TE Vwgh Beschluss 2020/12/16 Ro 2019/17/0001

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §50 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Mag. Berger als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der H GmbH in I, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 3. Oktober 2018, LVwG-2-23/2017-R1, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in einer Angelegenheit nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Feldkirch), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Am 26. August 2017 führte die belangte Behörde in einem Lokal der revisionswerbenden Partei unter Beiziehung von Organen der Polizeiinspektion Feldkirch und des Einsatzkommandos Cobra (EKO-Cobra) eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz - GSpG durch.

2        Die revisionswerbende Partei erhob mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2017 Maßnahmenbeschwerde, in der sie die im Zuge dieser Kontrolle erfolgte Beschädigung zweier Türen geltend machte, die durch Organe des EKO-Cobra unter Zuhilfenahme eines Rammbockes gewaltsam geöffnet worden seien.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) die Maßnahmenbeschwerde als unbegründet ab und verpflichtete die revisionswerbende Partei zum Kostenersatz an den Bund. Weiters sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei.

4        Das LVwG stellte im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest: Die revisionswerbende Partei sei Eigentümerin des Lokals, in dem am 26. August 2017 die Glücksspielkontrolle stattgefunden habe. Vor Beginn der Kontrolle hätten sich die Kontrollorgane vergewissert, dass im Lokal Betrieb herrsche. Danach habe ein Polizeibeamter an der Eingangstür geläutet. In der Folge habe ein anderer Beamter an der Tür geklopft und mitgeteilt, dass es sich um die Polizei handle. Da auch ihm kein Einlass gewährt worden sei, habe die Einsatzleiterin über Megaphon die Kontrolle nach dem GSpG angekündigt und aufgefordert, die Eingangstüre zu öffnen, und für den Fall der Nichtbefolgung die gewaltsame Öffnung der Türe angedroht. Daraufhin sei etwa 30 Sekunden abgewartet worden. Bereits vor dem Einsatz habe sich die belangte Behörde aufgrund der Baupläne vergewissert, dass in dieser Zeit die Türe geöffnet werden könnte. Da keine Reaktion auf die Aufforderung erfolgt sei, sei die Türe vom EKO-Cobra mit einer Zweimann-Ramme geöffnet worden. Hinter dieser geöffneten Türe sei eine zweite Türe vorgefunden worden. Es sei abermals die Türöffnung angedroht worden und diese zweite Türe nach einer Wartezeit von 20 Sekunden wiederum mit der Zweimann-Ramme geöffnet worden. Beide Türen seien dabei beschädigt worden. Danach habe eine Kontrolle des Lokals nach dem GSpG stattgefunden, die dann ohne Einsatz des EKO-Cobra erfolgt sei. Dieses sei nur zur Öffnung der Türen herangezogen worden, weil bei anderen Glücksspiellokalen sogenannte „Razzienfallen“ (zusätzlich verriegelte Schleusentüren oder Fallen mit Pfefferspray) installiert gewesen seien.

5        Die belangte Behörde habe auf Grund von Anzeigen und des äußeren Erscheinungsbildes des Lokals den begründeten Verdacht gehabt, dass in den Räumlichkeiten Glücksspiele veranstaltet worden seien, und sei zu Recht davon ausgegangen, dass sich Personen im Lokal befunden hätten. Der von der revisionswerbenden Partei geltend gemachte Schaden („zumindest hunderte Euro“) stehe nicht außer Verhältnis zum angestrebten Ziel der Durchführung der Überwachungsaufgaben zur Verhinderung von illegalem Glücksspiel. Der Einsatz der Zweimann-Ramme zur Türöffnung sei somit rechtmäßig gewesen.

6        Seine Zulässigkeitsentscheidung begründete das LVwG damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehle, „unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff in das Eigentumsrecht bei der Durchführung der Überwachungsaufgaben durch die Behörde nach § 50 Abs 4 GSpG zulässig“ sei.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Kostenersatz.

8        Die Revision erweist sich als nicht zulässig:

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte ist nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG begrenzt (vgl. VwGH 6.3.2019, Ro 2018/03/0029, mwN).

13       Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine gesonderte Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. VwGH 5.10.2020, Ro 2020/10/0003, 0004, mwN).

14       Die revisionswerbende Partei hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern sie der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder sie andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. In einem solchen Fall ist von der revisionswerbenden Partei auf die vorliegende Rechtssache bezogen für jede von ihr - über die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts hinausgehend - als von grundsätzlicher Bedeutung qualifizierte Rechtsfrage konkret (unter Berücksichtigung auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) aufzuzeigen, warum der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsfrage in einer Entscheidung über die Revision als solche von grundsätzlicher Bedeutung zu behandeln hätte, von der die Entscheidung über die Revision abhängt (vgl. VwGH 6.7.2020, Ro 2018/17/0005, mwN).

15       Der bloße Hinweis des LVwG auf das Fehlen von Rechtsprechung, „unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff in das Eigentumsrecht bei der Durchführung der Überwachungsaufgaben durch die Behörde nach § 50 Abs 4 GSpG zulässig“ sei, reicht noch nicht aus, um darzulegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die vorliegende Revision Stellung nehmen müsste (vgl. etwa VwGH 17.4.2015, Ra 2015/02/0043, mwN). Damit wird den Begründungserfordernissen nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG nicht Genüge getan.

16       In ihren Ausführungen zur Zulässigkeit macht die vorliegende Revision über die Zulässigkeitsbegründung des LVwG hinaus geltend, eine Rechtsfrage nach Art. 133 Abs. 4 B-VG liege darin, ob § 5 Z 1 Sondereinheiten-Verordnung einem Betroffenen ein subjektives Recht gewähre und ob die Beiziehung des EKO-Cobra, wofür die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 3 SPG und § 5 Z 1 Sondereinheiten-Verordnung nicht vorgelegen seien, schon aus diesem Grund unverhältnismäßig und damit rechtswidrig gewesen sei.

17       Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG - also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage mittlerweile durch den Verwaltungsgerichtshof geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. für viele VwGH 14.11.2018, Ra 2017/17/0329, mwN).

18       Der Verwaltungsgerichtshof hat diese von der Revision angesprochenen Fragen bereits in seinem Erkenntnis vom 28. August 2019, Ra 2017/17/0923, auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausführlich behandelt. Daraus ergibt sich, dass es sich bei der Verordnungsermächtigung nach § 6 Abs. 3 SPG sowie der dazu ergangenen Sondereinheiten-Verordnung um eine Organisationsvorschrift handelt, aus der kein subjektives Recht abgeleitet werden kann. Aus diesem Grunde ist dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung einer in diesem Zusammenhang behaupteten Rechtsverletzung verwehrt.

19       Die revisionswerbende Partei führt zur Zulässigkeit ihrer Revision auch die Frage an, inwieweit ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sich als unverhältnismäßig erweise, wenn „auch gelindere Mittel, wie etwa die zwangsweise Öffnung der Eingangstüre unter Zuhilfenahme von Instrumenten, wie sie bei Schlüsseldiensten in Verwendung stehen“, möglich gewesen wären.

20       Bei der Frage der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme handelt es sich um eine Beurteilung im Einzelfall. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge im Zusammenhang mit einer solchen einzelfallbezogenen Beurteilung nur dann vor, wenn diese grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl. VwGH 8.9.2020, Ra 2020/17/0055, mwN).

21       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müsste für das Vorliegen einer Unverhältnismäßigkeit des zwangsweisen Betretens von Geschäftsräumlichkeiten im Zuge einer Kontrolle nach § 50 Abs. 4 GSpG den konkret einschreitenden Organen vor dem Eindringen in das Lokal bekannt gewesen sein, dass sie auch mit geringerer Gewaltanwendung in das Lokal hätten gelangen können (vgl. VwGH 29.8.2019, Ro 2018/17/0015). Derartige Feststellungen liegen im Revisionsfall nicht vor; es gibt auch sonst keinen Anhaltspunkt dafür, dass den einschreitenden Organen eine solche Möglichkeit des Eindringens bekannt gewesen wäre. Dass die belangte Behörde von dem in der Revision angeführten „Einsatz von Instrumenten, wie sie bei Schlüsseldiensten in Verwendung stehen“, Abstand genommen hat, macht ihr Vorgehen noch nicht unverhältnismäßig, hätte dies doch zu erheblichen Verzögerungen führen können, während derer die Vernichtung oder Verbringung von Beweismitteln zu befürchten gewesen wäre, was aber den Zweck der Kontrolle vereitelt hätte (vgl. VwGH 28.8.2019, Ra 2017/17/0923).

22       Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit weiters die Frage ins Treffen, inwieweit ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sich als unverhältnismäßig erweise, wenn „zwischen Androhung der Anwendung von Zwangsmaßnahmen iSd § 50 Abs. 4 GSpG und der tatsächlichen Anwendung dieser Zwangsmaßnahmen lediglich ein paar wenige Sekunden liegen (im Gegenstandsfall ‚ca. 30 Sekunden‘)“. Bei einem solchen Zeitraum (wie im Revisionsfall) könne keinesfalls davon ausgegangen werden, dass dem Betroffenen ausreichend Zeit zum Öffnen der Türe eingeräumt worden sei.

23       Die Beantwortung der Frage, wie viel Zeit zum Befolgen eines behördlichen Befehls einzuräumen ist, um die für den Fall des Nichtbefolgens dieses Befehls angedrohte und schließlich durchgeführte behördliche Maßnahme nicht als unverhältnismäßig zu beurteilen, hängt von den Umständen des Einzelfalles, von der konkreten von den einschreitenden Organen vorgefundenen Situation, ab. Dass im Revisionsfall 30 Sekunden nicht ausreichend gewesen wären, um die Eingangstüre zu öffnen, ist nicht ersichtlich, zumal sich weder aus dem angefochtenen Erkenntnis noch aus der Zulässigkeitsbegründung der Revision ergibt, dass die im Lokal befindlichen, die Glücksspieleinrichtungen bereithaltenden Personen weder von der Megaphondurchsage noch von der dieser vorangegangenen Aufforderung zum Öffnen der Tür Kenntnis erlangt haben.

24       Dass die Beurteilung des gewaltsamen Öffnens der Türe durch das LVwG insgesamt grob fehlerhaft gewesen wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte, wurde mit dem Zulässigkeitsvorbringen nicht aufgezeigt.

25       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

26       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 16. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019170001.J00

Im RIS seit

22.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten