TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/13 W265 2233170-1

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Veröffentlicht am 13.10.2020
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Entscheidungsdatum

13.10.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §43
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W265 2233170-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 03.06.2020, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte erstmals am 13.11.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet).

Die belangte Behörde wies diesen Antrag nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mit Bescheid vom 07.08.2018 ab, da der Beschwerdeführer mit einem sich aus dem Gutachten ergebenden Grad der Behinderung von 40 v. H. nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfülle.

Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 26.02.2019, Zl. W166 2205849-1/17E, als unbegründet ab.

Mit Schreiben vom 29.10.2019, eingelangt am 30.10.2019, stellte der Beschwerdeführer, vertreten durch die Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, erneut einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO. Mit dem Antrag legte er medizinische Befunde vor.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In dem auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 12.12.2019 basierenden Gutachten vom 05.02.2020 wurde Folgendes – hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben – ausgeführt:

„Anamnese:

Begutachtung 31. 1. 2018

1 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Listhese L5/S1 30%

2 Gonarthrose links 30%

3 Periarthropathie beider Schultergelenke 20%

4 Diabetes mellitus II 20%

5 Hypertonie 10 %

Gesamtgrad der Behinderung 40%

Letzte Begutachtung in 2. Instanz am 26.02.2019, BVwG:

keine Änderung zu 31. 1. 2018

Zwischenanamnese seit 01/2018:

keine Operation

2017 stationäre Schmerztherapie und Diabeteseinstellung

Diabetes mellitus seit etwa 2000, medikamentöse Behandlung seit 2007, nicht insulinpflichtig

Derzeitige Beschwerden:

„Beschwerden habe ich vor allem im Kreuz und im linken Knie und in beiden Schultergelenken. Ich kann mich nicht bücken, die Beweglichkeit ist eingeschränkt, benötige Hilfe beim Anziehen und Ausziehen. Schmerzen habe ich schon sehr lang, vor allem hilft das Dronabinol. Juckreiz habe ich in beiden Beinen von den Kniegelenken abwärts, bin in rglm. Behandlung.

Hergekommen bin ich mit dem Auto, habe ein Automatikauto und bin selber gefahren. Beantrage den Parkausweis, da ich nicht weit gehen kann, etwa 50 m, dann habe ich vor allem Schmerzen im linken Knie und auch in der LWS. Stufensteigen ist sehr mühsam, teilweise komme ich nicht in den 1. Stock hinauf. Habe Krämpfe und Juckreiz in den Beinen.“

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Medikamente: Pantoprazol, Dronabinol 5 mg3 x 8, Seractil 400 mg zweimal 1, Trittico 150 mg, Diabetex 1000 mg dreimal 1, Diamicron 30 mg zweimal 1, Actos, Atorvastatin, Allostad, Nomexor, Traumasalbe, Neurobion, Furon bei Bedarf, Elidel Creme, Zyrtec, Sirdalud, Berodual bei Bedarf, Duloxetin

Allergie:Gräser, Hund, Katze, Hausstaubmilbe

Nikotin: 40

Laufende Therapie bei Dr. XXXX , Facharzt für Neurologie, regelmäßig bei Facharzt für Innere Medizin und Hautarzt.

Sozialanamnese:

verheiratet, ein Kind, lebt in Kleingartenhaus, ein Stockwerk.

Berufsanamnese: Gärtner, BUP mit 47 Jahren

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Befund Dr. XXXX Facharzt für Lungenkrankheiten 9. 10. 2019 (Asthma bronchiale/ Allergie (Gräserpollen, Tiere, HSTM)/ hochgradiger Nikotinabusus. Berodual bei Bedarf, Nikotinstop)

Labor vom 16. 10. 2019 (HbA1c 7,7 %, Hämoglobin 12,5)

MRT linkes Knie 10. 9. 2019 (ausgeprägte Knorpelausdünnung lat. Compartment, erhebliche Chondroblastische Signalstörungen, degenerative Veränderungen des medialen und lateralen Meniskus, Ruptur der vorderen Kreuzbandplastik, Knorpelglatze contorti Grad 4 medial Femorotibial)

Befundbericht Dr. XXXX Facharzt für Angiologie und Kardiologie 11. 9. 2019 ((V.a. diabetische Polyneuropathie, Weiterhin kein Anhaltspunkt für eine hämodynamisch relevante PAVK, [Z88] Invokana-Unverträglichkeit, [R25.2] Muskelkrämpfe, [Eli] Diabetes Mellitus Typ Ilb seit 2007, akt HbAlc: 7.8%, Weiterhin kein Hinweis auf hämodynamisch relevante PAVK, [I 87.2] Mäßiggradige chronisch venöse Insuffizienz, klin. St. I bds., [E78.0] Hypercholesterinämie, [E 79.0] Hyperurikämie, [ F17.2] Ntkotinabusüs, [E 66.9] Obesitas, [M51.2] Diskusprolaps L4-S1, [E 78.1] Hypertriglyceridämie, [M 47.2] Zervikolumbalsyndrom.)

Befund Dr. XXXX Facharzt für Haut und Geschlechtskrankheiten 24 . 9. 2019 (Folgende

Befunde haben wir erhoben: Beinödeme. Stauungsdermatitis bei CVI, gen. Pruritus bei bek.

Diabetes, atopische Dermatitis bei multiplen Allergien (Hausstaub, Gräser,... wegen COPD bei Lungen-FA in Behandlung); aktinische Keratosen Gesicht, Cap. (Therapie mit Solarze

Therapievorschlag: Empfehlen das Tragen von Kompressionsstrümpfen Komp.kl. II, bei Bedarf lokale Corticoide und Zyrtec. Elidel Creme und Emollentia  

Röntgen-LWS 41 8. 2019 (Keine signifikante Achsendeviation. Spondylolyse von L5 mit Anterolisthesis vera um 9 mm, ohne signifikante Dynamik auf den Funktionsaufnahmen. Mäßiggradige Osteochondrosen mit deutlicher Discopathie L5/S1, der LWK 5 imponiert dorsal gering höhenreduziert. Geringe Chondrose L4/5. Gering- bis mäßiggradig ausgeprägte Spondylarthrosen L3-S1. Geringe Spondylosis deformans
MRT der LWS 17. 7. 2019 (multisegmentale Discusprotrusionen, geringe Anterolisthese Grad 1 L5/S1, Spinalkanal normalweit)

Ärztliches Gutachten zur Nachuntersuchung des befristeten Pflegegeldes 4. 12. 2017, Facharzt für Neurologie und Allgemeinmedizin 

Nervenärztliches Attest Dr. XXXX vom 5.12.2019 (Seit 2015 bei mir in rglm. Behandlung. Verschlechterung der chron., vertebragenen Beschwerden, radik. Ausstrahlung C6 links, C 5 rechts, Discusprolaps C5/C6, Neuroforamenstenose C4/C5 rechts.
Fußheberschwäche links bei DP L4/L5, Lumboischialgie. Sensomotor. PNP bei Dm.

strumpfförmig, Schmerzen in den Unterschenkeln. Chronifiz. Schmerzsyndrom, mittelgr. depr. Episode. Trotz Therapie keine Verbesserung sondern Verschlechterung, Wegstrecke auf 50m limitiert.
Th.: Dronabinol, Seractil 400mg 2x1, Trittico, Neurobion, Sirdalud 4 mg, Duloxetin 60 mg.)

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut, 64a

Ernährungszustand:

BMI 33,0

Größe: 181,00 cm Gewicht: 108,00 kg Blutdruck: 120/70

Klinischer Status - Fachstatus:

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz. Integument: unauffällig, keine Effloreszenzen

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern endlagig eingeschränkt, Ellbogengelenke,

Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich.

Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind endlagig eingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballenstand und Fersenstand beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse: Bandmaß Oberschenkel beidseits 50 cm, Unterschenkel beidseits 45 cm.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, geringgradig Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Kniegelenk links: äußerlich seitengleich, keine Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, Patella verbacken, Narbe medial etwa 20 cm, stabiles Gelenk, Bewegungsschmerzen werden angegeben, im Liegen wird das linke Knie in einem Streckdefizit von 30° gehalten.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften frei, Knie rechts frei, links im Stehen 5° Streckdefizit, im Liegen Beugung bis 110° möglich, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist rechts bis 60° , links aktiv bis 50° möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, Streckhaltung der LWS, sonst regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, mäßig Hartspann. Klopfschmerz über der unteren LWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen endlagig eingeschränkt beweglich

BWS/LWS: FBA: 30 cm, Rotation und Seitneigen jeweils 20°

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit einem Gehstock, das Gangbild barfuß ohne Gehhilfe und teilweise mit Anhalten ist links hinkend, Schrittlänge nicht verkürzt, Spurbreite physiologisch.

Das Aus- und Ankleiden wird zum Teil mit Hilfe im Sitzen durchgeführt.

Status Psychicus:

Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

Unterer Rahmensatz, da fortgeschrittene radiologische Veränderungen mit Bandscheibenschäden und rezidivierenden Beschwerden ohne Wurzelkompressionszeichen.

02.01.02

30

2

Kniegelenksarthrose links

02.05.20

30

3

Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da unter medikamentöser Therapie stabile Stoffwechsellage.

09.02.01

20

4

Abnützungserscheinungen beide Schultergelenke

02.06.02

20

5

Asthma bronchiale

Oberer Rahmensatz, da unter Bedarfsmedikation stabil.

06.04.01

20

6

Bluthochdruck

05.01.01

10


Gesamtgrad der Behinderung          40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 wegen ungünstiger wechselseitiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht. Keine Erhöhung durch die Leiden 3-6 wegen fehlender maßgeblicher funktioneller Relevanz.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

keine

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Hinzukommen von Leiden 5, sonst keine Änderung.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

-

[x] Dauerzustand

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkten. Es sind belastungsabhängige Probleme im Bereich der Wirbelsäule und im linken Kniegelenk im Vordergrund, welche die Steh- und Gehleistung mäßig einschränken. Die Gesamtmobilität ist jedoch ausreichend, um kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ohne Unterbrechung zurücklegen zu können und um Niveauunterschiede zu überwinden, das sichere Aus- und Einsteigen ist möglich. An den oberen Extremitäten sind keine höhergradigen Funktionsbehinderungen fassbar, die Kraft seitengleich und gut, sodass die Benützung von Haltegriffen zumutbar und möglich ist. Kraft und Koordination sind ausreichend, es liegt kein Hinweis für eine relevante Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, kognitive Defizite sind nicht fassbar, sodass eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Be- und Entsteigen sowie bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar ist. Insgesamt sind, auch unter Berücksichtigung aller aufliegenden Befunde, keine relevanten Funktionseinschränkungen zu objektivieren, die geeignet wären, eine erhebliche Erschwernis des Bewältigens einer kurzen Wegstrecke ausreichend zu begründen

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein

Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor, wegen:

Ja

Nein

Nicht geprüft

 

[x]

[ ]

[ ]

Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie, Aids, Phenylketonurie oder eine vergleichbare schwere Stoffwechselerkrankung nach Pos. 09.03.

VOB: 18888661600048

 

 

 

GdB: 20 v.H.

[ ]

[x]

[ ]

Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit

[ ]

[x]

[ ]

Erkrankungen des Verdauungssystems

…“

Mit Schreiben vom 06.02.2020 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer dieses Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Mit Schreiben vom 25.03.2020, eingelangt am 30.03.2020, erstattete der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung eine Stellungnahme, in der ausgeführt wurde, er leide an massiven degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule, insbesondere des lumbosakralen Übergangssegments in Verbindung mit ausgeprägter Osteochondrose, begleitender Intervertrebralgelenksarthrose bei Spondylose mit Listhese L5. Durch die protrusionsbedingte Neuroforamenstenose links liege eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik vor. Auch im Bereich der Halswirbelsäule liege ein Prolaps im Bereich C5/6 mit radikulärer Symptomatik und Neuroforamenstenose vor. Die Beweglichkeit sei hier deutlich eingeschränkt und es hätte deshalb ein höherer Grad der Behinderung als 30 v. H. festgestellt werden müssen. Im Bereich des Kniegelenks liege eine medial betonte Panarthrose mit großflächiger Chondropathie im Sinne einer Knorpelglatze vor. Diese verursache dem Beschwerdeführer massive Schmerzen und führe zu einer deutlichen Einschränkung der Gehstreckt auf maximal 50–150 m mit Gehhilfe. Im Bereich der beiden Schultern liege eine Omarthrose sowie eine mittelgradige AC-Gelenksarthrose vor, die Beweglichkeit sei hier deutlich eingeschränkt. Sowohl die Kniegelenksbeschwerden als auch die Abnützungserscheinungen der Schultergelenke hätten mit einem höheren Grad der Behinderung eingestuft werden müssen. Zusammengefasst hätten die bisherigen Therapieversuche keine nachhaltige Besserung gebracht. Zuletzt sei eine deutliche Verschlechterung der bereits länger bestehenden Problematik im Lumbal- und Kniebereich eingetreten. Der Beschwerdeführer ersuche daher, aufgrund der vorgebrachten Einwendungen den Sachverhalt erneut zu prüfen und festzustellen, dass ein Grad der Behinderung von mindestens 50 v. H. vorliege sowie die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gegeben seien. Mit der Stellungnahme wurden medizinische Befunde vorgelegt.

Die befasste Fachärztin für Orthopädie nahm in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 10.04.2020 zu den erhobenen Einwendungen Stellung und führte aus wie folgt:

„Antwort(en):

Antragsteller erklärt sich mit dem Ergebnis der Begutachtung vom 12.12.2019 nicht einverstanden und bringt in der Stellungnahme vom 18.3.2020, vertreten durch den KOBV, vor, dass das Wirbelsäulenleiden, Schulterleiden und Kniegelenksleiden höher einzustufen sei. Zuletzt sei eine deutliche Verschlechterung der bereits länger bestehenden Problematik im Lumbal- und Kniebereich eingetreten.

Befunde:

Befund Dr. XXXX FA für Orthopädie 18.3.2020 (Gangbild: insgesamt verlangsamtes Gangbild, verkürzte Belastungsphase links, Fersengang links abgeschwächt mit leichter Vorfußheberschwäche, Verwendung eines Gehstocks rechts,

rechtes Knie: physiolog. Beinachse, äußerlich und palpatorisch unauffällig, keine Synovitis oder Ergussbildung, Flexion S 0-0-140°, Seitenbandstabilität gegeben, vordere Schublade neg., Zohlen neg.

linkes Knie: mäßige Varusfehlstellung, reaktionslose mediale Narbe, palpatorisch unauffällig, Synovitis, keine Ergussbildung, Flexion S 0-10-120°, Seitenbandinstabilität + - ++, vordere Schublade +

Diagnosen: • Ausgeprägte Lumbalgie auf Basis hochgradig degenerativer Veränderungen mit Listhesis vera L5 • Radiculäre Symptomatik L5 links • Discusprotrusion L5/S1 links • Linksseitiger Prolaps C5/6 mit radiculärer Symptomatik C6 links • Relative Vertebrostenose C4/5 mit Discusprotrusion und Neuroforamenstenose rechtsbetont • Medial betonte Panarthrose des linken Kniegelenkes

Durch Verschlechterung der bereits länger bestehenden Problematik im Lumbal- und Kniebereich und der mittlerweile zusätzlich aufgetretenen Halswirbelsäulen- und

Schultersymptomatik ersuche ich um Neubewertung des Grades der Behinderung.)

Röntgen 12.3.2020 Beide Schultern (Mäßige Omarthrose bds. Mittelgradige ACGelenksarthrose re. > li. mit Randwulstbildungen. Beckenübersicht: Geringe Coxarthrose bds. - aspektmäßig li. etwas stärker als re.)

Gefäßbefund 11.9.2019 (Diagnose: diabetische PNP, kein Hinweis für hämodynamisch relevante PAVK)

Stellungnahme:

Maßgeblich für die Einstufung behinderungsrelevanter Leiden nach den Kriterien der EVO sind objektivierbare Funktionseinschränkungen unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde. Die bei der Begutachtung am 12.12.2019 anhand einer gründlichen Untersuchung und unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde festgestellten Defizite im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates wurden in der Beurteilung hinsichtlich Einstufung nach der EVO in vollem Umfang berücksichtigt.

Höhergradige Funktionseinschränkungen im Bereich von Wirbelsäule und Kniegelenken konnten nicht festgestellt werden, insbesondere konnte keine maßgebliche Verschlimmerung im Vergleich des jeweiligen Status festgestellt werden. Eine maßgebliche radikuläre Symptomatik ist nicht objektivierbar, siehe symmetrische Bemuskelung.

Die vorgelegten Befunde stehen nicht in Widerspruch zu getroffener Einstufung, festgestellte Abnützungserscheinungen der LWS und Schulter- und Kniegelenke werden berücksichtigt. Eine diabetische Polyneuropathie ist nicht durch entsprechende Befunde untermauert.

Befunde, die neue Tatsachen, noch nicht ausreichend berücksichtigte Leiden oder eine maßgebliche Verschlimmerung belegen könnten, wurden nicht vorgelegt. Die vorgebrachten Argumente beinhalten keine neuen Erkenntnisse, welche das vorhandene Begutachtungsergebnis entkräften könnten, sodass daran festgehalten wird.“

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 03.06.2020 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Mit einem Grad der Behinderung von 40 % erfülle der Beschwerdeführer nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Dem Beschwerdeführer sei mit Schreiben vom 06.02.2020 Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Da innerhalb der gesetzten Frist eine Stellungnahme nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Die Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Mit dem Bescheid wurden dem Beschwerdeführer das ärztliche Sachverständigengutachten vom 05.02.2020 sowie die Stellungnahme vom 10.04.2020 übermittelt.

Mit Schreiben vom 15.07.2020, eingelangt am 20.07.2020, erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, das eingeholte Sachverständigengutachten berücksichtige in keiner Weise das Ausmaß und die Schwere der beim Beschwerdeführer vorliegenden Funktionseinschränkungen und Schmerzen sowohl im Bereich der Wirbelsäule als auch im Bereich des linken Kniegelenks. Die näher genannten Leiden im linken Kniegelenk würden zu massiven Schmerzen und einer deutlichen Einschränkung der Mobilität führen. Diese Einschränkungen seien im Gutachten nicht ausreichend berücksichtigt worden. Es liege hier nicht nur eine Funktionseinschränkung mittleren Grades, sondern schweren Grades vor, da die Gutachterin selbst ein Streckdefizit im linken Knie vom 30 Grad festhalte, was einer Beugung/Streckung von 0-30-90 Grad entspreche. Deshalb hätte hier eine Einstufung unter der Positionsnummer 02.05.22 erfolgen müssen. Die näher genannten Leiden im Bereich der Wirbelsäule würden nicht nur zu einer Einschränkung der Beweglichkeit, sondern auch zu chronischen Schmerzen und massiven Einschränkungen im Alltag führen. Sämtliche therapeutischen Maßnahmen hätten bisher zu keiner Besserung geführt. Weiters würden von den behandelnden Ärzten episodisch Verschlechterungen des Zustands festgestellt. Zusammengefasst hätte aufgrund der radiologischen Veränderungen, der Dauerschmerzen und der Einschränkungen im Alltag ein höherer Grad der Behinderung festgestellt werden müssen. Durch die deutlichen Einschränkungen in der Beweglichkeit liege eine gegenseitige negative Leidensbeeinflussung vor. Aufgrund der Unschlüssigkeit des eingeholten orthopädischen Gutachtens werde die Einholung eines weiteren orthopädischen Sachverständigengutachtens beantragt. Zudem werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Mit Schreiben vom 20.07.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo diese am 21.07.2020 einlangten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer brachte am 30.10.2019 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 03.06.2020 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und sprach aus, dass mit einem Grad der Behinderung von 40 v. H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt seien.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkung, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

-        Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule

-        Kniegelenksarthrose links

-        Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus

-        Abnützungserscheinungen beide Schultergelenke

-        Asthma bronchiale

-        Bluthochdruck

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkung, deren Ausmaß und medizinischer Einschätzung sowie der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im seitens der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 05.02.2020 zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 40 v. H.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus dem Akt und dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 21.07.2020.

Die Feststellungen zu den bei ihm vorliegenden Gesundheitsschädigungen sowie zum Gesamtgrad der Behinderung gründen sich auf das durch die belangte Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 05.02.2020, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 12.12.2020 und den von diesem vorgelegten medizinischen Unterlagen.

In den eingeholten Sachverständigengutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die sachverständige Gutachterin setzt sich auch mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Befund sowie den vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen, entsprechen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigung. Die Gesundheitsschädigung wurde nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Das erste Leiden „Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule“ wurde korrekt der Position 02.01.02 der 1. Änderung zur Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. Die Einschätzung des Grades der Behinderung mit dem unteren Rahmensatz (30 v. H.) begründete die Sachverständige damit, dass fortgeschrittene radiologische Veränderungen mit Bandscheibenschäden und rezidivierende Beschwerden ohne Wurzelkompressionszeichen vorliegen würden. Dem Vorbringen in der Beschwerde, aufgrund der radiologischen Veränderungen, der Dauerschmerzen sowie der Einschränkungen im Alltag hätte ein höherer Grad der Behinderung festgestellt werden müssen, kann nicht gefolgt werden. Die Schmerzen und Einschränkungen konnten im Rahmen der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 12.12.2019 nicht im geschilderten Ausmaß objektiviert werden. Die radiologischen Veränderungen wurden bei der Einschätzung berücksichtigt, rechtfertigen für sich genommen (ohne Vorliegen morphologischer Veränderungen) jedoch keinen höheren Grad der Behinderung.

Das zweite Leiden „Kniegelenksarthrose links“ wurde korrekt der Position 02.05.20 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. In der Beschwerde wird diesbezüglich vorgebracht, es liege nicht nur eine Funktionseinschränkung mittleren Grades, sondern schweren Grades vor, da die Gutachterin selbst im Gutachten ein Streckdefizit von 30 Grad im linken Knie festhalte, was einer Beugung/Streckung von 0-30-90 Grad entspreche. Deshalb hätte eine Einstufung unter der Positionsnummer 02.05.22 erfolgen müssen. Dem kann nicht gefolgt werden: Die entsprechende Feststellung der Sachverständigen im Gutachten vom 05.02.2020 betrifft nur das Streckdefizit im Liegen, während im Stehen nur ein Streckdefizit von 5 Grad festgestellt wurde (AS 83). Ein generelles Streckdefizit von 30 Grad ist daher nicht objektiviert. Auch ist der Anlage zur Einschätzungsverordnung zufolge bei den Leiden des Muskel-, Skelett- und Bindegewebssystems sowie des Haltungs- und Bewegungsapparats „den allgemeinen Kriterien der Gelenksfunktionen, der Funktionen der Muskel, Sehen, Bänder und Gelenkskapsel sind gegenüber den alleinigen Messungen des Bewegungsradius eine stärkere Gewichtung zu geben“. Höhergradige Funktionseinschränkungen im Bereich der Kniegelenke konnten jedoch nicht festgestellt werden (AS 104). Schließlich ist festzuhalten, dass im vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Gutachten vom 18.03.2020 betreffend das linke Knie eine Flexion von 0-10-120 Grad (AS 100) und somit ein Streckdefizit von nur 10 Grad festgestellt wurde.

Das dritte Leiden „Nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus“ wurde korrekt der Position 09.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. Die Einschätzung des Grades der Behinderung mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz (20 v. H.) begründete die Sachverständige damit, dass unter medikamentöser Therapie eine stabile Stoffwechsellage bestehe. Dieser Einschätzung trat der Beschwerdeführer nicht entgegen.

Das vierte Leiden „Abnützungserscheinungen beide Schultergelenke“ wurde korrekt der Position 02.06.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. Dem nicht näher begründeten Vorbringen in der Stellungnahme vom 30.03.2020, die Abnützungserscheinungen hätten mit einem höheren Grad der Behinderung eingestuft werden müssen, kann nicht gefolgt werden. Die Abnützungserscheinungen wurden im Gutachten bereits berücksichtigt, wie die Sachverständige auch in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 10.04.2020 ausführte.

Das fünfte Leiden „Asthma bronchiale“ wurde korrekt der Position 06.04.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. Die Einschätzung des Grades der Behinderung mit dem oberen Rahmensatz begründete die Sachverständige damit, dass die Erkrankung unter Bedarfsmedikation stabil sei. Dieser Einschätzung trat der Beschwerdeführer nicht entgegen.

Das sechste Leiden „Bluthochdruck“ wurde korrekt der Position 05.01.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet. Dieser Einschätzung trat der Beschwerdeführer nicht entgegen.

Die im Rahmen Stellungnahme vom 30.03.2020 vorgelegten Unterlagen, insbesondere das orthopädische Gutachten von Dr. XXXX vom 18.03.2020, sind nicht geeignet, eine andere Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen mit einem höheren Grad der Behinderung herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Zunächst ist festzuhalten, dass die in diesem Gutachten festgestellten Leiden auch im von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt und entsprechend ihrer Funktionseinschränkung korrekt eingestuft sind. Eine maßgebliche radikuläre Symptomatik war für die behördlich beauftragte Sachverständige jedoch, wie sie bereits in ihrer ergänzenden Stellungnahem vom 10.04.2020 ausführte, angesichts der symmetrischen Bemuskelung nicht objektivierbar. Darüber hinaus beinhaltet das private Gutachten keine Einschätzung des Grades der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung, weshalb dieses Gutachten dem von der belangten Behörde eingeholten orthopädischen Gutachten vom 05.02.2020 nicht auf gleicher fachlicher Ebene begegnen und dieses daher auch schon aus diesem Grund nicht entkräften kann.

Der Beschwerdeführer ist mit seinen Einwendungen vom 30.03.2020 und den Ausführungen in der Beschwerde im Lichte obiger Ausführungen daher den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen im Gutachten vom 05.02.2020 nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Betreffend den Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet Orthopädie wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 05.02.2020. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1.       Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes lauten auszugsweise:

„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 43. (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

Wie oben unter Punkt II. 2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 05.02.2020, beruhend den vom Beschwerdeführer in Vorlage gebrachten medizinischen Befunden und dem am 12.12.2019 von derselben Fachärztin erhobenen Untersuchungsbefund, zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers aktuell 40 v. H. beträgt. Die Funktionseinschränkung wurde im Gutachten entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Der Beschwerdeführer ist diesem Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Beschwerde keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung seines Zustandes zu belegen.

Da der Sachverhalt feststeht und die Sache daher entscheidungsreif ist, war dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich Orthopädie nicht Folge zu geben, zumal bereits ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt wurde und der Entscheidung zu Grunde gelegt wird. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass kein Rechtsanspruch auf die Zuziehung eines Facharztes eines bestimmten medizinischen Teilgebietes besteht (vgl. VwGH 24.06.1997, 96/08/0114).

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v. H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v. H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

3.       wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W265.2233170.1.00

Im RIS seit

08.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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