Entscheidungsdatum
05.11.2020Norm
B-VG Art130 Abs1 Z2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Ing. Mag. Andreas Ferschner als Einzelrichter über die Beschwerde des A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn, betreffend der Erlassung eines Betretungsverbotes für das Objekt in ***, ***, zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision nach Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Gang des Verfahrens:
Mit Eingabe vom 09. Juni 2020, beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit E-Mail am 23. Juni 2020 eingelangt, brachte der Beschwerdeführer eine Maßnahmenbeschwerde ein und brachte darin im Wesentlichen vor:
„B E S C H W E R D E
gem. Art 130 Abs 1 Z 2 iVm Art 132 Abs 2 B-VG
wegen Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK und Unverletzlichkeit des Hausrechts gemäß Art 9 StGG und stelle die
A N T R Ä G E ,
das Landesverwaltungsgericht möge
1. im Verfahren über diese Beschwerde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen,
2. die Wegweisung gem. § 38a SPG und das ausgesprochene Betretungsverbot für rechtswidrig erklären und mir
3. gem. § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung den Ersatz der Verfahrenskosten zusprechen.
I. Sachverhalt
Vorausgeschickt wird, dass meine Lebensgefährtin C und ich seit etwa acht Jahren in einer Beziehung waren und zwei gemeinsame Kinder haben. Meine Lebensgefährtin hatte zwei Kinder aus einer früheren Beziehung.
In unserer Beziehung gab es immer wieder Streit, insbesondere nach etwa einem Jahr, als ich bemerkte, dass meine Lebensgefährtin mit meiner Kreditkarte um etwa EUR 6.000,00 in Tschechien Kleidung, Schmuck, Drogerieartikel etc. kaufte. Natürlich gab es noch weitere Meinungsverschiedenheiten, wie sie in jeder Lebensgemeinschaft oder Ehe vorkommen.
Jedoch musste ich vor zwei Jahren feststellen, dass sich meine Lebensgefährtin stark veränderte. Sie hatte häufige Stimmungsschwankungen, welche ich auf psychische Probleme zurückführte. Diese wurden immer schlimmer, weshalb ich sie bat, psychologische Betreuung aufzusuchen.
Seit Dezember 2019 leben wir gemeinsam in *** in einem gemieteten Haus. Dort behauptete meine Lebensgefährtin in den letzten Monaten mehrmals, dass ich ihr Drogen verabreichen würde. Dies ist völlig unsinnig, zumal ich selbst mit Drogen noch nie etwas zu tun hatte und habe. Den Polizisten der Polizeiinspektion *** wurde von meiner Lebensgefährtin ein Plastikbeutel übergeben. Was dies genau ist, weiß ich nicht. Ich gehe aber aufrecht davon aus, dass es sich hierbei um keine Drogen handelt.
Am 13.5.2020 befand ich mich in der Früh im Badezimmer im Obergeschoß, wo ich meine Schlüssel und Habseligkeiten abgelegt hatte. Meine Lebensgefährtin entnahm aus meiner Hose meinen USB Dongle, welchen ich für meine Arbeit brauchte. Sie meinte, dass es sich um ein Speichermedium handelte und ich Geheimnisse vor ihr hätte. Über Aufforderung gab sie mir den Dongle nicht zurück, weshalb es zu einem kurzen Gerangel kam. Hierbei griff meine Lebensgefährtin zu einer Vase und wollte damit auf mich einschlagen. Diese fiel zu Boden und zerbrach. Ich trat unabsichtlich in eine Scherbe und verletzte mich am linken großen Zeh. Im weiteren Verlauf versuchte sie mich mit einem Metalltablett zu schlagen, was jedoch erfolglos blieb. Nachdem sie sich im WC einsperrte, gab sie mir später meinen Dongle zurück, welchen sie an meinem Schlüsselbund befestigte. Danach entschuldigte sie sich bei mir. Erst danach bemerkte ich, dass der USB Dongle abgebrochen und mit einem Feuerzeug angebrannt war. Dies zeigte ich auch meiner Stieftochter D.
Daraufhin beschuldigte mich meine Lebensgefährtin, dass ich ihr Handy entwendet habe. Ich teilte ihr mit, dass ich das Handy nicht habe. Als ich mit meinem Rucksack ins Auto stieg, wollte sie mir über die Beifahrertür den Rucksack entreißen. Nachdem ich aus dem Auto ausgestiegen war und wieder ins Haus zurückkehrte, folgte sie mir und wollte meine Kleidung am Körper nach ihrem Handy durchsuchen. Als ich wiederum ins Auto stieg folgte sie mir neuerlich und attackierte mich vom Beifahrersitz aus. Sie legte sich dabei über mich und drückte mich mit ihrem Ellbogen gegen die Kopfstütze. Die von meiner Lebensgefährtin bei der Polizeiinspektion behaupteten Verletzungen - so diese überhaupt vorlagen - können nur von ihrem Angriff stammen. Ich habe meine Lebensgefährtin zu keinem Zeitpunkt attackiert oder gar verletzt, natürlich musste ich mich schützen.
Wie bereits ausgeführt leidet meine Lebensgefährtin an psychischen Problemen. Sie behauptet nicht „nur“ über mich, dass ich sie töten wollte, sondern auch über andere Personen. Solche Wahnvorstellungen wurden ihrerseits auch gegenüber Mitarbeitern der Jugendfürsorge getätigt, weshalb meiner Lebensgefährtin in der Zwischenzeit die Kinder abgenommen wurde. Meine Lebensgefährtin wurde dann in die Psychiatrie (meines Wissens nach in die Tagesklinik in ***) eingewiesen.
Beweis: Einvernahme eines informierten Vertreters der BH Hollabrunn, Fachgebiet Sozialarbeit,***, ***;
PV;
weitere Beweise vorbehalten.
Im Zuge meiner Einvernahme bei der PI *** wurde gegen mich die Wegweisung und das Betretungsverbot ausgesprochen.
Meines Erachtens ist diese Reaktion vollkommen überzogen, zumal ich meine Lebensgefährtin zu keinem Zeitpunkt bedroht habe oder ihr Gewalt angetan habe.
II. Zulässigkeit der Beschwerde
A.
Nach herrschender Auffassung handelt es sich bei einer Wegweisung zum Schutz vor Gewalt gem. § 38a SPG um die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Die Verhängung eines Rückkehrverbotes ist, so wie die Wegweisung, ein Akt unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, somit ist gegenständliche Beschwerde nach Art 130 Abs 1 Z 3 und Art 132 Abs 2 B-VG bzw. das einzubringende Rechtsmittel zulässig.
B. Rechtzeitigkeit
Die in Beschwerde gezogene Amtshandlung fand am 13.5.2020 statt und wurde mir sogleich sinnfällig bekannt. Die vorliegende Beschwerde wird sohin binnen offener sechswöchiger Frist erhoben.
C.
Die sachliche Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich ergibt sich aus §88 SPG, wobei die Landesverwaltungsgerichte über Beschwerden von Menschen erkennen, die behaupten, durch Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG). Die örtliche Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich ergibt sich aus §3 Abs 2 Z 2 VwGVG.
III. Gründe aus denen der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig war:
A.
Nach der Rechtsprechung des VwGH sind Wegweisungen und Betretungsverbote an die Voraussetzung geknüpft, dass aufgrund bestimmter Tatsachen (Vorfälle) anzunehmen ist, ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person stehe bevor. Es kommt also maßgeblich darauf an, ob ein gegen die genannten Rechtsgüter des Gefährdeten gerichteter gefährlicher Angriff seitens des von der Maßnahme Betroffenen zu erwarten ist. Diese Erwartung muss auf „bestimmte Tatsachen“ geschlossen gründen, wobei das Gesetz als solche insbesondere einen vorangegangenen gefährlichen Angriff nennt, der seinerseits jedoch nicht gegen Leben, Gesundheit oder Freiheit der gefährdeten Person gerichtet sein muss (vgl. VwGH21.12.2000, 2000/01/0003).
Diese Tatsachen müssen (aufgrund bekannter Vorfälle) die Annahme rechtfertigen, dass plausibel und nachvollziehbar bestimmte künftige Verhaltensweisen zu erwarten sein werden. Aufgrund des sich den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes muss mit einer Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff im genannten Sinn durch den Wegzuweisenden bevorstehe. Dabei (bei dieser Prognose) ist vom Wissensstand des Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens auszugehen (VwGH 31.5.2012, 2012/01/0018).
Gemäß § 38a Abs 2 SPG ist bei einem Verbot, in die eigene Wohnung zurückzukehren, besonders darauf Bedacht zu nehmen, dass dieser Eingriff in das Privatleben die Verhältnismäßigkeit wahrt.
B. Rechtswidrigkeit der Maßnahme:
Wie bereits unter Punkt „I. Sachverhalt“ ausgeführt, kam es zu einem „gewöhnlichen“ Streit zwischen Lebenspartnern. Hierbei kam es zu keinem Zeitpunkt zu einer Gefährdung bzw. Bedrohung meiner Lebensgefährtin.
Auch das Wegstoßen, nachdem sich meine Lebensgefährtin mir in den Weg gestellt hat, entspricht keiner Handlung, die solche Maßnahmen rechtfertigen könnten.
C. Erfordernis einer mündlichen Verhandlung:
In Anbetracht der Schwere des Eingriffs in meine verfassungsmäßig geschützten Rechte (Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK und Unverletzlichkeit des Hausrechts gemäß Art 9 StGG) und des rechtswidrigen Zustandekommens der Gefährlichkeitsprognose ist eine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erforderlich.
Weiters stellen das Anordnen der Wegweisung und das Verhängen eines Betretungsverbots Eingriffe in meine „civil rights“ dar, die nur nach Durchführung eines fairen Verfahrens gemäß Art 6 EMRK zulässig sind.
IV. Beschwerdeanträge:
Es werden sohin gestellt die
A N T R Ä G E,
das zuständige Landesverwaltungsgericht wolle nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 28 Abs 6 VwGVG für rechtswidrig erklären, sowie dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde gemäß § 35 VwGVG den Ersatz meiner entstandenen Verfahrenskosten im gesetzlichen Ausmaß binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution auftragen“.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 25. September 2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und Beweis erhoben durch die Einvernahme des A (in der Folge: Beschwerdeführer), des Zeugen E (in der Folge: Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes) und der Zeugin F sowie durch Verlesung des Verwaltungsaktes und der vorgelegten Urkunden. Eine Zustellung der Ladung an die Zeugin C (in der Folge: Gefährdete) war nicht möglich und ist diese auch nicht zur Verhandlung erschienen.
2. Feststellungen:
Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens ergibt sich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer lebte mit der Gefährdeten und den drei Kindern in einem gemieteten Haus in ***, ***.
Am 13. Mai 2020 in der Früh kam es zwischen dem Beschwerdeführer und der Gefährdeten am gemeinsamen Wohnsitz zu einem Streit und Handgreiflichkeiten. Zu diesem Zeitpunkt befanden sie sich noch in einer Lebensgemeinschaft. Die Kinder waren während der Streitigkeit im Haus anwesend, allerdings waren sie in diesen Streit nicht involviert. Auslöser der gegenständlichen Auseinandersetzung waren einerseits, dass die Gefährdete aus der Hose des Beschwerdeführers einen USB Dongle entnahm und andererseits ein Streit um ein Handy. Im Verlauf dieser Streitigkeit, welche sich zunächst im Haus und in der Folge im Kraftfahrzeug des Beschwerdeführers zugetragen hat, kam es zu einem Gerangel und Handgreiflichkeiten. Nicht festgestellt werden konnten die einzelnen Geschehnisse bzw. Abläufe im Zuge dieses Streites.
Die Nachbarn meldeten diesen Vorfall über den Notruf der Polizei. Nach der Verständigung fuhr das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur bekanntgegebenen Adresse. Beim Eintreffen am Einsatzort befand sich die Gefährdete mit ihrer fünfjährigen Tochter vor dem Haus eines Nachbarn. Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt des Eintreffens des Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes bereits auf dem Weg zur Arbeit.
Die Gefährdete machte im Zuge der ersten Kontaktaufnahme auf das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen normalen, jedoch bedingt durch die Situation, aufgeregten und emotionalen Eindruck. Das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes nahm bei der Gefährdeten jedoch keine Anzeichen einer psychischen Erkrankung wahr. Im Zuge dieser Kontaktaufnahme teilte die Gefährdete dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit, dass es einen heftigen Streit gegeben habe, bei welchem sie der Beschwerdeführer attackiert, verletzt und sodann auf die Straße laufend verfolgt habe. Dabei habe er sie mit seinem Knie am Kopf geschlagen, in der Folge am Genick gepackt und zu Boden gedrückt.
In der Folge begleitete das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Gefährdete ins Haus. Dort konnten keine Spuren eines Kampfes feststellt werden, weil die ältere Tochter dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes mitteilte, dass sie den Streit gehört und Glasscherben bereits weggeräumt habe.
Da das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei der Gefährdeten Rötungen im Halsbereich wahrnahm, wurde diese noch vor der Vernehmung von der Ärztin, G (in der Folge: Ärztin), hinsichtlich dieser Verletzungen und hinsichtlich ihres psychischen Zustandes untersucht. Auf die Ärztin wirkte die Gefährdete zu diesem Zeitpunkt etwas agiert, jedoch sonst örtlich und zeitlich klar. Außerdem gab es für die Ärztin keinen Hinweis auf ein psychotisches Zustandsbild der Gefährdeten. Die Ärztin stellte bei der Gefährdeten im Zuge der Untersuchung zwei rote Flecken mit einem Durchmesser von 3 x 3 cm und Schulterschmerzen fest. Auch gegenüber der Ärztin gab die Gefährdete an, dass sie am 13. Mai 2020 vom Beschwerdeführer mit dem Knie getreten worden sei und er versucht habe, sie zu würgen. Weiters erklärte sie, dass solche Angriffe seitens des Beschwerdeführers seit acht Jahren ein- bis zweimal pro Woche erfolgen würden und der Beschwerdeführer Drogen nehme.
Im Zuge ihrer Einvernahme auf der Polizeiinspektion *** erstattete die Gefährdete eine Anzeige wegen Körperverletzung. Bei der Vernehmung gab die Gefährdete im Beisein einer Dolmetscherin gegenüber dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, dass sie im Zuge des gegenständlichen Streites vom Beschwerdeführer geschlagen, attackiert und am Körper verletzt worden sei. Dabei habe sie der Beschwerdeführer mit dem Knie getreten und versucht sie am Hals zu würgen. Wie in der Verletzungsanzeige der Ärztin festgestellt, nahm das Organ des öffentlichen Sicherheitsorganes bei der Gefährdeten rote Flecken mit einer Größe von 2,3 x 3 cm links am Hals wahr. Weiters gab die Gefährdete an, dass der Beschwerdeführer versucht habe, sie unter Drogeneinfluss zu setzen und sie zudem bereits in der Vergangenheit mit der Faust bedroht habe. Die Gefährdete befürchtete jedoch nicht, dass der Beschwerdeführer aggressiv gegenüber den Kindern werde. Bei der Vernehmung zitterte die Gefährdete mit ihren Händen und weinte. Sie war jedoch gegenüber dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes höflich und machte während ihrer Einvernahme auf das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen normalen Eindruck. Weder zum Zeitpunkt des Antreffens am Einsatzort noch bei der Einvernahme hatte das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Eindruck, dass die Gefährdete an einer psychischen Krankheit leide.
Bereits vor seiner Einvernahme wurde der Beschwerdeführer über das gewöhnliche Vorgehen und die Möglichkeit eines Betretungsverbotes informiert. Zu diesem Zeitpunkt wurde vom Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes jedoch weder ein Betretungsverbot noch eine Wegweisung ausgesprochen.
Nach telefonischer Verständigung kam der Beschwerdeführer wegen seiner Vernehmung ab 15:55 Uhr zur Polizeiinspektion. Am Beginn der Vernehmung wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass er nach Angaben der Gefährdeten, diese gewürgt und geschlagen haben soll. Dies bestritt der Beschwerdeführer und gab seine Wahrnehmungen des Vorfalles wieder. Hierbei gab er gegenüber dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, dass ihm die Gefährdete seinen USB Dongle weggenommen und in der Folge auch zerstört habe. Weiters habe sie versucht ihn mit einer Vase zu schlagen und anschließend mit einem Metalltablett zu verletzen. Schließlich habe sie ihn beschuldigt, ihr Handy entwendet zu haben und sei dem Beschwerdeführer am Weg in die Arbeit in sein Kraftfahrzeug gefolgt. Im Auto sei es zu einem Gerangel gekommen. Nach Vorlage der Verletzungsanzeige teilte der Beschwerdeführer mit, dass er die Gefährdete nicht verletzt habe, sondern sie sich diese Verletzungen im Zuge des Raufens im Auto selbst zugefügt haben könnte. Ganz im Gegenteil habe die Gefährdete mit ihrem Ellbogen den Kopf des Beschwerdeführers auf die Kopfstütze gedrückt. Den Vorwurf, dass er die Gefährdete unter Drogen gesetzt haben soll, bestritt er. Gegenüber dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer letztlich an, dass die Gefährdete an psychischen Problemen leide. Der Beschwerdeführer wirkte auf das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes kooperativ, sehr ruhig und an der Lösung der Sachlage interessiert.
Nach der Einvernahme des Beschwerdeführers sprach das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion *** dem Beschwerdeführer gegenüber ein Betretungsverbot gemäß § 38a SPG aus und nahm ihm den Hausschlüssel ab. Dieses Verbot erstreckte sich auf den räumlichen Schutzbereich betreffend die Gefährdete in ***, *** und war damit ein Annäherungsverbot mit einem Umkreis von 100 Metern verbunden. In der Folge wurde der Beschwerdeführer im Beisein eines Beamten ermöglicht seine persönlichen Sachen abzuholen.
Nach Angaben des Beschwerdeführers als auch der Gefährdeten kam es bereits in der Vergangenheit zu heftigen Auseinandersetzungen und Handgreiflichkeiten. Darüber hinaus plante der Beschwerdeführer sich von der Gefährdeten zu trennen und das Sorgerecht der Kinder zu erhalten. Zudem gab die Gefährdete gegenüber dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, dass der Beschwerdeführer sie zunehmend kontrolliere.
Für das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes bestand die Gefahr, dass es durch den Beschwerdeführer zu einem gefährlichen Angriff auf Leben, Gesundheit und die Freiheit der Gefährdeten kommen kann.
3. Der festgestellte Sachverhalt basiert auf folgender Beweiswürdigung:
Zu diesen Feststellungen gelangte das erkennende Gericht auf Grund des Verwaltungsaktes sowie des durchgeführten Beweisverfahrens, insbesondere auf Grund der Einvernahme des Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der Dokumentation gemäß § 38a SPG, der Verletzungsanzeige der Ärztin und dem Vernehmungsprotokoll der Gefährdeten vom 13. Mai 2020.
Die chronologischen Geschehnisse im Zuge des Polizeieinsatzes sowie die Angaben im Zuge der Vernehmungen ergeben sich im Wesentlichen aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes, konkret der Dokumentation gemäß § 38a SPG, welche vom Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstellt wurde sowie aus dessen mit der Dokumentation deckenden und glaubwürdigen Aussage im Zuge der mündlichen Verhandlung. Dabei konnte insbesondere nicht daran gezweifelt werden, dass das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erst nach der Vernehmung des Beschwerdeführers und der entsprechenden Einhaltung der Belehrungen ein Betretungsverbot ausgesprochen hat.
Das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes konnte im Zuge seiner Einvernahme plausibel seine Erwägungen darlegen, insbesondere den aus seiner Sicht für begründetes Aussprechen bzw. Erlassung des Betretungsverbotes relevanten Sachverhalt schildern.
Letztlich konnte das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes auch schlüssig und für das erkennende Gericht nachvollziehbar darlegen, warum unter Berücksichtigung des zum Zeitpunkt des Aussprechens des Betretungsverbotes vorliegenden Sachverhaltes bzw. Wissensstandes (Stellungnahme der Ärztin samt Feststellung von Verletzungen, Weder für die Ärztin noch das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab es erkennbare Hinweise auf eine psychische Erkrankung seitens der Gefährdeten) das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Angaben des Beschwerdeführers im Zuge seiner Einvernahme, insbesondere wonach die Gefährdete psychische Problemen habe bzw. an einer psychischen Krankheit leide, nicht gefolgt ist.
Dass das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Eindruck hatte, dass bei Nichtsetzung einer Maßnahme eine Gefährdung besteht, konnte aufgrund der Schilderungen des Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes bedenkenlos konstatiert werden. Dies war schließlich der Eindruck des Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes, das zum Zeitpunkt des Einschreitens eine Prognose erstelle und ausführlich begründete.
Die Einzelheiten des Ablaufes der Auseinandersetzung vor dem Einschreiten des Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes konnte nicht geklärt bzw. festgestellt werden und sind für die weitere rechtliche Beurteilung nicht ausschlaggebend.
4. Rechtslage
4.1. Die Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991, idgF lauten:
„§ 16
Allgemeine Gefahr; gefährlicher Angriff; Gefahrenerforschung
(…)
(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Verlangen eines Verletzten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand
1. nach dem Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, ausgenommen die Tatbestände nach den §§ 278, 278a und 278b StGB, oder
2. nach dem Verbotsgesetz, StGBl. Nr. 13/1945, oder
3. nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, oder
4. nach dem Suchtmittelgesetz (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997, ausgenommen der Erwerb oder Besitz von Suchtmitteln zum ausschließlich persönlichen Gebrauch (§§ 27 Abs. 2, 30 Abs. 2 SMG), oder
5. nach dem Anti-Doping-Bundesgesetz 2007 (ADBG 2007), BGBl. I Nr. 30, oder
6. nach dem Neue-Psychoaktive-Substanzen-Gesetz (NPSG), BGBl. I Nr. 146/2011,
handelt.
(3) Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung gesetzt wird. (…).“
„§ 38a
Betretungs- und Annäherungsverbot zum Schutz vor Gewalt
(1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einem Menschen, von dem auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen ist, dass er einen gefährlichen Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit begehen werde (Gefährder), das Betreten einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, samt einem Bereich im Umkreis von hundert Metern zu untersagen (Betretungsverbot). Mit dem Betretungsverbot verbunden ist das Verbot der Annäherung an den Gefährdeten im Umkreis von hundert Metern (Annäherungsverbot).
(2) Bei Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes
1. dem Gefährder den Verbotsbereich nach Abs. 1 zur Kenntnis zu bringen;
2. dem Gefährder alle in seiner Gewahrsame befindlichen Schlüssel zur Wohnung gemäß Abs. 1 abzunehmen und ihn zu diesem Zweck erforderlichenfalls zu durchsuchen; § 40 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß;
3. dem Gefährder Gelegenheit zu geben, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen und sich darüber zu informieren, welche Möglichkeiten er hat, unterzukommen;
4. den Gefährder über die Verpflichtung gemäß Abs. 8 und die Rechtsfolgen einer Zuwiderhandlung sowie über die Möglichkeit eines Antrags gemäß Abs. 9 zu informieren;
5. vom Gefährder die Bekanntgabe einer Abgabestelle für Zwecke der Zustellung von Schriftstücken nach dieser Bestimmung oder der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, zu verlangen; unterlässt er dies, kann die Zustellung solcher Schriftstücke so lange durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch erfolgen, bis eine Bekanntgabe erfolgt; darauf ist der Gefährder hinzuweisen;
6. den Gefährder bei Aufenthalt in einem Verbotsbereich nach Abs. 1 wegzuweisen.
(3) Betrifft das Betretungsverbot eine vom Gefährder bewohnte Wohnung, ist besonders darauf Bedacht zu nehmen, dass dieser Eingriff in das Privatleben des Gefährders die Verhältnismäßigkeit (§ 29) wahrt. Sofern keine Ausnahme gemäß Abs. 9 vorliegt, darf der Gefährder den Verbotsbereich gemäß Abs. 1 nur in Gegenwart eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufsuchen.
(4) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind verpflichtet, den Gefährdeten über die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO und geeignete Opferschutzeinrichtungen (§ 25 Abs. 3) zu informieren. Darüber hinaus sind sie verpflichtet,
1. sofern der Gefährdete minderjährig ist und es im Einzelfall erforderlich erscheint, jene Menschen, in deren Obhut er sich regelmäßig befindet, sowie
2. sofern ein Minderjähriger in der vom Betretungsverbot erfassten Wohnung wohnt, unverzüglich den örtlich zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger über die Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots zu informieren.
(5) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, den Gefährder bei Verstoß gegen das Betretungs- und Annäherungsverbot wegzuweisen. Die Einhaltung eines Betretungsverbots ist zumindest einmal während der ersten drei Tage seiner Geltung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu kontrollieren.
(6) Bei der Dokumentation der Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots ist auf die für das Einschreiten maßgeblichen Umstände sowie auf jene Bedacht zu nehmen, die für ein Verfahren nach §§ 382b und 382e EO oder für eine Abklärung der Gefährdung des Kindeswohls durch den zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger von Bedeutung sein können.
(7) Die Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots ist der Sicherheitsbehörde unverzüglich bekanntzugeben und von dieser binnen drei Tagen zu überprüfen. Stellt die Sicherheitsbehörde fest, dass das Betretungs- und Annäherungsverbot nicht hätte angeordnet werden dürfen, so hat sie unverzüglich den Gefährdeten über die beabsichtigte Aufhebung zu informieren und das Verbot gegenüber dem Gefährder aufzuheben. Die Information des Gefährdeten sowie die Aufhebung des Betretungs- und Annäherungsverbots haben nach Möglichkeit mündlich oder schriftlich durch persönliche Übergabe zu erfolgen.
(Anm.: Abs. 8 tritt mit 1.1.2021 in Kraft)
(9) Die Sicherheitsbehörde ist ermächtigt, bei Vorliegen zwingender Notwendigkeit auf begründeten Antrag des Gefährders mit Bescheid örtliche oder zeitliche Ausnahmen von dem Betretungs- und Annäherungsverbot festzulegen, sofern schutzwürdige Interessen des Gefährdeten dem nicht entgegenstehen; zu diesem Zweck ist dem Gefährdeten Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Ausnahmen für die Wohnung, die vom Betretungsverbot betroffen ist, sind nicht zulässig. Die Entscheidung der Behörde ist dem Gefährdeten unverzüglich zur Kenntnis zu bringen.
(10) Das Betretungs- und Annäherungsverbot endet zwei Wochen nach seiner Anordnung oder, wenn die Sicherheitsbehörde binnen dieser Frist vom ordentlichen Gericht über die Einbringung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO informiert wird, mit dem Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung des ordentlichen Gerichts an den Antragsgegner, längstens jedoch vier Wochen nach seiner Anordnung. Im Falle einer Zurückziehung des Antrags endet das Betretungs- und Annäherungsverbot sobald die Sicherheitsbehörde von der Zurückziehung durch Mitteilung des ordentlichen Gerichts Kenntnis erlangt, frühestens jedoch zwei Wochen nach seiner Anordnung.
(11) Die nach Abs. 2 abgenommenen Schlüssel sind mit Aufhebung oder Beendigung des Betretungsverbots zur Abholung durch den Gefährder bereit zu halten und diesem auszufolgen. Werden die Schlüssel trotz nachweislicher Information des Gefährders über die Abholungsmöglichkeit nicht binnen einer Frist von zwei Wochen abgeholt, können die Schlüssel auch einem sonstigen Verfügungsberechtigten ausgefolgt werden. Sechs Wochen nach Aufhebung oder Beendigung des Betretungsverbots gelten diese als verfallen; § 43 Abs. 2 gilt sinngemäß. Im Falle eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO sind die nach Abs. 2 abgenommenen Schlüssel beim ordentlichen Gericht zu erlegen.
(12) Die Berechnung von Fristen nach dieser Bestimmung richtet sich nach §§ 32 und 33 Abs. 1 AVG.“
4.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. Nr. 33/2013, idgF lauten:
„§ 27
Prüfungsumfang
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“
„§ 28
Erkenntnisse
(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(…)
(6) Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.
(…)“
„§ 35
Kosten im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt
(1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(…)
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
(…)
(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.“
4.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, idgF lauten:
„§ 25a
Revision
(1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(…)
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.“
4.4. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes
(B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, lautet auszugsweise:
„Art 130
(1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden
(…)
2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
(…)“
„Art 133
(…)
(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.“
5. Erwägungen:
Die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde erweist sich als unbegründet.
Die Maßnahmenbeschwerde vom 09. Juni 2020, beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eingelangt am 23. Juni 2020, richtet sich gegen eine Amtshandlung vom 13. Mai 2020 und ist sohin gemäß § 7 Abs. 4 Z 3 VwGVG rechtzeitig.
Vorauszuschicken ist, dass Gegenstand des Verfahrens das vom Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes ausgesprochene Betretungsverbot ist. Der Beschwerdeführer richtete sich mit seiner Beschwerde vom 09. Juni 2020 gegen den Ausspruch einer Wegweisung sowie eines Betretungsverbotes, wobei aufgrund der Aktenlage und nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung eine Wegweisung für das erkennende Gericht nicht ersichtlich ist.
Nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.
Im vorliegenden Fall hat das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gegenüber dem Beschwerdeführer ein Betretungsverbot ausgesprochen, somit hat ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen einen individuell bestimmten Adressaten einen Befehl erteilt – konkret an den Beschwerdeführer gerichtet – und damit unmittelbar, dh. ohne vorangegangenen Bescheid in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen (vgl. VwGH 16.06.2020, Ra 2018/01/0287).
Nach Judikatur des UVS Vorarlberg stellt sowohl die Verhängung eines Rückkehrverbotes als auch die Wegweisung einen Akt unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar (vgl. UVS Vorarlberg 02.12.1997, 3-51-03/97).
Das Betretungsverbot nach § 38a Abs. 2 SPG kann auch dann erlassen werden, wenn sich der Betroffene nicht mehr in der Wohnung des Gefährdeten bzw. in der unmittelbaren Umgebung aufhält, und folglich auch dann, wenn zuvor keine Wegweisung nach § 38a Abs. 1 SPG ausgesprochen wurde (vgl. Hauer/Keplinger, SPG 4 § 38a, S. 386).
Wegweisung und Betretungsverbot sind gleichermaßen an die Voraussetzung geknüpft, dass auf Grund bestimmter Tatsachen (Vorfälle) anzunehmen ist, ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person stehe bevor. Welche Tatsachen als solche im Sinne des § 38a SPG in Frage kommen, sagt das Gesetz nicht (ausdrücklich). Diese Tatsachen müssen (auf Grund bekannter Vorfälle) die Annahme rechtfertigen, dass plausibel und nachvollziehbar bestimmte künftige Verhaltensweisen zu erwarten sein werden. Auf Grund des sich den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff im genannten Sinn durch den Wegzuweisenden bevorstehe (vgl. VwGH 26.04.2016, Ra 2015/03/0079 mwN).
Grundlage für die Verhängung des Betretungsverbotes ist somit die begründete Annahme, es stehe mit einiger Wahrscheinlichkeit vom Adressaten des Verbotes ausgehend – im konkreten Fall des Beschwerdeführers – ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit der Gefährdeten, die in dem betreffenden Haus lebt, bevor.
Bei dieser Prognose ist vom Wissensstand des Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens auszugehen (vgl. VwGH 26.04.2016, Ra 2015/03/0079 mwN).
Eine solche Gefährdungsprognose muss sich auf „bestimmte Tatsachen“ gründen, wobei das Gesetz als solche insbesondere einen vorangegangenen gefährlichen Angriff nennt, der seinerseits jedoch nicht gegen Leben, Gesundheit oder Freiheit der gefährdeten Person gerichtet sein muss. Was außer einem gefährlichen Angriff als "bestimmte Tatsache" für die anzustellende "Gefährlichkeitsprognose" gelten kann, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. Angesichts des sicherheitspolizeilichen Maßnahmen inhärenten Präventivcharakters kann allerdings kein Zweifel bestehen, dass nach den jeweiligen Umständen etwa auch Aggressionshandlungen unter der Schwelle eines gefährlichen Angriffs oder in der Vergangenheit liegende Gewaltakte als derartige "Tatsachen" in Frage kommen können, zumal dann, wenn mehrere dieser Faktoren zusammenkommen (vgl. ausführlich VwGH 24.02.2004, 2002/01/0280 mwN). Weitere „bestimmte Tatsachen“ können die Aussagen des Opfers und das aktuelle Verhalten des Gefährdeten, frühere einschlägige Vorfälle und Amtshandlungen, Vorstrafen, Zeugenaussagen, Verletzungen und Spuren am Einsatzort oder Aggressionshandlungen unter der Schwelle eines gefährlichen Angriffes, sein (vgl. Hauer/Keplinger, SPG 4 § 38a, S. 383 mwN).
Ein Ermittlungsverfahren samt Beweisanträge würde dem Charakter eines Betretungsverbotes widersprechen, da ein solches als präventiver Schutz vor Gewalt vorgesehen ist.
Im konkreten Fall hat das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durch die Wahrnehmungen am Einsatzort sowie die separaten Vernehmungen des Beschwerdeführers und der Gefährdeten ausreichend Beweise aufgenommen und sich letztlich – ex ante betrachtet - ein Gesamtbild von der Situation verschafft, um schließlich eine Gefährdungsprognose zu treffen. Dafür hat das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Sachverhalt insbesondere anhand beider Vernommenen ermittelt.
Auf das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes hat der Beschwerdeführer zwar kooperativ, sehr ruhig und an der Klärung der Sachlage interessiert gewirkt, allerdings waren die Angaben der Gefährdeten, wonach der Beschwerdeführer sie attackiert und verletzt habe, aus ex ante Sicht – zum Zeitpunkt des Einschreitens - für das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes lebensnah und waren die Schilderungen der weinerlich und zittrig verhaltenen einvernommenen Gefährdeten in Verbindung mit den objektiv wahrnehmbaren Verletzungen im Halsbereich für das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes ernst zu nehmen.
Das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes hat die Angaben der Gefährdeten (für das erkennende Gericht nachvollziehbar) für wahr empfunden, da die Gefährdete weder zum Zeitpunkt des Einschreitens noch zum Zeitpunkt der Vernehmung Anzeichen einer Psychose zeigte. Auch die Ärztin, die mit der Untersuchung von Betroffenen bzw. Angelegenheiten der Unterbringungen sowie bei Betretungsverboten (und Wegweisungen) Erfahrung hat, stellte fest, dass die Gefährdete etwas agiert wirkte, ansonsten jedoch zeitlich sowie örtlich klar orientiert und bei der Gefährdeten kein Hinweis auf ein psychotisches Zustandsbild bestand. Diese Wahrnehmung hatte auch die Zeugin, Frau F, die die Gefährdete zum Zeitpunkt des Hausbesuches am 15. Mai 2020 zwar als „komisch“ empfand, allerdings auch zum damaligen Zeitpunkt eine psychische Krankheit seitens der Gefährdeten nicht erkannte.
Das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes hatte unter Betrachtung des Gesamtbildes, insbesondere dass die ältere Tochter zeitnah zum gegenständlichen Streitigkeit Spuren eines Kampfes weggeräumt hatte, durch die Schilderung der gegenständlichen Angriffe, der Angaben, wonach es zuletzt vermehrt zu heftigen Streitigkeiten mit Handgreiflichkeiten gekommen sei, den unmittelbar objektiv wahrnehmbaren Verletzungen im Halsbereich der Gefährdeten und den Feststellungen der Verletzungen bzw. der Stellungnahme der Ärztin (samt Angaben der Gefährdeten gegenüber der Ärztin), den Eindruck, dass es zwischen den beiden zu weiteren Auseinandersetzungen kommen kann und nicht ausgeschlossen werden kann, dass seitens des Beschwerdeführers weitere gefährliche Angriffe gesetzt werden können.
Bei dieser Gefährdungsprognose ist auch – ex ante nach dem Wissensstand des Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes zum Zeitpunkt des Einschreitens betrachtet - die Angaben des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, wonach er eine Trennung und das Obsorgerecht der Kinder wollte, aber auch die Angaben der Gefährdeten, wonach der Beschwerdeführer sie kontrolliere sowie die der Ärztin gegenüber getätigte Äußerung zu beachten, wonach solche Attacken bzw. Angriffe durch den Beschwerdeführer seit acht Jahren ein- bis zweimal pro Woche erfolgen würden.
Das einschreitende Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der zudem erfahren ist, konnte in Entsprechung der obgenannten Judikatur aufgrund seiner unmittelbaren Eindrücke am Einsatzort, dass die Tochter bereits Anzeichen eines Kampfes bzw. Angriffes (Glasscherben) entfernt hatte, der Angaben der Gefährdeten, wonach der Beschwerdeführer die Gefährdete im Zuge eines heftigen Streites attackiert und verletzt habe, der durch das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zuge der Vernehmung unmittelbar objektiv (und zum gegenständlichen Streit zeitnah gelegenen) erkennbaren Verletzungen sowie der Feststellung dieser Verletzungen durch die ebenfalls erfahrende Ärztin, in Gesamtbetrachtung ein unmittelbar konkret drohendes Gefahrenszenario nicht ausschließen, sondern waren mögliche weitere Gewaltanwendungen des Beschwerdeführers gegenüber der Gefährdeten zu erwarten und erschienen lebensnah. Im konkreten Fall war daher für das einschreitende Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgrund des ihm bietenden Gesamtbildes mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass für die Gefährdete ein solcher gefährlicher Angriff durch den Beschwerdeführer bevorsteht bzw. bevorstehen kann.
Letztlich war ein solcher gefährlicher Angriff (das Packen am Genick, der Versuchen die Gefährdete zu würgen und zu Boden drücken) für das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf für ihn glaubwürdige Weise durch sichtbare Verletzung und dem ärztlichen Attest nachvollziehbar.
Der konkrete Beurteilungszeitpunkt war der Wissensstand des Polizisten zum Zeitpunkt des Einschreitens am 13. Mai 2020, unabhängig davon, ob sich rückblickend eine andere Sachlage ergeben haben sollte, insbesondere, dass sich die Vorfälle anderes ereignet hätten als sie dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durch die Gefährdete geschildert wurden.
Auch die Aussage des Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes, wonach er im konkreten Fall ein „ungutes Gefühl“ bei der Erlassung des Betretungsverbotes gehabt habe, konnte an dieser (ex ante) Gefährungsprognose nicht ändern, dass in Anbetracht des Gesamtbildes und genannten Erwägungen - selbst bei einem schwierig zu beurteilenden Fall - nicht ausgeschlossen werden konnte, dass weitere gefährliche Angriffe seitens des Beschwerdeführers möglich sind.
Im Ergebnis ist die Erlassung des Betretungsverbotes gemäß § 38a SPG am 13. Mai 2020 nicht mit Rechtswidrigkeit belastet. Es war daher der Beschwerde daher keine Folge zu geben.
Gemäß § 35 VwGVG hat die obsiegende Partei im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Anspruch auf den Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerde abgewiesen, weshalb die belangte Behörde die obsiegende Partei und der Beschwerdeführer die unterliegende Partei war. Der Aufwandersatz ist nur auf Antrag der belangten Behörde für den anspruchsberechtigten Rechtsträger zu leisten. Eine amtswegige Zuerkennung ist daher ausgeschlossen. Wird der Antrag nicht fristgerecht eingebracht, führt dies zum Verlust des Ersatzanspruches (vgl. Ennöckl in Raschauer/Wessely (Hrsg), VwGVG § 35 (Stand 31.3.2018, rdb.at, RZ 11 mwN). Ein solcher Antrag wurde durch die Vertreterin der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn nicht (fristgerecht) gestellt, weshalb kein Aufwandersatz zugesprochen wurde.
Der Beschwerdeführer hat die Eingabegebühr von € 30,00 noch nicht entrichtetet.
6. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Maßnahmenbeschwerde; Betretungsverbot; Wegweisung; Rückkehrverbot; Gefährlichkeitsprognose;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.M.19.001.2020Zuletzt aktualisiert am
05.01.2021