TE Vwgh Beschluss 2020/12/11 Ra 2019/04/0039

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Veröffentlicht am 11.12.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2006 §318
B-VG Art130 Abs2 Z2
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa-Janovsky, über die Revision der K GmbH in K, vertreten durch Mag. Dr. Klaus Jürgen Karner, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Widmanngasse 44, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 21. Dezember 2018, Zl. VGW-123/087/14183/2018-33, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Stadt Wien - Wiener Wohnen, vertreten durch die Jarolim Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/2. OG), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Aus dem angefochtenen Erkenntnis ergibt sich folgender unstrittiger Sachverhalt:

2        Die mitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) führte ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich betreffend einen Rahmenvertrag über „Baumeisterarbeiten Hochbau“ auf Basis einer bestandfesten Ausschreibung. Das Verfahren war in 16 Lose unterteilt. Ein Bieter könne den Zuschlag nur für zwei Lose erhalten. Die Vergabe sollte nach dem Bestbieterprinzip erfolgen.

3        Die Revisionswerberin beteiligte sich an dem Vergabeverfahren durch Legung eines Angebots für sämtliche Lose.

4        Mit Schreiben vom 20. September 2018 hielt die Auftraggeberin der Revisionswerberin mit näherer Begründung vor, diese habe schwere berufliche Verfehlungen begangen, und räumte der Revisionswerberin eine Frist zur Stellungnahme ein.

5        Nach Einlangen der Stellungnahme wurde das Angebot der Revisionswerberin mit Schreiben der Auftraggeberin vom 16. Oktober 2018 hinsichtlich sämtlicher Lose ausgeschieden, wobei sie sich auf das Vorliegen der Ausscheidenstatbestände des § 129 Abs. 1 Z 1 und Z 2 BVergG 2006 stützte.

6        Mit Antrag vom 29 Oktober 2018 begehrte die Revisionswerberin - neben der nicht revisionsgegenständlichen Erlassung einer einstweiligen Verfügung - fristgerecht die Nichtigerklärung dieser Ausscheidensentscheidung sowie den Ersatz der von ihr entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von € 3.121,--. In diesem brachte die Revisionswerberin kurz zusammengefasst vor, die eingeräumte Frist zur Stellungnahme sei zu kurz bemessen gewesen. Eine ausreichende Feststellung von schweren beruflichen Verfehlungen liege nicht vor.

7        Aufgrund des im Rahmen der Einholung allgemeiner Auskünfte über das Vergabeverfahren von der Auftraggeberin ermittelten geschätzten Auftragswerts forderte das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) die Revisionswerberin zur Entrichtung einer Pauschalgebühr in der Gesamthöhe von € 18.726,-- auf. Die ausständige Differenz wurde seitens der Revisionswerberin „unter Protest“ entrichtet.

8        Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2018 beantragte die Revisionswerberin die Zurückzahlung der Pauschalgebühren im zu viel erstatteten Umfang.

9        2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Antrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ausgesprochen, dass die (dort antragstellende) Revisionswerberin die von ihr entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von € 18.726,-- selbst zu tragen habe (Spruchpunkt II.). Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig (Spruchpunkt III.).

10       2.2. Das Verwaltungsgericht ging - zusammengefasst - von folgenden Feststellungen aus:

11       Die Auftragswertschätzung sei von einem externen Sachverständigen für Bauwesen auf Basis der Preise 2017 erstellt worden und beruhe auf den Massenrückmeldungen vergangener Abrechnungsperioden.

12       Im Zuge der Angebotsprüfung habe die Auftraggeberin an die Revisionswerberin ein Schreiben gerichtet, in welchem sie mitgeteilt habe, dass der Ausschlussgrund gemäß § 68 Abs. 1 Z 5 BVergG 2006 als vorliegend angesehen werde, und folgenden Sachverhalt vorgehalten habe: Im Detail werde festgestellt, die Revisionswerberin habe sich in einem im Jahr 2014 von der Auftraggeberin geführten Vergabeverfahren gemeinsam mit anderen Unternehmen beworben. Dieses Angebot sei wegen Preisunangemessenheit ausgeschieden worden. Eine ARGE Sc. habe in diesem Vergabeverfahren den Zuschlag für mehrere Lose erhalten. Nach Erhalt des Zuschlags habe die ARGE Sc. den Antrag auf Genehmigung von zwei Subunternehmen - darunter auch die Revisionswerberin - gestellt, der von der Auftraggeberin abgewiesen worden sei, weil nicht bekannt gemacht worden sei, welche konkreten Leistungsteile an diese Subunternehmen weiter gegeben werden sollten. Zudem seien die Angebote der Subunternehmen nicht vorgelegt worden, weshalb eine Kalkulationsprüfung nicht möglich gewesen sei. Nach weiteren Angaben durch die ARGE Sc. sei der Einsatz der beiden Subunternehmen bis zu einem Ausmaß von 20-25% genehmigt worden, wobei der Auftraggeberin bekannt gegeben worden sei, dass die Revisionswerberin der ARGE Sc. auf deren Angebot einen Nachlass von 2% gewähre. Der mit der ARGE Sc. geschlossene Vertrag sei in der Folge von der Auftraggeberin vorzeitig aufgelöst worden. Im Folgenden habe die Auftraggeberin im Zuge eines gegen die ARGE Sc. geführten Zivilprozesses Einblick in Unterlagen erhalten, aus welchen wettbewerbswidrige, gegen die guten Sitten verstoßende Absprachen zum Nachteil der Auftraggeberin getroffen worden seien. Insbesondere habe die ARGE Sc. für die Angebotslegung von der Revisionswerberin und dem anderen an der Absprache beteiligten Unternehmen je € 150.000,-- erhalten. In dem Zivilverfahren sei weiter vorgebracht worden, die von der ARGE Sc. beigezogenen Subunternehmen hätten von vornherein die Leistungen zur Gänze selbst erbringen sollen und dafür der ARGE Sc. einen Nachlass von 5% bezogen auf deren Angebot gewährt, sodass diese Differenz bei der ARGE Sc. verblieben wäre. Unabhängig von der rechtlichen Qualifikation ergebe sich daraus, dass die Revisionswerberin bei der Angebotserstellung der ARGE Sc. involviert gewesen sei, und von Beginn an beabsichtigt gewesen wäre, dass die Revisionswerberin - in welcher Aufteilung mit dem anderen an der Absprache beteiligten Unternehmen auch immer - die Leistung von Beginn an erbringen sollte. Die planmäßige Vortäuschung der Angebotslegung durch die ARGE Sc. zu dem Zweck, dass zwei nicht geeignete Unternehmer letztlich den Auftrag erfüllen sollten, sei vergaberechtswidrig und verstoße gegen die guten Sitten sowie gegen die Grundsätze eines fairen Wettbewerbs. Die Eignungsprüfung der für die Leistungserbringung de facto vorgesehenen Unternehmen sei dadurch verhindert worden. Die Auftraggeberin sei zur Annahme eines Angebots veranlasst worden, dass sie ohne Täuschungshandlung so nicht angenommen hätte. Die Revisionswerberin habe sich so einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil erschlichen, indem die Erfüllung der Zuschlagskriterien durch sie nicht erforderlich gewesen wäre. Die Auftraggeberin verfüge aufgrund des zur Verfügung stehenden Schriftverkehrs über ausreichend viele Anhaltspunkte, dass nachteilige Absprachen unter Teilnahme der Revisionswerberin getroffen worden wären. Diese Vorgehensweise stehe in direktem Zusammenhang mit der beruflichen Zuverlässigkeit der Revisionswerberin. Die Vielzahl der Rechtsverstöße und die lange Dauer derselben seien bestätigt. Vor diesem Hintergrund gehe die Auftraggeberin vom Vorliegen besonders schwerwiegender beruflicher Verfehlungen und davon aus, dass die Revisionswerberin keine Maßnahmen gemäß § 73ff BVergG 2006 gesetzt habe. Die Revisionswerberin werde aufgefordert zu diesem Prüfungsergebnis Stellung zu nehmen und den Nachweis der Zuverlässigkeit zu erbringen.

13       Dieses Schreiben sei der Revisionswerberin mit einer Frist für die Stellungnahme von einer Woche übermittelt worden.

14       Die Revisionswerberin habe auf dieses Schreiben reagiert und zusammengefasst dahingehend beantwortet, dass die Beratung der ARGE Sc. bei der Angebotslegung nicht als berufliche Verfehlung aufgefasst werden könne. Die Revisionswerberin verfüge über einen „schlanken“ Mitarbeiterstab, der vor allem aus Familienmitgliedern bestehe, sodass sie günstig anbieten könne. Nachdem die Revisionswerberin eine zunächst erfolgte Ablehnung ihrer Subunternehmertätigkeit durch die Auftraggeberin akzeptiert habe, sei sie im Herbst 2015 wiederum als Subunternehmerin der ARGE Sc. der Auftraggeberin genannt worden. Die Genehmigung sei dieses Mal erteilt worden. Die Revisionswerberin habe Subunternehmerleistungen auch erbracht. In der Folge sei es zu Zahlungsverzögerungen seitens des ARGE Sc. gekommen, die die Verantwortung dafür auf Zahlungskürzungen durch die Auftraggeberin geschoben habe. Aufgrund der Zahlungsverzüge habe die Revisionswerberin die Arbeiten eingestellt. In der Folge habe der Geschäftsführer der Revisionswerberin direkt mit der Auftraggeberin verhandelt und es habe sich herausgestellt, dass die Auftraggeberin zu Unrecht Rechnungskürzungen vorgenommen habe. Es wären der Auftraggeberin keine Nachteile aus der Tätigkeit der Revisionswerberin erwachsen. Ein Fehlverhalten der ARGE Sc. gegenüber der Auftraggeberin sei der Revisionswerberin nicht zurechenbar. Insgesamt könnten der Revisionswerberin keine schweren beruflichen Verfehlungen zur Last gelegt werden.

15       In der Folge sei der Revisionswerberin die Ausscheidensentscheidung schriftlich bekannt gegeben worden. Die Auftraggeberin habe sich inhaltlich im Wesentlichen auf das bereits im Aufforderungsschreiben Mitgeteilte gestützt.

16       Fest stehe, dass das Angebot der Revisionswerberin im Vergabeverfahren 2014 wegen Preisunangemessenheit ausgeschieden worden sei. Die ARGE Sc. habe damals den Zuschlag in diversen Losen erhalten, in ihren Angeboten jedoch die Revisionswerberin nicht als Subunternehmerin bekannt gegeben. Diese sei im Laufe der Vertragsabwicklung bereits vor Vorliegen der Genehmigung durch die Auftraggeberin tätig geworden. Der Auftraggeberin sei zudem ein Angebot der Revisionswerberin an die ARGE Sc. mitgeteilt worden, wonach diese einen Preisnachlass von 2% gewähre. Tatsächlich sei mit der ARGE Sc. ein Nachlass von 5% vereinbart worden. Dieser Umstand sei der Auftraggeberin verschwiegen worden. Der Geschäftsführer der Revisionswerberin sei in der Zeit von 1. August 2014 bis 20. Jänner 2017 bei der ARGE Sc. geringfügig beschäftigt gewesen.

17       2.3. In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, die Auftraggeberin habe ausgehend von den Feststellungen eine ordnungsgemäße vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt, wobei die zur Stellungnahme gesetzte Frist für die Revisionswerberin ausreichend gewesen sei, da weder auf komplexe Gutachten noch auf umfangreiche Beilagen einzugehen gewesen wäre. Die Vorhalte der Auftraggeberin habe die Revisionswerberin nicht entkräftet: Die Auftraggeberin stütze ihre Vorwürfe auf die vorgelegte Korrespondenz, aus welcher hervorgehe, dass die Revisionswerberin Subunternehmerleistungen bereits vor der Genehmigung erbracht habe und das Angebot der Revisionswerberin, welchem der gewährte Nachlass von 2% zu entnehmen sei. Dies sei geeignet, schwere berufliche Verfehlungen der Revisionswerberin als nachgewiesen anzusehen, zumal die Revisionswerberin der ersten Tatsachen auch nicht entgegen getreten sei. Der Umstand, dass die Genehmigung der Auftraggeberin vorliegen müsse, habe der Revisionswerberin bekannt sein müssen, weil sie selbst an dem Vergabeverfahren teilgenommen habe, das in den Ausschreibungsbedingungen diese Genehmigung vorgesehen habe. Darüber hinaus habe die Revisionswerberin erst im Dezember 2015 ein Angebot an die ARGE Sc. gelegt, welches den Anschein erwecke, dass die Revisionswerberin bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Leistungen als Subunternehmerin erbracht habe. Dass es - wie von der Revisionswerberin vorgebracht - in der Praxis üblich sei, dass die Subunternehmerleistungen auch ohne Vorliegen der erforderlichen Genehmigung erbracht würden, ändere an der Vertragsverletzung nichts. Auch habe die falsche Angabe im Angebot betreffend den Nachlass von 2% anstelle der tatsächlich gewährten Nachlasshöhe von 5% dazu geführt, dass die Auftraggeberin keine Preisangemessenheitsprüfung habe durchführen können. Im Ergebnis habe die Revisionswerberin über einen maßgeblichen Zeitraum unter dem Deckmantel der tatsächlichen Zuschlagsempfängerin Leistungen erbracht, ohne dass ihre Eignung und Preisgestaltung einer Überprüfung durch die Auftraggeberin zugänglich gewesen wären. Ein derartiges Vorgehen in Umgehung sämtlicher Vorgaben des öffentlichen Auftragswesens stelle eine schwere berufliche Verfehlung im Sinne des § 68 Abs. 1 Z 5 BVergG 2006 dar, wobei der Revisionswerberin zumindest eine grobe Fahrlässigkeit zur Last liege. Dass die Revisionswerberin die Arbeiten für die ARGE Sc. eingestellt habe, sei eine bloße Reaktion auf die ausständigen Zahlungen. Darüber hinausgehende Maßnahmen im Sinne des § 73 Abs. 3 BVergG 2006 habe die Revisionswerberin nicht behauptet.

18       Angebote von Bietern, die gemäß § 68 Abs. 1 BVergG 2006 auszuschließen seien, seien zwingend auszuscheiden (§ 129 Abs. 1 Z 1 BVergG 2006), weshalb die angefochtene Auftraggeberentscheidung zu Recht erfolgt sei.

19       Zum Antrag auf Rückerstattung der Pauschalgebühren sei festzuhalten, dass der geschätzte Auftragswert von der Auftraggeberin sachverständig ermittelt und plausibel erklärt worden sei. Dem sei die Revisionswerberin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten. Der Nachprüfungsantrag habe sich auf sämtliche Lose bezogen, sodass der gesamte Auftragswert der Berechnung der Pauschalgebühren zugrunde zu legen sei. Dieser übersteige den Bezug habenden Schwellenwert gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 BVergG 2006 um das Zehnfache, weshalb gemäß § 2 Abs. 1 WVPVO der dreifache Gebührensatz gemäß § 1 WVPVO zu entrichten sei.

20       3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision.

21       4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

22       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

23       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

24       4.1.1. Insofern die Revision unter Verweis auf verschiedene Erkenntnisse vorbringt, das Verwaltungsgericht weiche mit der Beurteilung des festgestellten Sachverhalts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, ist ihr zu entgegnen, dass - im Sinne des von ihr selbst ins Treffen geführten Urteils des EuGH vom 13.12.2012, C-465/11, wonach die Feststellung einer schweren beruflichen Verfehlung eine konkrete und auf den Einzelfall bezogene Beurteilung der Verhaltensweise erfordere - das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall auf Basis der getroffenen Feststellungen und einer detaillierten Würdigung des festgestellten Sachverhalts zu der Ansicht gelangt ist, dass die Auftraggeberin zu Recht vom Vorliegen des angezogenen Ausscheidenstatbestandes ausgegangen ist.

25       4.1.2. Mit der Frage, ob die Zuverlässigkeit der Revisionswerberin vor dem Hintergrund der Feststellungen zu Recht in Zweifel gezogen wurde, könnte das Erkenntnis nur dann erfolgreich mit Revision angefochten werden, wenn in der Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) substantiiert aufgezeigt wird, dass die diesbezügliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts grob fehlerhaft erfolgt wäre und so zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis führen würde (ständige Rechtsprechung; vgl. zur Zulässigkeit einer Revision im Falle einer Beurteilung im Einzelfall etwa VwGH 6.12.2019, Ra 2017/05/0214, oder VwGH 8.8.2018, Ra 2018/04/0135). Eine Unvertretbarkeit der rechtlichen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht wird jedoch von der Revision in der Zulässigkeitsbegründung nicht dargetan.

26       4.2.1. Die Revision bringt in der Zulässigkeitsbegründung ferner vor, es sei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob ohne bescheidmäßige Festsetzung von Pauschalgebühren, die ein Rechtsschutzsuchender zu entrichten habe, mittels Erkenntnis durch das Verwaltungsgericht entschieden werden könne.

27       4.2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 1. März 2019, E 4474/2018, zu der von der Revision aufgeworfenen Frage bereits Folgendes ausgeführt:

28       „Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in der Sache erstmals rechtsförmliche Entscheidung des BVwG über Höhe oder Rückerstattung von Pauschalgebühren: Zum einen hat der Verfassungsgesetzgeber - wie sich aus Art130 Abs2 Z2 B-VG ergibt - bei der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 das bundesvergabegesetzlich geregelte System des Vergaberechtsschutzes und seine Überführung in die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz mitgedacht. Zum zweiten ist - in einem System, in dem den Verwaltungsgerichten grundsätzlich die Befugnis zur Entscheidung in der Sache selbst zukommt - die erstmalige Entscheidung über akzessorische Gebührenansprüche wie beispielsweise auch über verfahrensrechtliche Entscheidungen kein Fremdkörper. Angesichts der gerichtlichen Zuständigkeit des BVwG stellen sich dem Verfassungsgerichtshof auch keine Fragen im Hinblick auf den unionsrechtlichen Äquivalenzgrundsatz. Der dargelegten Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts als Rechtsprechungsorgan steht im Übrigen auch nicht entgegen, dass die Geschäftsstelle des Bundesverwaltungsgericht den Parteien die Höhe der zu entrichtenden Pauschalgebühr mitteilt oder formlos durch Nachforderung zur Verbesserung zu wenig entrichteter Pauschalgebühr auffordert, solange eben sichergestellt ist, dass über Antrag der Partei das BVwG mit Beschluss über die Höhe und gegebenenfalls einen Rückforderungsanspruch von Pauschalgebühren entscheidet.“

29       Es besteht aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofs kein Zweifel daran, dass dies auch für den Anwendungsbereich des Wiener Vergaberechtsschutzgesetzes 2014 gilt. Eine erstmalige Entscheidung durch das Verwaltungsgericht über die Höhe der zu entrichtenden Pauschalgebühr, von deren Entrichtung die Zulässigkeit des jeweiligen Antrages unter anderem abhängig ist, begegnet damit keine Bedenken, sofern sichergestellt ist, dass die Parteien - gegebenenfalls über Antrag - eine anfechtbare Entscheidung des Verwaltungsgerichts erlangen, mit welcher über Grund und Höhe der Pauschalgebühr abgesprochen wird. Einer weiteren Klärung dieser Rechtsfrage seitens des Verwaltungsgerichtshofs bedarf es an dieser Stelle nicht.

30       Dass den Anforderungen im Sinne dieser Rechtslage hier entsprochen wurde, ist offenkundig: Das Verwaltungsgericht hat - wie sich dem Spruchpunkt II. in Zusammenhang mit der ausdrücklich auf den Rückforderungsantrag der Revisionswerberin Bezug nehmenden Begründung im angefochtenen Erkenntnis entnehmen lässt - begründet über die Höhe der Pauschalgebühr und die Verpflichtung der Revisionswerberin zur Tragung derselben abgesprochen. Damit liegt fallbezogen ein anfechtbarer Abspruch über den Grund, Höhe und Tragungsverpflichtung im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs vor.

31       4.3 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. Dezember 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019040039.L00

Im RIS seit

01.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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