TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/10 W251 2169327-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.11.2020
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Entscheidungsdatum

10.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W251 2169327-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Äthiopien, vertreten durch den Verein We Move Together, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.08.2017 zur Zl. 1110454103-160485403, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Äthiopiens, stellte am 05.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdiensts die niederschriftlichen Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er eine Apotheke in der Stadt XXXX gehabt habe und immer wieder Regierungssoldaten zu ihm gekommen seien, wenn sie Medikamente gebraucht haben. Diese Medikamente seien nicht bezahlt worden. Auch die rebellische Gruppe ONLF, die für die Unabhängigkeit in dieser Region kämpfen würde, sei zu ihm gekommen und hätte ohne Bezahlung Medikamente mitgenommen. Wenn er nein gesagt habe, sei er von diesen Leuten bedroht und geschlagen worden. Zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab der Beschwerdeführer an, dass die Regierungssoldaten ihn einsperren würden.

3. Am 02.08.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass er in XXXX seine eigene Apotheke gehabt habe und zu ihm immer wieder Polizisten gekommen seien, die ihn geschlagen hätten. Diese würden zwar behaupten, dass sie für Sicherheit sorgen, sie seien jedoch tatsächlich eine Terrorbande. Sie hätten Medikamente und auch Geld von ihm genommen. Auch die ONLF habe ihn bedroht, damit er diesen Medikamente gebe. Er sei von allen bedroht worden, beide hätten Medikamente und Geld bei ihm gestohlen. Er sei von der Regierung auch dahingehend verdächtigt worden, dass er die ONLF unterstütze, auch diese würden ihn verfolgen. Er hätte weder mit den einen, noch mit den anderen zu tun gehabt, sei aber von beiden Seiten bedroht worden. Er sei dann in den Sudan gegangen, da er in XXXX nicht mehr leben hätte können. Er sei auch von der Regierung gesucht worden, daher habe er nicht in Äthiopien bleiben können. Seine Familie habe mit ihm Kontakt aufgenommen und ihm gesagt, dass die Regierung nach ihm suche. Er habe gewusst, dass ihn die Behörden suchen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Äthiopien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen aufgrund seiner widersprüchlichen, nicht plausiblen sowie wenig lebensnahen und wenig detailreichen Angaben nicht habe glaubhaft machen können. Das Bundesamt gelangte zudem zu dem Schluss, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Äthiopien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt zu sein. Zudem liege kein schützenswertes Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich gemäß Art. 8 EMRK vor.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass es sich bei seinem Vorbringen in der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt keinesfalls um eine Steigerung gegenüber seinem Vorbringen in der Erstbefragung handle, da ihm in der Erstbefragung überwiegend Fragen zu seiner Identität und seiner Reiseroute gestellt worden seien und er erst beim Bundesamt die Möglichkeit gehabt habe, seine Fluchtgründe näher auszuführen. Dem Beschwerdeführer stehe keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung, da er von der Regierung gesucht und verfolgt werde. Auch die Inanspruchnahme des Schutzes der örtlichen Sicherheitskräfte sei nicht möglich, weswegen der Beschwerdeführer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sei. Zudem sei die derzeitige Situation in Äthiopien derart, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sei, weswegen ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei. Der Beschwerdeführer sei zudem einem realen Risiko einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK und der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 der Konvention ausgesetzt.

6. Mit Schriftsatz vom 15.10.2019 erfolgte eine Beschwerdeergänzung sowie eine Urkundenvorlage seitens des Beschwerdeführers. In dieser wurde insbesondere auf die Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers hingewiesen. Zudem wurde auszugsweise auf das LIB verwiesen und ausgeführt, dass Äthiopien sehr fragil sei und nicht ausgeschlossen werden könne dass es nicht wieder zur Verhängung eines Ausnahmezustands komme, dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr aufgrund des Vorwurfs Mitglied der ONLF zu sein, staatliche Verfolgung in ganz Äthiopien drohe und die Versorgungslage in Äthiopien prekär und lebensbedrohlich sei.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 17.09.2020 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und im Beisein einer Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine mündliche Verhandlung durch.

8. Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers legte zudem in der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme vor. Dieser war zu entnehmen, dass die Sicherheitslage in Äthiopien katastrophal sei und der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr keine Existenzmöglichkeit habe. Zudem gehöre der Beschwerdeführer in Äthiopien als Zugehöriger des Volksstammes der Somalis einer Minderheit an. Zudem sei der Beschwerdeführer seit seiner Flucht nicht in Kontakt zu seiner Familie gestanden und ihr Aufenthalt sei ihm unbekannt. Es mangle ihm daher an einem familiären und sozialen Netzwerk in Äthiopien und er sei aufgrund Verlassens von Äthiopien vor mehr als fünf Jahren aus Äthiopien entwurzelt. Zudem wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass das Gesundheitssystem in Äthiopien sehr schlecht sei und dieses schlecht auf die COVID-19 Pandemie vorbereitet sei. Zudem sei in den Länderinformationsblättern mehrmals darauf hingewiesen worden, dass die Spannungen zwischen den Regionen Somali und Oromia besonders hoch seien. Aus diesen gehe auch hervor, dass Teile der Region Somali sich in IPC-Phase 3 (crisis) befinden und die Versorgungslage eine Rückkehr nicht zulasse. Zudem könnten Rückkehrer nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist äthiopischer Staatsangehöriger und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Er ist ledig und hat keine Kinder (AS 1; AS 45; AS 47; AS 49; OZ 12, S. 6 und 7). Der Beschwerdeführer spricht Somali als Muttersprache sowie weiters etwas Englisch und etwas Deutsch (AS 1, Protokoll vom 17.09.2020 = OZ 12, S. 7).

Der Beschwerdeführer ist Angehöriger des Clans der Sheikhaal, Sub-Clan XXXX , Sub-Sub-Clan XXXX (OZ 12, S. 7).

Der Beschwerdeführer wurde in der Stadt XXXX geboren und ist dort aufgewachsen (AS 1, AS 45, OZ 12, S. 8). Der Beschwerdeführer ist in Jigjiga zur Schule gegangen (AS 49). Er hat von 01.01.2002 bis 01.01.2009 die Grundschule in Jigjiga, dann von 01.01.2009 bis 01.01.2011 die Hauptschule in Jigjiga und anschließend von 01.01.2012 bis 01.01.2014 die Berufsschule in Jigjiga besucht (AS 1). Dabei handelte es sich um ein College, an dem der Beschwerdeführer drei Jahre lang zum Apotheker ausgebildet wurde (OZ 12, S. 8). Nach seinem Collegebesuch in Jigjiga ist der Beschwerdeführer nach XXXX zurückgekehrt und hat dort gearbeitet, jedoch in Jigjiga gewohnt (OZ 12, S. 8; AS 49). Der Beschwerdeführer arbeitete in XXXX in einer Apotheke (AS 1, AS 49). Der Beschwerdeführer hat vor seiner Ausreise in Jigjiga gelebt (AS 3, AS 49).

Der Beschwerdeführer ist in der Stadt XXXX mit seiner Familie aufgewachsen. Er wurde von seiner Familie versorgt bis er erwachsen war (OZ 12, S. 8). Die Familie hat gemeinsam in einer somalischen Hütte gelebt (OZ 12, S. 8). Der Vater des Beschwerdeführers hat als Landwirt gearbeitet. Die Familie hat Tiere gezüchtet. Die Mutter des Beschwerdeführers war Hausfrau. Die somalische Hütte sowie ein Feld stehen im Eigentum der Familie des Beschwerdeführers. Nur der Beschwerdeführer und sein Bruder konnten die Schule besuchen, die weiteren Geschwister halfen bei der Arbeit auf dem Feld und beim Züchten der Tiere (OZ 12, S. 9).

Die Eltern des Beschwerdeführers, seine zwei Brüder sowie sechs Schwestern leben weiterhin in XXXX in Äthiopien (AS 1, AS 49). Der Beschwerdeführer steht in Kontakt zu seiner Familie. Der Beschwerdeführer hat abgesehen von seiner Familie keine weiteren Verwandten in Äthiopien (OZ 12, S. 9).

Der Beschwerdeführer ist im Oktober 2015 aus Äthiopien ausgereist (OZ 12, S. 8).

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und stellte am 05.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich (AS 1 ff).

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund und arbeitsfähig (OZ 12, S. 5 und S. 11).

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1. Dem Beschwerdeführer wurde im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit als Apotheker weder von Regierungssoldaten bzw. der Liyu Police, noch von der ONLF aufgesucht. Weder die Regierungssoldaten noch die ONLF entnahmen in seiner Apotheke Medikamente oder Geld. Er wurde von diesen auch weder bedroht noch geschlagen. Der Vorfall, wonach er von der Liyu Polizei festgenommen worden sei und diese versucht habe ihn in ein Gefängnis zu bringen, hat sich nicht ereignet. Es hat sich keine Flucht vor der Regierung bzw. der Liyu Police ereignet. Der Beschwerdeführer wurde in Äthiopien weder angegriffen noch geschlagen. Es wurde auch nicht auf den Beschwerdeführer geschossen.

Auch die Familie des Beschwerdeführers ist weder von Regierungssoldaten bzw. der Liyu Police noch von Mitgliedern der ONLF oder von anderen Personen bedroht worden.

1.2.2. Der Beschwerdeführer hat Äthiopien weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Unversehrtheit noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien droht dem Beschwerdeführer weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Regierungssoldaten, Angehörige der Liyu Police, Angehörige der ONLF oder durch andere Personen.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Äthiopien in die Stadt XXXX oder einer Ansiedlung in der Stadt Addis Abeba kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der Beschwerdeführer kann in sowohl in der Stadt XXXX als auch in der Stadt Addis Abeba grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Diese Städte verfügen über eine ausreichende Sicherheitslage.

Der Beschwerdeführer ist mit den Gepflogenheiten in Äthiopien vertraut, er wurde in Äthiopien sozialisiert.

Der Beschwerdeführer ist jung, ledig, gesund und im erwerbsfähigen Alter. Er hat keine Unterhaltsverpflichtungen in Äthiopien. Er hat eine langjährige Schulausbildung sowie eine dreijährige Berufsausbildung als Apotheker und er kann Berufserfahrung als Apotheker vorweisen. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer rasch am Arbeitsmarkt in Äthiopien reintegrieren und für seinen eigenen Lebensunterhalt sorgen kann. Da er auch in der Stadt Jigjiga gelebt hat, ist er mit städtischen Strukturen in Äthiopien vertraut.

Er verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte in Äthiopien, insbesondere in XXXX und kann wieder bei seinen Eltern und seinen Geschwistern in ihrer somalischen Hütte in XXXX wohnen. Er kann von seinem familiären Netzwerk, insbesondere seinen Eltern, bei der Suche nach Arbeit, Unterkunft und Verpflegung unterstützt werden und dann selber für sein Auskommen und Fortkommen sorgen. Zudem kann er auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten bei einer Rückkehr nach Äthiopien in der Stadt XXXX oder in der Stadt Addis Abeba Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragsstellung am 05.04.2016 aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG in Österreich durchgehend aufhältig.

Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse auf dem Niveau A1 und A2 besucht (Beilage ./D; Beilage ./E; Beilage ./N; OZ 9, S. 23) und die ÖSD-Prüfung für die Stufe A1 bestanden (OZ 9, S. 19). Zudem nahm er an einem Wert- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds teil (Beilage ./C). Zusätzlich hat er den Vorbereitungslehrgang zur Pflichtschulabschlussprüfung besucht und die Pflichtschulabschlussprüfung erfolgreich bestanden (Beilage ./B; Beilage ./F; Beilage ./G; Beilage ./I; Beilage ./J; Beilage ./K; Beilage ./L; Beilage ./O) Er hat als außerordentlicher Studierender an einer Universität einzelne Lehrveranstaltungen der Initiative MORE besucht (OZ 9, S. 27). Zudem hat er im Jahr 2019 am Grundkurs Erste Hilfe des Österreichischen Roten Kreuzes teilgenommen (Beilage ./R).

Der Beschwerdeführer hat außerdem einen PSA Computerkurs für Anfänger absolviert (Beilage ./H).

Der Beschwerdeführer hat in einem Verein Fußball trainiert und für diesen unentgeltliche Hilfstätigkeiten erbracht (Beilage ./M). Er hat im Jahr 2019 eine Fortbildung zum Thema „Fußball in der sozialen Arbeit“ besucht (Beilage ./Q).

Der Beschwerdeführer geht keiner beruflichen Tätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer möchte im Bereich seiner Ausbildung arbeiten, er könnte aber auch andere Tätigkeiten, wie Lagerarbeiten oder Hilfsarbeiten ausüben (OZ 12, S. 10). Der Beschwerdeführer verfügt weder über eine Einstellungszusage, noch über einen Arbeitsvorvertrag (OZ 12, S. 10).

Der Beschwerdeführer hat freundschaftliche Kontakte zu Österreichern knüpfen können. Er verfügt weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich (OZ 12, S. 10).

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Äthiopien:

Die Länderfeststellungen zur Lage in Äthiopien basieren auf nachstehenden Quellen:

-        Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Äthiopien vom 08.01.2019, letzte Kurzinformation eingefügt am 07.07.2020 (LIB),

-        Bericht Famine Early Warning System, Food Security Outlook Update aus August 2020 (FEWS)

1.5.1. Allgemeines und Sicherheitslage:

Äthiopien hat rund 104 Millionen Einwohner und mehr als 80 verschiedene ethnische Gruppen, wie die Oromo, Amharen, Somalis und Tigrinya. Diese vier Volksgruppen machen 75 % der Gesamtbevölkerung aus. Die Oromo sind mit 35 % die größte Bevölkerungsgruppe in Äthiopien. 80 % der Gesamtbevölkerung leben in ländlichen Gebieten (DFAT, S. 5).

Entsprechend der Verfassung ist Äthiopien ein föderaler und demokratischer Staat. Die Grenzen der Bundesstaaten orientieren sich an sprachlichen und ethnischen Grenzen sowie an Siedlungsgrenzen (LIB, Kapitel3).

Nach der Wahl eines neuen Premierministers hat sich die Sicherheitslage beruhigt. Der im Februar 2018 ausgerufene Notstand wurde am 5.6.2018 vorzeitig beendet. Derzeit gibt es in keiner äthiopischen Region bürgerkriegsähnliche Zustände; die Konflikte zwischen Ethnien (z.B. Gambella, SNNPR, Oromo/Somali) haben keine derartige Intensität erreicht. Ein Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Im ganzen Land kann es bei Demonstrationen zu Ausschreitungen kommen und Gewaltanwendung nicht ausgeschlossen werden. Die politischen und sozialen Spannungen können jederzeit zu gewalttätigen Demonstrationen, Plünderungen, Straßenblockaden und Streiks führen. Auch in Addis Abeba können gewalttätige Demonstrationen jederzeit vorkommen (LIB, Kapitel 4).

Aktuelle Proteste:

Ende Juni 2019 kam es zu mehreren Angriffen auf führende Politiker landesweit. Der Regionalpräsident von Bahir Dar wurde, gemeinsam mit zwei weiteren Regionalregierungsmitgliedern und Dutzender weiterer Personen bei einem „Putschversuch“ durch den Sicherheitsregionalleiter am 22.6.2019 getötet. Am 20.6.2019 wurde der Bürgermeister von Dembir Bolo angeschossen und schwer verletzt. In Guba wurden bei einem Angriff einer Amhara-Miliz am 23.6.2019 mehr als 50 Personen getötet. In Addis Abeba wurde der Militärstabschef durch seinen eigenen Personenschützer erschossen (LIB, Kapitel 2).

Die Ereignisse von Juni 2019 stehen in scharfem Kontrast zum Rückgang der Gewalt seit der Amtseinsetzung von Premierminister Abiy im April 2018. Abiy schlug danach eine härtere Linie ein. Das Internet wurde für vier Tage landesweit blockiert und hunderte Personen wurden in Zusammenhang mit der Gewalt verhaftet; der Druck der Regierung hat seitdem nicht nachgelassen (LIB, Kapitel 2).

Ende Oktober 2019 kam es nach Gerüchten über die Misshandlung des Abiy-Kritikers und Internetaktivisten Jawar Mohammed durch Sicherheitskräfte zu Protesten und Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstrierenden. Aus den Protesten entwickelten sich in der Folge ethnisch und religiös motivierte Unruhen. In den darauffolgenden Tagen kam es in vielen Städten zu gewaltsamen Sicherheitsmaßnahmen, gewalttätigen Konfrontationen und Kämpfen. Im Zuge dieser gewaltsamen Zusammenstöße zwischen verschiedenen Volksgruppen wurden nach Angaben des Premierministers 86 Menschen getötet, darunter zehn Tote durch Sicherheitskräfte und im Zusammenhang mit den Unruhen wurden 409 Personen verhaftet. Premierminister Abiy kündigte an, dass die Behörden gegen all jene vorgehen würden, die "den Frieden und die Stabilität Äthiopiens bedrohen" (LIB, Kapitel 2).

Nach der Ermordung des Musikers und Aktivisten Hachalu Hundessa am 29.6.2020 ist es in Äthiopien in mehreren Städten zu gewalttätigen Unruhen gekommen. In Addis Abeba wurde von mehreren Explosionen berichtet, Geschäfte wurden in Brand gesetzt, es gab mehrere Tote, Verletzte sowie Verhaftungen. Inzwischen habe sich die Lage – so die Polizei – wieder beruhigt. Drei Verdächtige des Mordes am Sänger seien in Untersuchungshaft, die Hintergründe des Anschlages sind jedoch bislang noch unklar. Als Reaktion auf die Unruhen blockierte die äthiopische Regierung alle Internetverbindungen im Land. Auch die Telefonverbindungen wurden unterbrochen (LIB, Kapitel 2).

Region Oromia:

Für die Region Oromia wurde ein hohes Sicherheitsrisiko ausgerufen. In den Regionen Oromia und Amhara kann es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung und der Polizei kommen. In den Oromo-und Amhara-Regionen kommt es des Öfteren zu teils gewalttätigen Demonstrationen und Protestaktionen. Über 200.000 Menschen sind seit Juli 2018 vor ethnischen Konflikten im SRS geflohen. Damit steigt die Gesamtzahl auf über 700.000, die in den letzten Jahren vor interkommunaler Gewalt geflohen sind. Die meisten kamen aus der Region Oromia. Insgesamt wurden im SRS fast 1,1 Millionen Menschen vertrieben, wenn auch andere Ursachen wie Dürre und Überschwemmungen berücksichtigt werden (LIB, Kapitel 4.1).

1.5.2. Rechtsschutz und Sicherheitsbehörden:

Das Gesetz bzw. die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor. In der Praxis ist davon auszugehen, dass die Gerichte nicht immer unabhängig arbeiten, was jedoch kaum nachzuweisen ist. Das Justizwesen wird als korrupt und undurchsichtig wahrgenommen (LIB, Kapitel 5).

Sowohl religiöse als auch traditionelle Gerichte sind verfassungsmäßig anerkannt. Viele Bürger in ländlichen Gebieten haben kaum Zugang zum formalen Justizsystem und sind auf traditionelle Konfliktlösungsmechanismen angewiesen. Scharia-Gerichte können religiöse und Familienrechtsfälle übernehmen, die Muslime betreffen. Sie erhalten finanzielle Unterstützung durch den Staat und urteilen in der Mehrheit der Fälle in den vorwiegend muslimischen Somali und Afar-Gebieten. Daneben gibt es noch weitere traditionelle Rechtssysteme, wie etwa Ältestenräte (LIB, Kapitel 5).

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht ersichtlich (LIB, Kapitel 5).

Das Public Defender‘s Office bietet kostenlose Rechtsberatung, allerdings sind dessen Ressourcen beschränkt. Zusätzlich gibt es zahlreiche sog. Legal Aid Clinics und in manchen Landesteilen dürfen auch Rechtsstudenten und -Professoren pro bono als Verteidiger auftreten. Pflichtverteidiger können erst dann in Anspruch genommen werden, wenn der Fall bei Gericht anhängig ist (LIB, Kapitel 5).

Die Sicherheitskräfte handeln im Allgemeinen diszipliniert, sind aber oftmals schlecht ausgebildet, schlecht ausgerüstet und besitzen ungenügende Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften. Gewalt wird teilweise unverhältnismäßig eingesetzt. Straffreiheit ist weiterhin ein ernstes Problem. Allerdings lässt die Regierung Polizisten und Soldaten in Menschenrechten ausbilden (LIB, Kapitel 5).

Der National Intelligence and Security Service (NISS) ist als Sicherheits- und Abwehrbehörde gut aufgestellt und verfügt über ein funktionierendes Netz an Zuträgern in allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens. Sein Schwerpunkt richtete sich in erster Linie gegen die politische inländische Opposition, regierungskritische Journalisten und gegen Gruppierungen aus Eritrea und Somalia (LIB, Kapitel 6).

Die Bundespolizei (Federal Police) untersteht dem Premierminister und unterliegt parlamentarischer Aufsicht. Diese Aufsicht ist allerdings locker. Jeder der neun Regionalstaaten hat eine eigene Staats- oder Sonderpolizeieinheit [„Liyu“], die jeweils den regionalen zivilen Behörden untersteht. Neben den staatlichen bzw. regionalen Polizeibehörden gibt es in allen Regionen staatliche Milizen. Diese sind von Gemeindevertretern ausgewählte, bewaffnete Personen, die ehrenamtlich Militär- und Polizeidienste leisten und im Wesentlichen Polizeiaufgaben in (teilweise sehr entlegenen) ländlichen Gebieten erfüllen (vergleichbar mit „Community Police“) (LIB, Kapitel 6).

In einigen Regionen (Oromia, SRS, Gambella, Sidamo) gehen Polizei und Militär weiterhin gezielt gegen vermutete und tatsächliche Unterstützer und Angehörige der dort aktiven, z. T. militant bis terroristisch operierenden oppositionellen Gruppierungen OLF (Oromo Liberation Front), ONLF (Ogaden National Liberation Front), Ethiopian National United Patriotic Front (ENUPF) und Sidamo Liberation Front (SLF) vor. Die beiden erstgenannten Gruppierungen wurden allerdings im Juli 2018 entkriminalisiert. Im Zuge der Proteste, bzw. des Ausnahmezustandes in der Region Oromia wurden hauptsächlich Militär und Bundespolizei gegen Demonstranten eingesetzt (LIB, Kapitel 6).

1.5.3. Allgemeine Menschenrechtslage, Folter und unmenschliche Behandlung:

Menschenrechte und Freiheiten sind als unverletzbar und unveräußerlich in der äthiopischen Verfassung von 1995 genannt. Trotzdem ist die Menschenrechtssituation in Äthiopien unbefriedigend. Dies gilt vor allem für die Rechtsstaatlichkeit (Vorführung vor Gericht, Verfahrensdauer) und die Behinderung und Verfolgung von Journalisten. Es erfolgen Verhaftungen ohne Haftbefehl und ohne fristgerechte gerichtliche Überprüfung (LIB, Kapitel 10).

Zu den wichtigsten Menschenrechtsproblemen gehören: willkürliche Tötung, Verschwindenlassen, Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch Sicherheitskräfte; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftung und Inhaftierung durch Sicherheitskräfte; Verweigerung eines fairen öffentlichen Prozesses; Verletzung der Persönlichkeitsrechte; Beschränkungen der Meinungs-, Presse-, Internet-, Versammlungs-, Vereinigungs- und Bewegungsfreiheit; mangelnde Rechenschaftspflicht in Fällen von Vergewaltigung und Gewalt gegen Frauen; Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Orientierung. Die Regierung hat im Allgemeinen keine Schritte unternommen, um Beamte, die andere Menschenrechtsverletzungen als Korruption begangen haben, zu verfolgen oder anderweitig zu bestrafen. Straffreiheit ist ein Problem; es kommt nur zu einer begrenzten Anzahl von Anklagen von Mitgliedern der Sicherheitskräfte oder von Beamten wegen Menschenrechtsverletzungen (LIB, Kapitel 10).

Der im vergangenen Jahr mehrmals ausgerufene Ausnahmezustand schränkte die Meinungs- und Versammlungsfreiheiten weitestgehend ein und verlieh den Sicherheitskräften weitreichende neue Befugnisse: u.a. Durchsuchungen und Verhaftungen ohne richterlichen Beschluss, Unterbindung von Kommunikationswegen und von Versammlungen. Allerdings wurde der Ausnahmezustand im Juni 2018 aufgehoben (LIB, Kapitel 10).

Die Verfassung verbietet Folter. Das in der Verfassung verankerte Verbot von Folter wird in der Praxis unterlaufen. Von verschiedener Seite werden immer wieder Vorwürfe über Misshandlungen durch Polizei und Militär laut. Berichte von Folter und Misshandlung gibt es insbesondere während der Untersuchungshaft und von Häftlingen, die unter Verdacht stehen, mit Terrororganisationen in Verbindung zu stehen. Eine adäquate und konsistente Reaktion der Behörden auf z.B. in Gerichtsverfahren geäußerte Folter- und Misshandlungsvorwürfe ist nicht zu erkennen. Eine Untersuchung derartiger Verbrechen findet in der Regel nicht statt (LIB, Kapitel 7).

1.5.4. Todesstrafe:

Einige Gesetze, zum Beispiel das Strafgesetz und das Antiterrorgesetz, sehen nach wie vor die Todesstrafe vor. Die Todesstrafe wurde in Äthiopien seit 1991 zwei Mal vollstreckt. Seit der letzten Hinrichtung im August 2007 herrscht ein de-facto Moratorium (LIB, Kapitel 12).

1.5.5. Ethnische Minderheiten

Äthiopien ist ein Vielvölkerstaat mit einer großen Zahl von Ethnien und Sprachen. Die Anzahl ethnischer Gruppen wird mit mindestens 80 bis zu 120, angegeben. Die Sprachenvielfalt ist ebenso ausgeprägt. Diese sind entweder sehr klein, mit nur einigen tausend Menschen (z.B. Mursi) oder mit über 25 Millionen (z.B. Oromo) sehr groß. Laut Volkszählung von 2007 sind Oromo mit 34,5% und Amharen mit 29,6% die zwei größten ethnischen Gruppen, gefolgt von Somali mit 6,2% und Tigray mit 6,1%. Die übrigen Ethnien machen zusammen gut 23% der Bevölkerung aus (LIB, Kapitel 14).

Auch wenn keine diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis feststellbar ist, gibt es jedoch nicht verifizierbare Berichte, dass kleinere indigene Gruppen in der Praxis diskriminiert werden (LIB, Kapitel 14).

Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Ethnien werden teils gewaltsam ausgetragen, und weder die Zentralregierung noch lokale Behörden sind in allen Regionen in der Lage, Menschenrechte und demokratische Rechte permanent zu gewährleisten (LIB, Kapitel 14).

Angehörige der Sheikhal bzw. der ethnischen Somali sind alleine aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit in Äthiopien keiner physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

1.5.6. Religionsfreiheit

Äthiopier sind tief gläubige Menschen, für die ihr Glaube fester Bestandteil ihres Alltags ist. Die zwei größten Glaubensgemeinschaften sind die äthiopisch-orthodoxen Christen (ca. 43%) und überwiegend sunnitische Muslime (ca. 34%). Die übrigen 23% gehören überwiegend anderen christlichen Kirchen oder traditionellen Religionen an (LIB, Kapitel 13).

Die sunnitischen Muslime, die etwa ein Drittel der äthiopischen Bevölkerung ausmachen, sind in den Regionen Oromia, Somali und Afar vorherrschend (LIB, Kapitel 13).

Die Verfassung kodifiziert die Trennung von Religion und Staat, legt Religionsfreiheit fest, verbietet religiöse Diskriminierung und legt fest, dass die Regierung sich nicht in die Ausübung einer Religion einmischt und dass keine Religion in die Angelegenheiten des Staates eingreift (LIB, Kapitel 13).

Äthiopien ist für die friedliche Koexistenz der verschiedenen Glaubensgemeinschaften, vor allem für das friedliche Zusammenleben von Muslimen und Christen, bekannt. Generell sind bislang keine nennenswerten interreligiösen Spannungen in Äthiopien zu verzeichnen (LIB, Kapitel 13).

Allerdings werden Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen religiösen Gruppen teils gewaltsam ausgetragen. In den Bundesstaaten Oromia und im Somali Regional State (SRS) schwelt ein international kaum wahrgenommener Konflikt. Die Gewalttätigkeiten sind religiös und ethnisch aufgeladen (LIB, Kapitel 13).

Muslime sind in Äthiopien nicht alleine aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

1.5.7. Bewegungsfreiheit

Obwohl das Gesetz die Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Rückführung vorsieht, kam es während des Ausnahmezustands zu Einschränkungen der internen Bewegungsfreiheit. Diese Beschränkungen wurden mit dem Ende des Ausnahmezustands aufgehoben (LIB Kapitel 16).

Bei der Ein- und Ausreise über den internationalen Flughafen in Addis Abeba erfolgt eine genaue Personen- und Passkontrolle mit digitaler Erfassung. An den wenigen Grenzübergängen der Landgrenze wird die Ein- und Ausreise manuell erfasst. Abseits der offiziellen Grenzübergänge sind die Grenzen passierbar, der Verlauf der Grenzen ist nicht demarkiert (LIB Kapitel 16).

Opfer staatlicher Repressionen können ihren Wohnsitz in andere Landesteile verlegen, um einer lokalen Bedrohungssituation zu entgehen. Der niedrige Entwicklungsstand, Schwierigkeiten beim Landerwerb und ethnische sowie sprachliche Abgrenzungen machen die Gründung einer neuen wirtschaftlichen und sozialen Existenz in anderen Landesteilen mitunter schwierig. In größeren Städten ist ein wirtschaftlicher Neuanfang im Vergleich leichter möglich (LIB Kapitel 16).

1.5.8. Grundversorgung/Wirtschaft

Äthiopien ist bei etwa 92,7 Millionen Einwohnern mit einem jährlichen Brutto-National-Einkommen von etwa 927,4 US-Dollar pro Kopf eines der ärmsten Länder der Welt, auch wenn das Wirtschaftswachstum in den letzten zehn Jahren wesentlich über dem regionalen und internationalen Durchschnitt lag. Ein signifikanter Teil der Bevölkerung lebt unter der absoluten Armutsgrenze, das rasche Bevölkerungswachstum trägt zum Verharren in Armut bei. Äthiopien ist strukturell von Nahrungsmittelknappheit betroffen, ebenso wie von häufigen Überschwemmungen und die Regierung steht noch vor enormen humanitären Herausforderungen. Das Land leidet immer noch unter den Auswirkungen der Dürre 2015-16, welche durch unterdurchschnittliche Niederschläge im Jahr 2017 verstärkt wurden. Hunderttausende waren zur Flucht aus ihren Häusern gezwungen - vor allem im Süden und Südosten des Landes. Derzeit leiden fast 8 Millionen Menschen an einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung und benötigen humanitäre Hilfe (LIB Kapitel 18).

Viele Menschen können nicht lesen oder schreiben, sind nicht in die moderne Ökonomie eingebunden und haben nur unzureichenden Zugang zu medizinischer Versorgung. Staatliche soziale Sicherungssysteme sind auf die Agenda der Regierung getreten: Mit der Arbeit an einer National Social Protection Policy hat die Arbeit an Themen wie Kindergeld, Alters- und Berufsunfähigkeitsrenten begonnen (LIB Kapitel 18).

Äthiopien ist traditionell ein Land der Landwirtschaft und Viehzucht, wandelt sich durch massive Anstrengungen in den letzten Jahrzehnten aber immer mehr zu einem Land mit aufstrebenden Dienstleistungs- und Industriesektoren. Die äthiopische Wirtschaftslage entwickelt sich insgesamt gut. Im Jahr 2016 war ein Wirtschaftswachstum von etwa 8-10% zu verzeichnen. Die Wirtschaft des Landes zählt damit zu den am schnellsten wachsenden der Welt (LIB Kapitel 18).

Die meisten Menschen in Äthiopien (ca. 80%) leben auf dem Land als sesshafte Bauern, Viehhirten oder (Halb-) Nomaden. Neben der Millionenstadt Addis Abeba gibt es 16 Großstädte mit mehr als 120.000 Einwohnern. Das Bevölkerungswachstum in den Städten ist mit fast 5% deutlich höher als das ländliche. Dieses Wachstum geht einher mit der Überforderung von Stadtverwaltungen, dem schlechten Umgang mit den kommunalen Finanzen sowie einer schwachen städtischen Infrastruktur. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit, die durch die Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und die anhaltend hohe Zuwanderung aus dem ländlichen Raum verstärkt wird (LIB Kapitel 18).

Der wichtigste Erwerbszweig bleibt die Landwirtschaft mit 81% der Erwerbstätigen, die 2016 rund 40% des Bruttoinlandsprodukts erzeugten (GIZ 9.2018). Die saisonalen Niederschläge von Oktober bis Dezember 2018 waren unterdurchschnittlich und unregelmäßig, es ist zu langen Trockenperioden gekommen. Die Entwicklung nicht-saisonaler Niederschläge, insbesondere in Teilen von Tigray, Amhara, SNNPR sowie im westlichen und zentralen Oromia, hat die Ernte- und Lageraktivitäten behindert und die Ernteerträge in den betroffenen Gebieten beeinträchtigt. Von der Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Produktion hängt die Sicherheit der Lebensmittelversorgung ab. Viele Kleinbauern können sich und ihre Familien mit ihrer Ernte nicht ganzjährig ernähren. Jährlich erhalten daher rund 3 Millionen Äthiopier Nahrungsmittelhilfe zur Überbrückung ihrer Engpässe, weitere ca. 8 Millionen werden über das staatliche Productive Saftey Net Programme (PSNP, Landwirtschafts- und Sozialprogramm) 6 Monate im Jahr durch Cash-for-Work oder auch direkte Nahrungsmittelhilfe unterstützt. Zudem besteht ein hoher Bedarf an humanitärer Versorgung im Rahmen der Dürrehilfe mit einem Volumen von 948 Mio. USD. Darüber hinaus sind 7,9 Mio. Menschen auf ein staatliches Sozialprogramm zur Ernährungssicherung angewiesen. Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Kindergeld o. ä. werden von der äthiopischen Regierung nicht erbracht (LIB Kapitel 18).

Teile der Regionalstaaten Oromia und Harar befinden sich in IPC-Phase 3 (IPC = Integrated Phase Classification der Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln; Stufe 1 – Minimal, Stufe 2 – Stressed, Stufe 3 Crisis, Stufe 4 – Emergency, Stufe 5 – Hungersnot). Der überwiegende Teil des Regionalstaates Somali befindet sich in IPC-Stufe 3. Die Stadt Addis Abeba und deren Umgebung, insbesondere der westliche Teil des Landes befindet sich in IPC-Stufe 1 – Minimal und ist kaum von Nahrungsmittelknappheit bedroht (LIB Kapitel 18; FEWS).

1.5.9. Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist in Addis Abeba nur beschränkt gewährleistet und vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch hoch problematisch. Die Gesundheitsversorgung ist trotz erheblicher Anstrengungen und bereits erzielter Fortschritte noch mangelhaft. Medizinische Versorgungsmöglichkeiten sind begrenzt, die Qualität ist unvorhersehbar, eine staatliche notfallmedizinische Versorgung auf europäischem Niveau ist landesweit nicht vorhanden. Vor allem im medizinischen Bereich stellt die Abwanderung qualifizierter Fachkräfte (brain drain) ein Problem dar (LIB Kapitel 19).

Generell ist die medizinische Versorgung auf dem Land wegen fehlender Infrastruktur erheblich schlechter als in den städtischen Ballungszentren. Ernsthafte Krankheiten und Verletzungen werden im Ausland behandelt. Es gibt in Äthiopien weder eine kostenlose medizinische Grundversorgung noch beitragsabhängige Leistungen. Krankenhäuser verlangen eine finanzielle Garantie, bevor sie Patienten behandeln (Vorschusszahlung). Die medizinische Behandlung erfolgt entweder in staatlichen Gesundheitszentren bzw. Krankenhäusern oder in privaten Kliniken (LIB Kapitel 19).

Die Behandlung akuter Erkrankungen oder Verletzungen ist durch eine medizinische Basisversorgung gewährleistet. Komplizierte Behandlungen können wegen fehlender Ausstattung mit hochtechnologischen Geräten nicht durchgeführt werden (LIB Kapitel 19).
Viele Menschen sind von häufigen Durchfällen betroffen. Diese stellen bei Kindern die häufigste Todesursache dar. Chronische Krankheiten, die auch in Äthiopien weit verbreitet sind, wie Diabetes, Schwäche des Immunsystems etc. können mit der Einschränkung behandelt werden, dass bestimmte Medikamente ggf. nicht verfügbar sind. Andere Herausforderungen bleiben Malaria, Hepatitis, Meningitis, Bilharziose sowie HIV/AIDS. HIV/AIDS ist in Äthiopien stark verbreitet (LIB Kapitel 19).

Es kommt es bei bestimmten Medikamenten immer wieder einmal zu Versorgungsengpässen. Der Zugang zu den wesentlichen Medikamenten ist nur einem Teil der Bevölkerung möglich. Fast die Hälfte der Bevölkerung muss mehr als 15 Kilometer zurücklegen, um zum nächstgelegenen Gesundheitsposten zu gelangen (LIB Kapitel 19).

1.5.10. Behandlung nach Rückkehr

Die bloße Asylantragstellung im Ausland bleibt ohne Konsequenzen. Es sind keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier Benachteiligungen ausgesetzt waren oder diese gar festgenommen oder misshandelt worden wären. Im direkten persönlichen Umfeld wird eine Rückkehr jedoch häufig als Scheitern gewertet. Daher suchen einige der zwangsweise nach Äthiopien zurückgeführten Personen erneut den Weg nach Europa. Rückkehrer können nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen. Für schutzbedürftige Rückkehrer, insbesondere für unbegleitete Minderjährige, gibt es Erstaufnahmeeinrichtungen, die von IOM betrieben werden. Die Regierung arbeitet mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um die Bereitstellung von Schutz und Hilfe für IDPs, Flüchtlinge, rückkehrende Flüchtlinge, Asylbewerber, Staatenlose und andere betroffene Personen zu gewährleisten (LIB Kapitel 20).

1.5.11. Zur aktuellen Covid-19-Pandemie:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. In Österreich gibt es mit Stand 10.11.2020 164.075 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen und 1.454 Todesfälle (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Neuartiges-Coronavirus-(2019-nCov).html); in Äthiopien wurden mit Stand vom 10.11.2020 99.675 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 1.523 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden (https://covid19.who.int/region/emro/country/et). Äthiopien hat ca. 109 Millionen Einwohner. Zwischen Juni und September 2020 hat sich die Anzahl der bestätigten COVID-19 Fälle verzehnfacht. Die höchste Anzahl an bestätigten COVID-19 Fällen gibt es in der Hauptstadt Addis Abeba und in den Regionen Amhara und Oromia (FEWS).

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten, Immunschwächen, etc.) auf.

Die anhaltend hohe Inflation, die anhaltenden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und die negativen Auswirkungen von Überschwemmungen und Wüstenheuschrecken werden den Zugang zu Nahrungsmitteln aus eigenen Kulturen, der Tierproduktion und den Märkten weiterhin negativ beeinflussen. Daher werden die meisten armen und sehr armen Haushalte in der östlichen Hälfte des Landes höchstwahrscheinlich bis Mai 2021 weiterhin mit IPC-Phase 3 (crisis) klassifiziert werden. Hingegen bleibt der Westen des Landes als IPC-Phase 1 (minimal) klassifiziert (FEWS).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt sowie durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden.

Den Feststellungen basieren auf den in der Klammer angeführten Beweismitteln.

2.1. Der Beschwerdeführer brachte in der mündlichen Verhandlung vor, dass in der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt nicht alles vollständig übersetzt worden sei. So sei etwa sein Fluchtgrund nicht vollständig übersetzt worden. Der erste Teil seines Problems sei nicht übersetzt worden, es sei nicht übersetzt worden, wie seine Probleme begonnen hätten und auch der letzte Teil seiner Fluchtgeschichte sei nicht aufgeschrieben worden. Auch der letzte Ort, an dem sich der Beschwerdeführer aufgehalten habe, sei nicht aufgeschrieben worden Zudem sei ihm nur die Erstbefragung rückübersetzt worden, die niederschriftliche Einvernahme beim Bundesamt jedoch nicht (OZ 12, S. 6).

Dies ist insofern nicht nachvollziehbar, als der Beschwerdeführer beim Bundesamt in Form seiner Unterschrift bestätigt hat, dass die Niederschrift und die Rückübersetzung richtig und vollständig seien und er angab, alles verstanden und dem nichts mehr hinzuzufügen zu haben (AS 55 und AS 57). Diesen Widerspruch konnte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auch nicht aufklären. Seine Behauptung, dass es nur so geschrieben worden sei, als sei es rückübersetzt worden, ihm tatsächlich aber nicht rückübersetzt worden sei, ist als Schutzbehauptung zu qualifizieren (OZ 12, S. 6).

Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, dass er seine Fluchtgründe beim Bundesamt genauso ausführlich geschildert habe wie in der mündlichen Verhandlung, diese jedoch beim Bundesamt nicht protokolliert worden wären. Dazu ist anzumerken, dass eine genauso ausführliche Schilderung des Fluchtgrundes des Beschwerdeführers wie in der mündlichen Verhandlung zeitlich in seiner niederschriftlichen Einvernahme nicht möglich gewesen sein kann. Die niederschriftliche Einvernahme beim Bundesamt dauerte 1 Stunde und 20 Minuten (AS 41 und AS 57), die mündliche Verhandlung aber drei Stunden (OZ 12, S. 1 und S. 17), wobei ein Großteil der Zeit auf die freie Erzählung des Fluchtvorbringens entfiel. Auch zeitlich kann der Beschwerdeführer seinen Fluchtgrund beim Bundesamt somit nicht derart ausführlicher geschildert haben. Die Angaben des Beschwerdeführers zur fehlerhaften Protokollierung beim Bundesamt sind nicht glaubhaft und nicht nachvollziehbar.

Das Gericht geht daher davon aus, dass das Protokoll der Einvernahme beim Bundesamt den tatsächlichen Einvernahmeinhalt abbildet. Dieses wird daher auch der Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

2.2. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

2.2.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, beim Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Clan- und Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Muttersprache und seinen weiteren Sprachkenntnissen sowie zu seinem Lebenslauf (seinem Aufwachsen sowie seine familiäre und wirtschaftliche Situation in Äthiopien), sowie zu seinem Familienstand gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln

Die Feststellung zur Sozialisierung des Beschwerdeführers nach äthiopischen Gepflogenheiten ergibt sich daraus, dass er in Äthiopien mit seiner Familie aufgewachsen ist. Zudem ist er dort zur Schule gegangen, er hat in Äthiopien studiert und als Apotheker gearbeitet.

Das Datum der Antragsstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.2.2. Zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ist anzumerken, dass im Protokoll der Erstbefragung Somalia als seine Staatsangehörigkeit vermerkt wurde (AS 1). In seiner niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt erklärte der Beschwerdeführer jedoch, dass es sich dabei um einen Fehler gehandelt habe und er tatsächlich äthiopischer Staatsbürger sei (AS 45). Zudem legte der Beschwerdeführer im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme eine Geburtsurkunde vor, der zu entnehmen ist, dass er im Ethiopian Somali Regional State geboren ist (AS 63).

Zudem gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung an, dass er zwar keinen Reisepass, aber einen äthiopischen Personalausweis, genauer eine äthiopische ID Card gehabt habe, was zusätzlich als Nachweis für seine äthiopische Staatsangehörigkeit gesehen werden kann. Er sei auch an der Universität als äthiopischer Staatsbürger zugelassen worden (OZ 12, S. 7). Er betonte auch nochmals, dass es sich in der Erstbefragung um einen Fehler gehandelt habe und er ethnischer Somali, aber äthiopischer Staatsbürger sei (OZ 12, S. 6).

Es war daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer äthiopischer Staatsbürger ist.

2.2.3. Zu seinem Schulbesuch machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen gleichbleibende Angaben. In seiner Erstbefragung gab er an, dass er von 01.01.2002 bis 01.01.2009 die Grundschule in Jigjiga, dann von 01.01.2009 bis 01.01.2011 die Hauptschule in Jigjiga und anschließend von 01.01.2012 bis 01.01.2014 die Berufsschule in Jigjiga besucht habe (AS 1). Auch in der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er 2002 begonnen habe, die Schule zu besuchen und diese bis zur zehnten Klasse besucht habe, sowie, dass er danach das College besucht habe und dort drei Jahre lang die Berufsausbildung zum Apotheker gemacht habe, die er im Jahr 2014 abgeschlossen habe (OZ 12, S. 8). Seine Angaben diesbezüglich waren daher glaubhaft.

Dass der Beschwerdeführer eine Ausbildung als Apotheker hat, ist auf seine konstanten Angaben im Verfahren zurückzuführen (AS 1, AS 51, OZ 12, S. 8). Zudem legte der Beschwerdeführer im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt ein Zertifikat mit dem Titel „ XXXX “ vor, das ebenfalls als Nachweis für seine Ausbildung zählt (AS 59). Er legte auch ein Schreiben mit dem Titel „ XXXX “, datiert auf den 01.08.2014 und gültig bis zum 30.07.2017, vor (AS 65). In der mündlichen Verhandlung gab er weiters dazu an, dass er das College Ende des Jahres 2013, Anfang des Jahres 2014 abgeschlossen, die Prüfung aber erst im August 2014 gemacht habe, was mit dem Datum auf dem Zertifikat übereinstimmt (OZ 12, S. 14). Seine Angaben waren diesbezüglich somit konsistent und somit glaubhaft.

Dass der Beschwerdeführer eine eigene Apotheke in XXXX geführt hat, war seinen gleichbleibenden Angaben im Verfahren zu entnehmen. Zudem konnte er die Umgebung der Apotheke beim Bundesamt näher beschreiben (AS 51). Er widerspricht sich jedoch in seinen zeitlichen Angaben. In seiner Erstbefragung gab er an, dass er seine Tätigkeit als Apotheker bis zum 01.01.2014 ausgeübt habe (AS 1), in der mündlichen Verhandlung jedoch, dass er seine Apotheke erst im Jänner 2014 eröffnet habe (OZ 12, S. 14). Es konnte somit festgestellt werden, dass er eine Apotheke in XXXX geführt habe aber nicht, wann er begonnen habe, als Apotheker zu arbeiten.

2.2.4. Zwar gab der Beschwerdeführer in seiner niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt an, dass er keinen Kontakt zu seiner Familie habe und er auch nicht wisse, wo sich diese befinde (AS 49), das Gericht geht jedoch davon aus, dass es sich dabei nur um eine Schutzbehauptung handelt.

In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer dazu an, dass seine Familie arm sei und kein Telefon habe und er nicht gewusst habe, wie er sie sonst kontaktieren hätte sollen (OZ 12, S. 9). Da seine Familie jedoch sowohl ihm als auch seinem Bruder ermöglichen konnte, zur Schule zu gehen, sie seinen Aufenthalt in Jigjiga finanzieren und sie ihn finanziell dabei unterstützen konnte, seine eigene Apotheke zu eröffnen, ist nicht glaubhaft, dass das Geld der Familie nicht ausgereicht habe, um ein Telefon anzuschaffen bzw. eine Möglichkeit zu finden, mit dem Beschwerdeführer Kontakt aufzunehmen.

In der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt gab er zudem an, dass seine Familie mit ihm Kontakt aufgenommen hätte, um ihm zu sagen, dass die Regierung nach ihm suche – also die Familie es geschafft hat von sich aus mit diesem (telefonisch) Kontakt aufzunehmen (AS 51). Zudem sind Mobiltelefone in städtischen Strukturen universell und weit verbreitet, sodass das Gericht von einer Schutzbehauptung ausgeht. Es war davon auszugehen, dass die Familie des Beschwerdeführers weiterhin in XXXX lebt und er zu dieser in Kontakt steht.

2.2.5. Zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Äthiopien machte der Beschwerdeführer leicht divergierende Angaben. In der Erstbefragung gab er an, dass er den Entschluss zu seiner Ausreise im Oktober 2015 gefasst, den Herkunftsstaat aber erst am 05.11.2015 verlassen habe (AS 5). In der mündlichen Verhandlung gab er dagegen an Äthiopien im Oktober 2015 verlassen zu haben (OZ 12, S. 8). Dabei handelt es sich lediglich um geringfügig divergierende Angaben. Es konnte daher jedenfalls festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in einem Zeitraum von Ende Oktober bis Anfang November aus Äthiopien ausgereist ist, das genau Datum konnte jedoch nicht festgestellt werden.

2.2.6. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers gründen auf seinen diesbezüglichen glaubhaften Aussagen beim Bundesamt (AS 93) und in der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 12, S. 5 und 11). Dass der Beschwerdeführer an einer schwerwiegenden und lebensbedrohlichen Krankheit leidet, hat er weder vorgebracht noch ist entsprechendes im Verfahren hervorgekommen. Es handelt sich daher beim Beschwerdeführer um einen jungen und gesunden Mann im erwerbsfähigen Alter.

2.3. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

2.3.1. Sofern der Beschwerdeführer angegeben hat, ihm drohe Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die äthiopische Regierung, die Liyu Police oder die ONLF, weil diese ihm Medikamente sowie Geld gestohlen hätten und die Regierung ihn bezichtigt habe, der ONLF anzugehören, sowie umgekehrt, so kommt seinem Vorbringen aus folgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

Das Bundesverwaltungsgericht geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund seines persönlichen Eindrucks über den Beschwerdeführer davon aus, dass ihm hinsichtlich seines Vorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen detailliert, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht worden. Das vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Fluchtvorbringen wirkte konstruiert und zeigte zu seinen vorigen Befragungen Widersprüche und Unplausibilitäten, die seine Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und nicht stringenten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Darüber hinaus erweckte das Aussageverhalten des Beschwerdeführers betreffend seiner Fluchtgründe in der Beschwerdeverhandlung für das Gericht den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte konstruierte Geschichte handelt. So schilderte er in der mündlichen Verhandlung nach seinem Fluchtvorbringen befragt zunächst nur Allgemeines zu seiner Apotheke und musste darauf hingewiesen werden, seine tatsächlichen Fluchtgründe zu schildern.

Auffallend war insbesondere, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen beim Bundesamt trotz der Aufforderung die Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen (AS 74f), äußerst kurz fasste und erst in der mündlichen Verhandlung detaillierte Angaben diesbezüglich machte (AS 43).

Anzumerken ist auch, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, als er aufgefordert wurde, sein Fluchtvorbringen umfassend zu schildern, zunächst damit begann Ausführungen zur Jobsituation in Äthiopien, zu seiner Apotheke sowie zu seiner Arbeit als Apotheker zu machen. Erst nach der Aufforderung, seine Fluchtgründe detailliert darzulegen, begann er sein konkretes Vorbringen zu schildern (OZ 12, S. 12). Auch dies machte nicht den Eindruck, als hätte der Beschwerdeführer die behaupteten fluchtauslösenden Ereignisse tatsächlich erlebt.

Der Beschwerdeführer begann erst in der mündlichen Verhandlung detaillierte Ausführungen zu machen, die seinen Angaben in der niederschriftlochen Einvernahme jedoch nicht entsprachen. Er steigerte sein Fluchtvorbringen in der mündlichen Verhandlung im Vergleich zur Erstbefragung und zur niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt erheblich. Bei einigen seiner Angaben handelte es sich zudem um gänzlich neue Vorbringen und Steigerungen, die er weder in der Erstbefragung noch in der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt vorgebracht hat.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu den behaupteten fluchtauslösenden Ereignissen machen nicht den Eindruck als würde es sich dabei um tatsächlich erlebte Ereignisse handeln.

2.3.2. Bereits die Angaben des Beschwerdeführers beim Bundesamt machen auf das Gericht nicht den Eindruck, als würde es sich um tatsächlich Erlebnisse handeln. In der Schilderung seiner Fluchtgründe fasste sich der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt kurz und machte nur vage Angaben ohne auf einzelne Ereignisse mit der Regierung oder der ONLF oder auf Details einzugehen.

2.3.3. Zudem sind erhebliche Widersprüche in den Angaben des Beschwerdeführers enthalten, die seine Fluchtgründe gänzlich unglaubhaft scheinen lassen.

So gab er beim Bundesamt an, dass immer wieder Polizisten der Liyu Police zu ihm gekommen seien, sie ihn immer wieder geschlagen hätten und sowohl Medikamente, als auch Geld von ihm genommen hätten. Zudem habe ihn auch die ONLF bedroht, um Medikamente zu erhalten und auch diese hätten Geld und Medikamente von ihm gestohlen (AS 49). In der mündlichen Verhandlung schilderte er jedoch erstmals, dass bewaffnete Personen in seine Apotheke gekommen wären, die geschrien hätten, als sie die Apotheke betreten hätten (OZ 12, S. 12). Weiters gab er an, dass die Personen gleich nach dem Betreten des Geschäfts damit begonnen hätten, ihn zu schlagen (OZ 12, S. 12 und S. 15). Zudem habe er ihnen gleich gesagt, wo das Geld sei, um sein Leben zu retten (OZ 12, S. 15). Diese Angaben unterscheiden sich von jenen in der Erstbefragung, in der angab, dass er von den Regierungssoldaten und der ONLF nur dann bedroht und geschlagen worden sei, als er „nein gesagt habe“, ihnen also versucht habe zu verbieten die Medikamente ohne Bezahlung mitzunehmen (AS 9). Es müsste dem Beschwerdeführer jedoch einprägsam in Erinnerung bleiben ob er nur dann geschlagen worden wäre, wenn er sich einer Entwendung von Medikamenten oder Geld widersetzt habe, oder ob er ohne jeden Anlass geschlagen worden wäre. Die Angaben des Beschwerdeführers sind widersprüchlich und nicht glaubhaft.

2.3.4. Widersprüchlich sind auch seine Angaben dazu, wie oft derartige Vorfälle mit der Liyu Police stattgefunden hätten. In seiner niederschriftlichen Einvernahme beim BFA gab er an, dass immer wieder Polizisten der Liyu Police zu ihm gekommen wären, die ihn immer wieder geschlagen hätten (AS 49). In der mündlichen Verhandlung schilderte er jedoch, dass es nur einen Vorfall mit der ONLF an einem Nachmittag Ende Oktober 2015 gegeben habe und einen Tag darauf in der Nacht einen Vorfall mit der Liyu Police gegeben habe, die ihn auch mitgenommen habe und er von dieser flüchten habe können (OZ 12, S. 15). In der mündlichen Verhandlung schilderte er sohin nur einen Vorfall mit der Liyu Police, nicht mehrere. Selbst auf Nachfrage gab er an, dass es nur einen einzigen Vorfall mit der Liyu Police und auch nur einen einzigen Vorfall mit der ONLF gegeben habe (OZ 12, S. 15). Hätte es jedoch – wie beim Bundesamt bereits geschildert – immer wieder und somit eine Vielzahl an gewalttätigen Übergriffen gegeben, so müssten diese jedenfalls in Erinnerung bleiben. Bei gewalttätigen Übergriffen durch bewaffnete Gruppierungen handelt es sich jedenfalls um sehr einprägsame Ereignisse. Die Angaben des Beschwerdeführers sind daher nicht glaubhaft. Das Gericht geht daher davon aus, dass sich die behaupteten Vorfälle tatsächlich nicht ereignet haben und der Beschwerdeführer in Äthiopien weder Übergriffen noch gewalttätigen Auseinandersetzungen ausgesetzt war.

2.3.5. Zudem ist anzumerken, dass den Schilderungen des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und in der niederschriftlichen Einvernahme zu entnehmen ist, dass zuerst die Soldaten bzw. die Liyu Police und erst danach die ONLF in seine Apotheke gekommen seien (AS 9, AS 49). Im Widerspruch dazu ist der Schilderung seines Fluchtvorbringens in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen, dass zuerst die ONLF in die Apotheke gekommen seien und erst danach die Liyu Police (OZ 12, S. 12). Sollte es – wie in der mündlichen Verhandlung geschildert – tatsächlich jeweils nur einen Vorfall mit diesen Gruppierungen gegeben haben, so müsste auch hier die Reihenfolge der beiden Übergriffe dem Beschwerdeführer jedenfalls erinnerlich sein. Zudem gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung an, dass er von der Liyu Police angegriffen worden sei, weil zuvor die ONLF bei ihm in der Apotheke gewesen wäre, also der Übergriff durch die Liyu Police eine Reaktion auf das Aufsuchen durch die OBLF war. Es ist daher die Reihenfolge dieser Angriffe auf den Beschwerdeführer jedenfalls für die Fluchtgründe relevant, da diese in einem kausalen Zusammenhang stehe. Es müsste daher die Reihenfolge der Angriffe dem Beschwerdeführer jedenfalls in Erinnerung geblieben sei, hätten diese tatsächlich stattgefunden. Auch aus diesem Grund ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in diesen erheblichen Punkten derart unterschiedliche Angaben gemacht hat. Die Angaben des Beschwerdeführers zu den behaupteten Fluchtgründen sind nicht glaubhaft.

2.3.6. Es sind zudem erhebliche Steigerungen in den Angaben in des Beschwerdeführers enthalten, die seine Fluchtgründe gänzlich unglaubhaft scheinen lassen:

Konkret seine Person betreffend brachte er zur ONLF vor, dass sie zu ihm gesagt hätten, dass er für die Regierung arbeite und die Medikamente der Regierung und der Liyu Police gehören würden und das

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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