § 11 Abs 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann („innerstaatliche Fluchtalternative“). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 zB VwGH 15.03.2001, 99/20/0036 und 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist – wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert – nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen – mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates – im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer „inländischen Flucht- oder Schutzalternative“ (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; VwGH 08.09.1999, 98/01/0614).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 22.10.2002, 2000/01/0322; VwGH 09.03.1999, 98/01/0370;). Dabei reicht für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0089).

Auch aus einer Mehrzahl allein jeweils nicht ausreichender Umstände im Einzelfall kann sich bei einer Gesamtschau die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem oder mehreren von asylrelevanten Gründen ergeben (vgl dazu VwGH 26.06.1996, 95/20/0423).

Daraus ergibt sich in der Sache:

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine „begründete Furcht vor Verfolgung aus religiösen Gründen“ im Sinne von Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, gegeben, da der Beschwerdeführer zum christlichen Glauben konvertiert ist und damit ausweislich des LIB zu Afghanistan asylrelevant in Gesamtafghanistan bedroht ist (- insoweit zB das LIB: [...] Todesstrafe [...] ... Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 2.9.2019). ...). Mangels behaupteter oder sonst vorgebrachter Asylausschlussgründe war daher der Beschwerde im Asylpunkt stattzugeben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung befristete Aufenthaltsberechtigung gesamtes Staatsgebiet Konversion Nachfluchtgründe Religion staatliche Verfolgung strafrechtliche Verfolgung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W131.2160843.1.00

Im RIS seit

11.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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