TE Vwgh Erkenntnis 2020/12/7 Ro 2019/15/0014

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Veröffentlicht am 07.12.2020
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

EStG 1988 §3 Abs1 Z14
EStG 1988 §37 Abs6 idF 1993/818
EStG 1988 §37 Abs7 idF 1996/201
EStG 1988 §38 Abs1
EStG 1988 §67 Abs1
EStG 1988 §67 Abs2
EStG 1988 §67 Abs7

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Graz-Stadt in 8010 Graz, Conrad von Hötzendorfstraße 14-18, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 5. Februar 2019, Zl. RV/2101067/2018, betreffend Einkommensteuer 2016 (mitbeteiligte Partei: DI W B in G, vertreten durch die Steirische Wirtschaftstreuhand GmbH & Co KG in 8010 Graz, Leonhardstraße 109) zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1        Der Mitbeteiligte ist Dienstnehmer der L GmbH und bezog im Streitjahr im Rahmen seiner nichtselbständigen Einkünfte für eine zum Patent angemeldete Diensterfindung eine Prämie in Höhe von insgesamt 6.510 €, welche in drei Tranchen von jeweils 2.170 € im Juli, August und September 2016 ausbezahlt wurde. Die Zahlungen wurden vom Dienstgeber als laufender Bezug qualifiziert und dementsprechend zum vollen Tarif versteuert. Der begünstigte Steuersatz nach § 67 Abs. 1 EStG 1988 kam nicht zur Anwendung.

2        Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 beantragte der Mitbeteiligte die Anwendung des halben Steuersatzes gemäß § 38 EStG 1988.

3        Das Finanzamt kam diesem Antrag mit der Begründung nicht nach, dass der Arbeitgeber die Diensterfindungsvergütung zu Unrecht als laufenden Bezug versteuert habe. Die gegenständliche Prämie stelle einen sonstigen Bezug dar, für welchen bei gesetzeskonformer Abrechnung im Zeitpunkt der Auszahlung noch ein Teil des Jahressechstels gemäß § 67 Abs. 2 EStG 1988 zur Verfügung gestanden wäre. Für Einkünfte, die zum Teil mit dem festen Steuersatz des § 67 Abs. 1 EStG 1988 versteuert würden, stehe aber nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 37 Abs. 7 EStG 1988 keine Progressionsermäßigung zu.

4        Der Mitbeteiligte erhob gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 Beschwerde, der nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung und dem Vorlageantrag des Mitbeteiligten vom Bundesfinanzgericht Folge gegeben wurde.

5        Es sei unbestritten, dass die patentrechtlichen Voraussetzungen der Steuerbegünstigung im Streitfall erfüllt seien. Für die Lösung der Streitfrage, ob die in drei Teilbeträgen ausbezahlte Diensterfindungsvergütung dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 37 EStG 1988 unterliege, könne es nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts entgegen der Rechtsauffassung des Finanzamtes nicht darauf ankommen, ob ein Teil der Vergütung bei richtiger Zuordnung zu den sonstigen Bezügen noch mit dem begünstigten Steuersatz des § 67 Abs. 1 EStG 1988 hätte besteuert werden können. Eine derartige Gesetzesinterpretation würde von der Zufälligkeit des Auszahlungszeitpunktes abhängen und sei damit keinesfalls sachgerecht. Vielmehr sei für die Beurteilung, ob die vom Arbeitgeber neben dem laufenden Bezug ausbezahlte Diensterfindungsvergütung dem ermäßigten Steuersatz nach § 37 Abs. 1 dritter Teilstrich EStG 1988 unterliege, eine jahresbezogene Gesamtbetrachtung anzustellen. Demnach sei im vorliegenden Fall unabhängig vom Auszahlungszeitpunkt entscheidend, dass die Diensterfindungsvergütung von 6.510 € im Jahressechstel von 13.172,59 €, das zur Gänze durch das 13. und 14. Gehalt in Höhe von insgesamt 13.238,29 € verbraucht werde, keine Deckung finde. Da demnach der strittige Betrag nicht einmal teilweise mit dem festen Steuersatz des § 67 EStG 1988 versteuert werde, gelange der Ausschluss der Progressionsermäßigung nach § 37 Abs. 7 zweiter Satz EStG 1988 nicht zur Anwendung.

6        Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision des Finanzamts, welches das Erkenntnis insoweit anficht, als das Bundesfinanzgericht für die als sonstiger Bezug anzusehende Diensterfindungsvergütung die Progressionsermäßigung gemäß § 37 Abs. 1 EStG 1988 zuerkannt habe. Im gegenständlichen Fall wäre zum Auszahlungszeitpunkt entgegen der Vorgangsweise des Arbeitgebers noch ein Teil der Diensterfindungsvergütung mit dem festen Steuersatz zu versteuern gewesen, sodass der Ausschlussgrund gemäß § 37 Abs. 7 EStG 1988 zum Tragen komme.

8        Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der keine Kosten beansprucht wurden.

9        Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10       Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

11       Gemäß § 37 Abs. 1 dritter Teilstrich EStG 1988 ermäßigt sich der Steuersatz für Einkünfte aus der Verwertung patentrechtlich geschützter Erfindungen (§ 38) auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes.

12       Gemäß § 38 Abs. 1 EStG 1988 ermäßigt sich der Steuersatz auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes, wenn im Einkommen Einkünfte aus der Verwertung patentrechtlich geschützter Erfindungen durch andere Personen enthalten sind, wobei diese Begünstigung nur dem Erfinder selbst zusteht.

13       Ob die Steuerermäßigung des § 38 EStG 1988 auch auf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit anzuwenden ist, war zunächst nicht unumstritten (vgl. diese Frage bejahend VwGH 28.5.1997, 95/13/0287, und 25.4.2013, 2010/15/0158; sowie Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 38 Tz 7). Schließlich sah sich der Gesetzgeber veranlasst, § 37 mit dem Steuerreformgesetz 1993, BGBl. Nr. 818, um einen weiteren Absatz zu ergänzen und im neuangefügten Abs. 6 zu bestimmen, dass für Einkünfte, die zum Teil mit dem festen Satz des § 67 versteuert werden, der ermäßigte Steuersatz nicht anzuwenden ist, womit auch klargestellt war, dass Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht grundsätzlich von der in Rede stehenden Tarifbestimmung ausgeschlossen sind.

14       Im Rahmen des StruktAnpG 1996, BGBl. Nr. 201, wurde § 37 EStG 1988 neu strukturiert und die Anordnung des bisherigen Abs. 6 inhaltlich unverändert in den Abs. 7 zweiter Satz verschoben.

15       Der mit dem Steuerreformgesetz 1993 angefügte Absatz sollte ausschließen, dass der halbe Durchschnittssteuersatz auch auf Einkünfte anzuwenden ist, die bereits teilweise mit dem festen Steuersatz von 6% versteuert worden sind, was insbesondere für Erfindervergütungen im Sinne des § 67 Abs. 7 Bedeutung habe (vgl. ErlRV 1237 BlgNR 18. GP, 56f).

16       Ohne diese Ausschlussbestimmung wäre es zu einer doppelten Begünstigung von Erfindervergütungen gekommen, weil § 67 Abs. 7 EStG 1988 bereits in seiner Stammfassung vorsah, dass u.a. Vergütungen für Diensterfindungen im Ausmaß eines zusätzlichen Jahressechstels mit den festen Steuersätzen des § 67 Abs. 1 EStG 1988 zu versteuern sind. Die Sechstelregelung für andere sonstige Bezüge (insbesondere den 13. und 14. Gehalt) blieben davon unberührt. Ein Aufstocken dieses gesonderten (zusätzlichen) Jahressechstels mit anderen sonstigen Bezügen war jedoch nicht möglich, wenn die Prämien für Verbesserungsvorschläge bzw. Diensterfindungen nicht im Ausmaß eines Jahressechstels zur Auszahlung gelangte (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 67 Tz 55).

17       Im Zuge des 1. StabG 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, kam es zu einer Erweiterung der Steuerbegünstigung (Erhöhung des „zusätzlichen Sechstels“ um 15% der bereits zugeflossenen, auf das Kalenderjahr umgerechneten laufenden Bezüge).

18       Mit dem StRefG 2015/2016, BGBl. I Nr. 118/2015, wurde § 67 Abs. 7 EStG 1988 ab 2016 (dem Streitjahr) zur Gänze aufgehoben. Die Gesetzesmaterialien führen dazu aus, dass die Streichung dem Vorschlag der Steuerreformkommission zum Thema Harmonisierung von Sozialversicherung und Lohnsteuer folgt und nunmehr Jubiläumsgeldzahlungen und Diensterfindungsprämien in beiden Bereichen abgabenpflichtig sein sollen. Im Gegenzug solle für Jubiläumsgeschenke aus Anlass eines Dienstjubiläums oder eines Firmenjubiläums in § 3 Abs. 1 Z 14 EStG 1988 eine Befreiung bis zu einer dort genannten Höhe vorgesehen werden (vgl. ErlRV 684 BlgNR 25. GP, 6).

19       Prämien für Diensterfindungen sind daher ab 2016 nach § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 zu versteuern (sonstiger Bezug unter Anrechnung auf das Jahressechstel).

20       Die mit der Bestimmung des § 37 Abs. 7 EStG 1988 beabsichtigte Vermeidung einer doppelten Begünstigung von Diensterfindungsvergütungen tritt nach der für das Streitjahr 2016 geltenden Rechtslage dann nicht ein, wenn wie vom Bundesfinanzgericht im Revisionsfall festgestellt, bei richtiger lohnsteuerlicher Behandlung der Diensterfindungsprämien zwar eine (teilweise) Versteuerung mit dem festen Steuersätzen des § 67 EStG 1988 hätte erfolgen müssen, dafür aber andere (später ausbezahlte) sonstige Bezüge (etwa der 13. und 14. Monatsbezug) wegen Sechstelüberschreitung zum vollen Tarif zu versteuern gewesen wären.

21       Eine vom Gesetzgeber nicht gewollte doppelte steuerliche Begünstigung der Diensterfindungsvergütung liegt nicht vor, wenn lediglich auf Grund des zufälligen Auszahlungszeitpunktes der feste Steuersatz des § 67 EStG 1988 zur Anwendung kommt (bzw. kommen müsste), über das Kalenderjahr betrachtet aber andere sonstige Bezüge wegen der begünstigten Besteuerung der Diensterfindungsprämie zum vollen Tarif versteuert werden müssen. Teleologische, historische und verfassungsrechtliche Erwägungen sprechen dafür, die Ausschlussbestimmung des § 37 Abs. 7 EStG 1988 dahingehend auszulegen, dass ein solcher Jahressechstelüberhang einer Progressionsermäßigung nach § 38 EStG 1988 im Rahmen der Veranlagung zugänglich ist (vgl. Fuchs in Doralt et al, EStG21, § 38 Tz 14/1; Bramerdorfer/Kovacevic, Steuerliche Behandlung von Diensterfindungsvergütungen, SWK 2018, 969ff; Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2020, § 38 Rz 14).

22       Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Wien, am 7. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019150014.J00

Im RIS seit

08.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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