TE Vwgh Beschluss 2020/12/10 Ra 2020/10/0161

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Veröffentlicht am 10.12.2020
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E15101000
E6J
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
14/01 Verwaltungsorganisation
40/01 Verwaltungsverfahren
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

B-VG Art133 Abs4
EURallg
UVPG 2000 §3 Abs7
UVPG 2000 §3 Abs9
VwGG §34 Abs1
32011L0092 UVP-RL Art11
62013CJ0570 Gruber VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revision des Vereins „L“ in S, vertreten durch die Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Teinfaltstraße 8/5.01, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 13. August 2020, Zl. LVwG-551787/5/Kü/KN, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Zustellung eines Bescheides i.A. des Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 2001 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Braunau), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 13. August 2020 wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich - im Beschwerdeverfahren - einen Antrag des Revisionswerbers, diesem einen naturschutzrechtlichen Bescheid der belangten Behörde vom 12. Dezember 2019 zuzustellen, gemäß §§ 8, 17 AVG und §§ 39a, 39b Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 2001 - Oö. NSchG 2001 zurück, wobei es die Revision nicht zuließ.

2        Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung - soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Belang - zugrunde, der Revisionswerber sei eine gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisation mit dem Tätigkeitsbereich (u.a.) für Oberösterreich.

3        Mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 28. Mai 2019 sei festgestellt worden, dass für das Vorhaben des Landes Oberösterreich „3. Teilabschnitt - sog. Abschnitt S - S“ (im Rahmen des Vorhabens Umfahrung M bis M) in der Gemeinde S keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen sei.

4        Eine dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers habe das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 9. März 2020 als unbegründet abgewiesen. (Gegen dieses Erkenntnis brachte der Revisionswerber zu hg. Ra 2020/06/0133 eine außerordentliche Revision ein.)

5        Mit Bescheid vom 12. Dezember 2019 habe die belangte Behörde dem Land Oberösterreich die naturschutzbehördliche Bewilligung für die Errichtung des Bauloses „Umfahrung M - M“, Bauabschnitt 3 (S - S) samt Neben- und Begleitwegen bzw. Straßenverlegungen unter Auflagen erteilt.

6        Mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag vom 20. Jänner 2020 begehre der Revisionswerber die Zustellung dieses naturschutzbehördlichen Bewilligungsbescheides.

7        In rechtlicher Hinsicht begründete das Verwaltungsgericht die Zurückweisung dieses Antrages im Kern damit, dass dem Revisionswerber in dem betroffenen Verwaltungsverfahren weder nach § 8 AVG noch nach §§ 39a und 39b Oö. NSchG 2001 Parteistellung zukomme.

8        Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers, der in seinem Antrag vorgebracht habe, das dem naturschutzrechtlichen Bescheid zugrunde liegende Vorhaben sei einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen, weshalb der Revisionswerber von seinem Recht nach Art. 11 UVP-Richtlinie iVm Art. 9 Aarhus-Konvention Gebrauch mache, habe dieser auch keine unmittelbar aus diesen Normen ableitbare Parteistellung und Rechtsmittellegitimation:

9        In dem - vom Revisionswerber in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten - Urteil vom 16. April 2015, Rs C-570/13, Gruber, habe der EuGH ausgesprochen, dass ein im UVP-Feststellungsverfahren ergangener negativer Feststellungsbescheid im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren einer Nachbarin gegenüber mangels deren Parteistellung im UVP-Feststellungsverfahren keine Bindungswirkung entfalten könne. Dabei habe es der EuGH allerdings offen gelassen, wie die Anfechtungsmöglichkeit ausgestaltet sein müsse, nämlich ob die „betroffene Öffentlichkeit“ iSd Art. 11 Abs. 1 UVP-Richtlinie die Möglichkeit erhalte, die Entscheidung, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, „im Rahmen eines gegen sie oder gegen einen späteren Genehmigungsbescheid eingelegten Rechtsbehelfs anzufechten“ (Hinweis auf VwGH 18.5.2016, Ro 2015/04/0026 = VwSlg. 19.373 A).

10       Gegenständlich habe der Revisionswerber im UVP-Feststellungsverfahren zufolge § 3 Abs. 9 UVP-G 2000 Parteistellung und ausreichend Möglichkeit gehabt, die „bescheidmäßige negative Feststellung der Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung“ gerichtlich (nämlich durch Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht) überprüfen zu lassen, weshalb ihm eine „auf die Einwendung der UVP-Pflicht ausgedehnte Parteistellung“ im naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren nicht einzuräumen sei.

11       2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14       3.1. Die Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision erblicken den „Kern der im gegenständlichen Fall zu lösenden Rechtsfrage“ darin, „ob [der Revisionswerber] als Mitglied der betroffenen Öffentlichkeit berechtigt war, während des laufenden Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG betreffend den negativen UVP-Feststellungsbescheid auch im (parallel geführten) naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren (Materienverfahren) die UVP-Pflicht des Vorhabens einzuwenden (und [ihm] daher in diesem Umfang Parteistellung bzw das Recht auf Zustellung des naturschutzrechtlichen Bewilligungsbescheides zukommt)“.

15       3.2. Die damit aufgeworfene Frage wurde allerdings - wie das Verwaltungsgericht richtig erkannt hat - in der hg. Rechtsprechung bereits geklärt:

16       In dem bereits vom Verwaltungsgericht erwähnten Urteil Gruber lässt der EuGH offen, wie die Anfechtungsmöglichkeit der „betroffenen Öffentlichkeit“ iSd Art. 11 UVP-Richtlinie ausgestaltet sein muss: Die Mitgliedstaaten können daher direkten Rechtsschutz gegen die Entscheidung, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, ermöglichen oder den Rechtsschutz auf die Möglichkeit einer inzidenten Rüge in Zusammenhang mit einem Rechtsbehelf gegen eine Genehmigung beschränken (vgl. etwa das schon erwähnte Erkenntnis VwSlg. 19.373 A mit Blick auf ein gewerbebehördliches Bewilligungsverfahren); in beiden Fällen kommt es letztlich darauf an, dass die Frage des Bestehens einer Pflicht zur Durchführung einer UVP in einem Genehmigungsverfahren einer Überprüfung unterzogen werden kann (vgl. etwa auch das vom Revisionswerber ins Treffen geführte Erkenntnis VwGH 24.1.2017, Ro 2016/05/0011, mwN).

17       So ist auch Umweltorganisationen als der „betroffenen Öffentlichkeit“ in Fällen, in denen kein UVP-Feststellungsverfahren durchgeführt wurde, Parteistellung im jeweiligen Genehmigungsverfahren einzuräumen, um diesen Umweltorganisationen die Möglichkeit zu eröffnen vorzubringen, dass das jeweilige Projekt einer UVP zu unterziehen sei (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2018/07/0410, mwN).

18       Davon unterscheidet sich die vorliegende Konstellation, in der die revisionswerbende Umweltorganisation in dem das gegenständliche Projekt betreffenden UVP-Feststellungsverfahren Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erheben konnte (und erhoben hat), grundlegend; hier besteht nach dem Gesagten kein Anlass, dem Revisionswerber auch im naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren - und so gleichsam „doppelt“ - Parteistellung einzuräumen.

19       3.3. Das vom Revisionswerber unter Berufung auf VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117 = VwSlg. 19.515 A, hervorgehobene Recht auf Erhebung einer Revision als „Teil des Überprüfungsverfahrens iSd Art. 11 UVP-RL“ hat dieser mit Erhebung der Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. März 2020 zu hg. Ra 2020/06/0133 (vgl. oben Rz 4) in Anspruch genommen.

20       4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

21       Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. Dezember 2020

Gerichtsentscheidung

EuGH 62013CJ0570 Gruber VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020100161.L00

Im RIS seit

05.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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