TE Vwgh Beschluss 2020/12/10 Ra 2020/10/0107

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Veröffentlicht am 10.12.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
82/04 Apotheken Arzneimittel

Norm

ApG 1907 §10 Abs2 Z3
ApG 1907 §10 Abs6a idF 2016/I/103
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revision der E L in W, vertreten durch die Rohregger Rechtsanwalts GmbH & Co KG in 1010 Wien, Rotenturmstraße 17/15, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 6. Mai 2020, Zl. VGW-101/078/557/2018-87, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Parteien: 1. P L in W, 2. M S, vertreten durch die Biedermann & Belihart Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Stubenring 14, 3. S-Apotheke P L KG, 4. R-Apotheke L L KG, beide vertreten durch Prof. Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Nussdorferstraße 10-12, 5. P S, vertreten durch Dr. Thomas G. Eustacchio, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26, 6. M Apotheke KG sowie 7. M-Apotheke OHG, beide vertreten durch Dr. Lorenz Edgar Riegler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 124/15), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 6. Mai 2020 wurde - im Beschwerdeverfahren - unter anderem der Antrag der Revisionswerberin auf Erteilung einer Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke an einer näher genannten Betriebsstätte in W abgewiesen (Spruchpunkt I.1.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt V.).

2        Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

4        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5        Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe. Eine wesentliche Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn die Beurteilung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Lösung dieser Rechtsfrage „abhängt“. Dies ist dann der Fall, wenn das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2019/10/0180-0182, 0187; 25.3.2020, Ra 2020/10/0015; 27.2.2020, Ra 2019/10/0121).

6        In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zunächst das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, „ob bei Neuerrichtung eines Krankenhauses“ wie jenem im Revisionsfall „§ 10 Abs. 6a ApG anzuwenden“ sei, weil dies auf Grund besonderer örtlicher Verhältnisse im Interesse einer ordnungsmäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung unter Berücksichtigung des Versorgungsangebots durch bestehende Apotheken einschließlich Filialapotheken und ärztlichen Hausapotheken geboten sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe zwar „bereits über zahlreiche ähnliche Fälle“ entschieden (Verweis auf VwGH 24.10.2018, Ra 2018/10/0049; 27.9.2018, Ra 2017/10/0069; 8.8.2018, Ra 2017/10/0103), jedoch kämen diese in keiner Weise in Bezug auf die „Größenordnung und Bedeutung der Versorgungssicherheit“ dem vorliegenden Fall nahe. Es bedürfe einer feststellenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, weil keiner der Sachverhalte, die den genannten hg. Entscheidungen zugrunde gelegen seien, „als Orientierung“ diene.

7        Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in dem in der Revision genannten Erkenntnis vom 8. August 2018, Ra 2017/10/0103, eingehend mit der Bestimmung des § 10 Abs. 6a ApG auseinandergesetzt und ausgeführt hat, unter Berücksichtigung welcher Kriterien das Vorliegen maßgeblicher „besonderer örtlicher Verhältnisse“ im Sinne des § 10 Abs. 6a leg. cit. im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen ist (vgl. dazu auch VwGH 27.9.2018, Ra 2017/10/0069; 24.10.2018, Ra 2018/10/0049; 18.12.2018, Ra 2018/10/0176-0177). Ob im Revisionsfall derartige „besondere örtliche Verhältnisse“ im Sinne des § 10 Abs. 6a ApG vorliegen, stellt allerdings keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, sondern eine einzelfallbezogene Beurteilung dar.

8        In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird allerdings auch ein Abweichen von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern behauptet, als nach dieser Rechtsprechung „ausschlaggebend“ sei, dass die Betriebsstätte der neu zu errichtenden Apotheke in einem Gebiet liege, das nach der Struktur seines Bevölkerungsbestandes geeignet sei, eine besondere Bedarfssituation hinsichtlich der sicheren und qualitativ hochwertigen Versorgung zu indizieren. Dazu wird im Wesentlichen der Standpunkt eingenommen, die Nichterrichtung einer öffentlichen Apotheke im Krankenhaus Nord würde „hinsichtlich der dortigen Patienten ... zu einem Mangel in der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln führen“, dem durch die beantragte Apotheke wirksam begegnet werden könne. Es sei „einem Großteil der Patienten ... nicht zumutbar, eine Apotheke aufzusuchen, welche in einer Entfernung von zumindest 570 m“ liege.

9        Dem ist zu entgegen, dass das Verwaltungsgericht - entgegen den Zulässigkeitsausführungen - ausdrücklich davon ausgegangen ist, dass sich der Standort der neu zu errichtenden Apotheke ohne jeden Zweifel im unmittelbaren Nahebereich eines Krankenhauses mit mehreren Ambulatorien befinde und somit in einem Gebiet, das eine besondere Bedarfssituation hinsichtlich der sicheren und qualitativ hochwertigen Versorgung mit Arzneimitteln indiziere. Das angefochtene Erkenntnis stützt sich vielmehr darauf, dass die zweite für die Anwendung des § 10 Abs. 6a ApG geforderte Voraussetzung, nämlich ein aufgrund der konkret vorliegenden demographischen Besonderheiten bestehender oder unmittelbar bevorstehender Mangel in der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, dem durch die beantragte Apotheke begegnet werden könne, nicht vorliege. Es könne - so die Begründung des Verwaltungsgerichtes - nach den Sachverhaltsfeststellungen - wonach die „S-Apotheke“ 573,20 m, die „R-Apotheke“ etwa 750 m, die „Apotheke T“ etwa 700 m, die „M-Apotheke“ etwa 1090 m und die „M Apotheke“ etwa 1190 m vom Haupteingang des Krankenhauses N entfernt seien - keine Rede davon sein, dass die besondere Bedarfssituation nicht durch die bestehenden Apotheken befriedigt werden könne und zu einem Mangel in der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln führe, dem nur durch die Neuerrichtung der beantragten Apotheke begegnet werden könne.

10       Wenn das Verwaltungsgericht einen derartigen Versorgungsmangel angesichts des Umstandes, dass fünf bestehende öffentliche Apotheken weniger als 1.2 km von der beabsichtigten Betriebsstätte der neu zu errichtenden Apotheke entfernt (und drei bestehende Apotheken weniger als 760 m davon entfernt) sind, verneint hat, ist dies nicht zu beanstanden, kommt doch nach der hg. Judikatur die Anwendung des § 10 Abs. 6a ApG nicht in Betracht, wenn - unter Berücksichtigung des Versorgungsangebots durch bestehende Apotheken - eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung auch bei Nichterrichtung der beabsichtigten Apotheke gewährleistet ist (vgl. VwGH 5.11.2020, Ra 2020/10/0133, mit Verweis auf VwGH 27.9.2018, Ra 2017/10/0069). Hinzuweisen ist darauf, dass ein bloßer „Zeitersparnis- und Bequemlichkeitsvorteil“ durch Errichtung der beantragten Apotheke nicht ausreicht, um die beschriebene zweite Voraussetzung für eine Anwendung des § 10 Abs. 6a ApG (einen Versorgungsmangel im gerade umrissenen Sinn) darzutun (vgl. nochmals VwGH 5.11.2020, Ra 2020/10/0133, mit Verweis auf VwGH 24.10.2018, Ra 2018/10/0049).

11       In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird im Weiteren geltend gemacht, die Revision sei aufgrund fehlerhafter Beweiswürdigung und Aktenwidrigkeit zulässig. Die Feststellung des Verwaltungsgerichtes, wonach sich im Falle der Neuerrichtung der beantragten Apotheke das Versorgungspotential der „S-Apotheke“ um die 45 Bewohner des Hauses B Straße, was zumindest 20 ständigen Einwohnern entsprechen solle, sowie um die Beschäftigten einer „B Filiale“, welche einem ständigen Einwohner gleichzuhalten seien, verringere, beruhe auf einem aktenwidrigen Fehler der Beweiswürdigung, weil sich einem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom 20. April 2017, auf das sich das Verwaltungsgericht berufe, Derartiges nicht entnehmen lasse.

12       Mit diesem Vorbringen wird allerdings zur Gänze übergangen, dass sich das Verwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung (vgl. S. 16 f des angefochtenen Erkenntnisses) insofern ausdrücklich auf ein im Beschwerdeverfahren eingeholtes Gutachten eines vermessungstechnischen Amtssachverständigen stützt, wonach die „S-Apotheke“ die nächstgelegene Apotheke sowohl zum Haus B Straße als auch zur genannten „B Filiale“ sei, sodass die Bewohner dieses Hauses bzw. die Beschäftigten der Filiale - anders als dies dem genannten Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom 20. April 2017 zugrunde gelegt wurde - dem bisherigen Versorgungspotential der „S-Apotheke“ zuzurechnen seien. Da die Betriebsstätte der neu zu errichtenden Apotheke aber noch näher zum genannten Haus und zur genannten Filiale liege als jene der „S-Apotheke“, verringere sich das Versorgungspotential der „S-Apotheke“ um die Bewohner dieses Hauses und die Beschäftigten der Filiale.

13       Das Verwaltungsgericht folgt daher - gestützt auf Aussagen eines vermessungstechnischen Amtssachverständigen - insoweit gerade nicht dem genannten Gutachten vom 20. April 2017. Der behauptete „aktenwidrige Fehler der Beweiswürdigung“ liegt daher nicht vor. Dass im Zusammenhang mit der wiedergegebenen Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes aber eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen wäre, wird in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht geltend gemacht.

14       In der Zulässigkeitsbegründung wird schließlich vorgebracht, die Revision sei aufgrund wesentlicher Begründungsmängel zulässig, weil das Verwaltungsgericht „zumindest ausführen [hätte] müssen, worauf es seine Annahmen“ zum Wegfallen von 21 Einwohnergleichwerten (des Versorgungspotentials der „S-Apotheke“) im Falle der Neuerrichtung der beantragten Apotheke stütze. Das Verwaltungsgericht habe sich damit „begnügt“, sich auf das Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom 20. April 2017 zu berufen, obwohl sich dieses Ergebnis daraus nicht ableiten lasse.

15       Auch diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass damit die diesbezügliche Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes (vgl. S. 17 des angefochtenen Erkenntnisses) übergangen wird. Das Verwaltungsgericht hat insofern nämlich ausgeführt, dass im Haus B Straße derzeit 45 Personen gemeldet seien. Selbst wenn man davon ausgehe (was nicht anzunehmen sei), dass es sich dabei um Zweitwohnsitzbesitzer handle, würde dies aufgrund einer näher genannten - wie zu ergänzen ist: einer zuvor im Rahmen der Beweiswürdigung eingehend erörterten Studie („TU-Studie“) entnommenen - Berechnungsmethode 20 ständigen Einwohnern entsprechen. Nach den Ergebnissen dieser „TU-Studie“ sei aufgrund näherer Überlegungen zudem mit Sicherheit davon auszugehen, dass die Beschäftigten der „B Filiale“ „jedenfalls mehr als einem Einwohner“ entsprächen.

16       Es trifft daher nicht zu, dass sich das Verwaltungsgericht insofern damit „begnügt“ habe, sich auf das Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom 20. April 2017 zu berufen. Aus welchen Gründen die genannte Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes aber unzutreffend wäre, wird in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht ausgeführt. Auch in diesem Zusammenhang wird eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht geltend gemacht.

17       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020100107.L00

Im RIS seit

01.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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