Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Dr. F in G, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 4. Dezember 1996, Zl. UVS 30.5-36+37/96-11, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 21. Februar 1996 wurde der Beschwerdeführer - unter anderem - schuldig erkannt, er habe am 30. März 1994 um 18.19 Uhr als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Pkws in Graz auf dem Autobahnzubringer Graz-Ost in Fahrtrichtung Graz ...
2.)
auf Höhe der Ausfahrt "Puchwerke" bis Höhe der Ausfahrt "Raaba" nicht einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug eingehalten, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre,
3.)
auf Höhe der Ausfahrt "Puchwerke" bis Höhe der Ausfahrt "Raaba" Schallzeichen abgegeben, obwohl es die Sicherheit des Verkehrs nicht erfordert habe,
4.)
zwischen Verzögerungs- und Beschleunigungsstreifen der Ausfahrt "Raaba" bzw. Einfahrt vom St. Peter-Gürtel anstatt links rechts überholt,
5.)
zwischen Verzögerungs- und Beschleunigungsstreifen der Ausfahrt "Raaba" bzw. Einfahrt vom St. Peter-Gürtel den Fahrstreifen gewechselt, ohne sich davon überzeugt zu haben, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich sei,
6.)
zwischen Verzögerungs- und Beschleunigungsstreifen der Ausfahrt "Raaba" bzw. Einfahrt vom St. Peter-Gürtel den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens nicht angezeigt, sodaß sich andere Straßenbenützer auf den Fahrstreifenwechsel nicht rechtzeitig hätten einstellen können.
Dadurch habe er zu 2.) § 18 Abs. 1, zu 3.) § 22 Abs. 2, zu
4.)
§ 15 Abs. 1, zu 5.) § 11 Abs. 1 und zu 6.) § 11 Abs. 2 StVO 1960 verletzt. Hiefür wurde er mit Geldstrafen von je S 700,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je ein Tag) bestraft.
Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Punkte 2.), 4.), 5.) und 6.) abgewiesen, und zwar zu Punkt 2.) "mit der Maßgabe, daß bei der Bezeichnung des Tatortes der Passus "bis Höhe der Ausfahrt Raaba" entfällt und der Tatbildumschreibung der Passus: "Der Berufungswerber hielt bei einer Fahrgeschwindigkeit von ca. 100 km/h zu dem vor ihm fahrenden Fahrzeug einen Abstand von 5 bis 10 Metern ein." angefügt wird". Hinsichtlich des Punktes 3.) wurde die Berufung "dem Grunde nach mit der Maßgabe abgewiesen, daß bei der Tatortumschreibung "bis Höhe der Auffahrt Raaba" entfällt". Die verhängte Strafe wurde zu diesem Punkt auf S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) herabgesetzt.
Über die gegen diese Teile des angefochtenen Bescheides erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
1. Zur Übertretung nach § 18 Abs. 1 StVO 1960 (Punkt 2.) des Schuldspruches):
Nach Meinung des Beschwerdeführers seien der zwischen den fahrenden Fahrzeugen tatsächlich bestehende Abstand und die zum Zeitpunkt der Begehung der Verwaltungsübertretung tatsächlich eingehaltene Geschwindigkeit wesentliche Tatbestandsmerkmale der Übertretung nach § 18 Abs. 1 StVO 1960, zumal sich nur der Relation von Geschwindigkeit zu Abstand entnehmen lasse, "ob ein von der StVO geforderter Abstand tatsächlich eingehalten wird bzw. wurde." Ein konkreter, in Metern angegebener Abstand sowie eine konkrete Geschwindigkeit seien dem Beschwerdeführer erstmals im angefochtenen Bescheid angelastet worden. Daraus ergebe sich, daß hinsichtlich dieser Verwaltungsübertretung Verfolgungsverjährung eingetreten sei.
Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizutreten.
§ 18 Abs. 1 StVO 1960 schreibt vor, daß der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten hat, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird. Dieser Bestimmung läßt sich nicht entnehmen, daß ein ziffernmäßig bestimmter Abstand zwischen den Fahrzeugen und eine bestimmte von den Fahrzeugen eingehaltene Fahrgeschwindigkeit zu den Tatbestandsmerkmalen einer Übertretung der Norm gehörten. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher auch etwa im Erkenntnis vom 9. November 1984, Zl. 84/02B/0064, bei einem diese bestimmten Angaben nicht enthaltenden Spruch eines Straferkenntnisses keinen Verstoß gegen § 44a lit. a VStG 1950 (jetzt: § 44a Z. 1 VStG) erkannt und im Erkenntnis vom 25. September 1986, Zl. 86/02/0058, eine Rechtsverletzung des - dortigen - Beschwerdeführers verneint, wenn der Abstand nicht wie im Spruch angeführt "weniger als ein Meter", sondern (höchstens) drei Meter betragen habe (wobei auch in diesem Fall im Spruch des Straferkenntnisses die Angabe einer bestimmten Fahrgeschwindigkeit fehlte).
Ferner macht der Beschwerdeführer geltend, daß die belangte Behörde den ursprünglichen Tatort - die Strecke zwischen Höhe der Ausfahrt "Puchwerke" bis Höhe der Ausfahrt "Raaba" - unzulässigerweise gegen einen neuen Tatort - den Punkt "auf Höhe der Ausfahrt "Puchwerke"" ausgewechselt habe. Da hinsichtlich des "neuen Tatortes" nicht fristgerecht Verfolgungshandlungen gesetzt worden seien, sei Verjährung eingetreten.
Diese Ausführungen sind nicht begründet. Bei der vorliegenden, im Fahren begangenen Übertretung kommt als Tatort nicht ein bestimmter Punkt, sondern nur eine bestimmte (Fahr-)Strecke in Betracht (vgl. das zur Übertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 ergangene hg. Erkenntnis vom 20. März 1996, Zl. 96/03/0040). Mit der Umschreibung "auf Höhe der Ausfahrt "Puchwerke"" nahm die belangte Behörde entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine Auswechslung, sondern eine Einschränkung der im erstinstanzlichen Straferkenntnis als Tatort angegebenen Strecke vor, wozu sie im Grunde des § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG) berechtigt war. Daß diese Tatortumschreibung nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG entspräche, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen (vgl. das schon erwähnte, ein Straferkenntnis mit einer ähnlichen Tatortumschreibung betreffende hg. Erkenntnis vom 25. September 1986, Zl. 86/02/0058).
2. Zur Übertretung nach § 22 Abs. 2 StVO 1960 (Punkt 3.) des Schuldspruches):
Der Beschwerdeführer erblickt auch in der zu diesem Delikt von der belangten Behörde vorgenommenen Modifizierung der Tatortumschreibung eine unzulässige Änderung des Tatortes. Mit diesem Vorbringen ist er auf die obigen Ausführungen zu verweisen.
3. Zur Übertretung nach § 15 Abs. 1 StVO 1960 (Punkt 4.) des Schuldspruches):
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, sie hätte bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes nicht der Aussage des Zeugen B folgen dürfen, weil der von diesem Zeugen geschilderte Handlungsablauf technisch unmöglich sei. Dies wäre durch die vom Beschwerdeführer beantragte, von der belangten Behörde aber unterlassene Beiziehung eines kfz-technischen Sachverständigen zu erweisen gewesen. Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufzuzeigen. Wie der Beschwerdeführer selbst in der Berufung ausgeführt hat, habe auf dem rechten Fahrstreifen aufgelockerter Kolonnenverkehr geherrscht. Der Beschwerdeführer habe sich, nachdem er erkannt hätte, daß das vor ihm (auf dem linken Fahrstreifen) fahrende Fahrzeug (des Zeugen B) "vorschriftswidrig trotz langsameren Tempos (rund 80 bis 90 km/h) weiterhin den zum Überholen dienenden zweiten Fahrstreifen benützen würde," auf dem ersten (rechten) Fahrstreifen eingereiht. Da die Fahrzeuge auf dem ersten Fahrstreifen geringfügig schneller unterwegs gewesen seien als das Fahrzeug des Zeugen B, seien diese mit geringer Geschwindigkeitsdifferenz an dessen Fahrzeug vorbeigefahren, so auch der Beschwerdeführer. Dieses Fahrmanöver des Beschwerdeführers ist entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung nicht als - zulässiges - Nebeneinanderfahren im Sinne des § 7 Abs. 3 StVO 1960, sondern als rechtswidriges, weil gegen § 15 Abs. 1 leg. cit. verstoßendes Überholen anzusehen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 24. Jänner 1996, Zl. 94/03/0328) gilt nämlich ein Nebeneinanderfahren mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten gemäß § 2 Abs. 1 Z. 29 StVO 1960 nur dann nicht als "Überholen", wenn sich auf beiden Fahrstreifen Fahrzeugreihen fortbewegen, wobei von einer "Fahrzeugreihe" erst dann gesprochen werden kann, wenn mindestens drei Fahrzeuge auf einem Fahrstreifen hintereinander fahren. Daß diese Voraussetzung hinsichtlich des linken, vom Zeugen B benützten Fahrstreifens erfüllt gewesen wäre, wurde weder von der belangten Behörde festgestellt, noch vom Beschwerdeführer behauptet. Der Beschwerdeführer hätte sich daher auch unter Zugrundelegung des von ihm selbst vorgebrachten Sachverhaltes der Übertretung nach § 15 Abs. 1 StVO 1960 schuldig gemacht.
4. Zu den Übertretungen nach § 11 Abs. 1 und 2 StVO 1960 (Punkte 5.) und 6.) des Schuldspruches): Der Beschwerdeführer bemängelt die Tatumschreibung, weil daraus nicht hervorgehe, auf welches Fahrmanöver des Beschwerdeführers sich die Bestrafungen bezögen (Fahrstreifenwechsel vom linken auf den rechten Fahrstreifen oder Wechsel von rechts nach links). Da er im Bereich des "behaupteten" Tatortes einen zweimaligen Fahrstreifenwechsel vorgenommen habe (zuerst von links nach rechts und dann von rechts nach links), sei eine entsprechende Konkretisierung unabdingbar.
Dem ist entgegenzuhalten, daß die Frage, welche Fahrstreifen von dem durchgeführten Fahrstreifenwechsel betroffen waren, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 12. November 1987, Zl. 87/02/0087) für die Annahme der (mit jedem rechtswidrigen Fahrstreifenwechsel verbundenen) Verwirklichung der Tatbestände des § 11 Abs. 1 und des § 11 Abs. 2 StVO 1960 keine Bedeutung hat. Das Unterbleiben einer näheren Bezeichnung der vom Fahrstreifenwechsel betroffenen Fahrstreifen vermag daher keinen Verstoß gegen § 44a Z. 1 VStG zu bewirken. Im übrigen geht sowohl aus der dem Beschwerdeführer am 14. September 1994 unter Einräumung der Gelegenheit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebrachten Anzeige - dies stellt eine taugliche, innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist gesetzte Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG dar (vgl. das Erkenntnis vom 25. Jänner 1995, Zl. 94/03/0223) - als auch aus der zur Auslegung eines Bescheidspruches heranzuziehenden Begründung des angefochtenen Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1995, Zl. 95/03/0149) klar hervor, daß der Beschwerdeführer die beiden Übertretungen nach dem Überholvorgang im Zuge des Wiedereinordnens auf den linken Fahrstreifen begangen hat. Es kann daher auch keine Rede davon sein, daß der Beschwerdeführer durch die unterbliebene nähere Beschreibung des Fahrstreifenwechsels in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt oder der Gefahr der Doppelbestrafung ausgesetzt gewesen wäre.
Die Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung) Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten InstanzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997030028.X00Im RIS seit
12.06.2001