TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/9 W133 2229430-1

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Veröffentlicht am 09.11.2020
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Entscheidungsdatum

09.11.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §43
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W133 2229430-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 14.02.2020, betreffend Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist seit 15.11.2017 Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.). Die Ausstellung dieses Behindertenpasses erfolgte nach Einholung eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 26.02.2018. Die Funktionseinschränkungen wurden im damaligen Gutachten den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates, chronisches Schmerzsyndrom

Wahl dieser Richtsatzposition bei maßgeblichen morphologischen Veränderungen mit eingeschränkter Beweglichkeit und chronischen Schmerzen, unterer Rahmensatz bei Gehfähigkeit ohne Hilfsmittel, Selbständigkeit im Alltag.

02.02.03

50

2

Arterielle Hypertonie

Wahl dieser Richtsatzposition bei einfachem Bluthochdruck, fixer Rahmensatz.

05.01.01

10

3

Schilddrüsenfunktionsstörung

Wahl dieser Richtsatzposition bei Schilddrüsenunterfunktion, unterer Rahmensatz bei komplikationsfreier Subsitutionstherapie.

09.01.01

10

zugeordnet und nach der Anlage zur Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. eingeschätzt. Begründend wurde ausgeführt, Leiden 1 werde durch die anderen funktionellen Einschränkungen mangels nachteiliger wechselseitiger Beeinflussung nicht erhöht.

Am 26.09.2019 langten medizinische Unterlagen des Beschwerdeführers beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet), ein.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 02.10.2019 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, das beiliegende Antragsformular ausgefüllt und unterzeichnet zu übermitteln.

Am 17.10.2019 langte das ausgefüllte Antragsformular bei der belangten Behörde ein, wobei der Beschwerdeführer die Neufestsetzung des Grades seiner Behinderung im Behindertenpass beantragte. Diesem Antrag wurde ein Röntgenbefund aus dem Jahr 2017 beigelegt.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie ein. In diesem Gutachten vom 12.01.2020 wurden auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates, chronisches Schmerzsyndrom

Wahl dieser Richtsatzposition bei maßgeblichen morphologischen Veränderungen mit eingeschränkter Beweglichkeit und chronischen Schmerzen, unterer Rahmensatz bei ungestörter peripherer Sensomotorik.

02.02.03

50

2

Hypertonie

Wahl dieser Richtsatzposition bei einfachem Bluthochdruck, fixer Rahmensatz.

05.01.01

10

3

Schilddrüsenfunktionsstörung

Wahl dieser Richtsatzposition bei Schilddrüsenunterfunktion, unterer Rahmensatz bei komplikationsfreier Subsitutionstherapie.

09.01.01

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung neuerlich ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. eingeschätzt. Begründend führte der Gutachter aus, Leiden 1 werde durch die Leiden 2 und 3 nicht erhöht, da keine maßgebliche wechselseitige Leidensbeeinflussung bestehe. Eine chronische Prostatitis ohne Komplikationen erreiche keinen Grad der Behinderung. Der Zustand des Beschwerdeführers stelle sich im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2018 unverändert dar.

Mit Schreiben vom 13.01.2020 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer ein förmliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG samt Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Das Gutachten vom 12.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer als Beilage übermittelt.

Der Beschwerdeführer brachte innerhalb der ihm dafür eingeräumten Frist keine Stellungnahme ein.

Daher wurde mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 14.02.2020 der Antrag des Beschwerdeführers vom 26.09.2019 auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass abgewiesen. Es wurde ausgeführt, dass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. keine Veränderung des bisherigen Grades der Behinderung eingetreten sei. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung weiterhin 50 v.H. betrage.

Mit handschriftlichem Schreiben brachte der Beschwerdeführer am 03.03.2020 fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht bei der belangten Behörde ein. Darin bringt er vor, dass er mit dem beigezogenen Sachverständigen nicht richtig reden habe können. Der Sachverständige habe die Befunde aus dem Jahr 2017 vor sich liegen gehabt, die neuen Befunde hätten ihn kaum interessiert. Jedoch habe sich sein Zustand seit 2017 verschlechtert. Er müsse jede Woche zu einem näher genannten Arzt um Infiltrationen und Stromtherapie zu machen. Dieser Arzt sei 40 Kilometer entfernt, er könne wegen seiner Inkontinenz allerdings keine öffentlichen Busse nutzen. Beim nach Hause fahren müsse er bis 16 Uhr warten, was er nicht könne. Auch habe er eine Knieoperation vor sich. Er würde einen Rollator nutzen, da seine Füße aussetzen würden. Auch könne er nicht viel tragen. In weiterer Folge moniert der Beschwerdeführer die durchgeführte Untersuchung. Er sei mit dem eingeholten Gutachten nicht zufrieden. Er müsse wegen seiner Medikamente zu seiner Hausärztin fahren, dorthin führe allerdings kein öffentliches Verkehrsmittel, er müsse somit mit dem Auto fahren. Der Beschwerde wurden (teilweise bereits vorgelegte) Befunde beigelegt.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 10.03.2020 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die belangte Behörde stellte dem Beschwerdeführer am 15.11.2017 einen unbefristeten Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. aus.

Am 26.09.2019 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades seiner Behinderung im Behindertenpass.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1.       Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates, chronisches Schmerzsyndrom, ungestörte periphere Sensomotorik;

2.       Hypertonie;

3.       Schilddrüsenfunktionsstörung bei komplikationsfreier Subsitutionstherapie.

Das führende Leiden 1 wird durch die Leiden 2 und 3 nicht erhöht, da keine maßgebliche wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.

Eine chronische Prostatitis ohne Komplikationen erreicht keinen Grad der Behinderung.

Der Zustand des Beschwerdeführers stellt sich im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2018 in Gesamtbetrachtung unverändert dar.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Diagnose, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 12.01.2020 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt weiterhin 50 v.H. Es wurden im Rahmen der Beschwerde keine Befunde vorgelegt bzw. nachgereicht, die weitere oder höhere Funktionseinschränkungen als im Gutachten vom 12.01.2020 bereits medizinisch festgestellt wurden, belegen würden; diesbezüglich wird auch auf die Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu dem im Jahr 2017 ausgestellten Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. sowie zur gegenständlichen Antragstellung auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergibt sich aus dem im Akt aufliegenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten Gutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 12.01.2020. In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, welche auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden basieren, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Mit dem Beschwerdevorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der vom medizinischen Sachverständigen in seinem Gutachten vom 12.01.2020 vorgenommenen einzelnen Einstufungen der festgestellten Leiden konkret behauptet und ist eine solche auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Das von der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten schlüsselt konkret und umfassend auf, welche Funktionseinschränkungen beim Beschwerdeführer vorliegen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden. Aufgrund der vom Beschwerdeführer im Verfahren vor der belangten Behörde vorgelegten medizinischen Unterlagen und nach einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers konnte gegenwärtig kein höherer Grad der Behinderung als der bisher bereits festgestellte Behinderungsgrad von 50 v.H. objektiviert werden. Im Vergleich zum Vorgutachten aus dem Jahr 2018 haben sich somit keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen ergeben, es liegt weiterhin ein Grad der Behinderung von 50 v.H. vor.

Führendes Leiden des Beschwerdeführers sind Degenerative Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates unter Mitberücksichtigung des chronischen Schmerzsyndroms. Der sachverständige Facharzt für Orthopädie ordnete dieses Leiden zutreffend der Positionsnummer 02.02.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zu, welche generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates mit funktionellen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades betrifft. Auch die Zuordnung zum unteren Rahmensatz dieser Positionsnummer erweist sich unter Berücksichtigung des Schmerzsyndroms bei maßgeblichen morphologischen Veränderungen mit eingeschränkter Beweglichkeit und chronischen Schmerzen, bei jedoch ungestörter peripherer Sensomotorik als nachvollziehbar und richtig.

Auch die Einschätzung der Leiden 2, leichte Hypertonie, und 3, Schilddrüsenfunktionsstörung bei komplikationsfreier Substitutionstherapie, durch den Amtssachverständigen ist nicht zu beanstanden.

Die Feststellung des beigezogenen Sachverständigen, dass Leiden 1 durch die Leiden 2 und 3 nicht erhöht wird, da keine maßgebliche wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht, ist nicht zu beanstanden. Bei den Leiden 2 und 3 handelt es sich lediglich um geringgradige Leiden, welche sich auf eine andere Funktionsbeeinträchtigung nicht besonders nachteilig iSd § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung auswirken.

Auch die Feststellung des Sachverständigen, dass eine chronische Prostatitis ohne Komplikationen keinen Grad der Behinderung erreicht, ist nicht zu monieren.

Befunde, welche eine vom Beschwerdeführer in der Beschwerde ins Treffen geführte „Inkontinenz“ belegen würden, liegen nicht vor.

Dass der Gutachter, an dessen Qualifikation und Unbefangenheit kein Zweifel besteht, die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers tatsachenwidrig beurteilt hätte, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden. Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers wurden umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt.

Die neuen Befunde, welche erstmals im Rahmen der Beschwerde vorgelegt wurden, belegen keine maßgeblichen Veränderungen im Sinne einer Verschlimmerung im Vergleich zu jenen Befunden, welche bei der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers bereits vorgelegen sind. Dies gilt insbesondere für den vorgelegten MRT-Befund des linken Kniegelenks vom 08.01.2020 und den Röntgen-Befund beider Kniegelenke vom 05.12.2019, entsprechen diese doch im Wesentlichen dem bereits im Rahmen der Antragstellung vorgelegten Vergleichsbefund vom 21.02.2017. Eine einschätzungsrelevante Verschlimmerung des Knieleidens gegenüber der Beurteilung im gegenständlich eingeholten Sachverständigengutachten vom 12.01.2020 kann aus diesen Befunden nicht abgeleitet werden. Zum Vorbringen in der Beschwerde, der Beschwerdeführer habe eine Knieoperation vor sich, ist festzuhalten, dass vom Beschwerdeführer keinerlei Unterlagen betreffend die erwähnte Operation vorgelegt wurden. Ganz grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass die Durchführung einer Operation der Verbesserung des Gesundheitszustandes dient.

Zu den Ausführungen in der Beschwerde bezüglich der Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass bzw. auf die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.

Die dokumentierten Funktionseinschränkungen sind in Zusammenschau mit dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Status somit vollumfänglich - soweit ein einschätzungsrelevantes Leiden vorliegt - berücksichtigt worden. Aufgrund des festgestellten Ausmaßes der Funktionseinschränkungen war zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung nicht möglich.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen seiner Beschwerde – wie bereits ausgeführt - keine weiteren Beweismittel vor, die dem Gutachtensergebnis widersprechen würden. Er ist dem Sachverständigengutachten auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 12.01.2020. Dieses Gutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

§ 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), StF: BGBl. II Nr. 261/2010, lautet in der geltenden Fassung:

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 12.01.2020 zu Grunde gelegt, wonach zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. vorliegt. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden vom Beschwerdeführer keine Beweismittel vorgelegt, die geeignet wären, das Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene zu entkräften.

Das medizinische Sachverständigengutachten vom 12.01.2020 ist auch nicht zu beanstanden, wenn es im Sinne des § 3 Abs. 3 und 4 der Einschätzungsverordnung eine entscheidungswesentliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung in dem Sinne, dass sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirken würde oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen würden, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen würden, im gegenständlichen Fall nicht gegeben sieht.

Da keine maßgebliche Verschlechterung des Gesamtleidenszustandes des Beschwerdeführers objektiviert werden konnte und weiterhin ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt wurde, liegen die Voraussetzungen für die Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass nicht vor. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren objektivierten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Insoweit die Beschwerde auf die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass bzw. auf die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) abzielt, ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich bei der belangten Behörde keine entsprechenden Anträge gestellt hat und die belangte Behörde daher nicht darüber abgesprochen hat. Diese Fragen sind daher mangels Vorliegens von anfechtbaren Bescheiden nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus weder von der belangten Behörde, noch vom Beschwerdeführer eine mündliche Verhandlung beantragt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Neufestsetzung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2229430.1.00

Im RIS seit

05.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

05.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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