Entscheidungsdatum
31.08.2020Norm
ASVG §113 Abs1 Z1Spruch
L511 2170292–1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. MORY, gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse) vom 23.05.2017, Zahl: XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 08.08.2017, Zahl: XXXX , zu Recht:
A)
In teilweiser Stattgabe der Beschwerde wird der vorgeschriebene Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955 (ASVG), auf EUR 400,00 reduziert.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Verfahren vor der Gebietskrankenkasse
1.1. Gegenständliches Verfahren wurde durch Anzeige der Finanzpolizei an die Salzburger Gebietskrankenkasse [SGKK] vom 05.05.2017, FA-GZ XXXX , eingeleitet. Demnach seien bei einer Kontrolle am 19.04.2017 um 09:50 Uhr auf der Baustelle „ XXXX , XXXX “ [Cafe] Herr XXXX [AM], geb. am XXXX 1992, und Herr XXXX [MS], geb. am XXXX 1989, für die XXXX [im Folgenden auch T] arbeitend angetroffen worden.
Der Anzeige waren die Kopie des Strafantrages an den Magistrat Salzburg vom 05.05.2017, FA-GZ XXXX , ein Aktenvermerk, Firmenbuchauszüge, Auszüge aus dem Elektronischen Datensammelsystem der Sozialversicherungsträger [ELDA], Internetausdrucke zum Cafe, Niederschriften mit AM, Frau XXXX , sowie Personenblätter von AM und MS beigelegt (als PDF-Datei vorgelegte Aktenteile [PDF] 2/20-53).
1.2. Mit Bescheid vom 23.05.2017, GZ: XXXX , verpflichtete die SGKK die T als Dienstgeberin im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG aufgrund der Meldepflichtverletzung betreffend die Beschäftigung von AM am 19.04.2017 gemäß § 113 Abs. 1 Z1 und Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der gesetzlich festgelegten Höhe von EUR 1.800,00 umgehend an die SGKK zu entrichten. Die Verpflichtung sei unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der §§ 30, 33, 35 Abs. 1, 111 Abs. 1, 111a sowie 113 ASVG ausgesprochen worden. Der Strafantrag der Finanzpolizei vom 05.05.2017 sei beigelegt worden und stelle einen integrierten Bestandteil des vorliegenden Bescheides dar (PDF 2/13-18).
Begründend wurde ausgeführt, dass bei einer Überprüfung durch Prüforgane der Abgabenbehörden des Bundes am 19.04.2017 um 09:50 Uhr festgestellt worden sei, dass die Arbeitnehmer AM und MS arbeitend für den Betrieb der T angetroffen worden seien, ohne bei der SGKK gemeldet gewesen zu sein. Die Feststellungen aus dem Strafantrag der Finanzpolizei würden zum Sachverhalt des Bescheides erklärt.
1.3. Mit Schreiben vom 23.06.2017 wurde gegen den am 29.05.2017 zugestellten Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben (PDF 1/38-53 [=1/54-57, 2/1-11]).
Begründend wurde ausgeführt, AM sei ohne Auftrag und Wissen der beschwerdeführenden Partei und der ihr zuzurechnenden Personen tätig geworden. Die Schlüsselübergabe für das in Renovierung befindliche Cafe am Tag vor der Betretung sei lediglich zum Zwecke der Besichtigung der an den Fenstern zu verrichtenden Arbeiten erfolgt. Sowohl Arbeitsbeginn, als auch Entgelt, Dauer und Umfang der Beschäftigung hätten erst vereinbart werden müssen. Es war beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis erst nach Rückkehr des für die Meldungserstattung zuständigen Arbeitnehmers der beschwerdeführenden Partei XXXX [WF] zu begründen. MS sei von AM ohne Wissen der beschwerdeführenden Partei und der ihr zuzurechnenden Personen als Helfer beigezogen worden.
Kritisiert wurde die fehlende Einvernahme mittels Dolmetscher, da sowohl AM als auch MS nur geringe Deutschkenntnisse aufwiesen.
1.4. Im fortgesetzten Ermittlungsverfahren vernahm die SGKK AM und MS unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache arabisch (PDF 1/22-28).
1.5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 08.08.2017, Zahl: XXXX zugestellt am 07.05.2020, wies die SGKK im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung [BVE] gemäß § 14 VwGVG die am 26.06.2017 bei der SGKK eingelangte Beschwerde ab (PDF 1/11-21).
Ergänzend zum Bescheid wurde ausgeführt, dass die Einvernahmen mit Dolmetscherin ergeben hätten, dass sowohl AM, als auch MS am Betretungstag für die T tätig gewesen seien. Und die T AM auch einen Schlüssel ausgehändigt hatte, damit dieser seine Arbeit verrichten könne.
1.6. Mit Vorlageantrag vom 23.08.2017 beantragte die T fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (PDF 1/1-9) und führte wie bereits in der Beschwerde aus.
2. Die SGKK legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 11.09.2017 die Beschwerde samt nicht durchnummerierten Auszügen aus dem Verwaltungsakt in elektronischer Form vor (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1 [PDF-Seiten 1/1-57, 2/1-53]).
2.1. Das BVwG führte am 26.08.2020 eine Abfrage beim Dachverband der österreichischen Sozialversicherung betreffend AM und MS durch (OZ 2, 3).
Demnach war AM bei der T von 19.04.2017 bis 31.07.2017 als geringfügig beschäftigter Arbeiter und seit 01.08.2017 als vollversicherungspflichtiger Arbeiter zur Sozialversicherung angemeldet. MS war von 24.04.2017 bis 16.06.2017 als geringfügig beschäftigter Arbeiter bei der T zur Sozialversicherung angemeldet.
II. ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. Anlässlich einer Kontrolle durch Prüforgane der Abgabenbehörden des Bundes am 19.04.2017 wurden AM und MS auf der Baustelle bei Tätigkeiten für die T angetroffen. AM wurde bei Schleifarbeiten an einem Fenster, MS beim Lackieren eines Fensters angetroffen (Anz PDF 43, 48).
1.2. Zum Zeitpunkt der Betretung waren weder AM, noch MS zur Sozialversicherung angemeldet (BVE S3, Bsw S7 PDF1/44).
1.3. Zwischen der T und AM war vor dem Betretungszeitpunkt über eine beabsichtigte Beschäftigung gesprochen worden und AM erhielt am 18.04.2017 von der T einen Schlüssel für das in Renovierung befindliche Gebäude.
Die T ist bei der Schlüsselübergabe davon ausgegangen, dass AM sich ein Bild von den nötigen Arbeiten machen und in der Folge eine Entscheidung treffen solle, ob er die Arbeiten durchführen könne. Die Arbeitsaufnahme selber hätte erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen sollen, weil FW, der üblicherweise die Anmeldung von Mitarbeitern beim Steuerberater veranlasse, in der Woche des 19.04.2017 auf Urlaub war und die Anmeldung von AM nicht vornehmen hätte können. Tatsächlich hat AM am Tag nach der Schlüsselübergabe zu arbeiten begonnen. AM war bei der T von 19.04.2017 bis 31.07.2017 als geringfügig beschäftigter Arbeiter zur Sozialversicherung angemeldet. Seit 01.08.2017 steht er in einem vollversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis zur T (NS AM PDF1/22-24; Bsw S4-6 PDF1/41-43; OZ 2).
1.4. MS ist der Onkel von AM. Er wollte seinen Neffen am 19.04.2017 bei seiner Tätigkeit unterstützen und hat ihm gezeigt, wie er etwa die Fenster streichen solle. Er war den Verantwortlichen der T zum Betretungszeitpunkt unbekannt, trat aber in der Folge ein Arbeitstverhältnis bei der T an und war von 24.04.2017 bis 16.06.2017 als geringfügig beschäftigter Arbeiter zur Sozialversicherung angemeldet (NS MS PDF1/25-27; Bsw S6-7 PDF1/43-44; OZ 3).
1.5. AM und MS sprechen arabisch und verfügten zum Betretungszeitpunkt nur über eingeschränkte Deutschkenntnisse (Bsw S5 PDF 1/42, NS PDF1/26, PDF1/23).
1.6. Es handelte sich um den ersten Meldeverstoß der beschwerdeführenden Partei.
2. Beweiswürdigung und Beweisaufnahme
2.1. Die Beweisaufnahme, aus der sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt, erfolgte durch Einsicht in die im Folgenden gelisteten von den Verfahrensparteien vorgelegten oder vom BVwG erhobenen Dokumenten und Unterlagen
? Anzeige vom 05.05.2017 samt Beilagen [Anz]
? Beschwerde [Bsw] und Vorlageantrag [VA]
? Bescheid [B] und Beschwerdevorentscheidung [BVE]
? Niederschriften [NS] von AM und MS
? SV-Abfrage (OZ 2, 3)
2.2. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unmittelbar ohne weitere Interpretation aus den vorliegenden jeweils angeführten Aktenteilen und sind zwischen den Verfahrensparteien unstrittig.
2.2.1. Dass es sich um den ersten Meldeverstoß handelt, ergibt sich aus dem vorliegenden Verfahrensakt der ÖGK, dem keine gegenteiligen Hinweise zu entnehmen sind.
3. Entfall der mündlichen Verhandlung
3.1. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).
3.2. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der sich aus dem Akteninhalt ergebende Sachverhalt ist in den entscheidungswesentlichen Punkten weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig (vgl. dazu VwGH 19.09.2018, Ra2018/11/0145).
4. Rechtliche Beurteilung
4.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die GKK im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).
4.1.2. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung, wobei der Ausgangsbescheid Maßstab dafür bleibt, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht, da sich diese den Ausgangsbescheid richtet und ihre Begründung auf diesen beziehen muss (VwGH 20.05.2015, Ra 2015/09/0025; 17.12.2015, Ro2015/08/0026).
4.1.3. Die Beschwerde und der Vorlageantrag sind rechtzeitig und auch sonst zulässig (§ 7, § 9 VwGVG).
4.2. Zur Vorfrage des Vorliegens einer Dienstnehmereigenschaft
4.2.1. Die Vorschreibung von Beitragszuschlägen nach § 113 Abs. 1 Z1 ASVG setzt voraus, dass eine Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde. Die Behörde hat, soweit über diese Frage nicht bereits eine bindende Entscheidung vorliegt, diesen Umstand als Vorfrage zu klären (VwGH 29.01.2014, 2014/08/0004 mwN; 14.02.2013, 2010/08/0010).
4.2.2. Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
4.2.3. Dass die Tätigkeit von AM und von MS dem Grunde nach eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit darstellt und sie diese für die T ausübten, wurde auch von der beschwerdeführenden T nicht bestritten. Strittig ist die Frage, ob bereits zum Betretungszeitpunkt ein Dienstverhältnis bestanden hat.
4.2.3.1. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden.
Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt es dabei auf den tatsächlichen und nicht auf den vereinbarten Arbeitsantritt an. Weder beginnt die Pflichtversicherung mit dem vereinbarten Arbeitsbeginn oder gar mit dem Vertragsabschluss selbst, wenn die Beschäftigung erst später aufgenommen wird; noch hindert umgekehrt die Vereinbarung eines erst späteren Arbeitsantritts den Beginn der Pflichtversicherung, wenn ein Dienstnehmer bereits Arbeitsleistungen erbracht hat (vgl. dazu insbesondere VwGH 17.12.2015, 2013/08/0222; 04.09.2013, 2011/08/0037; 18.02.2004, 2000/08/0180 mwN sowie Julcher in Mosler/Müller/Pfeil (Hrsg.), SV-Kommentar § 10 Rz 1).
4.2.3.2. AM und MS waren unbestrittenermaßen zum Betretungszeitpunkt für die T tätig, was eine tatsächliche Arbeitsaufnahme im Sinne der Judikatur darstellt.
4.2.3.3. Zum Vorbringen, es sei nur eine Besichtigung durch AM vereinbart gewesen, ist darauf zu verweisen, dass es dem Dienstgeber obliegt, sicherzustellen, dass ein Arbeitsantritt nicht vor der Anmeldung erfolgt (vgl. VwGH 27.04.2020, Ra2019/08/0080; 12.10.2017, Ra2015/08/0082). Durch die Schlüsselübergabe für das in Renovierung befindliche Gebäude an AM, hat die T die Arbeitsaufnahme vor Anmeldung ermöglicht.
4.2.3.4. Soweit die T vorbringt es sei kein Entgelt vereinbart worden, ist darauf hinzuweisen, dass auch ohne ausdrücklich vereinbartes Entgelt Anspruch auf den kollektivvertraglichen bzw. angemessenen Lohn besteht (vgl. VwGH 14.03.2013, 2010/08/0229; 14.02.2013, 2012/08/0023 unter Hinweis auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes ArbSlg. 8457).
4.2.3.5. Wenngleich MS der T zum Betretungszeitpunkt völlig unbekannt gewesen ist, und dieser nur seinem Neffen AM helfen wollte, ist dessen Tätigkeit der T zuzurechnen (vgl. zur Unerheblichkeit gefälligkeitshalber geförderter Interessen Dritter bzw. indirekter Freundschaftsdienste für viele VwGH 13.03.2017, Ra2017/08/0014).
4.2.4. Zum Zeitpunkt der Betretung lag daher jeweils ein anmeldepflichtiges Dienstverhältnis iSd § 4 Abs. 2 ASVG zwischen der T und AM und der T und MS vor.
4.3. zum Beitragszuschlag nach § 113 ASVG
4.3.1. Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG können den in § 111 Abs. 1 genannten Personen (Stellen) [Dienstgeber, sonstige nach § 36 meldepflichtige Personen (Stellen) oder bevollmächtigte Personen nach § 35 Abs. 3] Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde (Z1) oder die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde (Z2) oder das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde (Z3) oder ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde (Z4). Gemäß Abs. 2 leg. cit. setzt sich im Fall des Abs. 1 Z 1 der Beitragszuschlag nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf EUR 500 je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf EUR 800. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf EUR 400 herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.
§ 113 Abs. 1 ASVG ist ungeachtet der Überschrift "Strafbestimmungen" des ersten Teiles, Abschnitt VIII, des ASVG nicht als Verwaltungsstrafe, sondern als eine (neben der Bestrafung nach §§ 111, 112 ASVG ermöglichte) wegen des durch die Säumigkeit des Meldepflichtigen verursachten Mehraufwandes in der Verwaltung sachlich gerechtfertigte weitere Sanktion für die Nichteinhaltung der Meldepflicht und damit als ein Sicherungsmittel für das ordnungsgemäße Funktionieren der Sozialversicherung zu werten. Die Frage des subjektiven Verschuldens des Dienstgebers ist daher für das "ob" der Vorschreibung nicht zu untersuchen. Es kommt nur darauf an, dass objektiv ein Meldeverstoß verwirklicht wurde, gleichgültig aus welchen Gründen. (VwGH 10.07.2013, 2013/08/0117 mit Hinweis auf VwGH 20.11.2002, 2000/08/0186; 26.01.2005, 2004/08/0141; vgl. auch VwGH 19.01.2011, 2010/08/0255). Bei dem der Behörde eingeräumten Ermessen [arg. kann] gemäß § 113 Abs. 2 ASVG handelt es sich nicht um ein freies Ermessen, sondern es ist als Ermächtigung zu einer gebundenen Entscheidung zu verstehen (VwGH 17.09.2013, 2011/08/0390 mit Hinweis auf VwGH 21.12.2011, 2008/08/0201). Liegt daher die im Gesetz genannte Voraussetzung einer erstmaligen verspäteten Anmeldung mit unbedeutenden Folgen vor, so hat die Behörde den Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung zur Gänze entfallen zu lassen und den Teilbetrag für den Prüfeinsatz herabzusetzen. Liegen darüber hinaus zusätzlich besonders berücksichtigungswürdige Gründe vor hat auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz zur Gänze zu entfallen (vgl. VwGH 14.01.2013, 2010/08/0077).
4.3.2. Zum Betretungszeitpunkt lag – wie bereits dargelegt – ein entgeltliches Dienstverhältnis zwischen der T und AM und MS vor. Die nicht vorliegende Anmeldung zur Pflichtversicherung zum Betretungszeitpunkt wurde von der T zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens in Abrede gestellt.
4.3.2.1. Soweit die T diesbezüglich vorbringt, zum Betretungszeitpunkt nicht gewusst zu haben, dass AM und MS die Tätigkeit bereits angetreten hatten, da beide keinen konkreten Auftrag dazu hatten, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die T AM bereits einen Schlüssel für das zu renovierende Objekt ausgehändigt hatte, was diesem ermöglichte zu jedem Zeitpunkt in das Gebäude zu gehen und die Tätigkeit aufzunehmen. Für die Vorschreibung des Beitragszuschlages kommt es auch nicht auf das subjektive Verschulden des Dienstgebers an, sondern nur darauf, dass objektiv ein Meldeverstoß verwirklicht wurde, gleichgültig aus welchen Gründen (vgl. VwGH 31.07.2014, Ro2014/08/0008 unter Hinweis auf VwGH 10.07.2013, 2013/08/0117 mwN).
4.3.2.2. Die Vorschreibung des Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 ASVG erfolgte somit dem Grunde nach zu Recht.
4.3.3. Der vorgeschriebene Beitragszuschlag idH von EUR 1.800,00 setzt sich aus dem gesetzlich vorgesehenen Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung iHv EUR 1.000,00 (EUR 500,00 pro Person) und dem Teilbetrag für den Prüfeinsatz iHv EUR 800,00 zusammen. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf EUR 400,00 herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen. Unbedeutende Folgen liegen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs etwa dann vor, wenn sie hinter dem typischen Bild eines Meldeverstoßes zurückbleiben, also entgegen dem typischen Regelfall feststeht, dass Schwarzarbeit nicht intendiert war (VwGH 26.05.2014, 2012/08/0228).
4.3.3.1. Gegenständlich handelt es sich um den ersten Meldeverstoß der T. Aus dem Sachverhalt ergibt sich unter Einbeziehung der vorhandenen Sprachbarrieren und auf Grund der ordnungsgemäßen umgehenden Nachmeldung, dass Schwarzarbeit nicht intendiert war.
4.3.3.2. Soweit sich die beschwerdeführende Partei darüber hinaus implizit auf besonders berücksichtigungswürdige Umstände beruft, weil der Arbeitsbeginn eigenmächtig ohne konkreten Auftrag zum Betretungszeitpunkt erfolgt war, weshalb eine rechtzeitige Anmeldung ohne ihr Verschulden nicht erfolgen habe können, ist entgegenzuhalten, dass es dem Dienstgeber obliegt sicherzustellen, dass ein Arbeitsantritt nicht vor der Anmeldung erfolgt (vgl. dazu VwGH 13.09.2017, Ra2017/08/0076 sowie insbesondere 04.09.2013, 2011/08/0037 mwN).
4.3.4. Es liegt gegenständlich somit eine erstmalige verspätete Anmeldung mit unbedeutenden Folgen, jedoch kein besonders berücksichtigungswürdiger Fall vor, weshalb der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung zur Gänze zu entfallen hat und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz spruchgemäß auf EUR 400,00 herabzusetzen ist.
III. ad B) Unzulässigkeit der Revision
Die gegenständliche Beurteilung erfolgte im Einklang mit der bisherigen umfangreichen VwGH-Judikatur zu § 113 Abs. 1 und 2 ASVG. Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.
Schlagworte
Beitragszuschlag Dienstverhältnis Herabsetzung Meldeverstoß TeilstattgebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L511.2170292.1.00Im RIS seit
11.01.2021Zuletzt aktualisiert am
11.01.2021