Entscheidungsdatum
18.11.2020Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W207 2236313-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 12.10.2020, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 42 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen idgF abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer stellte bereits im Jahr 2010 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten. Es wurde von der belangten Behörde daraufhin ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. Darin wurde auf Grundlage der Bestimmungen der Richtsatzverordnung die Funktionseinschränkung "Degenerative Veränderung der Wirbelsäule", bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 20 v.H. nach der Positionsnummer 190 der Richtsatzverordnung, festgestellt. Die Gonarthrose und der Bluthochdruck würden keinen Grad der Behinderung erreichen. Festgestellt wurde damals ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H. In diesem Gutachten wurde außerdem ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.
Am 24.02.2020 stellte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis für Menschen mit Behinderung), der entsprechend dem vom Beschwerdeführer unterzeichneten Antragsformular für den - auf den Beschwerdeführer zutreffenden - Fall, dass er nicht über einen Behindertenpass mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in diesem Behindertenpass verfügt, auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der genannten Zusatzeintragung in den Behindertenpass gilt. Diesem Antrag wurde ein Befund eines näher genannten Krankenhauses vom 22.01.2020 beigelegt.
Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung vom 14.09.2020, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 10.09.2020, ein. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wurde – hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:
„…
Anamnese:
Siehe auch VGA vom 26.05.2010 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule 20%
Derzeitige Beschwerden:
Ich kann fast nichts mehr, ich kann nur 50m gehen, weil ich am linken Knie eine Prothese habe. Ich bin auch in der Wirbelsäule operiert worden, wo L4 und L5 zusammengeschraubt wurden. Die Ärzte haben einen Fehler gemacht, welchen sie sich allerdings nicht eingestanden haben. Ich habe vom Knie abwärts kein Gefühl mehr auf der rechten Seite. 2017 hatte ich einen Hustenanfall, wo eine Rippe gebrochen ist, wo sich der Darm um die Rippe gewickelt hat. Mein Zwerchfell war zerfetzt, was dann operiert werden musste. Seither habe ich einen Dippel auf der rechten Seite, den ich mir schon anschauen habe lassen, wo die Ärzte allerdings gemeint haben, das ist nichts. Heuer im Jänner hatte ich dann auch eine Operation an der Aorta. Da hatte ich eine Ausbeulung von 6,9cm. In der Nacht habe ich einen Schlauch mit zwei kleinen Stoppeln für meine Atmung. Das sollte ich auch 16h nehmen, was in der Nacht allerdings nicht möglich ist, nachdem ich nicht so lange schlafe. Wenn ich jetzt untertags Zeit habe, dann verwende ich auch den Sauerstoff. Den brauche ich für meine COPD. Dann muss ich auch alle 14 Tage spritzen gehen, wegen meinem Kreuz. Meistens bekomme ich auch Spritzen ins rechte Sprunggelenk. Wenn ich mich bücke, bekomme ich keine Luft. Ich kann auch zu Hause nicht arbeiten. Ich kann auch nicht wirklich in die Knie gehen und etwas vom Boden aufheben. Mir wurde auch mein transportables Sauerstoffgerät weggenommen, weil es die Krankenkasse nicht mehr bezahlt hat.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Hydal 2,6mg bei Bedarf, Neurontin 300mg bei Bedarf, Blopress plus 32/12,5mg, Parkemed 500mg bei Bedarf, Concor 5mg, Thrombo Ass 100mg, Rosuvastatin 40mg, Pantoprazol 40mg, Ezetimib 10mg, Novalgin Tabletten, Lyrica, Unifyl retard 100mg, Spiolto Respimat, Berodual DA
Sozialanamnese:
verheiratet, 1 Kind, in Pension
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
XXX vom 22.01.2020
Diagnosen bei Entlassung:
Infrarenales thrombosiertes Aortenaneurysma
- Erfolgreiche Implantation einer Stentgraftimplantation in der distalen Aorta abdominalis bei thrombosiertern Aneurysmasackes am 14.01.2020
- Postinterventionelles Hämatom Unterbauch, Scrotum und Blutungsanämie Akuter Harnwegsinfekt
NIDDM (ohne Therapie) seit 01/2019
Arterielle Hypertonie
Hyperlipidämie
Adipositas permagna
Steatosis hepatis
COPD Gold II
Chronische Lumbago
- Peroneusparese rechts bei Z.n. L4/5 OP im AKH vor ca 10 Jahren
Nikotinabusus
Frühere Erkrankungen:
Z.n. Kombinierte ventrale Zwerchfellhernie (Colon und Omentum) und Thoraxwandhernie
im VII.ICR links
02/2017
Z.n. Knie TEP OP links
Z.n. CHE
Aufnahmegrund:
Die stationäre Aufnahme erfolgte zur Implantation eines Stentgrafts bei Aortenaneurysma abdominal
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
adipös
Größe: 181,00 cm Gewicht: 149,00 kg Blutdruck: -/-
Klinischer Status - Fachstatus:
66 Jahre
Haut/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet
Caput: Visus: unauffällig, Hörvermögen nicht eingeschränkt
Thorax. Symmetrisch, elastisch, reaktionslose Narbe links axillär,
Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent
Pulmo: verschärfte Vesikuläratmung, Dyspnoe bei mäßiger Belastung
Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar,
Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: Frei. geringe Herniation im linken
Oberbauches
Pulse: Allseits tastbar
Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff bds. durchführbar, links etwas erschwert, grobe Kraft bds. nicht vermindert, Faustschluß und Spitzgriff bds. durchführbar. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird als ungestört angegeben
Untere Extremität: Vorfußheberschwäche rechts, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, Beweglichkeit in beiden Hüftgelenken konstitutionsbedingt endlagig eingeschränkt, linkes Knie: Beugung bis 100° möglich, reaktionslose Narbe, rechtes Kniegelenken frei beweglich, bandstabil, kein Erguss, Muskelverhältnisse im Bereich der rechten UE verschmächtigt, mittelgradige Bewegungscheinschränkung im rechten Sprunggelenk, keine Varikositas, keine Ödeme bds.
Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand im Stehen: bis zum mittleren Unterschenkel, reaktionslose Narbe im Bereich der LWS
Rotation und Seitwärtsneigung im Bereich der HWS endlagig, im Bereich der BWS+LWS zur Hälfte eingeschränkt
Gesamtmobilität - Gangbild:
breitbeiniges behebiges Gangbild, Vorfußheberschwäche rechts
Status Psychicus:
klar, orientiert
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach L4/5 OP
oberer Rahmensatz, da mäßiggradige Funktionseinschränkung und Peroneusparese rechts
02.01.02
40
2
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Chronisch obstruktive Lungenerkrankung - Moderate Form - COPD II
oberer Rahmensatz, da mäßiggradige Einschränkung der respiratorischen Leistungsreserven
06.06.02
40
3
Infrarenales thrombosiertes Aortenaneurysma unterer Rahmensatz, da erfolgreiche Implantation einer Stentgraftimplantation
05.03.02
20
4
Sprunggelenksarthrose rechts
1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da mäßiggradige Bewegungseinschränkung
02.05.32
20
5
Kniegelenksprothese links
oberer Rahmensatz, da Zustand nach prothetischer Versorgung
02.05.18
20
6
Diabetes mellitus
unterer Rahmensatz, da Kostbeschränkung ohne Medikation
09.02.01
10
7
Hypertonie
Fixer Richtsatz
05.01.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
weil der führende GdB unter der Position 1 durch Leiden 2 erhöht wird, da schwerwiegendes Zusatzleiden. Die weiteren Leiden erhöhen nicht weiter, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Abdominalhernie links, da ohne Interventionsbedarf
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Verschlimmerung des Leidens des VGA, Hinzukommen der neuen Leiden
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Anhebung des GdB um 3 Stufen
[X] Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. Es liegen keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten, sowie der Wirbelsäule vor. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ist selbständig möglich. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der oberen und unteren Extremitäten ist das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe zumutbar. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
Nein
…“
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 14.09.2020 wurde der Beschwerdeführer über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt. Das eingeholte Gutachten vom selben Tag wurde dem Beschwerdeführer mit diesem Schreiben übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.
Es wurde innerhalb der dafür gewährten Frist keine Stellungnahme bei der belangten Behörde eingebracht.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 12.10.2020 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund seines Antrages vom 24.02.2020 mitgeteilt, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt worden sei. Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Orthese“ würde vorliegen. Der unbefristete Behindertenpass im Scheckkartenformat werde in den nächsten Tagen übermittelt werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 12.10.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 24.02.2020 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei. Nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden.
Ein formaler bescheidmäßiger Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) erfolgte durch das Sozialministeriumservice nicht.
Mit Begleitschreiben der belangten Behörde vom 14.10.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein unbefristeter Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. übermittelt. Diesem Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.
Mit handschriftlichem Schreiben vom 19.10.2020, bei der belangten Behörde eingelangt am 21.10.2020, erhob der Beschwerdeführer ohne Vorlage neuer Beweismittel fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 12.10.2020, mit dem sein Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ abgewiesen worden war. Inhaltlich führt der Beschwerdeführer in der Beschwerde aus, dass er „mit dem“ nicht einverstanden sei, weil er „die Unzumutbarkeit nicht zuerkannt bekommen habe“. Im Betreff dieser Beschwerde wird zwar die Geschäftszahl der behördlichen Schreiben vom 12.10.2020 bzw. 14.10.2020 betreffend die Passausstellung angeführt, aus dem Inhalt der Beschwerde und ihrem objektiven Erklärungswert ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass sich diese nicht gegen die Ausstellung des Behindertenpasses mit einem eingetragenen GdB von 50 v.H., sondern gegen die Nichtvornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass richtet.
Die belangte Behörde legte am 23.10.2020 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Inhaber eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.
Der Beschwerdeführer stellte am 24.02.2020 beim Sozialministeriumservice den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass.
Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden im Zusammenhang mit der Frage der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel relevanten Funktionseinschränkungen:
1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach L4/5 OP, mäßiggradige Funktionseinschränkung und Peroneusparese rechts;
2. Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Moderate Form - COPD II, mäßiggradige Einschränkung der respiratorischen Leistungsreserven;
3. Infrarenales thrombosiertes Aortenaneurysma, erfolgreiche Implantation einer Stentgraftimplantation;
4. Sprunggelenksarthrose rechts, mäßiggradige Bewegungseinschränkung;
5. Kniegelenksprothese links, Zustand nach prothetischer Versorgung;
6. Diabetes mellitus, Kostbeschränkung ohne Medikation;
7. Hypertonie.
Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zumutbar.
Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Befundungen und Beurteilungen im von der belangten Behörde eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers basierenden allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 14.09.2020 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Vorliegen eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H. sowie zur gegenständlichen Antragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zu den vorliegenden Funktionseinschränkungen und die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führt, gründen sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten vom 14.09.2020, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 10.09.2020. Unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen und nach einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers wurde von der medizinischen Sachverständigen auf Grundlage der zu berücksichtigenden und unbestritten vorliegenden Funktionseinschränkungen festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den Beschwerdeführer zumutbar ist.
Die von der belangten Behörde herangezogene Ärztin für Allgemeinmedizin gelangte in ihrem Gutachten vom 14.09.2020 unter den von ihr geprüften Gesichtspunkten zu dem Schluss, dass beim Beschwerdeführer keine erheblichen Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten sowie der Wirbelsäule vorliegen. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke mit einem Aktionsradius von rund 10 Minuten, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 m, ist dem Beschwerdeführer – trotz der bei ihm unbestritten vorliegenden Funktionseinschränkungen - selbständig möglich. Bei ausreichend guten Kraftverhältnissen der oberen und unteren Extremitäten ist das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe zumutbar. Ein sicherer Transport in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter üblichen Transportbedingungen möglich.
Diese Schlussfolgerungen der Ärztin für Allgemeinmedizin finden auch Bestätigung in ihren Aufzeichnungen zur persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 10.09.2020 im Rahmen der (oben wiedergegebenen) Statuserhebung („Allgemeinzustand: gut Ernährungszustand: adipös Größe: 181,00 cm Gewicht: 149,00 kg Blutdruck: -/- Klinischer Status - Fachstatus: 66 Jahre Haut/farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet Caput: Visus: unauffällig, Hörvermögen nicht eingeschränkt [….] Pulmo: verschärfte Vesikuläratmung, Dyspnoe bei mäßiger Belastung […]. Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff bds. durchführbar, links etwas erschwert, grobe Kraft bds. nicht vermindert, Faustschluß und Spitzgriff bds. durchführbar. Die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird als ungestört angegeben Untere Extremität: Vorfußheberschwäche rechts, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, Beweglichkeit in beiden Hüftgelenken konstitutionsbedingt endlagig eingeschränkt, linkes Knie: Beugung bis 100° möglich, reaktionslose Narbe, rechtes Kniegelenken frei beweglich, bandstabil, kein Erguss, Muskelverhältnisse im Bereich der rechten UE verschmächtigt, mittelgradige Bewegungscheinschränkung im rechten Sprunggelenk, keine Varikositas, keine Ödeme bds. Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand im Stehen: bis zum mittleren Unterschenkel, reaktionslose Narbe im Bereich der LWS Rotation und Seitwärtsneigung im Bereich der HWS endlagig, im Bereich der BWS+LWS zur Hälfte eingeschränkt Gesamtmobilität - Gangbild: breitbeiniges behebiges Gangbild, Vorfußheberschwäche rechts“). Daraus ergibt sich, auch bestätigt durch die vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen, dass beim Beschwerdeführer zwar unbestritten nicht unbeträchtliche Funktionseinschränkungen – insbesondere im Bereich der Wirbelsäule und der körperlichen Belastbarkeit - vorliegen, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren, dass aber die in der Beschwerde vorgebrachten, subjektiv empfundenen Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht in entsprechendem Ausmaß - im Sinne des Vorliegens erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit nach dem Maßstab des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen - objektiviert werden konnten.
Hinsichtlich der bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel tätigte der Beschwerdeführer mit seinen allgemein gehaltenen Beschwerdeausführungen kein konkretes Vorbringen, das die Beurteilungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen entkräften hätte können; der Beschwerdeführer legte der Beschwerde auch keine weiteren Befunde bei, die geeignet wären, die durch die medizinische Sachverständige getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden im Sinne nachhaltiger, zumindest sechs Monate dauernder Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates zu belegen bzw. eine wesentliche Verschlimmerung bestehender Leiden zu dokumentieren und damit das Vorliegen erheblicher Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Der Beschwerdeführer ist dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten in der Beschwerde daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Gutachtens einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 14.09.2020. Dieses Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
„§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
…
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“
§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet – soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:
„§ 1 …
(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a)…
b)…
…
2. …
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(6)..."
In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, wird betreffend § 1 Abs. 2 Z 3 (in der Stammfassung) unter anderem – soweit im gegenständlichen Fall in Betracht kommend – Folgendes ausgeführt:
„§ 1 Abs. 2 Z 3:
…
Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
…
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:
- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option
- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen
- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz
- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie
- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie
- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie
- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden
Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.
Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:
- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),
- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B.: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),
- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,
- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.
Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.
Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.
Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.
Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:
- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,
- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,
- Kleinwuchs,
- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,
- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.“
Der Vollständigkeit halber ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.10.2020 der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist somit auch nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).
Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).
Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt – auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde in dem im gegenständlichen Verfahren von der belangten Behörde eingeholten, auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers beruhenden medizinischen Sachverständigengutachten vom 14.09.2020 nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers – trotz der bei ihm unzweifelhaft vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen und unter Berücksichtigung dieser – die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass vorliegen. Beim Beschwerdeführer sind ausgehend davon aktuell keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der oberen und unteren Extremitäten, aber auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit – diese betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen –, keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen und auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen objektiviert.
Dies gilt insbesondere auch für die beim Beschwerdeführer vorliegende Lungenerkrankung („Chronisch obstruktive Lungenerkrankung [COPD], Moderate Form - COPD II, mäßiggradige Einschränkung der respiratorischen Leistungsreserven“): in Einklang mit den oben wiedergegebenen Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, die erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, die zu einer Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen, erst bei COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie gegeben sehen, kann - da „lediglich“ eine COPD II objektiviert ist und zudem eine Langzeitsauerstofftherapie nicht vorliegt - nicht erkannt werden, dass Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen unzumutbar wäre.
Auch unter Berücksichtigung der beim Beschwerdeführer unbestritten bestehenden Funktionseinschränkungen vermag der Beschwerdeführer aktuell nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.
Der Beschwerdeführer ist den Ausführungen der beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, in der Beschwerde nicht substantiiert und insbesondere nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, er hat kein Sachverständigengutachten bzw. keine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher ausreichend substantiiert die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Annahmen und Schlussfolgerungen des beigezogenen medizinischen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig seien.
Ganz abgesehen davon aber ist darüber hinaus auch festzuhalten, dass die Ausschöpfung der zumutbaren therapeutischen Optionen iSd § 1 Abs. 5 letzter Satz der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, wonach bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die geltend gemachten Funktionseinschränkungen durch den Beschwerdeführer nicht belegt ist. Im Gegenteil ergibt sich aus dem vom Beschwerdeführer bei der Antragstellung vorgelegten Befund eines näher genannten Krankenhauses vom 22.01.2020 vielmehr, dass der Beschwerdeführer trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen im Bereich der Atemwege (COPD II) nach wie vor Raucher ist und 20 Zigaretten pro Tag raucht. Außerdem besteht beim Beschwerdeführer eine Adipositas per magna, bei seiner persönlichen Untersuchung am 10.09.2020 wog er bei einer Größe von 181 cm 149 kg.
Es ist daher im Beschwerdefall zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen.
Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer belegten Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung im Rahmen einer neuerlichen Antragstellung beim Sozialministeriumservice – allerdings nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG - in Betracht kommt.
Was schließlich den Umstand betrifft, dass die belangte Behörde über den Antrag auf Ausstellung eines § 29 b StVO-Parkausweises nicht bescheidmäßig abgesprochen hat, so ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass diese Frage mangels Vorliegens eines bekämpfbaren Bescheides nicht verfahrensgegenständlich ist im gegenständlichen Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Die Fragen der Art und des Ausmaßes der Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurden unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W207.2236313.1.00Im RIS seit
05.01.2021Zuletzt aktualisiert am
05.01.2021