TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/7 W204 2194188-1

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Veröffentlicht am 07.10.2020
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Entscheidungsdatum

07.10.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W204 2194188-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER über die Beschwerde des H XXXX G XXXX , geb. am XXXX 1996, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Dr. Günther SULAN, Rechtsanwalt in 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.03.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und H XXXX G XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass H XXXX G XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsbürger, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am 24.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Am Tag darauf wurde der BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Steiermark niederschriftlich erstbefragt. Befragt nach seinen Fluchtgründen führte der BF aus, er sei Christ und sei deswegen im Iran, wo er zuletzt gelebt habe, bedroht worden.

I.3. Am 10.01.2018 wurde der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari, einer Vertrauensperson und seines Vertreters unter anderem zu seinem Gesundheitszustand, seiner Identität, seinen Lebensumständen in Afghanistan und im Iran, seinen Familienangehörigen und seinen Lebensumständen in Österreich befragt. Nach den Gründen befragt, die den BF bewogen, seine Heimat zu verlassen, gab er an, er sei von der Hezb-e-Islami bedroht worden und deshalb in den Iran gereist. Dort sei er zum Christentum konvertiert, das er in Österreich öffentlich lebe.

I.4. Mit Bescheid vom 21.03.2018, dem Vertreter des BF am 27.03.2018 zugestellt, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die Behörde aus, der BF habe einen Abfall vom schiitischen Glauben aus innerer Überzeugung nicht glaubhaft machen können. Der Status des Asylberechtigten habe ihm daher nicht gewährt werden können. Der BF könne zwar nicht in seine Heimatprovinz zurückkehren, allerdings sei ihm eine Rückkehr nach Kabul möglich und zumutbar. Gemäß § 57 AsylG sei auch eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht zu erteilen, weil die Voraussetzungen nicht vorlägen. Letztlich hätten auch keine Gründe festgestellt werden können, wonach bei einer Rückkehr des BF gegen Art. 8 Abs. 2 EMRK verstoßen werde, weswegen auch eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

I.5. Mit Verfahrensanordnung vom 21.03.2018 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.6. Gegen den unter I.4. genannten Bescheid richtet sich die Beschwerde vom 24.04.2018 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, in der beantragt wurde, eine Verhandlung durchzuführen, dem BF den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu den Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis V. ersatzlos aufzuheben beziehungsweise dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt und dem BF ein Aufenthaltstitel erteilt werde, in eventu den Bescheid aufzuheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

Begründend wird die Beweiswürdigung des BFA bestritten. Die Konversion des BF sei glaubhaft, weswegen ihm der Status des Asylberechtigten zu gewähren sei. Darüber hinaus wurde unter auszugsweiser Zitierung von Länderberichten die Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Rückkehr nach Afghanistan bestritten.

I.7. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 02.05.2018 vorgelegt, wobei das BFA beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und auf die Durchführung und Teilnahme einer Verhandlung verzichtete.

I.8. Am 11.12.2019 legte der BF mehrere Integrationsunterlagen vor und stellte den Antrag, drei namentlich Genannte als Zeugen zu seiner Konversion zu befragen.

I.9. Am 18.08.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF, sein Vertreter und eine Vertreterin des BFA teilnahmen. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurde der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari u.a. zu seiner Identität und Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, seinen Familienangehörigen, seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich ausführlich befragt. Zur Frage der Konversion wurden die vom BF beantragten Zeugen einvernommen.

I.10. Am 28.08.2020 nahm der BF zu den aktuellen Länderinformationen Stellung.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-        Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle;

-        Befragung des BF und dreier Zeugen im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 18.08.2020;

-        Einsicht in die im Rahmen des Verfahrens vorgelegten Unterlagen und Stellungnahmen;

-        Einsicht in die in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat;

-        Einsicht in das Strafregister, in das Grundversorgungssystem und in das Zentrale Melderegister.

II. Feststellungen:

II.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen H XXXX G XXXX und das Geburtsdatum XXXX 1996. Seine Identität steht nicht fest. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Seine Muttersprache ist Dari, die er in Wort und Schrift beherrscht. Außerdem beherrscht er Farsi in Wort und Schrift. Er ist ledig und kinderlos.

Der BF ist im Dorf XXXX im Distrikt XXXX in der Provinz Ghazni geboren und bei seiner Familie aufgewachsen. Er hat dort sechs Jahre lang die Schule besucht. Die letzten sechs Jahre vor seiner Ausreise nach Europa im Jahr 2015 hat der BF mit seiner Mutter im Iran gelebt. Dort hat er Englischkurse besucht und Privatunterricht bei der Arbeitgeberin seiner Mutter genommen. Er und seine Mutter haben anfangs im Iran bei afghanischen Familien gelebt. Zuletzt lebten sie bei einer reichen, gebildeten Frau, bei der seine Mutter arbeitete und auch der BF bei Haushaltsarbeiten unterstützte.

Der BF ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der BF leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung mit deutlicher Ausprägung ins ängstliche Symptomspektrum und einer rezidivierenden depressiven Störung, weswegen er in fachärztlicher Behandlung stand und weiterhin medikamentöser Behandlung bedarf, die vom Hausarzt verschrieben wird. Der BF ist arbeitsfähig.

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

II.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF wurde als schiitischer Moslem erzogen. Er hat in Afghanistan und im Iran die vorgeschriebenen Gebete und religiösen Gebräuche im Wesentlichen nicht verrichtet beziehungsweise befolgt.

Der BF kam mit dem Christentum bereits im Iran durch seinen Bruder, der ebenfalls zum Christentum konvertiert und ist und dem deswegen der Status des Asylberechtigten gewährt wurde, in Berührung.

Seit Dezember 2015 nahm der BF an den Veranstaltungen der Iranisch Christlichen Gemeinde in Wien teil. Dabei handelt es sich um einen von einer Privatperson gegründeten Verein, der weder eine eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft noch eine anerkannte Kirche ist. Die Lehre des Vereins wird vom Obmann des Vereins festgelegt und gelehrt. Der Obmann des Vereins ist ebenfalls im Leitungsteam der Evangeliumsgemeinde in Wien tätig, die als Gemeinde im Bund evangelikaler Gemeinden den gesetzlich anerkannten Freikirchen in Österreich angehört. Außer dieser Personalunion besteht zwischen diesen beiden Organisationen im Wesentlichen keine Verbindung mehr.

Am 24.09.2016 wurde der BF vom Leiter der Iranisch Christlichen Gemeinde in Wien getauft. Davor besuchte er von 21.01.2016 bis 30.08.2016 einen aus zwei Einheiten bestehenden Taufunterricht. Am 22.11.2017 ist er vor dem Magistrat aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich ausgetreten.

Der BF besucht nicht nur Messen und Veranstaltungen seiner Gemeinde, sondern auch anderer christlicher, den anerkannten Freikirchen zugehöriger Gemeinden beziehungsweise Organisationen, wo er auch bereits zeitweise die Predigten übersetzte. Dort war er auch in einem „Coaching Programm“, in dem er lernte, im Glauben zu wachsen und konkrete Schritte umzusetzen. Seit März 2020 ist er in einem „Jüngerschaftskurs“ einer evangelikalen Freikirche, in dem es darum geht, ein vertiefendes Verständnis des christlichen Glaubens zu gewinnen und zu lernen, was es bedeutet in allen Lebensbereichen als Christ zu leben und Jesus nachzufolgen. Mit dem Leiter des Kurses finden auch Einzeltermine zur seelsorglichen Begleitung statt. Der BF überlegt in die Gemeinde überzutreten, die diesen Kurs veranstaltet.

Der BF ist vor allem in den Jugendgruppen dieser anderen religiösen Gemeinden engagiert und sehr gut integriert. Er trifft sich mit Freunden aus diesen Gruppen auch privat zu Bibelstunden oder Freizeitaktivitäten. Der BF beschäftigt sich auch außerhalb der Glaubenskurse mit der Bibel und vertritt seinen Glauben im Bundesgebiet öffentlich.

Der BF führt eine Beziehung mit einer Katholikin und diskutiert auch mit ihr die verschiedenen Glaubensinhalte.

Der BF hat sich aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen vom muslimischen Glauben ab- und zum christlichen Glauben hingewendet.

Auch im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan würde der BF seinen Glauben weiterhin offen und nach außen hin erkennbar ausüben, seine Konversion zum Christentum nicht widerrufen und nicht wieder zum Islam übertreten. Dem BF droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Hinwendung zum Christentum und der Verinnerlichung der christlichen Werte von staatlicher und von privater Seite physische und/oder psychische Gewalt.

II.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan basieren auf nachstehenden Quellen:

-        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan in der Fassung der Gesamtaktualisierung vom 13.11.2019 mit letzter Information vom 29.06.2020 (LIB),

-        UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (UNHCR),

-        EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO).

II.3.1. Religionen

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80 - 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB Kapitel 15).

II.3.2. Christen, Konvertiten, Apostaten (Abfall vom Islam)

Ausländische Christen und die wenigen Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (LIB, Kapitel 15.2).

Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam. Laut islamischer Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum der Abtrünnigen konfiszieren und deren Erbrecht einschränken. Konvertiten vom Islam zum Christentum werden von der Gesellschaft nicht gut behandelt, weswegen sie sich meist nicht öffentlich bekennen. In den meisten Fällen versuchen die Behörden Konvertiten gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potenzielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden. Missionierungen sind illegal. Die öffentliche Meinung stehe Christen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber (LIB, Kapitel 15.2).

Die Abkehr vom Islam (Apostasie) wird nach der Scharia als Verbrechen betrachtet, auf das die Todesstrafe steht. Es gibt keine Berichte über die Verhängung der Todesstrafe aufgrund von Apostasie oder der Strafverfolgung bei Blasphemie. Gefahr bis hin zur Ermordung droht Konvertiten hingegen oft aus dem familiären oder nachbarschaftlichen Umfeld. Die afghanische Gesellschaft hat generell eine sehr geringe Toleranz gegenüber Menschen, die als den Islam beleidigend oder zurückweisend wahrgenommen werden. Personen, die der Apostasie beschuldigt werden, sind Reaktionen von Familie, Gemeinschaften oder in einzelnen Gebieten von Aufständischen ausgesetzt, aber eher nicht von staatlichen Akteuren. Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (LIB, Kapitel 15.5).

III. Beweiswürdigung:

III.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.

III.2. Zu den Feststellungen zur Person des BF:

Die Feststellungen zum BF ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem BFA und in der Beschwerdeverhandlung. Die Identität des BF kann mangels der Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht festgestellt werden. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppenzugehörigkeit des BF sowie zu seinen Sprachkenntnissen beruhen im Wesentlichen auf den gleichbleibenden, glaubhaften Angaben des BF (S. 6 VP).

Gleichfalls beruhen auch die Feststellungen zu seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seiner familiären Situation in Afghanistan und im Iran und seiner Schulbildung in Afghanistan auf den im Wesentlichen gleich gebliebenen Aussagen des BF vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht (S. 6ff VP). Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des BF zu zweifeln. Lediglich zum Schulbesuch im Iran kann den Angaben des BF nicht vollständig gefolgt werden. Dazu behauptete er vor dem Bundesverwaltungsgericht auf Nachfrage, welche Aus- und Weiterbildungen er besucht habe, er habe im Iran gar keine Schule besucht und auch sonst keine Aus- oder Weiterbildungen besucht. Erst auf Vorhalt seiner Aussage vor dem BFA, wonach er Englischkurse besucht habe, bestätigte er den Besuch dieser Kurse (S. 9 VP). Seine Erklärung, dabei handle es sich nur um Sprachkurse und keine richtige Schulbildung, ist vor dem eindeutigen Wortlaut der vorigen Frage nach jeglicher Aus- oder Weiterbildung, die daher nicht auf schulische Bildung beschränkt war, als reine Schutzbehauptung zu werten. Insofern war daher im Wesentlichen den Angaben des BF vor dem BFA, wonach er nicht nur Englischkurse besucht, sondern von der Arbeitgeberin seiner Mutter auch Privatunterricht erhalten habe, zu folgen (S. 12 EV). Diese Aussage stimmt zudem mit den Angaben im Abschlussbericht des Jugendcolleges überein (Anlage 11 zur EV).

Aus dem Aufwachsen und dem Schulbesuch in Afghanistan sowie auch im Iran in einer afghanischen Familie, wo er zudem Kontakt zu anderen Afghanen hatte, folgt, dass der BF auch trotz seines Auslandsaufenthalts mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut ist.

Die Feststellungen zur gesundheitlichen Situation des BF beruhen auf den von ihm vorgelegten Unterlagen seiner behandelnden Ärzte in Zusammenhalt mit seiner Aussage vor dem Bundesverwaltungsgericht (S. 5 VP, Beilage ./1). Dass er arbeitsfähig ist, bestätigte der BF selbst (S. 6 VP).

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit war aufgrund des im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszugs treffen.

III.3. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des BF:

Unabhängig vom Wahrheitsgehalt seiner Angaben zur angeblichen Tätigkeit seines Vaters, zu deswegen angeblich erfolgten Bedrohungen in Afghanistan sowie zu seinen angeblichen Aktivitäten im Rahmen einer Hauskirche im Iran konnte der BF vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft darlegen, dass er jedenfalls zum Entscheidungszeitpunkt vom Islam abgefallen und zum Christentum übergetreten sowie innerlich konvertiert ist. Ein Eingehen auf diese Aussagen des BF erübrigt sich daher.

Die Feststellungen zu den religiösen Aktivitäten des BF im Bundesgebiet, insbesondere zu den von ihm besuchten Gemeinden und Kursen und der erfolgten Taufe, konnten aufgrund der Aussage des BF getroffen werden. Diese wurden zudem nicht nur in den von ihm vorgelegten Unterstützungsschreiben, sondern auch von den Zeugen glaubhaft bestätigt. Es besteht daher kein Grund, daran zu zweifeln. Diese vom BF gesetzten Aktivitäten sind als erstes Indiz für eine glaubhafte Konversion zu werten. In diesem Zusammenhang wird auch nicht verkannt, dass es sich bei der vom BF besuchten „Kirche“ weder um eine eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft noch um eine gesetzlich anerkannte Kirche mit einer festgehaltenen Lehre handelt. Vielmehr handelt es sich dabei im Wesentlichen um einen Verein, der von einer Privatperson gegründet und geführt wurde und wird, der auch selbst die Lehre dieser „Kirche“ festlegt und sie verkündet. Bei der Organisation handelt es sich nach den Schilderungen des Zeugen C XXXX zudem um eine explizit vorrangig an Afghanen oder Iraner gerichtete Organisation. Auch wenn das zwar nicht per se gegen eine mögliche ernsthafte Hinwendung zum christlichen Glauben spricht, sind diese Umstände doch auch bei der Beurteilung der Ernsthaftigkeit der Konversion zu beachten.

Die religiösen Aktivitäten des BF beschränken sich jedoch nicht auf diesen Verein, sondern er ist auch in mehreren Gemeinden der gesetzlich anerkannten Freikirchen in Österreich tätig. Er beschäftigt sich auch mit den Glaubensunterschieden dieser verschiedenen Gemeinden und überlegt etwa auch, in eine Gemeinde der anerkannten Freikirchen überzutreten, wobei er sich schon mit den hierfür erforderlichen Voraussetzungen auseinandergesetzt und ein Gespräch mit dem Leiter dieser anerkannten Kirchengemeinde geführt hat. Gerade seine Aussage in diesem Zusammenhang, er möchte vor einem etwaigen Übertritt noch mit dem Pastor seiner jetzigen Gemeinde sprechen und auch die Glaubensinhalte seiner neuen Gemeinde besser kennenlernen (S. 32 VP), zeigt die Ernsthaftigkeit des BF in Bezug auf seine religiöse Zugehörigkeit, die er nicht leichtfertig etwa aufgrund der gesellschaftlichen Umstände wählt, sondern sich mit den Glaubensinhalten beschäftigt, diese analysiert und erst dann entscheidet. Durch seine Freundin, mit der er – wie er glaubhaft vorbrachte – ebenfalls Glaubensdiskussionen führt (S. 11 VP), hat er auch Kontakt zum Katholizismus. Gerade der Kontakt mit verschiedenen christlichen Religionsrichtungen zeigt, dass der BF sich ernsthaft mit dem Christentum auseinandersetzt, dieses analysiert und danach wohlüberlegte Entscheidungen trifft. Im Übrigen konnte der BF auch darlegen, dass sich diese Analyse nicht nur auf das Christentum beschränkt, sondern er sich auch mit seiner früheren Religion kritisch auseinandersetzte, wie sich an seiner Aussage zu Mohammed zeigt (S. 32 VP).

Diese Auseinandersetzung beruht zudem nicht nur auf den besuchten Kursen, sondern der BF beschäftigt sich auch außerhalb dieser selbst ausführlich mit seiner Bibel. In diesem Zusammenhang gab er nachvollziehbar an, er müsse jeden Vers mehrmals lesen, um ihn zu verstehen, zumal die Bibel nicht leicht zu verstehen sei (S. 20 VP). Diese Beschäftigung mit und die Analyse der Bibel konnte auch durch die erkennende Richterin festgestellt werden, war die vom BF vorgelegte Bibel doch an mehreren Stellen angestrichen und markiert (S. 21 VP). Auch der Zeuge G XXXX bestätigte glaubhaft, dass der BF in diesem Bereich sehr viel Engagement zeigt und er zu ihm nicht verständlichen Passagen Fragen stellt und das Gespräch sucht (S. 30 VP).

In den von ihm besuchten Gottesdiensten nimmt der BF nicht nur eine passive Rolle ein, sondern tritt dort öffentlich auf, indem er die Predigten in den Jugendgottesdiensten übersetzte, wie der Zeuge G XXXX glaubhaft angeben konnte (S. 29 VP). Der BF nimmt somit nicht nur passiv an den Gottesdiensten und Veranstaltungen teil, sondern tritt öffentlich und aktiv für seinen neuen Glauben auf, zumal den Gottesdienst auch kirchenfremde Personen besuchen (S. 29 VP). Auch dieses Verhalten zeigt, dass die vom BF vorgebrachte Konversion nicht nur ein asylzweckbezogenes Vorbringen ist, sondern er diese vielmehr aus innerer Überzeugung vollzogen hat.

Die Zeugen konnten auch nachvollziehbar den von ihnen selbst erlebten und teils begleiteten Wandel in der Persönlichkeit des BF schildern (S. 25, 30f VP). Die Schilderungen der Zeugen stimmen zudem mit dem von der erkennenden Richterin gewonnenen persönlichen Eindruck überein, wonach die Konversion des BF auf innerer Überzeugung beruht. Vor diesem Hintergrund der übereinstimmenden Schilderung der Zeugen, der auch dem Eindruck der erkennenden Richterin entspricht, wonach der BF seinen Glauben auch in öffentlichen Gesprächen von sich aus äußert und dazu steht, ist es dem BF auch gelungen, sein Vorbringen, er werde seine Glaubensüberzeugungen auch in Afghanistan nicht verleugnen und auch dort in Gesprächen äußern (S. 34 VP), glaubhaft zu machen.

Der BF konnte somit nachvollziehbar den Prozess seiner Bekehrung schildern und dabei insbesondere darlegen, dass er Jesus und Gott oft in seinem Leben gespürt habe, es sich bei der Konversion jedoch nicht um ein einmaliges Erlebnis gehandelt hat, sondern um einen länger andauernden Prozess. In diesem unterstützte ihn vor allem sein Studium der Bibel und dieser führte letztlich dazu, dass er eine Stimme in ihm hörte, die ihn zu seinem nunmehrigen Glauben geführt habe (S. 18 VP).

Zusammengefasst ist es dem BF durch seine Aussagen, den von ihm in der Beschwerdeverhandlung vermittelten persönlichen Eindruck und den vorgelegten Dokumenten sowie den Zeugenaussagen gelungen, glaubhaft zu machen, dass er sich aus freier persönlicher Überzeugung vom schiitischen Islam dem Christentum zugewandt hat. Es sind im Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die den Schluss zulassen würden, dass die Konversion des BF zum christlichen Glauben bloß zum Schein erfolgt wäre. Vielmehr hat der BF durch seine Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, die auch von den Zeugen bestätigt wurden, dargelegt, dass er sich auf Grund einer persönlichen Entscheidung vom Islam abgewendet und aus innerer religiöser Überzeugung dem christlichen Glauben zugewendet hat, was auch durch entsprechende Dokumente bestätigt wird. Aufgrund dieser inneren Überzeugung ist auch davon auszugehen, dass der BF bei einer Rückkehr seinen Glauben weiter offen ausüben und sich nicht wieder dem Islam zuwenden könnte, zumal er auch im Bundesgebiet öffentlich im Namen der Kirche auftritt und seinen Glauben auch gegenüber seinen muslimischen Freunden bekennt (S. 35 VP).

Aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass aufgrund des allgemeinen Islamvorbehalts im afghanischen Recht und aufgrund der vorherrschenden gesellschaftlichen Intoleranz gegenüber Konvertiten dem BF bei einer Rückkehr psychische und/oder physische Gewalt droht. So droht dem BF aufgrund seiner Konversion, so er diese nicht binnen drei Tagen widerrufen würde, nach der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung Enthauptung als angemessene Strafe. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen oder sogar ermordet. Staatlicher Schutz gegen diese Übergriffe der Bevölkerung steht gemäß den Länderfeststellungen nicht zur Verfügung.

III.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist. Da auch der BF diese Berichte nicht bekämpfte, sind daran keine Zweifel aufgekommen.

IV. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

IV.1. Zum Spruchpunkt A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge dieser Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0472; 29.01.2020, Ra 2019/18/0228).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Mitbeteiligte bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher der Fremde im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass er im Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (Aktualität der Verfolgung; vgl. VwGH 06.04.2020, Ra 2019/01/0443; 25.09.2018, Ra 2017/01/0203).

Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist. Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- beziehungsweise Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation beziehungsweise des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (VwGH 25.06.2020, Ra 2019/18/0380).

Eine begründete Furcht vor asylrelevanter Verfolgung wegen einer Konversion liegt vor, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Wesentlich ist somit, ob bei weiterer Ausübung des (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Dabei kann dem Fremden auch nicht zugemutet werden, auf die religiöse Betätigung zu verzichten, um eine Verfolgung zu vermeiden (VwGH 12.06.2020, Ra 2019/18/0440).

Wie das Beweisverfahren ergeben hat, liegen für den BF alle oben angeführten Indizien vor, weshalb von einer innerlichen Konversion auszugehen ist. Der BF wäre als Konvertit, der seinen Glauben auch bei einer Rückkehr ausleben und seine Konversion nicht widerrufen würde, bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner religiösen Überzeugung sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko zu Lasten seiner persönlichen Sicherheit und physischen Integrität sowohl von privater Seite – ohne dass in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme – als auch von staatlicher Seite ausgesetzt.

Auf Grund des in ganz Afghanistan gültigen islamischen Rechts nach der Scharia und der in der Praxis angewandten islamischen Rechtsprechung, wonach auch die Todesstrafe droht, sowie auf Grund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen sowie der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere gegenüber Konvertiten, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation für den BF im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ergibt. Es ist daher hinsichtlich dieses dargestellten Verfolgungsrisikos davon auszugehen, dass keine inländische Fluchtalternative besteht.

Der BF befindet sich daher aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen seiner religiösen Überzeugung eines vom Islam zum Christentum konvertierten Mannes verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans und ist im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Da weder eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht noch ein in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannter Endigungs- und Asylausschlussgrund hervorgekommen ist, war der Beschwerde des BF stattzugeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Die Aufenthaltsberechtigung gilt nach § 3 Abs. 4 AsylG drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

IV.2. Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung hängt vielmehr von der Lösung von Tatfragen ab, zu deren Lösung der Verwaltungsgerichtshof nicht beziehungsweise nur sehr eingeschränkt berufen ist.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung befristete Aufenthaltsberechtigung gesamtes Staatsgebiet Konversion Religion Schutzunfähigkeit Schutzunwilligkeit staatliche Verfolgung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W204.2194188.1.00

Im RIS seit

11.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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