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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BAO §20;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des Ing. K in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. September 1995, Zl. GA 7 - 1053/2/95, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 14. März 1994 beantragte der Beschwerdeführer die Nachsicht seiner Einkommensteuerschuld für das Jahr 1992 in Höhe von S 452.900. Er begründete dies damit, daß die jahrzehntelang große wirtschaftliche Erfolge erzielende N. & G. GmbH unerwarteter- und unverschuldeterweise in ein Insolvenzverfahren geraten sei, wobei der Beschwerdeführer als Geschäftsführer dieser Gesellschaft zum Zwecke ihrer Fortführung die für seine Steuerzahlung reservierten liquiden Mittel kurz vor der Insolvenzeröffnung in die Gesellschaft "gesteckt habe". Im Jahre 1993 habe er noch Honorare von Seiten des Masseverwalters bezogen, 1994 jedoch nur mehr ein Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit von etwa S 10.000,-- netto monatlich erzielt. Seine Einkommensteuerschuld 1991 habe er mittels eines Darlehens seiner Schwester, dessen Rückzahlung völlig ungewiß sei, abgedeckt. Für 1992 bestehe diese Möglichkeit nicht mehr.
In Beantwortung eines Ergänzungsersuchens vom 6. Mai 1994 präzisierte der Beschwerdeführer seine wirtschaftliche Lage im Schriftsatz vom 19. Mai 1994 dahingehend, daß er neben den für seine Einkommensteuer 1993 reservierten Beträgen Schulden in Höhe von S 160.000,-- habe, über ein Einkommen von monatlich netto S 11.240,90 verfüge und gegenüber seiner früheren Ehegattin Alimentationsverpflichtungen in Höhe von monatlich S 11.000,-- zu leisten habe (womit sein monatliches Nettoeinkommen aufgehe). Weiters seien Versicherungsbeiträge für Kranken- und Unfallversicherung von monatlich rund S 2.900,-- zu bezahlen. Letztgenannte Ausgabe sowie sein gesamter Lebensunterhalt würden von seiner nunmehrigen Ehegattin bestritten.
Mit Bescheid vom 6. Juli 1994 wies das Finanzamt den Antrag mit der Begründung ab, daß aus Zweckmäßigkeitserwägungen eine Nachsicht nicht gewährt werden könne. Der Beschwerdeführer habe es verabsäumt, durch entsprechende Anpassung der Vorauszahlungen für die Nachforderung der Einkommensteuer 1992 Vorsorge zu treffen. Der Beschwerdeführer habe nicht einmal versucht, seinen steuerlichen Verpflichtungen nachzukommen, sondern habe sich seinen Abgabenverpflichtungen entzogen.
Im darauffolgenden Berufungsverfahren gab der Beschwerdeführer im Rahmen einer Vorhaltsbeantwortung vom 7. Juni 1995 zu seinen Einkommensverhältnissen an, diese hätten sich seit seinem Schreiben vom 19. Mai 1994 nicht wesentlich geändert bzw. weiterhin verschlechtert. Die angesparten rund S 200.000,-- habe er im Mai 1995 für die Steuerzahlung 1993 verwendet. Seiner Schwester sei er nach wie vor S 160.000,-- schuldig und die Alimentationsverpflichtungen für seine "Ex-Gattin" bestünden fort. Er sei nunmehr seit 11. Juli 1994 bei Dr. L. mit einem Bruttobetrag von S 20.700,-- monatlich beschäftigt. Da seine Versicherungsbeiträge weiterhin rund S 2.900,-- monatlich betrügen und seiner "Ex-Gattin S 11.000,-- per Monat zustehen", verbleibe dem Beschwerdeführer von seinem unselbständigen Monatsbezug "praktisch nichts". Sein Lebensunterhalt werde daher weiterhin von seiner in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Ehegattin bestritten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, nach § 236 Abs. 1 BAO sei im Falle eines Ansuchens um Nachsicht zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliege, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" entspreche. Sei diese Frage zu verneinen, dann sei für eine Ermessensentscheidung kein Raum und der entsprechende Antrag abzuweisen. Dem Vorbringen in der Vorhaltsbeantwortung vom 7. Juni 1995 folgend, könne es selbst bei einer zwangsweisen Einbringung (Gehaltspfändung) zu keinerlei Auswirkungen auf die Einkommens- und Vermögenslage des Beschwerdeführers kommen, zumal der Beschwerdeführer in dieser Vorhaltsbeantwortung dargelegt habe, daß ihm von seinem unselbständigen Bezug (derzeit) praktisch nichts verbleibe und eine etwaige zwangsweise Einbringung lediglich die Höhe der Unterhaltszahlungen beeinflussen würde. Wegen fehlender Voraussetzungen könne daher keine Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO erblickt werden.
In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt; der Beschwerdeführer hat zur Gegenschrift eine Replik erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabeschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die (persönliche oder sachliche) Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde - wie im vorliegenden Beschwerdefall - die Unbilligkeit der Abgabeneingebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum. Im Nachsichtsverfahren liegt das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast beim Nachsichtswerber.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid das Vorliegen persönlicher Unbilligkeit nicht als gegeben erachtet (daß in der Abgabeneinhebung eine sachliche Unbilligkeit gelegen sein könnte, wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet). Persönliche Unbilligkeit liegt nur vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten (so insbesondere einer Vermögensverschleuderung) verbunden wäre (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Mai 1995, 95/13/0010, und vom 20. Februar 1997, 95/15/0130). Die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit liegt in der Existenzgefährdung. Diese müßte gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend ("auch") mitverursacht sein (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 1995, 95/15/0053, m.w.N., und vom 30. August 1995, 94/16/0125).
Der belangten Behörde kann vor dem Hintergrund dieser Judikatur nicht entgegengetreten werden, wenn sie entsprechend den Angaben des Beschwerdeführers über seine persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse das Vorliegen persönlicher Unbilligkeit verneinte. Verblieb dem Beschwerdeführer von seinem Einkommen schon bisher "praktisch nichts", kann die Einhebung der Abgaben auch grundsätzlich keine (weitere) Existenzgefährdung verursachen. Die Notwendigkeit der Befriedigung der Ansprüche mehrerer Gläubiger (so nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers insbesondere des Unterhaltsanspruches seiner geschiedenen Ehegattin) bedeutet für sich noch keine Unbilligkeit im Sinn des § 236 Abs. 1 BAO. Zur monatlichen Unterhaltsleistung an seine geschiedene Gattin (in Höhe von mehr als 50 % seines Bruttobezuges) hat der Beschwerdeführer im übrigen nicht einmal behauptet, daß diese Zahlungen seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprächen bzw. hier eine Anpassung an seine geänderten Einkommens- und Vermögensverhältnisse stattgefunden hätte (vgl. dazu z.B. Schwind in Klang, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. I/I2, 868, sowie Schwimann/Zankl, ABGB I, § 66 EheG Rz 30 ff).
Konnte die belangte Behörde somit zu Recht von einer fehlenden Unbilligkeit der Abgabeneinhebung gemäß § 236 Abs. 1 BAO ausgehen, können allenfalls für die Frage einer Ermessensentscheidung relevante Umstände (so die neuerlich in der Beschwerde betonte Rettung der N. & G. GmbH in einen Zwangsausgleich) dahingestellt bleiben.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995130243.X00Im RIS seit
20.11.2000