TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/9 W133 2229667-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.11.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.11.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2229667-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 30.01.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer stellte zunächst am 16.07.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet). Dem Antrag wurden ein Konvolut an medizinischen Unterlagen, unter anderem ein Befundbericht einer näher genannten HNO-Gruppenpraxis vom 29.12.2015, sowie eine Passkopie beigelegt.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 25.07.2019 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, ein aktuelles Reinton Audiogramm vorzulegen. Am 09.09.2019 langte ein solches beim Sozialministeriumservice ein.

Die belangte Behörde gab in der Folge Sachverständigengutachten eines HNO-Arztes vom 14.10.2019 und einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 27.11.2019 sowie eine, diese beiden Gutachten zusammenfassende Gesamtbeurteilung der beigezogenen Ärztin für Allgemeinmedizin ebenfalls vom 27.11.2019 in Auftrag.

Im eingeholten Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage eines HNO-Arztes vom 14.10.2019 wurde auf Grundlage der vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Unterlagen die fachbezogene Funktionseinschränkung der Leidensposition

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

annähernd geringgradige Schwerhörigkeit bds 12.02.01 Z2/T2

Oberer Rahmensatz der eine Diskriminationsstörung bei Hochtonabfall berücksichtigt.

12.02.01

20

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Grad der Behinderung von 20 v.H. eingeschätzt. Es wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Im eingeholten Gutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 27.11.2019 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Insulinpflichtiger Diabetes

Oberer Rahmensatz bei zweimaliger Insulindosis

09.02.02

40

2

Zustand nach Implantation einer Knieprothese beidseits mit Funktionseinschränkung geringen Grades

Oberer Rahmensatz bei prothetischer Versorgung

02.05.19

30

3

Abnützungserscheinungen im rechten Hüftgelenk mit Funktionseinschränkung mittleren Grades

02.05.09

30

4

Degenerative Veränderungen in der Wirbelsäule mit Funktionseinschränkungen mittleren Grades

Unterer Rahmensatz, da keine neurologischen Ausfälle

02.01.02

30

5

Vorhofflimmern

Unterer Rahmensatz ohne wesentliche Beschwerden

05.02.01

30

6

Diabetische Neuropathie

Unterer Rahmensatz, da ohne Therapiekonsequenz

04.06.01

10

7

Arterielle Verschlusskrankheit linkes Bein

05.03.01

10

8

Bluthochdruck

05.01.01

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Grad der Behinderung von 50 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass das Leiden 1 durch die Leiden 2 bis 5 um eine Stufe erhöht werde, da diese Leiden im Zusammenwirken klinisch relevant seien. Die Leiden 6 bis 8 würden nicht erhöhen, da diese von zu geringer funktioneller Relevanz seien. Es wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

In der Gesamtbeurteilung der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 27.11.2019 wurden auf Grundlage der Sachverständigengutachten der Fachrichtungen HNO vom 14.10.2019 und Allgemeinmedizin vom 27.11.2019 die Funktionseinschränkungen zusammenfassend den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Insulinpflichtiger Diabetes

Oberer Rahmensatz bei zweimaliger Insulindosis

09.02.02

40

2

Zustand nach Implantation einer Knieprothese beidseits mit Funktionseinschränkung geringen Grades

Oberer Rahmensatz bei prothetischer Versorgung

02.05.19

30

3

Abnützungserscheinungen im rechten Hüftgelenk mit Funktionseinschränkung mittleren Grades

02.05.09

30

4

Degenerative Veränderungen in der Wirbelsäule mit Funktionseinschränkungen mittleren Grades

Unterer Rahmensatz, da keine neurologischen Ausfälle

02.01.02

30

5

Vorhofflimmern

Unterer Rahmensatz ohne wesentliche Beschwerden

05.02.01

30

6

annähernd geringgradige Schwerhörigkeit bds 12.02.01 Z2/T2

Oberer Rahmensatz der eine Diskriminationsstörung bei Hochtonabfall berücksichtigt.

12.02.01

20

7

Diabetische Neuropathie

Unterer Rahmensatz, da ohne Therapiekonsequenz

04.06.01

10

8

Arterielle Verschlusskrankheit linkes Bein

05.03.01

10

9

Bluthochdruck

05.01.01

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Grad der Behinderung von 50 v.H. eingeschätzt. Begründend führte die Gutachterin aus, dass das Leiden 1 durch die Leiden 2 bis 5 um eine Stufe erhöht werde, da diese Leiden im Zusammenwirken klinisch relevant seien. Leiden 6 erhöhe bei unzureichender wechselseitiger Leidensbeeinflussung nicht. Die Leiden 6 bis 8 würden nicht erhöhen, da diese von zu geringer funktioneller Relevanz seien. Es wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 28.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund seines Antrages vom 16.07.2019 mitgeteilt, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt worden sei. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese“ und „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 erster Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" würden vorliegen. Der unbefristete Behindertenpass im Scheckkartenformat werde in den nächsten Tagen übermittelt werden. Sämtliche eingeholten Gutachten wurden dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Mit Begleitschreiben der belangten Behörde vom 29.11.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. übermittelt. Diesem Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Am 17.12.2019 stellte der Beschwerdeführer unter Vorlage eines Befundkonvolutes den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis), der entsprechend dem vom Beschwerdeführer unterfertigten Antragsformular für den - auf ihn zutreffenden - Fall, dass er nicht über einen Behindertenpass mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in diesem Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung in dem Behindertenpass galt. Dem Antrag legte er des Weiteren seinen Behindertenpass bei.

Mit Schreiben vom 10.01.2020 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer betreffend die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Die im Rahmen des Passverfahrens eingeholten Gutachten wurden dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Im Rahmen des erteilten Parteiengehörs wurden vom nunmehr anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27.01.2020 - ohne Vorlage weiterer Beweismittel - Einwendungen erhoben. Darin wird zusammengefasst moniert, dass die belangte Behörde lediglich ein allgemeinmedizinisches Gutachten eingeholt habe. In weiterer Folge wurden die festgestellten Leiden aufgezählt. Die Sachverständige habe sich im Gutachten in keinster Weise mit den psychischen Belastungen auseinandergesetzt, welche beim Beschwerdeführer bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entstehen würden. Der Beschwerdeführer leide bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Angstzuständen. Auch habe sich die Sachverständige nicht damit beschäftigt, dass der Beschwerdeführer von seinem Wohnort bis zu seinem Arbeitsplatz ein viermaliges Umsteigen, längere Wege und eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Stufen zu bewältigen habe. Auch die Behauptung, der Beschwerdeführer könne problemlos Stiegen steigen, sei unrichtig, dies sei bei der Begutachtung gar nicht geprüft worden. Es sei die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens notwendig, dies schon im Hinblick auf die beiden Implantate in den Kniegelenken und der von der Sachverständigen selbst festgestellten Beeinträchtigung der Mobilität bzw. der Beweglichkeit im Bereich der Lendenwirbelsäule, Halswirbelsäule, und Hüfte. Des Weiteren sei aufgrund der Angstzustände auch ein psychologisches/psychiatrisches Gutachten einzuholen. Ganz abgesehen davon hätten sich die Beschwerden des Beschwerdeführers in den letzten Wochen erheblich verschlechtert.

Aufgrund der eingebrachten Stellungnahme holte die belangte Behörde eine Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin, welche das Gutachten vom 27.11.2019 bzw. die Gesamtbeurteilung vom selben Tag erstellt hatte, vom 29.01.2020 ein. Darin führt die Gutachterin aus, dass an der bereits getroffenen Einschätzung festgehalten werde und begründet dies ausführlich.

Daher wies die belangte Behörde mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 30.01.2020 den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ vom 17.12.2019 unter Hinweis auf das medizinische Beweisverfahren gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab. Die Stellungnahme vom 29.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Mit E-Mailnachricht vom 13.03.2020 brachte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 30.01.2020 bei der belangten Behörde ein. Ohne Vorlage von Beweismitteln wird darin zusammengefasst ausgeführt, dass die eingebrachte Stellungnahme vom 27.01.2020 nicht entsprechend berücksichtigt worden sei. In weiterer Folge wird umfassend die gegenständlich relevante Judikatur dargelegt. Es wird abermals moniert, dass lediglich ein allgemeinmedizinisches Gutachten eingeholt worden sei. Aus der dargelegten Judikatur würde sich ergeben, dass jedenfalls die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens notwendig gewesen wäre. Auch sei kein – wie in der Stellungnahme beantragt – neurologisches Gutachten eingeholt worden. In weiterer Folge werden abermals die festgestellten Leiden aufgezählt. Die Sachverständige habe sich im Gutachten in keinster Weise mit den psychischen Belastungen auseinandergesetzt, welche beim Beschwerdeführer bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel entstehen würden. Der Beschwerdeführer leide bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Angstzuständen. Auch habe sich die Sachverständige nicht damit beschäftigt, dass der Beschwerdeführer von seinem Wohnort bis zu seinem Arbeitsplatz ein viermaliges Umsteigen, längere Wege und eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Stufen zu bewältigen habe. Auch die Behauptung, der Beschwerdeführer könne problemlos Stiegen steigen, sei unrichtig. Ganz abgesehen davon hätten sich die Beschwerden des Beschwerdeführers in den letzten Wochen erheblich verschlechtert.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 17.03.2020 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.

Er hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Der Beschwerdeführer stellte am 17.12.2019 einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       Insulinpflichtiger Diabetes bei zweimaliger Insulindosis;

2.       Zustand nach Implantation einer Knieprothese beidseits mit Funktionseinschränkung geringen Grades;

3.       Abnützungserscheinungen im rechten Hüftgelenk mit Funktionseinschränkung mittleren Grades;

4.       Degenerative Veränderungen in der Wirbelsäule mit Funktionseinschränkungen mittleren Grades ohne neurologische Ausfälle;

5.       Vorhofflimmern ohne wesentliche Beschwerden;

6.       Annähernd geringgradige Schwerhörigkeit beidseits;

7.       Diabetische Neuropathie ohne Therapiekonsequenz;

8.       Arterielle Verschlusskrankheit linkes Bein mit Funktionseinschränkungen leichten Grades;

9.       Bluthochdruck.

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung bezüglich der Unzumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel liegen nicht vor.

Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der unteren Extremitäten, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m können alleine, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, ohne fremde Hilfe und ohne Pause zurückgelegt werden.

Dem Beschwerdeführer ist eine moderate körperliche Anstrengung möglich, da kein Hinweis auf eine gravierende Beeinträchtigung der Herzpumpleistung besteht.

Das Vorliegen erheblicher Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw. Funktionen ist nicht objektiviert.

Weder im vorangegangenen, auf Antrag des Beschwerdeführers geführten Verfahren zur Ausstellung eines Behindertenpasses, noch im Rahmen der nunmehrigen Antragstellung auf Vornahme der Zusatzeintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ brachte der Beschwerdeführer ein psychisches Leiden oder Angstzustände vor. Auf dem von ihm unterfertigten Antragsformular war er von der Behörde ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass geltend gemachte Gesundheitsschädigungen durch aktuelle medizinische Unterlagen nachzuweisen sind. Auch bei der Anamneseerhebung im Zuge der Begutachtung am 25.11.2019 wurde vom Beschwerdeführer keinerlei psychisches Leiden oder eine Angststörung angegeben. Der Beschwerdeführer legte auch keinen medizinischen Fachbefund hinsichtlich eines psychischen Leidens, einer Angststörung, Klaustrophobie, Soziophobie und phobischen Angst vor. Es wurde hinsichtlich des Vorbringens, der Beschwerdeführer habe Angstzustände bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, diese sei eine psychische Belastung, da es oftmals nicht ausreichend Sitzplätze gebe und gedrängelt werde, auch nicht befundmäßig belegt, dass diesbezügliche Therapieoptionen ausgeschöpft wären.

Es bestehen auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung, medizinischer Diagnose und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen medizinischen Beurteilungen in den Sachverständigengutachten vom 14.10.2019 (HNO), 27.11.2019 (Allgemeinmedizin) und 27.11.2019 (Gesamtbeurteilung) sowie in der ergänzend eingeholten Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 29.01.2020 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer erhob in der Stellungnahme zum Parteiengehör bzw. in der Beschwerde keine konkreten und substantiierten Einwendungen gegen die vorliegenden Gutachten und die Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 29.01.2020, welche geeignet wären, diese zu entkräften oder in Frage zu stellen; diesbezüglich wird auf die nachfolgende Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung verwiesen. Eine von den Gutachten und der Stellungnahme abweichende Beurteilung erweist sich zum Entscheidungszeitpunkt als nicht möglich.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen über die Ausstellung eines Behindertenpasses, den aktuellen Grad der Behinderung und das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ im Behindertenpass basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht aktuell eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen und zur aktuellen Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich auf die durch die belangte Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 14.10.2019 (HNO), 27.11.2019 (Allgemeinmedizin) und 27.11.2019 (Gesamtbeurteilung) sowie auf die ergänzend eingeholte Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 29.01.2020. Darin wird nachvollziehbar ausgeführt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Beschwerdeführer zumutbar ist. Es wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachter setzten sich auch nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander. Die getroffene Beurteilung basiert auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund und entspricht auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (zur Art und zum Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird auf die detaillierten, oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen).

Die Feststellungen und die getroffene medizinische Beurteilung zu den Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsschädigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel decken sich auch mit den Ergebnissen der Untersuchung im Rahmen der Statuserhebung und auch mit den vorliegenden Befunden.

Im Rahmen der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.11.2019 wurde folgender klinischer Status erhoben:

„Allgemeinzustand:
gut

Ernährungszustand:
adipös

Größe: 187,00 cm  Gewicht: 118,00 kg  Blutdruck: 145/80

Klinischer Status – Fachstatus:

68-jähriger Mann kommt gehend ohne Begleitung in meine Ordination. Caput/Collum: Optomotorik unauffällig, Pupillen rund isocor, reagieren prompt auf Licht, die einsehbaren Schleimhäute gut durchblutet, Zähne saniert. Thorax symmetrisch, Herzaktion rein arrhythmisch normocard, Vesikuläratmung, keine pathologischen RGs auskultierbar. Abdomen weich eindrückbar, blande Narbe nach CHE und laparoskopischem Magenband, Leber am Rippenbogen, Milz nicht tastbar. Guß- und Popliteapulse beidseits tastbar, auch sonst Durchblutung und grob neurologisch unauffällig.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Extremitäten: Die Gelenke der OE altersentsprechend frei beweglich, UE: das rechte Hüftgelenk in allen Ebenen gering- bis mittelgradig bewegungseingeschränkt, blande Narbe nach K-TEP beidseits, beide Kniegelenke endlagig beugegehemmt, Streckung frei, die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. WS: HWS in allen Ebenen endlagig bewegungseingeschränkt, BWS/LWS: Drehung und Seitneigung des Oberkörpers nach links und rechts mäßiggradig eingeschränkt, Lasegue beidseits negativ, Finger-Bodenabstand: 20cm. Das Gangbild normalschrittig und flüssig, Einbeinstand beidseits ohne Anhalten kurz möglich, Zehen- und Fersengang beidseits durchführbar.

Status Psychicus:

bewusstseinsklar, allseits orientiert, Stimmungslage euthym, Allgemeintempo von normaler Schnelligkeit, Gedächtnis und Konzentration unauffällig“

Die Beurteilung der Mobilität des Beschwerdeführers als ausreichend begründet die beigezogene Ärztin für Allgemeinmedizin in ihrer Stellungnahme vom 29.01.2020 nachvollziehbar damit, dass bei der klinischen Untersuchung am 25.11.2019 keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule festgestellt werden konnten, welche das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Einsteigen und Aussteigen sowie den sicheren Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln erheblich und dauerhaft einschränken würden. Ausreichende Gangsicherheit konnte auch ohne Verwendung einer Gehhilfe festgestellt werden, wobei die Verwendung von Gehbehelfen - bei einem Gehbehelf handelt es sich um eine zumutbare Kompensationsmöglichkeit iSd § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen - bei Bedarf zulässig wäre. Auch aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Antrag auf einen Rehabilitationsaufenthalt vom 03.12.2019 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer ohne Hilfsmittel gehfähig ist.

Die angegebenen Beschwerden vor allem im Bereich beider Kniegelenke, der rechten Hüfte und der Lendenwirbelsäule führen zwar zu einer geringgradigen Einschränkung der Gehstrecke, das objektivierbare Ausmaß des Defizits kann jedoch eine maßgebliche Erschwernis der Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel nicht ausreichend begründen. Kurze Wegstrecken von etwa 300-400 m können vom Beschwerdeführer alleine, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, ohne fremde Hilfe und ohne Pause zurückgelegt werden. Niveauunterschiede können überwunden werden, da die Beugefunktion im Bereich der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke ausreichend ist und das sichere Ein- und Aussteigen möglich ist. Aus dem im Akt aufliegenden Arztbrief eines näher genannten Arztes für Innere Medizin vom 05.07.2019 ergibt sich diesbezüglich, dass der Beschwerdeführer zwei Stockwerke ohne Pause problemlos überwinden kann. Insofern kann das Vorbringen in der Stellungnahme zum Parteiengehör bzw. in der Beschwerde, der Beschwerdeführer habe Schwierigkeiten beim Stiegen steigen, nicht nachvollzogen werden. Insgesamt ist die Gesamtmobilität nicht wesentlich eingeschränkt, auch die Kraft und die Koordination sind gut. Im Bereich der oberen Extremitäten liegen keine höhergradigen Funktionseinschränkungen vor, das Erreichen von Haltegriffen und das Festhalten sind nicht eingeschränkt, sodass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

Da bedarfsweise Schmerzmedikamente eingenommen werden, ist davon auszugehen, dass die Beschwerden nicht permanent in hohem Ausmaß bestehen und daher auch aus diesem Blickwinkel die Mobilität nicht andauernd maßgeblich eingeschränkt ist.

Bezüglich des Herzleidens ist anzumerken, dass eine moderate körperliche Anstrengung möglich ist, da kein Hinweis auf gravierende Beeinträchtigung der Herzpumpleistung besteht (vgl. dazu den im Akt befindlichen Herzecho-Befund vom 05.07.2019). In dem bereits erwähnten Arztbrief eines näher genannten Arztes für Innere Medizin vom 05.07.2019 wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer cardial stabil und kompensiert ist. Es wurden vom anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer keine Befunde in Vorlage gebracht, welche erhebliche cardiopulmonale Funktionseinschränkungen im Sinne von arterieller Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option, Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen oder hochgradige Rechtsherzinsuffizienz dokumentieren würden.

Hinsichtlich der Angabe in der Stellungnahme zum Parteiengehör bzw. in der Beschwerde, der Beschwerdeführer leide an psychischen Belastungen durch bzw Angstzuständen bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer weder im vorangegangenen, auf Antrag des Beschwerdeführers geführten Verfahren zur Ausstellung eines Behindertenpasses, noch im Rahmen der nunmehrigen Antragstellung auf Vornahme der Zusatzeintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ ein psychisches Leiden oder Angstzustände vorbrachte. Auf dem von ihm unterfertigten Antragsformular war er von der Behörde ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass geltend gemachte Gesundheitsschädigungen durch aktuelle medizinische Unterlagen nachzuweisen sind. Auch bei der Anamneseerhebung im Zuge der Begutachtung am 25.11.2019 wurde vom Beschwerdeführer keinerlei psychisches Leiden oder eine Angststörung angegeben. Der Beschwerdeführer legte auch keinen medizinischen Fachbefund hinsichtlich eines psychischen Leidens, einer Angststörung, Klaustrophobie, Soziophobie und phobischen Angst vor. Es wurde hinsichtlich des Vorbringens, der Beschwerdeführer habe Angstzustände bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, diese sei eine psychische Belastung, da es oftmals nicht ausreichend Sitzplätze gebe und gedrängelt werde, auch nicht befundmäßig belegt, dass diesbezügliche Therapieoptionen ausgeschöpft wären.

Es liegen somit keine medizinischen Fachbefunde hinsichtlich eines psychischen Leidens oder einer Angststörung vor, sodass davon auszugehen ist, dass Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angst vor Kontrollverlust nicht wesentliche Bestandteile des behaupteten psychischen Leidens sind und ferner auch die diesbezüglichen Behandlungsoptionen nicht ausgeschöpft werden. Es besteht weder eine laufende psychiatrisch fachärztliche Betreuung, noch eine ambulante Psychotherapie. Bisher hat auch noch kein Aufenthalt an einer stationären Psychotherapiestation stattgefunden. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass keine entsprechenden Befunde in Vorlage gebracht wurden. Es kann daher nicht vom Vorliegen einer schwerwiegenden Einschränkung psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten im Sinne von Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr ausgegangen werden.

Die Wohnsituation mit nicht optimaler Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel kann bei der Prüfung der Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ nicht berücksichtigt werden; diesbezüglich wird auf die entsprechenden Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

Zum Vorbringen des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers in der Stellungnahme zum Parteiengehör bzw. in der Beschwerde, dass sich sein Zustand in den letzten Wochen erheblich verschlechtert habe, ist festzuhalten, dass eine erhebliche Verschlechterung seit der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.11.2019 nicht befundmäßig belegt wurde und daher nicht objektiviert ist.

Es liegen somit beim Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt zusammengefasst keine ausreichend erheblichen Funktionseinschränkungen vor, welche die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung rechtfertigen würden.

Zusammenfassend führte die belangte Behörde ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durch und wurden die im Beschwerdevorbringen angeführten Krankheitsbilder in den von der belangten Behörde eingeholten mehrfachen Sachverständigengutachten bzw. in der Stellungnahme bereits vollständig und nachvollziehbar berücksichtigt. Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers wurden umfassend und auch im Hinblick auf die jeweiligen Auswirkungen der konkret vorliegenden Krankheitsbilder auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel berücksichtigt. Dass die beigezogenen Gutachter die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers tatsachenwidrig beurteilt hätten, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden.

Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer ist den Sachverständigengutachten bzw. der Stellungnahme auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 14.10.2019 (HNO), 27.11.2019 (Allgemeinmedizin) und 27.11.2019 (Gesamtbeurteilung) sowie an der Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin vom 29.01.2020. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

„§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet auszugsweise:

„§ 1 ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: 
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)…
b)…

2. …         
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und         
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder         
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder         
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder         
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder         
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)..."

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013). In diesem Zusammenhang geht das Vorbringen in der Stellungnahme zum Parteiengehör bzw. in der Beschwerde, der Arbeitsplatz des Beschwerdeführers sei von seinem Wohnort aus nur umständlich zu erreichen, ins Leere.

In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird - soweit im Beschwerdefall relevant - Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise) – (nunmehr seit der Novelle BGBl. II Nr. 263/2016 unter § 1 Abs. 4 Z. 3 geregelt):

„Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss benützt werden.

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-        Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

-        hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

-        schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

-        nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-        anlage

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten