Entscheidungsdatum
12.11.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W186 2233876-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch den MIGRANTINNENVEREIN ST. MARX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2020, Zl. 1262751606/200256989, den Beschluss:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge: „BF“), ein indischer Staatsangehöriger, hielt sich erstmals seit dem 11.12.2013 im Bundesgebiet auf (Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet).
Er war in den Zeiträumen 11.12.2013 – 31.10.2014, 21.04.2015 – 12.10.2015 und 22.07.2016 bis 29.12.2016 im Bundesgebiet Hauptwohnsitz gemeldet und ist seit 19.11.2019 bis dato Nebenwohnsitz gemeldet. Ferner war er in den Zeiträumen 23.05.2017 – 24.01.2018 und 12.04.2019 bis 04.11.2019 im Bundesgebiet mit einem Nebenwohnsitz gemeldet.
Der BF wurde am 05.03.2020 im Bundesgebiet mit einem Auto fahrend im Zuge eines polizeilichen Streifendienstes einer Fahrzeugkontrolle unterzogen. Hierbei stellte sich unter Rücksprache mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) heraus, dass sich der BF unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Er legitimierte sich mit seinem indischen Reisepass und einem griechischen Führerschein gegenüber den Polizisten. Der BF wurde nach seiner Anzeige gemäß § 120 FPG auf freiem Fuß belassen.
Der BF verfügt seit 01.09.2019 über eine Gewerbeberechtigung zur „Güterbeförderung mit Kraftfahrzeug oder Kraftfahrzeugen mit Anhängen deren höchstzulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt“.
Eine Ladung des BF zur niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 13.03.2020 konnte aufgrund der COVID-19 Pandemie nicht stattfinden.
Das Bundesamt stellte dem BF Schriftsatz vom 22.05.2020 eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme zu, in welcher ihm die Möglichkeit gegeben wurde, hierzu binnen 14 Tagen ab Zustellung der Verständigung eine Stellungnahme abzugeben. Das Bundesamt führte in der Verständigung an, dass der BF zu unterschiedlichen Zeitpunkten in mehreren Jahren die visafreie Zeit seines Aufenthaltes im Bundesgebiet mehrfach überschritten habe. Es sei daher beabsichtigt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung iVm mit einem Einreiseverbot zu erlassen.
Mit Eingabe vom 10.06.2020 gab der BF durch seine Rechtsvertretung eine schriftliche Stellungnahme ab in der zusammengefasst ausgeführt wurde, dass der BF selbständig im Bundesgebiet arbeite und über einen Aufenthaltstitel Daueraufenthalt EU in Griechenland verfüge. Im Bundesgebiet habe der BF zwar keine Familienangehörigen, doch habe er zahlreiche Freunde und sei krankenversichert. Die Frau des BF lebe in Indien. Der BF sei gemäß Der RL 2003/109/EG vom 25.11.2003 zu Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, die dahingehenden Vorwürfe seien nicht nachvollziehbar, da der BF immer ordentlich gemeldet gewesen sei, sobald er sich im Bundesgebiet aufgehalten habe. Sollte das Einreiseverbot mit dem unrechtmäßigen Aufenthalt des BF begründet werden, so sei dies nicht nachvollziehbar, da der BF keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstelle und EU-rechtlich berechtigt sei, hierzu sein.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und unter Spruchpunkt V. gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Unter Spruchpunkt VI. wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Hierbei stellte das Bundesamt zwar fest, dass der BF über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ in Griechenland verfügt (AS 41), in der rechtlichen Beurteilung zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung unterlies es das Bundesamt jedoch die Voraussetzungen des § 52 Abs. 5 FPG (Umsetzung des Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG, vgl. VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0244) zu prüfen.
Darüber hinaus ist aus dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht ersichtlich, dass das Bundesamt seiner Ermittlungspflicht hinsichtlich des vermeintlichen Daueraufenthaltstitels des BF mit den griechischen Behörden in Kontakt getreten ist um das Vorliegen des Aufenthaltstitels zu verifizieren respektive um in einen weiteren Schritt zu ermitteln, wie lange der BF bereits Inhaber dieses Aufenthaltstitels ist (siehe hierzu auch die Voraussetzungen des Art. 12 der RL 2003/109/EG).
3. Gegen diesen Bescheid wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF fristgerecht Beschwerde erhoben. Neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge dem BF einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zuerkennen, sowie feststellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist; feststellen dass die Abschiebung nach Indien unzulässig ist; in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen; allenfalls die Dauer des Einreiseverbotes herabsenken, oder den Duldungsstatus zuerkennen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Dieser ergibt sich bedenkenlos aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Inhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensaktes.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
In vorliegendem Fall ist in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen und obliegt somit in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 3 Bundesgesetz über die Einrichtung und Organisation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA-Einrichtungsgesetz - BFA-G) BGBl. I Nr. 87/2012 idgF obliegt dem Bundesamt die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr.100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr.100 (Z 4).
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufgrund der Beschwerde oder aufgrund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung zu überprüfen, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet.
Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu Spruchpunkt A) Behebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG:
3.1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und unter Spruchpunkt V. gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Unter Spruchpunkt VI. wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Hierbei stellte das Bundesamt zwar fest, dass der BF über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ in Griechenland verfügt (AS 41), in der rechtlichen Beurteilung zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung unterlies es das Bundesamt jedoch die Voraussetzungen des § 52 Abs. 5 FPG (Umsetzung des Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG, vgl. VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0244) zu prüfen.
3.2 Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Der oben dargestellte § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG bildet die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH vom 06.07.2016, Ra 2015/01/0123):
In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN).
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer- Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m. w. N., 14.421/1996, 15.743/2000).
Im gegenständlichen Fall liegt eine krasse Ermittlungslücke vor, da das Bundesamt hinsichtlich des in Griechenland dem BF vermeintlich ausgestellten Daueraufenthaltstitels die erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat:
Das Bundesamt stellte nämlich im angefochtenen Bescheid fest, dass der BF über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ in Griechenland verfügt (AS 41), ohne dass eine Bescheinigung dieses Aufenthaltstitels im Verwaltungsakt ersichtlich ist. Ebenso geht aus dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht hervor, dass das Bundesamt diesbezüglich mit den griechischen Behörden Kontakt aufgenommen hat, um das Vorliegen eines derartigen Aufenthaltstitels des BF zu verifizieren respektive in einem weiteren Schritt das Ausstellungsdatum, sowie allenfalls weitere relevante Informationen zum Aufenthalt des BF in Griechenland in Erfahrung zu bringen.
Das Bundesamt hat lediglich ein schriftliches Parteiengehör eingeräumt und auch auf die schriftliche Stellungnahme des Rechtsvertreters des BF, wonach dieser über ein Daueraufenthaltsrecht in Griechenland verfügt, keine weiter Prüfung zur Erörterung des Sachverhaltes getätigt.
Darüber hinaus hätte das Bundesamt auch weitere Umstände über das Leben des BF in Griechenland (der Europäischen Union) in Erfahrung bringen müssen (siehe hierzu die Voraussetzungen des Art. 12 der RL 2003/109/EG).
Ferner unterließ es das Bundesamt sodann in der rechtlichen Beurteilung zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung die Voraussetzungen des § 52 Abs. 5 FPG (Umsetzung des Art. 12 der Richtlinie 2003/109/EG, vgl. VwGH 30.04.2020, Ra 2019/21/0244) zu prüfen.
Was das Einreiseverbot anbelangt, so kommt die Erlassung eines solchen grundsätzlich bei Verbleiben im Bundesgebiet nach rechtswidrigem Aufenthalt in erheblichem Ausmaß schon in Betracht, doch ist auch hier der belangten Behörde vorzuwerfen, dass sie den Sachverhalt nur rudimentär – siehe die Ausführungen oben zur Rückkehrentscheidung – geprüft hat.
Die Erlassung eines Einreiseverbotes lediglich auf die allgemeine Bestimmung des § 53 Abs. 2 FPG zu stützen, kommt zwar grundsätzlich in Betracht, doch ist auch dafür die Durchführung eines hinreichenden Ermittlungsverfahrens erforderlich.
Das Bundesamt hat jedoch nicht einmal ansatzweise ermittelt, ob und warum der BF eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle, sowie ob es nachvollziehbare Gründe gäbe, die den Verbleib des BF im Inland erklären bzw. rechtfertigen würden.
Da somit das Bundesamt im vorliegenden Fall in mehrfacher Weise kein hinreichendes Ermittlungsverfahren geführt hat, den Grundsatz des Parteiengehörs erheblich verletzt hat – und auch die vorgenommene Beweiswürdigung nicht einmal als rudimentär bezeichnet werden kann –, ist zusammenfassend festzustellen, dass das BFA nicht mit der ihm gebotenen Genauigkeit und Sorgfalt vorgegangen ist und die Sachlage nicht ausreichend erhoben bzw. sich (in der Bescheidbegründung) nur mangelhaft mit den Angaben des BF und den Beweisergebnissen auseinandergesetzt hat.
Im gegenständlichen Fall sind der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Verfahren im Ergebnis so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich erscheint. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelsfrei, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspräche. Im Gegenteil ist das Verfahren der belangten Behörde mit den oben dargestellten schweren Mängeln behaftet. Die Vornahme der angeführten Feststellungen und Erhebungen durch das BVwG selbst verbietet sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des VwGH und unter Effizienzgesichtspunkten, zumal diese grundsätzlich vom BFA durchzuführen sind.
Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundesamt die dargestellten Mängel zu verbessern und in Wahrung des Grundsatzes des Parteiengehörs dem BF die Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis zu bringen haben.
Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, ferner ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde in den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Daueraufenthalt EU (int. Schutzberechtigte) Einreiseverbot Ermittlungspflicht Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W186.2233876.1.00Im RIS seit
11.01.2021Zuletzt aktualisiert am
11.01.2021