Entscheidungsdatum
09.11.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W166 2229883-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 12.03.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin ist seit 06.11.2008 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 80 v.H. und stellte am 16.09.2019 beim Sozialministeriumservice (in weiterer Folge: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises, welcher die Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass mitumfasst, wenn der Antragsteller noch nicht im Besitz eines Passes mit dieser Zusatzeintragung ist. Die Beschwerdeführerin legte ein Konvolut an medizinischen Unterlagen vor.
Die belangte Behörde holte ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten ein, welches am 11.02.2020, nach einer persönlichen Begutachtung der Beschwerdeführerin, erstellt wurde. Der Arzt für Allgemeinmedizin hielt darin wie folgt fest:
„Anamnese
Es liegt ein Gutachten von 2008 mit 80 % vor (Wirbelsäulenbeschwerden 20, Stuhl – und Harnentleerungsstörungen 80, Migräne mit Aura 20, Schulter Operation rechts 10)
Blasenentleerungsstörung nach Blasenplastik wegen Zystozele 2006, St.p. 2x Rectopexie beim Rectumprolaps 90 und 2008 Aura ohne Migräne ,Chron. LWS-Syndrom bei Spondylolisthese bei Spondylolyse L5 bds., Z.n. ASK bei Meniskus-Ruptur rechts 12/13
Keuchhusten, Röteln, Masern, Windpocken Blinddarm Mandeln, Polypen, Radiusfraktur links Geschwür Knie rechts, 4. und 5. Finger rechts Fraktur, Autounfall mit Gehirnerschütterung,
Bänderriß mit Gips, Nasenbeinfraktur, Gehirnerschütterung, obstruktive Uropathie,
Ringbandspaltung links, Rizarthrose Stadium III, Arthroplastik des Daumensattelgelenk links,
AL: Blase, Rektumprolaps, Aura ohne Migräne, chron. Schmerzsyndrom, Hyperuricämie, Pyelonephritis
Derzeitige Beschwerden:
Ich habe eine angeborene Bindegewebesschwäche und es wurde bei mir in der Vergangenheit zweimal eine Mastdarm Senkungsoperation durchgeführt, und auch eine Blasensenkungsoperation. Seit dieser Zeit habe ich häufig Durchfälle und ich spüre den Harndrang nicht mehr und ich muß mich mehrmals täglich katheterisieren. In Folge dessen hatte ich in der Vergangenheit auch immer wieder Harnwegsinfektionen. Durch Narbenbildungen habe ich auch Schmerzempfindungen ihm Genitalbereich. Gegen bekomme ich immer wieder Infiltrationen. Mein Hauptproblem ist ein hygienisches. Ich habe zwar einen Schlüssel für die Behinderten Toiletten, bevorzuge es aber aus hygienischen Gründen eher in der Natur mein Geschäft zu erledigen.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
EuthyroxTbl 100mcg 100ST Blopress Tbl 16mg 28ST 1-0-0-0 Gabapentin 1-0-0, Lamictal 100 1-0-0
Sozialanamnese:
Pensionistin, verheiratet und hat eine erwachsene Tochter
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
2015-05 Urolog., Befund, LK XXXX : Dg.: Harnwegsinfekt Blasenentleerungsstörung Hypokontraktilität Arterielle Hypertonie Transabdominelle Rectopexie bei Rektumprolaps 1990 und 2008 vordere Kolphorrtomie 2006, Th konservativ
2019-09 Farbduplexonographie der Hirnversorgenden Arterien:
Unauffälliger Befund der hirnversorgenden Arterien. (KGR)
2019-10 Migraine sans migraine, Patientenbrief, FA für Neurologie, Dr. XXXX : Zusammenfassung bzw. Procedere:
Lamotrigin wieder neu etablieren.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut
Ernährungszustand: gut
Klinischer Status – Fachstatus:
Caput/Collum: keine Lippenzyanose, keine Halsvenenstauung
Sensorium: Umgangssprache wird anstandslos verstanden
Haut und Schleimhäute: unauffällig
Hals: unauffällig, keine Einflußstauung
Thorax: symmetrisch, mäßig elastisch
Lunge: sonorer Klopfschall, Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe beim Gang im Zimmer
Herz: reine Herzgeräusche, rhythmisch, normfrequent
Abdomen: im Thoraxniveau, rektal nicht untersucht
Neurologisch: grob neurologisch unauffällig, Sensibilität wird unauffällig angegeben,
Stütz- und Bewegungsapparat:
HWS: nicht klopfdolent, Seitneigung seitengleich uneingeschränkt durchführbar. KJA: 1 cm
BWS: altersentsprechend frei beweglich LWS: Endlagige Bewegungseinschränkungen, FBA 210 cm,
OE: die Gelenke d. OE sind in allen Ebenen altersentsprechend frei beweglich. Faustschluss bds. vollständig, Kreuz-/Nackengriff bds. durchführbar.
UE: die Gelenke der UE sind in allen Ebenen altersentsprechend frei beweglich.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Ungestörtes Gangbild, kommt in normalen Straßenschuhen gehend, in altersentsprechend normalem Tempo, ohne Gehhilfen, zur Untersuchung und ist in den Bewegungsabläufen nicht maßgeblich behindert.
Status Psychicus:
Zeitlich, örtlich und zur Person orientiert. Wirkt in der Kommunikation unauffällig, die Stimmungslage ist ausgeglichen. Aufmerksamkeit und Konzentration scheinen nicht beeinträchtigt. Merkfähigkeit scheint unauffällig.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1
Entleerungsstörung der Blase und des Darms
2
Degenerative Gelenksabnützung bei Zustand nach Schulteroperation rechts
3
Migräne
4
Wirbelsäulenbeschwerden
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
keine signifikanten funktionellen Veränderungen objektivierbar.
Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es liegt ein Zustand nach Mastdarm- bzw Blasensenkungsoperation vor, bei jedoch unauffälligem Allgemeinzustand, ohne relevant verminderte, selbstständige Gehfähigkeit. Kurze Gehstrecken sind aus eigener Kraft ohne Hilfsmittel und ohne Unterbrechung möglich, sowie das Ein- und Aussteigen und der sichere Transport ist ohne erhebliche Erschwernis zu bewältigen. Es besteht, bei Blasenentleerungsstörung, die Erfordernis der Selbstkatheterisierung. Diese medizinisch notwendige Maßnahme stellt zweifellos eine Beeinträchtigung des Alltagslebens dar, welche jedoch den Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln ebenfalls nicht erheblich erschwert. Darüberhinaus ist eine höhergradige, anhaltende Stuhlinkontinenz, welche eine erhebliche Erschwernis der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel darstellen würde, durch diesbezügliche, aktuelle Befundberichte nicht belegt.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel – Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein.“
Da die Beschwerdeführerin sich in dem zum eingeholten Gutachten gewährten Parteiengehör in ihrem Schreiben vom 26.02.2020 mit dem Ergebnis nicht einverstanden erklärte und Einwendungen erhob, wurde seitens der belangten Behörde eine ergänzende ärztliche Stellungnahme des bereits befassten Allgemeinmediziners vom 11.03.2020 eingeholt, in welcher Nachfolgendes ausgeführt wurde:
„Gegen das Gutachten werden Einwendungen vorgebracht.
Die Beschwerdeführerin schildert in anschaulicher Weise ihre täglichen Probleme mit der Selbstkatheterisierung.
Die bereits bekannten Befunde werden nochmals vorgelegt.
Die von der Beschwerdeführerin beschriebene Problematik der Selbstkatheterisierung ist, wie bereits erwähnt, zweifellos eine Beeinträchtigung der Lebensqualität, stellt aber keine massive Einschränkung der Mobilität bzw keine erhebliche Erschwernis der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel dar.
Darüber hinaus ist eine höhergradige anhaltende Harninkontinenz, welche eine erheblich Erschwernis der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel darstellen würde, durch diesbezügliche Befundberichte nicht belegt.
Unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes, sowie auch mangels diesbezüglicher änderungswirksamer Befundberichte, ergeben sich daher keine neuen Erkenntnisse hinsichtlich noch nicht adäquat berücksichtigter, behinderungswirksamer Funktionseinschränkungen und daher auch insbesondere in Hinblick auf die beantragte Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, keine Änderung des Gutachtens.“
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 12.03.2020 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass mit der Begründung, das ärztliche Begutachtungsverfahren habe ergeben, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorlägen, ab. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Zusammen mit dem Bescheid wurden die beiden Sachverständigenbeweise der Beschwerdeführerin übermittelt.
Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben und vorgebracht, dass sie in einem Zug keinen Katheter setzen könne. Die Gefahr bestehe auch darin, dass sie sich einen Infekt einfange, wenn sie sich unterwegs einen Katheter setzen müsse.
Neue Befunde legte die Beschwerdeführerin nicht vor.
Der Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 24.03.2020 vorgelegt.
Zur Überprüfung holte das Bundesverwaltungsgericht mit Auftrag vom 04.06.2020 ein Gutachten eines Facharztes für Urologie basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin ein und erstattete der Facharzt sein Gutachten vom 23.08.2020 mit folgendem Inhalt:
„Im Rahmen des oben angeführten Verfahrens sind laut Vorschreibung folgende Fragen zu erörtern:
1. Liegen Harnbefunde vor, welche das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der notwendigen Selbstkatheterisierung stützen?
2. Welche Produkte gibt die Beschwerdeführerin an, mit welchen sie ihre Entleerungsstörung versorgt (Herstellername, Marke, Spezifikation und wieviele hievon innerhalb von 24 Stunden; bitte diese Angaben zur Einlagenversorgung in der Anamnese notieren).
3. In welchem zeitlichen Abstand ist aufgrund der vorgelegten Befunde bzw. den Untersuchungsergebnissen erfahrungsgemäß eine Katheterisierung vorzunehmen?
Wie hoch ist die Blasenkapazität und bedingt diese eine Selbstkatheterisierung?
4. Ist der Katheterwechsel planbar? Sind die Abstände planbar, etwa durch Reduzierung der Trinkmenge? Oder indem diese vor Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels durchgeführt wird?
5. Gibt es bzgl. der Anzahl der täglich vorzunehmenden Selbstkatheterisierungen allgemeine Erfahrungs- bzw. Vergleichswerte?
6. Wie hoch ist das Infektionsrisiko einzuschätzen, wenn eine Selbstkatherisierung auf einer öffentlichen Toilette, wie etwa in einem Zug stattfinden muss?
7. Besteht beim Katheterisieren zum Beispiel im Zug aufgrund des Ruckelns die Gefahr einer Selbstverletzung? Wie hoch ist diese Gefahr einzuschätzen?
8. Inwiefern ist das Vorbringen der BF in ihrem Schreiben vom 26.02.2020 nachvollziehbar, wonach sie erst bei voller Blase den Drang zu urinieren verspüre und dann maximal 5 Minuten Zeit habe, um einen Katheter einzuführen?
9. Es wird um Einschätzung ersucht, welcher Rückstau erforderlich ist, um tatsächlich zu Schäden im Sinne einer Erweiterung des Harnleiters und des Nierenbeckens zu führen (Häufigkeit, Dauer, Intensität einer nicht unverzüglich vorgenommenen Katheterisierung).
10. Wird unkontrolliert Harn verloren, wenn die BF nicht sofort ein WC aufsuchen kann, um sich einen Katheter zu setzen? Es wird ersucht, mitzuteilen, ob bei Überlaufen der Blase der Harnverlust mittels handelsüblichen Produkten aufgefangen werden kann, dies hinsichtlich Menge und Geruchsbelästigung.
11. Besteht bei der BF die Möglichkeit eines dauerhaften Katheters mit planbarem Wechsel?
12. Die BF gab bei der persönlichen Untersuchung am 11.02.2020 an, häufig an Durchfällen zu leiden. Sind in den im Akt einliegenden Beweismitteln unwillkürliche Stuhlabgänge dokumentiert, welche das Alltagsleben der Beschwerdeführerin beeinträchtigen? Liegt bei der Beschwerdeführerin Stuhlinkontinenz vor?
13. Es wird ersucht, auszuführen, in welchem Ausmaß sich die Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken.
14. Es möge auch erhoben werden, ob/wie oft die Beschwerdeführerin Schmerzmittel einnimmt und gegen welches ihrer Leiden diese Analgetika Linderung verschaffen sollen.
Untersuchungsort und Untersuchungszeit:
Persönliche Untersuchung in der Ordination XXXX am 29. Juni 2020 von 12 Uhr 05 bis 13 Uhr
fachspezifische Anamnese (nach Befunden und persönlicher Angabe):
1989 Geburtsversuch bei zu engem Becken, protrahierter Geburtsverlauf, schlussendlich Sectio, im Anschluss Mastdarmvorfall 12 cm,
09/1990 Diagnose einer ausgeprägten Beckenbodenschwäche, mäßiger Descensus uteri, ausgeprägter Descensus der Blase mit Quetschhahnphänomen und Ausflussobstruktion, zur Entleerung muss die Patientin intermittierend katheterisieren
1990 Transrektopexie transabdominal,
2006 vordere Kolpotomie mit Einlage eines Perigee-Meshes, ausgeprägte Zystozele bei Z. n. Rektumprolaps und Z. n. Rektopexie,
10/2008 transabdominelle Re-Rektopexie (anamnestisch
Wundheilungsstörung und Revisions-OP notwendig)
Derzeitige Beschwerden:
Seit 2005 werde ein intermittierender Einmalkatheterismus selbstständig durchgeführt. Frequenz : 7-12 x pro 24 Stunde;,
Häufiger müsse sie sich katheterisieren, wenn sie einen Infekt habe. Das trete alle 1 - 2 Monate auf. Wenn sie es merke, nehme sie als Antibiotikum Furadantin oder Cotribene. Nur, wenn es darunter schlechter werde, lasse sie eine Harnkultur machen und die antibiotische Behandlung erfolge dann ergebnisspezifisch. Sie gibt an, dass sie die Blase nicht spüre, nur wenn die Blase sehr voll ist, müsse sie sich dann unmittelbar einen Katheter setzen. Dies sei dann aber auch schwieriger, weil sie das Gefühl habe, der Blasenschließmuskel mache zu. Die Katheterisierungsintervalle betrügen 2 - 4 Stunden. Verwendet werden sterile hydrophile Einmalkatheter (Coloplast Speedicath Compact CH 12), unterwegs verwende sie Ocentisept antiseptische Lösung und sterile Tupfer (wird in der Ordination mitgeführt). Die Katheterisierungsposition sei zu Hause im Sitzen, unterwegs jedoch erfolgt das Katheterisieren im Stehen, auch im Liegen könne sie sich katheterisieren. Auch Nächtens katheterisiere sie selbst, das erstes Mal zwischen 10 Uhr und 11 Uhr (sie gehe um 8 Uhr schlafen) und dann zwischen 1 Uhr und 3 Uhr, da ginge es aber gut, da sei sie sehr entspannt Manchmal übersehe sie auch zu Hause das Katheterisieren, was etwa alle 1- 2 Monate vorkomme, dann nehme sie Novlagin und Buscopan, da sie dann krampfartige Schmerzen habe.
Sie habe einen Eurokey, den hat sie aber heute in der Ordination nicht mit. Sie gibt an, ihn im Auto zu haben. Sie berichtet auch, dass sie seit 10 Jahren keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutze, weil beim Ruckeln das Katheterisieren erschwert sei. Außerdem seien die Toiletten in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu dreckig. Wenn die Blase sehr voll sei und sie nicht gleich katheterisiere, bekomme sie Schmerzen. Wenn sie dann auch noch einen Infekt habe, spüre sie das gleich in den Nieren. Deswegen sei sie schon öfter auch im Krankenhaus in stationärer Behandlung gewesen, zuletzt meint sie vor 1 oder 2 Jahren (laut Akt letzter vorliegender Befund aus dem Jahr 2015 — 30.04.2015 LK XXXX Harnwegsinfekt konservative Therapie). Auf Nachfrage gibt sie an, nie Harn zu verlieren.
Die Trinkmenge wird mit etwa 1 1/2 bis 2 Liter pro Tag angegeben. Die katheterisierten Harnmengen werden nicht mehr gemessen. Zuletzt habe sie das nach der OP in XXXX (2006) getan, damals seien die abkatherisierten Volumina um die 350 ml gelegen.
Einlagen verwende sie nur, wenn sie Durchfall habe. Dann benutze sie normale Damenbinden, wie sie auch bei der Regel verwendet werden. Heute habe sie keine mit, derzeit habe sie Verstopfung. Sie berichtet, dass sie alle 3 Tage Verstopfung habe, dann wieder 3 Tage Durchfälle. Angesprochen auf die Durchfälle führt sie an, dass diese auch abhängig davon seien, was sie esse. In fremde Wirtshäuser könne sie gar nicht gehen. Im Falle des Auftretens seien die Stühle wässrig und die Defäkationsintervalle etwa stündlich. Sie schlafe dann auch schlecht. Wenn sie an Durchfällen leide, nehme sie Kochschokolade, Bananen und gesalzenes Brot zu sich. Sie gibt an, dass wenn sie Durchfall habe, sie Stuhl verliere. Wenn der Fall eintrete; verlasse sie das Haus nicht.
Laufende Medikation (entsprechend den Angaben der BF):
Dauermedikation: Lamictal, Gabapentin (nach Eigengabe bei Migräne mit Aura), Blopress, ThromboASS, Euthyrox, derzeit auch Mirtabene; Bedarfsmedikation: Furadantin, Cotribene (bei Infekt), Pantoloc (bei gastritischen Beschwerden), Effortil (bei Kreislaufbeschwerden), Alna (zur Entspannung der Blase - zuletzt im März d. J.); Laevolac alle 2 - 4
Wochen
Schmerzmedikation bei Bedarf: Novalgin (etwa alle 2 - 3 Wochen bei akuten Krämpfen), Buscopan (bei akuten aber milderen Krämpfen),
Tramabene (bei Dauerschmerzen zuletzt im März d. J. - nimmt sie bei Schmerzen, die von der Flanke -deutet auf das ISG-Gelenk- in das linke Bein ausstrahlen ein), Diclobene (bei Fieber),
Sozialanamnese:
Pensionistin (Ballonpilotin), verheiratet, 1 Tochter, Hobbys: Hund
Untersuchung:
Klinische Untersuchung:
Schleimhäute feucht, Hautturgor im Normbereich;
Bauch: im Unterbauch eine Narbe vom rechten großen vorderen Darmbeinstachel zum linken reichend, mittig eine im rechten Winkel dazu verlaufende etwa 5 cm lange auf den Schamhügel reichende Narbe. Die Narbe selbst etwas bräunlich verfärbt, jedoch sonst bland. ringförmige Narbe um den Nabel. Die Bauchdecken selbst sind weich, nicht druckschmerzhaft und weisen keine pathologische Resistenzen auf.
Äußeres Genitale: Schamhügel und Genitalregion haarlos, die äußere Harnröhrenöffnung bei leichtem Spreizen der Schamlippen gut einsehbar und inspektorisch unauffällig, im Scheideneingangsbereich inspektorisch keine Auffälligkeiten.
Urologische Ultraschalluntersuchung:
Die Nieren finden sich in orthotoper Lage und weisen eine reguläre Form und Größe auf (Längsdurchmesser beidseits 9,5 cm). Links wie rechts ist das Mittelecho geschlossen. Es zeigen sich keine detektierbaren Steine, keine Stauungszeichen oder
Raumforderungen. Das Parenchym-Pyelon-\/erhältnis ist regulär, es zeigen sich keine narbigen Einziehungen des Nierengewebes.
Im Unterbauch findet sich die Harnblase, die mit etwa 160 ml Harn gefüllt ist (anamnestisch ca 2 Stunden nach der letzten Entleerung). Die Blasenwand imponiert glattwandig und der Blasenboden trichterförmig. Es zeigt sich kein Hinweis auf Fremdinhalt. Nach der Selbstkatheterisierung ist die Blase im Ultraschall leer.
Harnuntersuchung:
Streifentest (Wörner Urocheck 10 Expert): Erythrozyten +++,
Leukozyten ++, ph 8, Spezifisches Gewicht: 1.010; Nitrit: negativ; Eiweiß: +, Glucose: negativ, Bilirubin: negativ, Urobilinogen: negativ; Keton: negativ
Sediment (400 fache Vergrößerung- Phasenkontrastmikroskopie):
reichlich Leukozyten, wenig Erythrozyten, reichlich Bakterien; Harnkultur (Uriline 3 Enterococcus): Es zeigt sich ein Keimwachstum nach 24 h Bebrütung bei 37 0 C am Cl-ED und Mac Conkey Medium. Die Keimzahl beträgt je 107 koloniebildende Einheiten.
Fragenbeantwortung:
1. Es liegen mehrere Befunde der Neuro-UroIogischen Ambulanz der Universität XXXX (von Februar 2006 bis vom Juli 2007), in denen eine chronische Blasenentleerungsstörung mit unvollständiger Blasenentleerung bei pathologischem Miktionsmuster mit massivem Einsatz der Bauchpresse beschrieben wird. Dies macht die Durchführung eines intermittierenden Einmalkatheterismus erforderlich, um unphysiologisch hohe Blasendrücke zu vermeiden, die im Regelfall sonst zu einer Schädigung des unteren Harntraktes und im Weiteren auch des oberen Harntraktes führen können. Auch nach einem neuerlichen operativen Eingriff am 26.4.2006 wurde eine fehlende spontane Blasenentleerung beschrieben (06.07.2006), sodass die Durchführung eines intermittierenden Einmalkatheterismus weiter erforderlich war.
(Anmerkung: Der vorliegende Akt weist keine durchgehende
Seitennummerierung auf, weswegen eine Benennung des Aktenblatts, auf dem sich angeführte Befund findet nicht durchgeführt werden kann.)
2. Die Katheterisierung wird mit sterilen einzelverpackten Kathetern der Firma Coloplast, Modell Speedicath compact, Stärke Ch:12 durchgeführt. Die Katheterisierungsfrequenz wird mit 7-12 Mal/24 Stunden angegeben. Außerhalb des häuslichen Settings erfolgt die Schleimhaut Desinfektion mit Octenisept antiseptischer Lösung und sterilen Einmaltupfern.
3. Aufgrund der in den Befunden angeführten Blasenkapazität zwischen 270 ml (26.04.2006) und 360 ml (8.6.2006) und den anamnetisch erhebbaren Katheterisierungsvolumina von 350 ml ist bei der angeführten Trinkmenge von 1500-2000 ml im Regelfall eine Katheterisierung alle 3-4 Stunden erforderlich. Erfahrungsgemäß ist bei Patientlnnen mit ähnlich gelagerter Erkrankung mit einer täglichen Katheterisierungsfrequenz von 6-8 Mal/24 Stunden das Auslangen zu finden. Im Falle eines symptomatischen, aber afebrilen Infekts ist mit einer Katheterisierungsfrequenz von etwa 12 Mal/24 Stunden zu rechnen, dies aber zeitlich begrenzt.
Befundmäßig wurde im Juli 2006 wurde eine Katheterisierungsfrequenz von 4-5 Mal tgl. empfohlen. Im Juni wird eine Katheterisierungsfrequenz von 6-8 x /24h angegeben.
4. Befundmäßig und anamnestisch besteht ein reduziertes bzw. fehlendes Blasengefühl, sodass die regelmäßige Selbstkatheterisierung notwendig ist. Diese ist vom Zeitpunkt her prinzipiell planbar. Die Katheterisierungabstände sind von der Blasenkapazität und der produzierten Harnmenge abhängig und Betragen im Regelfall 3 Sunden (-/+ 1 Stunde). Der Zeitpunkt des Katheterisierens ergibt sich aus dem zeitlichen Abstand zur vorangegangenen Katheterisierung und im Regelfall nicht durch das Auftreten eines Harndrangs, da das Blasengefühl fehlt und nur bei relativ langem Verabsäumen des geplanten Kathetersetzens eine mit Schmerzen einhergehende Blasenüberdehnung zu erwarten ist. Eine Reduzierung der
Trinkmenge bedingt aufgrund der resultierenden verringerten Harnmenge eine Verlängerung der Katheterisierungsabstände, dies ist aber aufgrund eventuell auftretender Begleiterscheinung, wie erhöhter Infektanfälligkeit und Steinbildung nicht über einen Zeitraum von 4 Stunden in der häufigeren Anwendung ratsam.
5. Patientlnnen mit ähnlicher Blasenkapazität und ebenfalls herabgesetztem bzw. fehlendem Blasengefühl führen im Regelfall einen intermittierenden Selbstkatheterismus mit einer Häufigkeit von etwa 5-7 x/24 H durch.
6. Bei Beachtung der allgemeinen Regeln zum sauberen Selbstkatheterismus ist nicht mit einer erhöhten Infektionsrate bei der Benutzung einer öffentlichen Toilette zu rechnen.
7. Beim verwendeten Kathetermaterial ist auch bei durch Bewegung induzierter Fehlkatheterisierung nicht mit Verletzung der Harnröhre oder anderer Organe zu rechnen. Allerdings ist die Katheterisierung bei starkem Ruckeln erschwert. Die vollständige Entleerung der Harnblase mittels Katheter ist jedoch im Regelfall im Rahmen der Dauer eines Zughaltes, wie üblicherweise und vor allem bei längeren Strecken in den anzufahrenden Stationen durchgeführt wird, bewerkstelligbar.
8. Dass die Beschwerdeführerin erst bei sehr voller Blase einen Harndrang verspürt und dann das sofortige dringende Bedürfnis hat, sich zu katheterisieren ist nachzuvollziehen. Es ist jedoch Ziel der Therapie des intermittierenden Einmalkatheterismus, dass es nicht zu einer Überfüllung der Harnblase kommt und die/der Patientln die Blase selbst in regelmäßigen Abständen entleert und nicht auf einen Harndrang oder Schmerzen wartet. Die beschriebenen Beschwerden resultieren aus einem Verabsäumen der rechtzeitigen Entleerung und sind im Regelfall durch Beachtung des Katheterisierungsintervalls vermeidbar, können aber trotzdem auftreten.
9. In der videourodynamischen Untersuchung vom 08.06.2006 wird ein flüchtiger Reflux ersten bis zweiten Grades in den rechten oberen Harntrakt beim Miktionsversuch beschrieben. Das heißt nur bei Versuch des Urinierens mittels Bauchpresse kam es zu einem Zurücklaufen des Harns in den rechten Harnleiter und das Hohlraumsystem der Niere ohne dies aufzustauen. Bei Überfüllung der Blase aufgrund von fehlender Katheterisierung ist im Regelfall eher mit einem Harnverlust über die Harnröhre als mit einem Zurückstauen in die Nieren zu rechnen, da die physiologischen Verschlussdrücke der Harnleitermündung wesentlich höher sind als der Verschlussdruck der Harnröhre bzw. des Blasenschließmuskels.
Dies gilt im Besonderen für Frauen.
Im konkreten Fall ist bei Verabsäumen des Katheterisierens ohne Versuch der Spontanharnentleerung nicht mit einem Rückstau in die Nieren zu rechnen. Erst bei einer fehlenden Katheterisierung über mehrere Stunden (>8-12h) besteht bei gleichzeitig vorliegendem Infekt die Gefahr einer in die Nieren aufsteigenden Infektion.
10. Ein unkontrollierter Harnverlust wird von der Beschwerdeführerin, auch bei verzögerter Katheterisierung negiert und ist auch befundmäßig nicht dokumentiert. Ein Überlaufen der Harnblase würde im Regelfall erst mehrere Stunden nach der letzten durchgeführten Katheterisierung auftreten und wäre durch Gebrauch handelsüblicher Inkontinenzprodukte bis zur dringend durchzuführenden Katheterisierung auffangbar. Die grundsätzliche Behandlung einer Überlaufsymptomatik ist jedoch die zeitgerechte Katheterisierung, die im Regelfall auch abseh- und planbar ist.
11. Die Möglichkeit zur Versorgung mit einem dauerhaften Katheter bestünde prinzipiell. Der jetzt durchgeführten Therapie des intermittierenden Einmalkatheterismus ist aus medizinscher Sicht aufgrund der wesentlich niedrigeren Morbidität und höheren Lebensqualität jedoch unbedingt der Vorzug zu geben.
12. Wechselnde Stuhlfrequenzen sind in den vorliegenden Befunden dokumentiert. In einem Operationsbericht vom 17.9.1990 wird als Indikation zur Durchführung der Operation ein Rektumprolaps mit fäkaler Inkontinenz angeführt. Auch im Oktober 2008 wird im Rahmen eines operativen Eingriffs ein Rektumprolaps und Stuhlinkontinenz angeführt. In einem Entlassungsbericht des Klinikukms XXXX vom 6.2.2011 werden Koprostase und Diarrhoe wechselnd seit 20a, jedoch keine Stuhlinkontinenz angeführt. Im Rahmen der Untersuchung hierorts bestand aktuell keine Stuhlinkontinenz, auch wurden von Seiten der Beschwerdeführerin keine effektiven stuhlregulierenden Maßnahmen oder Therapien, die geeignet wären einem unwillkürlichen Stuhlabgang entgegenzuwirken angegeben. Ein aktueller Befund einer Fachabteilung liegt nicht vor. Die Beurteilung des eventuellen Vorliegens einer Stuhlinkontinenz ist nicht Teil meines Fachgebietes.
13. Die oben beschriebene Harnblasenentleerungsstörung macht einen regelmäßigen Selbstkatheterismus erforderlich. Dieser ist grundsätzlich gut planbar und im Abstand von mehreren Stunden auszuführen. Der Selbstkatheterismus ist auch in außerhäuslicher Umgebung gut durchführbar. Das Katheterisierungsintervall beträgt zumindest zwei Stunden. In dieser Zeit können Nahverkehrsmittel uneingeschränkt benutzt werden. Außerplanmäßige Katheterisierungen sind möglich, aber selten, hier ist ebenso wie beim Blasengesunden das Nahverkehrsmittel zum Zwecke des Harnlassens zu verlassen. Züge im Fernverkehr sind im Regelfall mit Toiletten, in den neueren österreichischen Zugsgarnituren auch mit Behindertentoiletten ausgestattet. Ein Selbstkatheterisieren ist darin möglich und auch zumutbar, da aus medizinsicherer Sicht nicht von einer erhöhten gesundheitlichen Gefährdung bei deren Benützung auszugehen ist. Die hier vorliegende Harnblasenentleerungsstörung ist aus den oben angeführten Gründen nicht mit einer Einschränkung der Transportsicherheit in einem öffentlichen Verkehrsmittel assoziiert. Auswirkungen auf die Gehstrecke und die Überwindbarkeit von üblicherweise bei der Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels auftretende Niveauunterschiede bestehen auf Grund des urologischen Leidens nicht.
14. Art und Häufigkeit der Schmerzmitteleinnahme ist dem Gutachten auf Seite 7 zu entnehmen.“
Mit Schreiben vom 18.09.2020 - der Beschwerdeführerin am 25.09.2020 persönlich zugestellt - wurde die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens informiert, das Gutachten übermittelt und Gelegenheit gegeben binnen einer Frist von zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen.
Es langten keine Stellungnahmen ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist seit 06.11.2008 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 80 v.H.
Die Beschwerdeführerin stellte am 16.09.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises, welcher von der belangten Behörde als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel aufgrund einer Behinderung“ gewertet wurde.
Die Beschwerdeführerin leidet aktuell an folgenden dauerhaften Gesundheitsschädigungen:
1. Entleerungsstörung der Blase und des Darms
2. Degenerative Gelenksabnützungen bei Zustand nach Schulteroperation rechts
3. Migräne
4. Wirbelsäulenbeschwerden
Bei Vorliegen einer Entleerungsstörung der Blase ist eine intermittierende Einmalkatheterisierung erforderlich, welche die Beschwerdeführerin selbst mit sterilen einzelverpackten Kathetern der Firma Coloplast durchführt. Die Selbstkatheterisierungsfrequenz beträgt bei der Beschwerdeführerin im Regelfall zwischen sechs und acht Mal pro 24 Stunden, somit alle drei bis vier Stunden. Im Falle eines symptomatischen, aber afebrilen Infekts ist mit einer erhöhten Katheterisierungsfrequenz von etwa zwölf Mal pro 24 Stunden zu rechnen.
Der Zeitpunkt des Katheterisierens ergibt sich aufgrund eines fehlenden Blasengefühls nicht durch das Auftreten eines Harndrangs, sondern vom Zeitpunkt der letzten Katheterisierung gerechnet in etwa drei Stunden. Die Notwendigkeit einer Katheterisierung ist absehbar und planbar.
Bei Verabsäumen des Zeitpunktes der Selbstkatheterisierung ist nicht mit einem Rückstau in die Nieren zu rechnen.
Ein unkontrollierter Harnverlust ist nicht vorliegend. Die Beschwerdeführerin verwendet keine handelsüblichen Inkontinenzeinlagen.
Bei Beachtung der allgemeinen Regeln zum sauberen Selbstkatheterismus ist bei Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht mit einer erhöhten Infektionsrate zu rechnen.
Beim verwendeten Kathetermaterial ist auch bei durch Bewegung induzierter Fahlkatheterisierung nicht mit Verletzung der Harnröhre oder anderer Organe auszugehen. Die Katheterisierung ist allenfalls bei starken Bewegungen in öffentlichen Verkehrsmitteln erschwert.
Eine Stuhlinkontinenz liegt bei der Beschwerdeführerin aktuell nicht vor.
Erhebliche Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit liegen nicht vor.
Das Gangbild der Beschwerdeführerin ist ungestört und weist ein normales Tempo auf. Die Beschwerdeführerin ist in ihren Bewegungsabläufen nicht maßgeblich behindert. Die Gehstrecke ist durch die körperlichen Leiden der Beschwerdeführerin nicht beeinträchtigt.
Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines „Euro-Keys“, welcher bei Vorliegen eines Behindertenpasses auch ohne Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung“ im Falle einer mittels aussagekräftigen Befunden nachgewiesenen neurogenen Blasenentleerungsstörung mit verpflichtenden Selbstkatheterismus - über 6 Monate andauernd - ausgegeben wird.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin zumutbar.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Besitz des Behindertenpasses und zum gegenständlichen Antrag ergeben sich aus dem Akteninhalt des dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Fremdaktes.
Die Feststellungen zu den aktuellen dauerhaften Gesundheitsschädigungen, dem aktuellen Zustand infolge der Entleerungsstörung der Blase der Beschwerdeführerin sowie zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben sich das Hauptleiden der Blasenentleerungsstörung betreffend insbesondere aus dem seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten eines Facharztes für Urologie vom 23.08.2020, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 29.06.2020. Die übrigen Leiden betreffend liegt das von der Verwaltungsbehörde eingeholte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 11.02.2020 vor, woraus sich keine Probleme im Zusammenhang mit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel ergeben. Die Beschwerdeführerin selbst stützt sich in ihren Eingaben (Stellungnahme im Zuge des Parteiengehörs vom 26.02.2020 sowie Beschwerde vom 23.03.2020) auf die wesentliche Problematik der Selbstkatheterisierung im Zusammenhang mit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel.
In dem fachärztlichen Sachverständigengutachten vom 23.08.2020 wurde sehr umfassend, ausführlich, nachvollziehbar und schlüssig – unter Berücksichtigung der vorgelegten medizinischen Befunde und nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin – auf das urologische Leiden und dessen Auswirkungen auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel eingegangen.
Der fachärztliche Sachverständige stützte sein Gutachten auf eine selbst durchgeführte Untersuchung, welche er in eine klinische, urologische Ultraschalluntersuchung und eine Harnuntersuchung gliederte sowie auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Befunde.
Darin führte der Sachverständige in Beantwortung der umfassend seitens des erkennenden Gerichts gestellten Fragen detailliert aus, dass die Beschwerdeführerin ihre Katheterisierung mit sterilen einzelverpackten Kathetern der Firma Coloplast, modell Speedicath compact, Stärke Ch: 12 durchführt. Sei selbst gab bei der persönlichen Untersuchung eine Frequenz von sieben bis zwölf Mal täglich an, jedoch wurde den Feststellungen die Einschätzung des Sachverständigen mit sechs bis acht Mal pro Tag zugrunde gelegt. Dies begründete der Sachverständige in seinem Gutachten nachvollziehbar und schlüssig mit einer sich aus den Befunden vom 26.04.2006 und 08.06.2006 ergebenden Blasenkapazität der Beschwerdeführerin zwischen 270 ml und 360 ml, woraus sich bei einem anamnestisch erhebbaren Kathetersierungsvolumen von 350 ml und einer angeführten Trinkmenge von 1500 bis 2000 ml im Regelfall eine Katheterisierung alle drei bis vier Stunden ergibt. Im Übrigen verwies der Facharzt auf Angaben von PatientInnen mit ähnlich gelagerter Erkrankung, welche bei sechs bis acht Mal pro 24 Stunden liegt. Eine Reduktion der Flüssigkeitsaufnahme ist nicht notwendig und auch nicht ratsam, da es die Infektanfälligkeit und Steinbildung erhöht. Insofern ist das Hinauszögern einer Katheterisierung über einen Zeitraum von mehr als vier Stunden nicht empfehlenswert.
Im Falle eines symptomatischen, aber afebrilen Infekts ist mit einer Katheterisierungsfrequenz von etwa zwölf Mal pro 24 Stunden zu rechnen, wobei dies zeitlich auf den Infekt begrenzt ist. Dies würde einem herabgesetzten Katheterisierungsintervall von ausnahmsweise zwei Stunden entsprechen.
Die Beschwerdeführerin verspürt kein Blasengefühl, weshalb sie keinen Harndrang vernehmen kann. Eine Katheterisierung ist sohin in den zuvor angegebenen zeitlichen Abständen vorzunehmen, widrigenfalls eine mit Schmerzen einhergehende Blasenüberdehnung zu erwarten ist. Mit einem Rückstau in die Nieren ist hingegen nicht zu rechnen. Erst bei einer fehlenden Katheterisierung über mehrere Stunden, wobei der Sachverständige hier mehr als acht bis zwölf Stunden anführt, besteht bei einem gleichzeitig vorliegenden Infekt die Gefahr einer in die Nieren aufsteigenden Infektion.
Wenn es die Beschwerdeführerin sohin verabsäumt, rechtzeitig – innerhalb der angegebenen Intervalle – einen Katheter zu setzten, besteht das Risiko eines unkontrollierten Harnverlusts, welcher mittels handelsüblichen Inkontinenzprodukten aufgefangen werden kann. Die Beschwerdeführerin negierte jedoch bei der persönlichen Untersuchung einen unkontrollierten Harnverlust. Die Gefahr eines Rückstaus in die Nieren besteht, wie bereits ausgeführt nicht bzw. nur bei Zusammentreffen verschiedener besonderer Umstände, die nicht den Regelfall erfassen.
Die Auswirkungen dieser einschätzungsrelevanten Funktionseinschränkung auf die öffentlichen Verkehrsmittel gestaltet sich derart, dass zwar eine Selbstkatheterisierung prinzipiell in einem Verkehrsmittel vorgenommen werden kann, aber bei starkem Ruckeln erschwert ist. Die vollständige Entleerung der Harnblase mittels Katheter ist aber im Regelfall im Rahmen der Dauer eines Zughaltes, die üblicherweise bei längeren Strecken in den anzufahrenden Stationen durchgeführt werden, zu bewerkstelligen. Dazu ist festzuhalten, dass österreichische Fernverkehrszüge mit Toiletten ausgestattet sind, in welchen bei Beachtung der allgemeinen Regeln zum sauberen Selbstkatheterismus nicht mit einer erhöhten Infektionsrate zu rechnen ist.
Die Zeitpunkte der Notwendigkeit der Selbstkatheterisierungen sind planbar und ist es auch Ziel dieser Therapie der Selbstkatheterisierung, dass nicht ein sich erst bei sehr voller Blase zeigender Harndrang oder gar Schmerzen abgewartet werden, sondern die Katheterisierung im beschriebenen Zeitintervall vorgenommen wird. Nachdem das Intervall mehrere Stunden beträgt sind auch die Nahverkehrsmittel von der Beschwerdeführerin uneingeschränkt benutzbar, zumal eine Katheterisierung außerhäuslicher Umgebung gut durchführbar ist. Bei Außerplanmäßigen Katheterisierungen kann, wie auch bei Blasengesunden das Verkehrsmittel zum Zwecke des Harnlassens verlassen werden.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin im Besitz eines Euro-Keys ist, beruht auf ihren Angaben im Zuge der persönlichen Untersuchung am 29.06.2020. In Anbetracht dieses Umstandes und der Ausführungen des fachärztlichen Sachverständigen in seinem Gutachten vom 23.08.2020 scheinen die Auswirkungen des Hauptleidens der Blasenentleerungsstörung auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel für die Beschwerdeführerin nicht in einem deren Verwendung unzumutbaren Ausmaß gegeben zu sein.
Zu einer im Raum stehenden Stuhlinkontinenz führte der urologische Sachverständige in seinem Gutachten aus, dass wechselnde Stuhlfrequenzen in den vorliegenden Befunden dokumentiert seien und in einem Operationsbericht vom 17.09.1990 als Indikation zur Durchführung der Operation ein Rektumprolaps mit fäkaler Inkontinenz angeführt sei. In einem Entlassungsbericht des Klinikums XXXX vom 06.02.2011 wird hingegen keine Stuhlinkontinenz mehr angeführt. Auch im Rahmen der Untersuchung beim urologischen Sachverständigen bestand keine Stuhlinkontinenz und gab die Beschwerdeführerin keine effektiven stuhlregulierenden Maßnahmen oder Therapien, die geeignet wären, einen unwillkürlichen Stuhlabgang entgegenzuwirken, dem Sachverständigen bekannt. Eine aktuelle Stuhlinkontinenz ist auch nicht durch fachärztliche Befunde belegt, was auch durch den von der Verwaltungsbehörde befassten Sachverständigen in seinem Gutachten vom 11.02.2020 bestätigt wurde.
Die übrigen Funktionseinschränkungen bedingen ebenfalls keine erheblichen Einschränkungen, die eine Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht zumutbar erscheinen lassen würden.
Die Einwendungen der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde als auch in ihrer Stellungnahme vom 11.03.2020 konnte der fachärztliche Sachverständige in seinem Gutachten vom 23.08.2020 vollständig ausräumen. Eine Infektionsgefahr ist auf öffentlichen Toiletten bei Einhaltung der allgemeinen Regeln zum sauberen Katheterismus nicht erhöht und im Regelfall muss eine Katheterisierung nicht plötzlich vorgenommen werden, sondern ist in Abständen von mehreren Stunden planbar.
Im Wege des Parteiengehörs erstattete die Beschwerdeführerin zum urologischen Gutachten keine Stellungnahme.
Im Rahmen der Beschwerde wurden von der Beschwerdeführerin keine Einwendungen erhoben, welche das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zu entkräften vermochten bzw. wurde dem Ermittlungsergebnis nicht substantiiert entgegengetreten.
Die Beschwerdeführerin ist damit den Ausführungen im Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, sie hat kein Sachverständigengutachten oder eine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen der beigezogenen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des urologischen Sachverständigengutachtens vom 23.08.2020.
Das medizinische Sachverständigengutachten eines Facharztes für Urologie vom 23.08.2020 wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.).
Zu Spruchpunkt A)
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 leg. cit. nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Zur Frage der Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel:
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013 idF BGBl. II 263/2016 wird der Behindertenpass als Karte aus Polyvinylchlorid hergestellt. Seine Gesamtabmessungen haben 53,98 mm in der Höhe und 85,60 mm in der Breite zu betragen. Gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen hat der Behindertenpass auf der Vorderseite zu enthalten:
1. die Bezeichnung "Behindertenpass" in deutscher, englischer und französischer Sprache;
2. den Familien- oder Nachnamen, den Vorname(n), akademischen Grad oder Standesbezeichnung des Menschen mit Behinderung;
3. das Geburtsdatum;
4. den Verfahrensordnungsbegriff;
5. den Grad der Behinderung oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit;
6. das Antragsdatum;
7. das Ausstellungsdatum;
8. die ausstellende Behörde;
9. eine allfällige Befristung;
10. eine Braillezeile mit dem Ausdruck "Behindertenpass";
11. ein Hologramm in Form des Bundeswappens mit dem Schriftzug "Sozialministeriumservice" im Hintergrund;
12. das Logo des Sozialministeriumservice;
13. einen QR-Code, mit dem auf der Homepage des Sozialministeriumservice nähere Informationen zum Behindertenpass und den einzelnen Zusatzeintragungen abgerufen werden können sowie
14. ein der Bestimmung des § 4 der Passgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 223/2006, entsprechendes Lichtbild.
Gemäß § 1 Abs. 4 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:
[...]
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (nunmehr § 1 Abs. 4 Z 3) wird ausgeführt:
„Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
[...]
Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapiefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /od