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E000 EU- Recht allgemeinNorm
AdelsaufhG 1919Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache 1. des E M und 2. der B M, beide in G, beide vertreten durch die Strasser Huber Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Heinrichstraße 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 15. Jänner 2019, Zlen. 1. LVwG 41.3-2704/2018-8 und 2. LVwG 41.3-2705/2018-7, betreffend eine passrechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Graz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheiden des Bürgermeisters der Stadt Graz (belangte Behörde) vom 31. August 2018 wurden die Anträge der (miteinander verheirateten) revisionswerbenden Parteien auf Ausstellung jeweils eines Reisepasses lautend auf den Familiennamen „von M“ abgewiesen.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 15. Jänner 2019 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die dagegen erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für unzulässig.
3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Erstrevisionswerber, der sowohl österreichischer als auch deutscher Staatsangehöriger sei, 1968 im Geburtenbuch mit dem Familiennamen „M“ eingetragen worden sei. Mit Datum vom 25. November 1970 sei handschriftlich eine Glosse beigefügt worden, in der berichtigend vermerkt worden sei, dass der Familienname richtig „von M“ zu lauten habe. Die Zweitrevisionswerberin habe bei der Heirat den Familiennamen des Erstrevisionswerbers „von M“ übernommen. Die revisionswerbenden Parteien würden gemeinsam eine IT-Firma leiten, in deren Firmennamen „VM[...] OG“ der Name „von M“ verwendet werde.
4 In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das Verwaltungsgericht zunächst fest, bezüglich der Namensführung sei gemäß § 13 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 IPRG nach österreichischem Recht vorzugehen. Weiters verwies das Verwaltungsgericht auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der zufolge auch ehemalige Adelstitel österreichischer Staatsbürger, die nach deutschem Recht Teil des Namens seien, unter das Adelsaufhebungsgesetz fielen (Verweis auf VfGH 26.6.2014, B 212/2014). Das Adelszeichen „von“ stelle für österreichische Staatsbürger eine nicht zulässige Adelsbezeichnung dar. Der Erstrevisionswerber habe offensichtlich den Namen „von M“ nach deutschen zivilrechtlichen Bestimmungen durch Abstammung erworben. Mit dem Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft 1970 habe das Verbot, das Adelszeichen „von“ im Namen zu führen, unmittelbare Geltung erlangt. Sein Familienname laute daher nach österreichischem Recht ab diesem Zeitpunkt „M“. Die unrichtige Eintragung in den Personenstandsbüchern habe keine rechtsbegründende Wirkung und werde einer Berichtigung zu unterziehen sein.
Das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien, ihnen würde ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, weil sie den Adelstitel „von“ im beruflichen Verkehr verwendet hätten und der Wegfall des Adelstitels dem Ruf der Firma schade, erachtete das Verwaltungsgericht als nicht relevant. Der seitens der revisionswerbenden Parteien behaupteten Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Nichtausstellung eines Reisepasses mit dem Familiennamen „von M“ hielt das Verwaltungsgericht Art. 7 B-VG sowie die besondere Funktion des Adelsaufhebungsgesetzes zur Herstellung demokratischer Gleichheit entgegen. Die Entscheidung sei zur Aufrechterhaltung der Ordnung einer demokratischen Gesellschaft verhältnismäßig. Schließlich wies das Verwaltungsgericht noch auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 22. Dezember 2012 in der Rs. C-208/09, Sayn-Wittgenstein, hin. Es sei im Fall einer Doppelstaatsbürgerschaft in Kauf zu nehmen, dass zum einen der Familienname „von M“ und zum anderen der Name „M“ verwendet werde. Den Anträgen auf Ausstellung von Reisepässen lautend auf den Familiennamen „von M“ sei daher keine Folge zu geben gewesen.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit ihrer Revision zunächst vor, das Verwaltungsgericht sei völlig überraschend und unrichtig davon ausgegangen, dass der Erstrevisionswerber die österreichische Staatsbürgerschaft erst 1970 durch Verleihung erworben habe.
Zur damit erfolgten Geltendmachung einer Aktenwidrigkeit bzw. eines Begründungsmangels genügt der Hinweis, dass nach der ständigen Rechtsprechung nur ein relevanter Begründungsmangel zur Zulässigkeit einer Revision führt (vgl. VwGH 8.11.2018, Ra 2018/22/0232, Rn. 13, mwN). Es ist in der Zulässigkeitsbegründung selbst die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels für den Verfahrensausgang darzulegen (vgl. VwGH 8.10.2019, Ra 2019/22/0185, Rn. 8, mwN). Eine derartige Relevanz zeigen die revisionswerbenden Parteien in ihrem Zulässigkeitsvorbringen aber weder hinsichtlich der behaupteten Aktenwidrigkeit noch hinsichtlich eines damit einhergehenden Begründungsmangels auf.
Zudem ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach das in Österreich im Verfassungsrang stehende Adelsaufhebungsgesetz für österreichische Staatsbürger sowohl den Erwerb von Namensbestandteilen oder -zusätzen, die im Sinn des Adelsaufhebungsgesetzes und der dazu ergangenen Vollzugsanweisung Adelsbezeichnungen darstellen, ausschließt, als auch, dass eine Person, für die eine solche Adelsbezeichnung nach anderem als nach österreichischem Recht Bestandteil ihres Namens ist, diese nach Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft weiterführt (vgl. VwGH 28.1.2020, Ra 2019/01/0501, Rn. 9, mwN). Eine Differenzierung danach, ob die Staatsbürgerschaft durch Abstammung oder Verleihung erworben wurde, ist dabei nicht vorgesehen.
8 Weiters monieren die revisionswerbenden Parteien das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des EuGH zur Frage, ob der Eingriff in einen Namen eines Doppelstaatsbürgers zweier Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der in beiden Mitgliedstaaten eine Erwerbstätigkeit unter Verwendung dieses Namens entfalte bzw. dessen Unternehmen den Firmennamen vom Familiennamen „von M“ ableite, gegen die unionsrechtlichen Grundfreiheiten und insbesondere die Dienstleistungsfreiheit verstoße. Es bestünden auch wesentliche Unterschiede zwischen dem vorliegenden Sachverhalt und der dem Urteil des EuGH in der Rs. C-208/09 zugrunde gelegenen Konstellation.
Das bereits vom Verwaltungsgericht begründend herangezogene, ebenfalls das Adelsaufhebungsgesetz betreffende Urteil des EuGH in der Rs. C-208/09 ist nicht zur Dienstleistungsfreiheit, sondern zur Freizügigkeit ergangen (gleiches gilt für das - zur deutschen Rechtslage ergangene - Urteil des EuGH vom 2.6.2016, C-438/14, Bogendorff von Wolffersdorff). Vor dem Hintergrund der Ausführungen des EuGH im erstgenannten Urteil (vgl. die Rn. 54 ff) ist zwar davon auszugehen, dass die Ablehnung eines Familiennamens in all seinen Bestandteilen, wie er im zweiten betroffenen Mitgliedstaat bestimmt wurde, nicht nur eine Beschränkung der durch Art. 21 AEUV eingeräumten Freiheiten (Freizügigkeit und freier Aufenthalt), sondern - in einem Fall wie dem vorliegenden - auch eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit darstellt. Da der EuGH die damit einhergehende Beeinträchtigung unter Berufung auf die öffentliche Ordnung als gerechtfertigt und die Maßnahme als verhältnismäßig erachtet hat (vgl. Rn. 93 f des erstgenannten Urteils) und da auch Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit aus Gründen der öffentlichen Ordnung zulässig sind (siehe Art. 62 in Verbindung mit Art. 52 AEUV), ist auch eine allfällige Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit als gerechtfertigt und verhältnismäßig anzusehen. Aus welchen Erwägungen die Ausführungen des EuGH zur Rechtfertigung der mit dem Verbot des Führens von Adelstiteln einhergehenden Beschränkung zur Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes bei anderen Grundfreiheiten - wie der Dienstleistungsfreiheit - nicht zum Tragen kommen sollten, wird seitens der revisionswerbenden Parteien nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich (vgl. diesbezüglich auch die Beschlüsse des VwGH 28.2.2019, Ra 2019/01/0028, Rn. 17, sowie 27.2.2018, Ra 2018/01/0057, Rn. 8, 17, in denen der Verwaltungsgerichtshof jeweils allgemein einen Widerspruch zum Unionsrecht verneint hat). Welche Unterschiede - abgesehen von der ins Treffen geführten Ausübung der Dienstleistungsfreiheit - zwischen dem vorliegenden Fall und der dem Urteil in der Rs. C-208/09 zugrunde gelegenen Konstellation bestünden, wird im Zulässigkeitsvorbringen nicht weiter substantiiert. Soweit die revisionswerbenden Parteien auf den Firmennamen ihres Unternehmens verweisen, ist anzumerken, dass dieser nicht Gegenstand des zugrunde liegenden Verfahrens betreffend die Ausstellung von Reisepässen war.
9 Zudem bringen die revisionswerbenden Parteien vor, dass das Recht auf Privat- und Familienleben nach Art. 7 GRC und Art. 8 EMRK auch den Schutz des Namens gewährleiste. Die Namensänderung durch die österreichischen Behörden dürfte entgegen der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht verhältnismäßig sein. Es liege ein unzulässiger Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens vor, wenn die Zweitrevisionswerberin als Ehegattin des Erstrevisionswerbers - bei Beibehaltung dessen Namens „von M“ in Deutschland - gezwungen wäre, einen anderen Namen als ihr Ehemann zu führen.
Zur behaupteten Verletzung des Art. 8 EMRK genügt es, auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 2014, B 212/2014 ua., VfSlg. 19.891, zu verweisen, in dem der Verfassungsgerichtshof keinen unzulässigen Eingriff in das Recht aus Art. 8 EMRK durch das Adelsaufhebungsgesetz angenommen hat (vgl. Pkt. III.B.3., mwN) und dem sich der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt angeschlossen hat (siehe etwa VwGH 28.1.2020, Ra 2019/01/0501, Rn. 14, mwN). Auch der EuGH hat bei seiner Beurteilung der hier gegenständlichen österreichischen Rechtslage in der Rs. C-208/09 auf den durch Art. 7 GRC und Art. 8 EMRK gewährleisteten Schutz des Privatlebens (und damit auch der Identität bzw. des Namens einer Person) Bezug genommen (vgl. Rn. 52).
10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
11 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 2. Dezember 2020
Gerichtsentscheidung
EuGH 62009CJ0208 Ilonka Sayn-Wittgenstein VORABSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019220060.L00Im RIS seit
29.01.2021Zuletzt aktualisiert am
29.01.2021