Entscheidungsdatum
18.11.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W216 2229912-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , bevollmächtigt vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (KOBV), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 13.02.2020, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin brachte am 14.11.2019 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie verfahrensgegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (im Folgenden: belangte Behörde) ein.
Seitens der belangten Behörde wurde eine Ärztin für Allgemeinmedizin um Erstellung eines Sachverständigengutachtens ersucht, um zu beurteilen, ob die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung vorlägen. In dem eingeholten Sachverständigengutachten vom 15.01.2020 wurde – nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 09.01.2020 und Erstellung eines Untersuchungsbefundes – seitens der befassten Ärztin im Ergebnis festgehalten, dass bei der Beschwerdeführerin ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. feststellbar sei sowie dass bei der Beschwerdeführerin eine wesentliche Mobilitätseinschränkung nicht vorliege und der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 16.01.2020 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 45 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.
Die Beschwerdeführerin erstatte keine Stellungnahme.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 13.02.2020 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG unter Zugrundelegung des eingeholten Sachverständigenbeweises abgewiesen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens wurden seitens der belangten Behörde als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt. In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.
Mit Schreiben vom 14.02.2020 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ihren unbefristet ausgestellten Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. sowie der Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor".
Mit Schreiben vom 24.03.2020 erhob die Beschwerdeführerin durch ihre bevollmächtigte Vertretung – fristgerecht und unter Vorlage eines internistischen Gutachtens vom 07.12.2019 – das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin führt sie im Wesentlichen aus, dass sie an einer Morbus Crohn Erkrankung, welche mit 7 bis 10 Durchfällen pro Tag einhergehe, leide. Nach zweimaligem Therapieversagen der immunmodulatorischen Therapie habe sie massives Untergewicht erreicht (BMI 16) und es bestehe infolge der Mangelernährung eine beginnende Osteoporose und eine Sarkopenie (Muskelschwund). Dies sei auch durch den internistischen Sachverständigen bestätigt worden, der sie anlässlich eines Klageverfahrens auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension untersucht habe. Aufgrund der anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes sei es ihr daher nicht möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Das von der belangten Behörde eingeholte allgemeinmedizinische Gutachten sei in diesem Zusammenhang weder schlüssig noch nachvollziehbar und wäre daher jedenfalls ein internistisches Sachverständigengutachten einzuholen gewesen. Der VwGH habe sich bereits wiederholt mit der Frage beschäftigt, ob Durchfallerkrankungen zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen und eine entsprechende Zusatzeintragung in den Behindertenpass rechtfertigen würden (Erkenntnis vom 21.04.2016, 2016/11/0018, ua.). In diesen Erkenntnissen sei ausgeführt worden, dass "bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes" in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar sei. Bei dem bei ihr vorliegenden Krankheitsbild (bis zu 10 Stuhlabgänge pro Tag) lägen somit die vom VwGH dargelegten Kriterien für die Zusatzeintragung vor und hätte die belangte Behörde ungeachtet der Ausführungen der allgemeinmedizinischen Sachverständigen zu diesem Schluss kommen müssen.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habende Verwaltungsakte wurde von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 26.03.2020 vorgelegt.
Zur Überprüfung des Beschwerdevorbringens ersuchte das Bundesverwaltungsgericht eine Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie um Erstellung eines Sachverständigengutachtens mittels persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin. In ihrem Sachverständigengutachten vom 20.06.2020 kommt die beigezogene fachärztliche Sachverständige zu dem Ergebnis, dass eine abweichende Beurteilung nicht objektivierbar und der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Mit Schreiben vom 14.09.2020 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde vom Bundesverwaltungsgericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen die Gelegenheit eingeräumt, zu dem übermittelten Sachverständigengutachten vom 20.06.2020 innerhalb einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen.
Weder die Beschwerdeführerin noch die belangte Behörde erstatten eine Stellungnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H.
Sie brachte am 14.11.2020 den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass bei der belangten Behörde ein.
Bei der Beschwerdeführerin liegt folgender klinischer Status vor:
Größe: 160cm; Gewicht: 44kg
Allgemeinzustand: normal
Ernährungszustand: BMI 17,2 entspricht einem leichten Untergewicht
Kopf frei beweglich, Hirnnervenaustrittspunkte frei,
Hörvermögen gut, Sehvermögen gut,
Hals: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar, Schilddrüse schluckverschieblich,
Herz: Herztöne rhythmisch, rein, normofrequent,
Lunge: Vesiculäratmen, keine Rasselgeräusche, Lungenbasen verschieblich
Bauch: weich, geringer Druckschmerz im oberen Epigastrium, keine
Abwehrspannung, Leber und Milz nicht tastbar,
Caput: unauffällig
HWS: Rotation der HWS frei, KJA 3cm
Extremitäten und Gelenke: uneingeschränkt in ihrer Beweglichkeit.
Haut: bland
Status Psychicus:
Klar, orientiert in allen Qualitäten
Gehfähigkeit:
Kommt in normaler Straßenkleidung zur Untersuchung, unauffälliges Gangbild, Lagewechsel uneingeschränkt
Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden Gesundheitsschädigungen:
1) Morbus Crohn – ED 2014,
2) Zustand nach Vulvaabszess – operativ saniert,
3) Fructoseintoleranz,
4) Adenomyose,
5) craniomandibuläre Dysfunktion,
6) Beginnende geringgradige Osteoporose.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung liegen zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt nicht vor. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin zumutbar.
Es bestehen weder erhebliche Einschränkungen der unteren Extremitäten, noch erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit. Die Beschwerdeführerin kann ihre Gelenke frei bewegen und sie leidet unter keiner Einschränkung der Muskulatur. Es liegt keine Gehbehinderung vor. Das sichere Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, sicheres Ein- und Aussteigen und der sichere Transport sind gewährleistet. Niveauunterschiede können ausreichend sicher überwunden werden. Bei der Beschwerdeführerin besteht ein ausreichend sicherer Stand und Gang.
Es liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.
Des Weiteren bestehen keine Hinweise auf das Vorliegen einer hochgradigen Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.
Es bestehen auch keine erheblichen Einschränkungen der psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen.
Die Beschwerdeführerin leidet zwar an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung mit einer Stuhlfrequenz von 7-10 pro Tag, eine manifeste Stuhlinkontinenz liegt jedoch nachweislich nicht vor, eine Versorgung mit Inkontinenzprodukten ist nicht notwendig.
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung, medizinischer Diagnose und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen medizinischen Beurteilungen im Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie vom 20.06.2020 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
Die Beschwerdeführerin erstattete keine Stellungnahme im Rahmen des ihr seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeräumten Parteiengehörs und erhob somit keine Einwendungen gegen das vorliegende internistische Gutachten, welche geeignet wären, dieses zu entkräften oder in Frage zu stellen; diesbezüglich wird auf die nachfolgende Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung verwiesen. Eine vom Gutachten abweichende Beurteilung erweist sich zum Entscheidungszeitpunkt als nicht möglich.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen über die Ausstellung eines Behindertenpasses, den aktuellen Grad der Behinderung und das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass basieren auf dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszuständen sowie zum Nichtvorliegen erheblicher – die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bewirkender – Funktionseinschränkungen gründen sich auf das im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie. In diesem Gutachten wird unter Berücksichtigung der festgestellten Leidenszustände detailliert und nachvollziehbar dargelegt, warum der Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist. Es wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die fachärztliche Sachverständige setzte sich auch nachvollziehbar mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden auseinander, die im Übrigen nicht in Widerspruch zu den gutachterlichen Beurteilungen stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtung festgestellt wurde. Die getroffenen Beurteilungen basieren auf den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befunden und entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (zur Art und zum Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und deren Auswirkungen wird auf die detaillierten, oben auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen).
Die Feststellungen und die getroffene medizinische Beurteilung zu den Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsschädigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel decken sich auch mit den Ergebnissen der Untersuchung im Rahmen der Statuserhebung und auch mit den vorliegenden Befunden.
Anhand der Art und Schwere der festgestellten Gesundheitsschädigungen konnten – dem Gutachten zufolge – weder erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren und oberen Extremitäten oder der Wirbelsäule, der körperlichen Belastbarkeit, der psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen noch eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems objektiviert werden.
Die bei der Beschwerdeführerin beginnende Osteoporose ist als Begleiterkrankung des Morbus Crohn zu sehen, mit keiner erhöhten Frakturhäufigkeit (keine atraumatischen Knochenbrüche in der Anamnese vorliegend) und nur einer geringen Frakturwahrscheinlichkeit (6,5%) innerhalb der nächsten 10 Jahre und ist somit nicht behandlungsbedürftig. Die bei der Beschwerdeführerin feststellbare Muskelkraft ist ausreichend, sodass die Beschwerdeführerin in der Lage ist, eine Wegstrecke von 300 bis 400 Meter in 10 Minuten zurückzulegen und sie ist ebenso ausreichend um Überkopf-Haltegriffe zu verwenden, wie sie in einem öffentlichen Verkehrsmittel zum Anhalten üblich angebracht sind. Niveauunterschiede können von der Beschwerdeführerin völlig uneingeschränkt überwunden werden und der Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel kann uneingeschränkt durchgeführt werden. Es bestehen auch keine Funktionseinschränkungen der oberen Extremitäten, die einer Verwendung von Haltegriffen entgegenstehen könnten.
Weiters erläutert die beigezogene Gutachterin anhand des klinischen Untersuchungsbefundes nachvollziehbar, dass bei der Beschwerdeführerin ein Morbus Crohn mit einer Stuhlfrequenz von 7 bis 10 Stühlen pro Tag bestehe. Im Rahmen der klinischen Untersuchung sei jedoch keine Stuhlinkontinenz festgestellt worden. Die von der Beschwerdeführerin angegebene Stuhlfrequenz von bis zu 7 bis 10 Stühlen pro Tag entspreche dem schubartigen Verlauf bei Morbus Crohn und liege undulierend vor. Klinisch, anamnestisch und im Rahmen der Befundzusammenschau habe kein unvorhersehbarer und unabwendbarer Stuhldrang festgestellt werden können. Inkontinenzmaterial werde von der Beschwerdeführerin nicht verwendet. Der Allgemeinzustand der Beschwerdeführerin sei unauffällig, der Ernährungszustand bei einer Größe von 160 cm und einem Gewicht von 44 kg (BMI 17,2) entspreche einem leichten Untergewicht. Im Vergleich zum von der Beschwerdeführerin vorgelegten internistischen Gutachten vom Dezember 2019 liege eine Gewichtszunahme vor. Somit komme es unter der genannten immunmodulatorischen Therapie mit Entyvio zu einer leichten Verbesserung der Stoffwechselsituation. Eine Unvorhersehbarkeit bzw. Unabwendbarkeit der Durchfälle könne während der Untersuchung nicht festgestellt werden und werde in keinem der schriftlichen Befunde erwähnt. Ebenso berichte die untersuchte Beschwerdeführerin von keiner derartigen Situation.
Zu bestehenden Therapieoptionen erläutert die beigezogene Sachverständige nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin eine immunmodulatorische Therapie habe, auf die ein mäßiges Ansprechen vorliege. Sollte keine Besserung der Stuhlfrequenz eintreten, dann wäre eine Umstellung auf ein anderes Präparat in Erwägung zu ziehen, um eine Besserung zu erreichen. Dies bedürfe einen entsprechenden Beobachtungszeitraum.
In Zusammenschau der vorgelegten Befunde, der Ausführungen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Anamneseerhebung und der schlüssigen Erläuterungen der befassten Sachverständigen kann daher nicht vom Vorliegen einer manifesten Stuhlinkontinenz mit imperativem Stuhldrang in einem Ausmaß ausgegangen werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würde.
Die bestehenden Funktionseinschränkungen erreichen somit – wie dargelegt – kein entsprechend schweres Ausmaß, um die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu rechtfertigen.
Die Beschwerdeführerin ist dem Sachverständigengutachten auch nicht (auf gleicher fachlicher Ebene) entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093). Die Beschwerdeführerin hat vielmehr das ihr seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeräumte Parteiengehör unbeantwortet gelassen.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den vorliegenden Sachverständigenbeweis daher für schlüssig, nachvollziehbar und vollständig. Das Bundesverwaltungsgericht findet somit auch keinen Anlass zur Annahme, dass das Sachverständigengutachten mit den Erfahrungen des Lebens oder den Denkgesetzen in Widerspruch steht und das Gutachten vom 20.06.2020 wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990, idF BGBl. I. Nr. 57/2015, (BBG), hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."
…
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."
§ 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, lautet auszugsweise:
§ 1 ....
(2) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. .......
2. ......
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d
vorliegen.
(3) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(4) ..."
Gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholte medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie zu Grunde gelegt, wonach der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel derzeit zumutbar ist. Weder bestehen entscheidungserhebliche Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten, noch ausreichend erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch ausreichend erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen. Auch liegen keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vor, sowie auch keine anhaltende ausreichend erhebliche Funktionseinschränkung des Immunsystems im Sinne der genannten Verordnung.
Bei der Beschwerdeführerin liegt zwar eine chronische Darmerkrankung vor, diese erreicht aber – wie dies im Rahmen der Beweiswürdigung bereits ausgeführt wurde – nicht ein solches Ausmaß, dass sich daraus die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel rechtfertigen lassen würde.
Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden von der Beschwerdeführerin keine Einwände gegen das seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholte Sachverständigengutachten erhoben.
Da festzustellen war, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches aktuell die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid spruchgemäß abzuweisen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt zumutbar.
Die Beschwerdeführerin ist darauf hinzuweisen, dass bei einer befundmäßig objektivierten erheblichen Verschlechterung ihres Leidenszustandes eine neuerliche Antragstellung und die neuerliche Prüfung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W216.2229912.1.00Im RIS seit
05.01.2021Zuletzt aktualisiert am
05.01.2021