TE Vfgh Erkenntnis 1995/9/30 B967/93

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Veröffentlicht am 30.09.1995
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Index

L3 Finanzrecht
L3703 Lustbarkeitsabgabe, Vergnügungssteuer

Norm

StGG Art5
VergnügungssteuerV der Stadt Dornbirn vom 21.12.89

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch die Vorschreibung von Vergnügungssteuer für den Verkauf von Videokassetten; denkunmögliche Unterstellung des Verkaufs der in Betracht kommenden Bildträger unter den Abgabentatbestand des entgeltlichen Überlassens von Bildträgern zum nichtöffentlichen Abspielen

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Vorarlberg ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 15.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die §§1, 3 und 4 der auf einem Beschluß der Stadtvertretung vom 21. Dezember 1989 beruhenden VergnügungssteuerV der Stadt Dornbirn hatten (bis zum Inkrafttreten der Novelle gemäß dem Stadtvertretungsbeschluß vom 30. Jänner 1992 mit 1. März 1992) folgenden Wortlaut:

"§1

Gegenstand der Abgabe

1. Für die in Dornbirn stattfindenden Veranstaltungen, welche geeignet erscheinen, die Teilnehmer zu unterhalten, und für das nichtöffentliche Abspielen von Laufbildern, die auf Bildträgern aufgezeichnet sind, ist eine Abgabe (Vergnügungssteuer) zu entrichten.

2. Veranstaltungen, die ausschließlich religiösen, politischen, weltanschaulichen, wissenschaftlichen, belehrenden oder beruflichen Zwecken sowie Zwecken der Wirtschaftswerbung dienen, gelten nicht als Vergnügungen.

§3

Steuerschuldner

Steuerpflichtig ist der Veranstalter. Als Veranstalter gilt, wer sich als Veranstalter öffentlich ankündigt oder der Behörde gegenüber ausgibt, im Zweifel derjenige, auf dessen Rechnung die Einnahmen der Veranstaltung gehen. Bei mehreren Veranstaltungen haftet jeder Mitveranstalter gesamtschuldnerisch für die Entrichtung der Steuer.

Zur Entrichtung der Abgabe ist weiter verpflichtet, wer den von der Abgabe betroffenen Bildträger Dritten gegen Entgelt zum nichtöffentlichen Abspielen innerhalb des Geltungsbereiches dieser Verordnung überläßt. Im Zweifel ist anzunehmen, daß der Bildträger zu diesem Zwecke überlassen wird.

§4

Höhe der Abgabe

1. Die Vergnügungssteuer beträgt 10 v.H. des Eintrittsgeldes für die nicht unter Abs2 und 3 fallenden Veranstaltungen.

2. Die Vergnügungssteuer beträgt 5 % des Entgeltes für:

a) die öffentliche Veranstaltungen von Lichtspielen;

b) Tanzveranstaltungen mit lebender Musik.

3. Die Vergnügungssteuer beträgt 15 % des Entgeltes für:

a) die Überlassung von Bildträgern (Videofilmen, Videospiele u. dgl.) die nicht öffentlich abgespielt werden.

b) des Eintrittgeldes (Benützungsentgeltes) für Spielapparate."

2. Die beschwerdeführende Gesellschaft teilte dem Amt der Stadt Dornbirn mit Schreiben vom 29. Jänner 1991 mit, daß sie die Kriegsopferabgabe und die Vergnügungssteuer, welche für den Videokassetten-Verkaufsumsatz eingehoben werden sollen, aufgrund rechtlicher Bedenken (damit war offenbar gemeint: hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der VergnügungssteuerV) nicht zu bezahlen beabsichtige. Der Bürgermeister der Stadt Dornbirn schrieb daraufhin der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 1. Oktober 1991 für den "Verkauf von Videos" im Zeitraum 1. Jänner bis 31. August 1991 unter Bezugnahme auf die VergnügungssteuerV aufgrund einer Schätzung Vergnügungssteuer in Höhe von 15.000 S sowie einen Säumniszuschlag und einen Verspätungszuschlag in betragsmäßig bestimmter Höhe vor. Der dagegen erhobenen Berufung gab die Abgabenkommission beim Amt der Stadt Dornbirn mit Bescheid vom 20. Dezember 1991 teilweise Folge und setzte die Vergnügungssteuer auf 8.000 S (und dementsprechend den Säumniszuschlag sowie den Verspätungszuschlag) herab. In der Begründung dieser Berufungsentscheidung wurde ua. nach einer Zitierung der §§3 und 4 der VergnügungssteuerV dargelegt, daß diese Bestimmungen die Grundlage der Besteuerung des Videoverleihs und Videoverkaufs im Gemeindegebiet von Dornbirn und somit auch für den Verkauf von Videokassetten, Videospielen und anderen Bildträgern in der Filiale der beschwerdeführenden Gesellschaft in Dornbirn bildeten.

3. Die Beschwerdeführerin ergriff gegen diesen Bescheid der Abgabenkommission Vorstellung, welche jedoch erfolglos blieb. Gegen den abweisenden Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 11. Feber 1993 richtet sich die vorliegende Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie eine Rechtsverletzung infolge Anwendung der als gesetzwidrig kritisierten VergnügungssteuerV geltend gemacht und die Bescheidaufhebung begehrt wird.

Die Vorarlberger Landeregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die Beschwerde ist zulässig und im Ergebnis gerechtfertigt.

1. Wenn §3 der VergnügungssteuerV (in Übereinstimmung mit deren §1 Z1) die Abgabepflicht dahin umschreibt, daß der Abgabepflichtige den Bildträger "Dritten gegen Entgelt zum nichtöffentlichen Abspielen ... überläßt", so kommt dadurch in sprachlich völlig eindeutiger Weise zum Ausdruck, daß demjenigen, dem der Bildträger überlassen wird, bloß die Verfügungsgewalt zur Benützung durch das (nichtöffentliche) Abspielen eingeräumt wird, er mithin verpflichtet ist, den ihm überlassenen Gegenstand dem Abgabepflichtigen sodann zurückzustellen. Im Hinblick auf die zu keinen Zweifeln Anlaß bietende sprachliche Fassung der Verordnungsstelle unterliegt also der mit der Übergabe des Bildträgers verbundene Verkauf nicht der Abgabepflicht, denn es wird hiebei dem Käufer die vollständige Verfügungsgewalt über den erworbenen Bildträger eingeräumt. Dazu kommt, daß das in der bezogenen Vorschrift in diesem Zusammenhang festgelegte Tatbestandselement des Abspielens "innerhalb des Geltungsbereichs dieser Verordnung" (also im Gebiet der Stadt Dornbirn) geradezu als sinnleer erschiene, wenn die Abgabepflicht auch den Verkauf des Bildträgers umfaßte.

Da nach Ansicht des Gerichtshofs mit diesen Erwägungen bereits dargetan ist, daß sich die Unterstellung des Verkaufs der in Betracht kommenden Bildträger unter den von den Abgabenbehörden herangezogenen Abgabentatbestand als denkunmöglich erweist, war es entbehrlich, auf weitere Fragen einzugehen; so insbesondere darauf, ob eine solche Auslegung der VergnügungssteuerV überhaupt mit dem durch die §§1 und 2 des (Vorarlberger) Gemeindevergnügungssteuergesetzes, LGBl. 49/1969, vorgegebenen Begriff der Vergnügung in Einklang gebracht werden könnte.

Der in das Eigentumsrecht der beschwerdeführenden Gesellschaft eingreifende angefochtene Bescheid war sohin aufzuheben, weil er sie gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (s. zB VfSlg. 11470/1987) im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG; vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 2.500 S auf die Umsatzsteuer.

III. Dieses Erkenntnis wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefällt.

Schlagworte

Vergnügungssteuer, Videocassetten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B967.1993

Dokumentnummer

JFT_10049070_93B00967_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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