TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/11 W119 2177674-1

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Veröffentlicht am 11.11.2020
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Entscheidungsdatum

11.11.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W119 2177674-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie Flüchtlingsdienst gem GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 5. 10. 2017, Zl 1097135210-151888576/BMI-BFA_STM_AST_01_TEAM_01, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährige Beschwerdeführer stellte gemeinsam mit seinen Eltern (Zlen W119 2177671 und W119 2177669), seinen zum Zeitpunkt der Antragstellung ebenfalls noch minderjährigen Geschwistern (Zlen W119 2177679 und W119 2177676) und seiner minderjährigen Schwester (Zl W119 2177677) am 27. 11. 2015 jeweils Anträge auf internationalen Schutz.

Anlässlich der am 28. 11. 2015 durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG führte der Beschwerdeführer zunächst aus, in Kabul gelebt und dort die Schule besucht zu haben. Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, dass sein Vater für ein ausländisches Unternehmen gearbeitet habe. Die Leute hätten ihn und seine Familie für Spione gehalten und sie verspottet und ihnen vorgeworfen, ihren Glauben verraten zu haben.

Am 7. 8. 2017 fand beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) eine niederschriftliche Befragung statt, in der der Beschwerdeführer zunächst angab, in Kabul geboren worden zu sein und dort 10 Jahre die Schule besucht zu haben. Zu seinem Fluchtgrund wiederholte er die bereits anlässlich der Erstbefragung gemachten Angaben.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 5. 10. 2017, Zl 1097135210-151888576/BMI-BFA_STM_AST_01_TEAM_01, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) Der Bescheid wurde vom Beschwerdeführer am 20. 10. 2017 persönlich übernommen.

Mit Verfahrensanordnung vom 5. 10. 2017 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE-Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberaterin zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsberater mit Schriftsatz vom 17. 11. 2017 fristgerecht Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 5. 10. 2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Eltern und die beiden volljährigen Schwestern des Beschwerdeführers ausführlich zu ihren Fluchtgründen und Beschwerdevorbringen befragt wurden. Ein Vertreter des Bundesamtes nahm an der Verhandlung nicht teil.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans und am XXXX geboren. Er stellte am 27. 11. 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um den Sohn der XXXX , der mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl W119 2177669, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde und der damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Beschwerdeführer gehört als ihr Sohn der Familie an und liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers während des Verfahrens sowie aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Akten seiner Familienangehörigen. Der Beschwerdeführer gehört als Sohn der XXXX der Familie an und liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013).

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

A)

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 leg. cit. von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

§ 34 Abs. 2 AsylG 2005 normiert, dass die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen hat, wenn

1.       dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art 3 Z13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3.       gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus anhängig ist (§ 7).

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten unter den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriger Sohn der XXXX , weshalb ein Familienverfahren vorlag. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom heutigen Tag der Beschwerde der Mutter des Beschwerdeführers stattgegeben und ihr gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 den Status der Asylberechtigten zuerkannt und gleichzeitig gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung war der Beschwerdeführer bereits volljährig, war jedoch weiterhin als Familienangehöriger anzusehen. Die Legaldefinition des Familienangehörigen in § 2 Z 22 AsylG 2005 stellt darauf ab, ob es sich zum Zeitpunkt der Antragstellung um ein minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde handelt. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung stellt das Gesetz bei der Definition des Familienangehörigen daher auf den Zeitpunkt der Antragstellung ab und perpetuiert diese Eigenschaft für das gesamte Verfahren, auch wenn der Betroffene zwischenzeitig volljährig wird (VwGH vom 28.10.2009, Zl. 2007/01/0532 zur vergleichbaren Regelung des § 1 Z 6 AsylG 1997).
Dem Beschwerdeführer ist daher nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, d.h. der Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag auf internationalen Schutz am 27. 11. 2015 und somit nach dem 15. 11. 2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall Anwendung finden.

B)
Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen befristete Aufenthaltsberechtigung Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W119.2177674.1.00

Im RIS seit

08.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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