Entscheidungsdatum
02.11.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W220 1424446-2/15E
im namen der republik!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch Dr. XXXX , Rechtsanwalt in XXXX Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2016, Zl.: 577101401-105989948, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.10.2020, zu Recht:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 11.01.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des vormals zuständigen Bundesasylamtes vom 19.01.2012, Zl.: 1200.486-BAT, abgewiesen wurde; unter einem wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.04.2013, Zl. C11 424.446-1/2012/5E, als unbegründet abgewiesen.
Am 12.11.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte (Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers).
Am 24.02.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab zusammengefasst an, dass er mit einer rumänischen Staatsangehörigen verheiratet sei. Er habe nicht gewusst, dass er dies bekanntgeben müsse. Er habe seine Ehefrau, die damals keine Wohnmöglichkeit gehabt habe, in Wien getroffen und sie zu sich nach Hause mitgenommen; sie habe dann sofort bei ihm gewohnt. Zehn bis fünfzehn Tage nach ihrem Kennenlernen habe der Beschwerdeführer ihr einen Heiratsantrag gemacht. Derzeit sei er als Zeitungszusteller erwerbstätig; er sei nicht angemeldet, sondern arbeite „schwarz“ und verdiene damit 800,00 bis 1000,00 Euro monatlich. Seit etwas über vier Jahren lebe er mittlerweile in Österreich. Er spreche Punjabi, Englisch und Deutsch, wobei er Deutsch sehr gut verstehe, aber nicht gut sprechen könne. Er habe keinen Deutschkurs besucht. Mittlerweile spreche er nicht perfekt, aber ausreichend Rumänisch und verständige sich so mit seiner Ehefrau.
Am selben Tag wurde die Ehefrau des Beschwerdeführers, XXXX , vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie an, sie habe ihren Ehemann vor einem Jahr kennengelernt. Seit vier Monaten lebe sie in Österreich; derzeit arbeite sie als Reinigungskraft, ihr Ehemann verkaufe Zeitungen.
Mit oben genanntem, gegenständlich angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2016, Zl.: 577101401-105989948, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Gegen diesen Bescheid wurde am 05.08.2016 fristgerecht Beschwerde (samt Beschwerdeergänzung am 10.08.2016) erhoben und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Ausgeführt wurde im Wesentlichen, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen handle, weshalb das 7. Hauptstück des AsylG 2005 nicht zur Anwendung kommen könne, zudem würden deshalb auch die §§ 52, 53 FPG keine Anwendung finden, da für begünstigte Drittstaatsangehörige die §§ 66 ff FPG gelten würden. In der Begründung des Einreiseverbotes (Eingehen einer Scheinehe) würde gegen die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK verstoßen. Der Beschwerdeführer führe mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben und wohne mit dieser seit September 2015 in gemeinsamem Haushalt.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.08.2016, GZ.: W220 1424446-2/2Z, wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Erkenntnis vom 25.10.2016, GZ.: W220 1424446-2/3E, wurde die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen wurde, gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde und dem Beschwerdeführer gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt wurde. In den Entscheidungsgründen wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf die aufrechte Ehe mit einer EWR-Bürgerin, die in Österreich lebe und arbeite, begünstigter Drittstaatsangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 11 FPG) sei. Dies habe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid verkannt und seiner Entscheidung ein auf den Beschwerdeführer unzutreffendes Regelungsregime zugrunde gelegt, weshalb – aufgrund des feststehenden Sachverhalts – der Spruch des angefochtenen Bescheides richtigzustellen sei. Für das Bundesverwaltungsgericht stehe in Übereinstimmung mit der entsprechenden Beurteilung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass es sich bei der zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau geschlossenen Ehe um eine Aufenthaltsehe handle, die den Zweck verfolge, dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsmöglichkeit im Bundesgebiet zu verschaffen, wobei keine Absicht bestanden habe und bestehe, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen. Ein schützenswertes Familienleben des Beschwerdeführers liege somit nicht vor; das Privatleben des Beschwerdeführers sei schwach ausgeprägt. Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung würden im vorliegenden Fall schwerer wiegen als die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich; die Ausweisung stelle sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer sei aufgrund des Eingegangenseins einer Aufenthaltsehe zulässig.
Dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.10.2016, GZ.: W220 1424446-2/3E, wurde seitens des Verwaltungsgerichtshofes mit Erkenntnis vom 23.03.2017, Ra 2016/21/0349, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. In den Entscheidungsgründen wurde im Wesentlichen dargelegt, dass der Revisionswerber den beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in der Beschwerde vor allem mit dem Ergebnis der Erhebungen der Landespolizeidirektion Wien (Bericht vom 29.07.2016 über Erhebungen an der gemeinsamen Meldeadresse des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau) entgegengetreten sei; das Bundesverwaltungsgericht hätte daher nicht von einem geklärten Sachverhalt ausgehen und von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen dürfen. Darüber hinaus hätte sich das Bundesverwaltungsgericht mit dem genannten Bericht der Landespolizeidirektion Wien befassen müssen.
Am 01.10.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen persönlichen Lebensumständen befragt und unter einem die Gelegenheit geboten wurde, innerhalb von einer Woche zur aktuellen Situation in Indien eine Stellungnahme einzubringen. Weiters wurde die Ehefrau des Beschwerdeführers als Zeugin einvernommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger von Indien, führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX ; seine Identität steht fest.
Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 11.01.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.04.2013, Zl. C11 424.446-1/2012/5E, als unbegründet abgewiesen wurde; unter einem wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.
Am 12.11.2015 stellte der Beschwerdeführer beim Landeshauptmann von Wien (Magistratsabteilung 35) einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte (Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers).
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2016, Zl.: 577101401-105989948, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Der Beschwerdeführer hat am 09.10.2015 in Österreich eine rumänische Staatsangehörige geheiratet. Er führt mit dieser ein gemeinsames Familienleben. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau haben ein gemeinsames, am 21.12.2018 in Spanien geborenes Kind, welches ebenfalls die rumänische Staatsbürgerschaft besitzt.
Der Beschwerdeführer war von 23.01.2012 bis 19.04.2019 bzw. ist seit 27.09.2019 in Österreich meldebehördlich gemeldet. Die Ehefrau des Beschwerdeführers ist seit 29.09.2015 durchgehend in Österreich meldebehördlich gemeldet. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau waren von 18.03.2016 bis 19.04.2019 bzw. sind seit 27.09.2019 an derselben Adresse in Österreich meldebehördlich gemeldet. Das gemeinsame Kind des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau ist seit 27.09.2019 an derselben Adresse wie seine Eltern in Österreich meldebehördlich gemeldet. Es besteht ein gemeinsamer Haushalt des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau sowie dem gemeinsamen Kind. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau waren zwischen Juli 2018 und Februar 2019 gemeinsam in Spanien aufhältig; die Ehefrau des Beschwerdeführers hat dort gearbeitet. Der Beschwerdeführer verfügt über eine bis 06.12.2023 gültige Aufenthaltsberechtigung für Spanien.
Die Ehefrau des Beschwerdeführers verfügt in Österreich über eine am 09.11.2015 ausgestellte Anmeldebescheinigung als EWR-Bürgerin mit dem Zweck „Arbeitnehmerin“ (§ 51 Abs 1 Z 1 NAG); für das gemeinsame Kind des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau wurde am 24.10.2019 eine Anmeldebescheinigung als EWR-Bürger mit dem Zweck „Angehöriger“ (Verwandter in gerader absteigender Linie, § 52 Abs 1 Z 2 NAG) ausgestellt. Die Ehefrau des Beschwerdeführers ist zuletzt seit 24.09.2019 durchgehend als Arbeiterin im Transportunternehmen des Bruders des Beschwerdeführers beschäftigt und ist weiters auf Werkvertragsbasis als Zeitungszustellerin tätig.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Namen, zum Geburtsdatum und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vom Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten, bis 01.12.2029 gültigen indischen Reisepass (Beilage ./B der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).
Die Feststellungen zur Einreise sowie dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung zur Stellung des Antrages des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte (Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers) ergibt sich aus dem seitens der Magistratsabteilung 35 übermittelten Verwaltungsakt betreffend diesen Antrag, ZI.: MA35-93102565-01 (AS 1ff Verwaltungsakt MA 35).
Die Feststellungen zum gegenständlich angefochtenen Bescheid ergeben sich aus dem Akteninhalt (AS 443ff).
Die Feststellungen zur Heirat des Beschwerdeführers sowie dem gemeinsamen Kind des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau ergeben sich aus der Heiratsurkunde sowie den jeweiligen Reisepässen der Ehefrau und des Kindes des Beschwerdeführers (Beilage ./B der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben führt, beruht auf folgenden Erwägungen:
Eingangs wird nicht übersehen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und das Bundesverwaltungsgericht ursprünglich in ihren Entscheidungen vom 19.07.2016 bzw. 25.10.2016 vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau ausgingen. Diese Ansicht lässt sich allerdings im Entscheidungszeitpunkt nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.10.2020 nicht mehr aufrechterhalten:
Zunächst ist bereits dem – weder vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch vom Bundesverwaltungsgericht in ihren Entscheidungen vom 19.07.2016 bzw. 25.10.2016 berücksichtigten – Bericht der Landespolizeidirektion Wien vom 29.07.2016 betreffend seitens der Magistratsabteilung 35 ersuchter Überprüfung der Ehe des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau zu entnehmen, dass aufgrund der durchgeführten Ermittlungen (Erhebungen an der ehemaligen Wohnadresse des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau sowie an der – damals bzw. auch nach wie vor aktuellen – Wohnadresse des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau) der Verdacht des Bestehens einer Aufenthaltsehe „zum jetzigen Zeitpunkt“ nicht erhärtet habe werden können (AS 81f Verwaltungsakt MA 35).
Dabei wird nicht außer Acht gelassen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid zutreffend gravierende Widersprüche in den Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau, insbesondere zum ersten Kennenlernen, zum Ablauf des Hochzeitstages und zur mangelnden Kenntnis des Beschwerdeführers von den familiären Verhältnissen seiner Ehefrau, aufgezeigt hat.
Allerdings haben sich seit den im Jahr 2016 erfolgten Einvernahmen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau, im Zuge derer diese widersprüchlichen Ausführungen getätigt wurden (vgl. AS 447ff), keine Anhaltspunkte mehr ergeben, aus denen zu schließen wäre, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau kein tatsächliches Familienleben führen würden; im Gegenteil, sind doch der Beschwerdeführer und seine Ehefrau inzwischen Eltern eines gemeinsamen Kindes (siehe oben), verfügen über eine gemeinsame Wohnadresse, verbrachten gemeinsam mehrere Monate in Spanien (siehe noch unten) und haben insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung glaubhaft gemacht, dass sie ein Familienleben führen. So haben etwa der Beschwerdeführer und seine Ehefrau übereinstimmend dargetan, dass der Beschwerdeführer sich um das gemeinsame Kind kümmert, während seine Ehefrau arbeitet (Seiten 16, 25 und 27 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung). Der Beschwerdeführer spricht zudem gebrochen Rumänisch (Seiten 16f der Niederschrift der mündlichen Verhandlung), sodass auch die Möglichkeit der Verständigung des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau glaubhaft gemacht wurde.
Die Feststellungen zu den meldebehördlichen Meldungen des Beschwerdeführers, seiner Ehefrau und des gemeinsamen Kindes ergeben sich aus Einsichtnahmen in das Zentrale Melderegister. Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau in Spanien sowie der spanischen Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers ergeben sich aus im Verfahren vorgelegten Unterlagen (Beilage ./B der Niederschrift der mündlichen Verhandlung; mit Schreiben vom 13.10.2020 übermittelte Dokumente) in Verbindung mit den im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung (vgl. die Seiten 8 und 22 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).
Die Feststellungen zu den jeweiligen Anmeldebescheinigungen der Ehefrau und des Kindes des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem seitens der Magistratsabteilung 35 übermittelten Verwaltungsakt, ZI.: MA35-93102565-01 (AS 11 Verwaltungsakt MA 35). Die Feststellungen zu den Erwerbstätigkeiten der Ehefrau des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem Versicherungsdatenauszug betreffend die Ehefrau des Beschwerdeführers und einer Gehaltsabrechnung des Transportunternehmens des Bruders des Beschwerdeführers für September 2020 (Beilage ./B der Niederschrift der mündlichen Verhandlung) sowie Gutschriftenaufstellungen eines Zustellunternehmens für Juli und August 2020 in Verbindung mit den Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (Seite 24 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung).
Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das aktuelle Strafregister.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig.
3.2. Zu A) Behebung des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG ist Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt.
Gemäß § 2 Abs. 4 Z 10 FPG ist Drittstaatsangehöriger ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.
§ 2 Abs. 4 Z 11 FPG ist begünstigter Drittstaatsangehöriger unter anderem der Ehegatte eines EWR-Bürgers, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.
Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können unter anderem begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
Gemäß § 67 Abs. 1 NAG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unter anderem gegen begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Gemäß § 55 Abs. 3 NAG hat, wenn das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht besteht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen.
Gemäß § 51 Abs. 1 NAG sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind (Z 1); […].
Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht. Gemäß § 54 Abs. 2 NAG sind zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, die Anmeldebescheinigung oder die Bescheinigung des Daueraufenthalts des zusammenführenden EWR-Bürgers sowie folgende Nachweise vorzulegen: nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft; […].
Gemäß § 52 Abs. 1 NAG sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie Ehegatte oder eingetragener Partner sind (Z 1); […].
Die Ehefrau des Beschwerdeführers ist als Rumänin, die in Österreich zuletzt seit 24.09.2019 durchgehend als Arbeiterin beschäftigt ist, EWR-Bürgerin, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat. Die Ehefrau des Beschwerdeführers verfügt über eine Anmeldebescheinigung als EWR-Bürgerin mit dem Zweck „Arbeitnehmerin“ (§ 51 Abs 1 Z 1 NAG).
Dem Beschwerdeführer, der seine Ehefrau nach Österreich begleitet hat, kommt daher eine Rechtsposition als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG zu.
Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige kann eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG nicht erlassen werden. Vielmehr sind die Bestimmungen des vierten Abschnitts des achten Hauptstücks des FPG, die in § 66 und in § 67 aufenthaltsbeendende Maßnahmen (u.a.) gegen begünstigte Drittstaatsangehörige (Ausweisung und Aufenthaltsverbot) regeln, einschlägig. Ebenso kommt bei begünstigten Drittstaatsangehörigen die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 von vornherein nicht in Betracht, weil die gesamte Bestimmung des siebenten Hauptstücks gemäß § 54 Abs. 5 AsylG 2005 nicht für diese Personengruppe gilt (vgl. etwa VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0103).
Anzumerken ist, dass eine Aufenthaltsehe nicht vorliegt und sich insofern – etwa im Hinblick auf eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit –keine Hinweise auf die Notwendigkeit der Prüfung einer Ausweisung gemäß § 66 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG oder eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG ergeben haben.
Der angefochtene Bescheid ist daher ersatzlos zu beheben.
3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
begünstigte Drittstaatsangehörige Ehe Ersatzentscheidung ersatzlose Behebung Familienleben gemeinsamer Haushalt KindEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W220.1424446.2.00Im RIS seit
11.01.2021Zuletzt aktualisiert am
11.01.2021