TE Vwgh Erkenntnis 1997/7/10 95/20/0472

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Veröffentlicht am 10.07.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/04 Sprengmittel Waffen Munition;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
WaffG 1986 §17;
WaffG 1986 §18;
WaffG 1986 §20 Abs1;
WaffG 1986 §6 Abs1 Z2;
WaffG 1986 §6 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde der Dr. P in X, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. Juni 1995, Zl. Wa-96/95, betreffend Entziehung des Waffenpasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion St.Pölten vom 12. Jänner 1995 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 des Waffengesetzes 1986, BGBl. Nr. 443 (WaffG), der von dieser Behörde am 11. März 1988 ausgestellte Waffenpaß entzogen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß die Bescheidadressatin binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides den Waffenpaß abzuliefern habe.

Der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. Juni 1995 keine Folge gegeben; der Bescheid erster Instanz wurde mit der Maßgabe bestätigt, daß der Ausspruch über die Verpflichtung zur Ablieferung des Waffenpasses zu entfallen habe.

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht hervor, daß die Beschwerdeführerin am 10. Dezember 1994 eine Anzeige erstattet habe, wonach ihr in S, M-Platz 4, im Trachtengeschäft "F" eine Lederhandtasche gestohlen worden sei, worin sich u.a. auch ihre Faustfeuerwaffe befunden habe. Anläßlich der Anzeigeerstattung habe die Beschwerdeführerin angegeben, mit ihrem Vater, welcher im Rollstuhl gesessen sei, im Geschäft nach hinten zu den Umkleidkabinen gefahren zu sein. Im Gang, welcher dort ca. 170 cm breit sei, habe sie ihrem Vater geholfen, seinen Mantel auszuziehen. Zu diesem Zwecke habe sie die Handtasche zwischen Verkaufsregal und Rollstuhl abgestellt und ein wenig mit dem Rollstuhl eingeklemmt. Während des Ausziehens hätten zwei Frauen an ihnen vorbeigewollt, dabei sei es zu einem kleinen Gedränge gekommen. Während die Frauen das Geschäft verlassen hätten, habe ihr Vater sie nach der Tasche gefragt, in diesem Moment habe sie das Fehlen der Tasche bemerkt.

In einer Stellungnahme vom 11. Jänner 1995 sei der Vorfall von der Beschwerdeführerin im wesentlichen in der gleichen Abfolge geschildert worden; zusätzlich habe die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß die Diebin, eine Frau, die zahlreiche Diebstähle begangen habe und mit einer ungewöhnlichen Raffinesse vorgegangen sei, Sekundenbruchteile ausgenützt habe, um die Tasche zu stehlen. Die Tasche habe sich durchaus in ihrer unmittelbaren Nähe und im Naheverhältnis zu ihr befunden; durch ihre Hilfeleistung an ihrem im Rollstuhl sitzenden, behinderten Vater sei die Tasche für Augenblicke nicht in ihrer Hand, wohl aber ganz nahe bei ihr zwischen Rollstuhl und Wand gewesen. Mit derartigen, an Artistik grenzenden Fähigkeiten einer Diebin habe sie ganz einfach nicht rechnen können und handle es sich hier um ein sicherlich einmaliges und außergewöhnliches Ereignis.

Auch in der Berufung sei der Vorfall durch die Beschwerdeführerin in der geschilderten Weise dargestellt worden.

Als Verdächtige des Diebstahls sei U ausgeforscht worden, die zu diesem Diebstahl gegenüber der Bundespolizeidirektion Salzburg angegeben habe, daß sie in der Stadt unterwegs gewesen sei und in das Geschäft "F" hineingeschaut habe. Im hinteren Bereich des Geschäftes habe sie einen Mann im Rollstuhl sitzen gesehen und neben ihm auf dem Boden eine braune Tasche. Sie sei in das Geschäft gegangen, und als sie niemand beobachtet habe, habe sie die Tasche genommen und das Geschäft verlassen. Neben dem Rollstuhlfahrer sei eine Frau gestanden, die sie und wahrscheinlich auch die Tasche gesehen, aber nichts gesagt habe.

In der von der Berufungsbehörde mit der Zeugin aufgenommenen Niederschrift vom 14. März 1995 habe diese zum Vorfall folgendes angegeben:

"Ich ging in das Trachtengeschäft hinein und sah bei den Ständern, wo die Dirndlkleider hängen einen Mann im Rollstuhl sitzen. Seine Pflegerin oder Frau stand ca. 1,5 m neben dem Rollstuhl und wurde gerade von einer Verkäuferin bedient. Die Tasche stand am Boden, in der Mitte zwischen Frau und Rollstuhl. Ich stellte mich dann zwischen die Frau und den Rollstuhl und hatte die Tasche direkt vor mir am Boden stehen. Dann nahm ich die Tasche, drehte mich um, sagte noch auf Wiedersehen und verließ das Geschäft. Hiezu möchte ich noch erwähnen, daß die Frau, welcher die Tasche gehörte, mir beim Diebstahl zusah und zu mir auch noch auf Wiedersehen sagte. Ich dachte bei mir, jetzt ist es aus, die Frau hat genau gesehen, wie ich die Tasche gestohlen habe. Ich konnte aber anstandslos das Geschäft verlassen."

Die Beschwerdeführerin, der diese Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht wurde, habe dazu ausgeführt, die Angaben, wonach sie den Diebstahl bemerkt und die Frau auch noch gegrüßt habe, seien völlig unrichtig und geradezu grotesk. Sie habe ihre Tasche zwischen dem Rollstuhl und der Wand fest eingeklemmt. Die Frau habe sich plötzlich, hastig und ohne Rücksicht auf einen kranken Menschen am Rollstuhl vorbeigedrängt. In der nächsten Sekunde hätten ihr Vater und sie nach der Tasche geschaut und sei diese weg gewesen.

Nach Wiedergabe der bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen verwies die belangte Behörde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei der Beurteilung der Verläßlichkeit einer Person ein strenger Maßstab anzulegen sei. Wie sich aus dem Vorfall vom 10. Dezember 1994 ergebe, habe die Beschwerdeführerin die objektiv gebotene Sorgfalt bei der Verwahrung von Waffen nicht eingehalten. Die Beschwerdeführerin habe eine Faustfeuerwaffe in ihrer Handtasche mitgeführt und diese Handtasche im Trachtengeschäft zumindest für einen kurzen Zeitraum auf dem Boden abgestellt. In dieser Lage habe die Handtasche samt der darin befindlichen Faustfeuerwaffe gestohlen werden können. Bei der Verwahrung von Waffen sei ein besonderes Maß an Sorgfalt geboten, damit in einem möglichst hohen Grad verhindert werde, daß sie in die Hände von Personen fallen, die zum Besitz oder Führen von Waffen nicht berechtigt seien. Das Verwahren einer Faustfeuerwaffe in einer Handtasche, die in einem Raum abgestellt werde, der auch von anderen Personen betreten werden könne oder in dem sich sogar andere Personen aufhielten, insbesondere ohne die Tasche ständig zu beaufsichtigen, entspreche nach objektiven Kriterien nicht dem Erfordernis einer sorgfältigen Verwahrung einer Faustfeuerwaffe.

Die Angaben der Beschwerdeführerin, die Tasche nur für Sekundenbruchteile zwischen dem Rollstuhl und der Wand eingeklemmt zu haben, erscheine angesichts ihrer Angaben bei der Anzeigeerstattung (Hilfeleistung beim Ausziehen des Mantels), der Angaben in ihrer Stellungnahme vom 11. Jänner 1995 (kurzfristig behilflich sein müssen) und den Angaben der Zeugin Urbanek zu diesem Vorfall nicht glaubwürdig. Es sei vielmehr davon auszugehen, daß die Tasche zumindest für einen kurzen Zeitraum abgestellt gewesen sei. Auch dem Umstand, daß die Tasche nach den Angaben der Beschwerdeführerin zwischen Rollstuhl und Wand eingeklemmt gewesen sei, komme keine wesentliche Bedeutung zu, da damit auch die Faustfeuerwaffe nicht wirksam gegen die Wegnahme durch dritte Personen geschützt worden sei. Im geschilderten Ablauf des Vorfalls werde darüber hinaus kein besonders raffiniertes Verhalten der Diebin erkannt, da das Verursachen eines Gedränges wohl keine solche besondere Raffinesse darstelle. Schließlich sei durch das sorgfaltswidrige Verhalten der Beschwerdeführerin eine Faustfeuerwaffe tatsächlich in die Hände einer Person gelangt, die zum Besitz von Waffen nicht berechtigt gewesen sei. Der weitere Verbleib der Waffe sei nach der Aktenlage überhaupt ungeklärt. Was schließlich die Angaben der Zeugin hinsichtlich des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin den Diebstahl bemerkt habe, betreffe, so messe dem die Berufungsbehörde keine Bedeutung zu. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Beschwerdeführerin dies tatsächlich bewußt wahrgenommen und nichts dagegen unternommen habe. Für ein solches Verhalten gebe es sonst keine Anhaltspunkte und könne insbesondere wegen der raschen Anzeigeerstattung und der von der Beschwerdeführerin aufgezeigten, an den Diebstahl anschließenden Unannehmlichkeiten ein solches Verhalten nicht unterstellt werden.

Aufgrund der festgestellten, nicht sorgfältigen Verwahrung der Faustfeuerwaffe durch die Beschwerdeführerin sei die waffenrechtliche Verläßlichkeit nicht mehr gegeben und daher die waffenrechtliche Urkunde zu entziehen gewesen. Auf die Ausführungen hinsichtlich des Weiterbestehens eines Bedarfes habe daher nicht eingegangen werden müssen, da das Vorliegen der waffenrechtlichen Verläßlichkeit eine unabdingbare Voraussetzung für die Erlaubnis zum Besitz und zum Führen einer Faustfeuerwaffe sei. Da sich die Verpflichtung zur Ablieferung der waffenrechtlichen Urkunde schon aus dem Waffengesetz selbst ergebe und nach der Aktenlage auch das waffenrechtliche Dokument gestohlen worden sei, habe es einer bescheidmäßigen Auferlegung dieser Verpflichtung nicht bedurft.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin stützt ihre Beschwerde darauf, daß sie im Gegensatz zu den Fällen, in denen eine Faustfeuerwaffe im Handschuhfach eines abgestellten, wenn auch versperrten Pkws zurückgelassen werde, die Faustfeuerwaffe in ihrem unmittelbaren Nahebereich gehabt habe. Die Aufbewahrung in der Handtasche stelle eine ordnungsgemäße und übliche Verwahrung dar. Das kurzzeitige Abstellen oder Einklemmen der Tasche könne daran überhaupt nichts ändern, da es auch möglich sei, daß eine umgehängte Tasche entrissen werde. Man werde nicht verlangen können, die Faustfeuerwaffe ständig in einem Tresor zu verwahren oder ständig mittels Holster verdeckt am Körper zu tragen, da solche Sicherungsmaßnahmen die zu fordernde Sorgfaltspflicht überspannen würden.

Die Beschwerdeführerin sei in ihrer Gesamtpersönlichkeit als äußerst verläßlich einzustufen, seit Ausstellung des Waffenpasses habe sie nicht den geringsten Anlaß zu Zweifeln gegen ihre waffenpolizeiliche Verläßlichkeit gegeben. Eine negative Verhaltensprognose bei nur einem einzigen Vorfall wäre aber nur dann gerechtfertigt, wenn aufgrund besonderes sorgloser und nachlässiger Umstände der Schluß auf leichtfertige und nicht ordnungsgemäße Verwahrung gezogen werden könne, was aber bei diesem Vorfall nicht gegeben sei. Es beruhe der Diebstahl der Tasche viel mehr auf einer Verkettung äußerst unglücklicher und unvorhersehbarer Umstände.

Im übrigen sei für den beabsichtigten Entzug des Waffenpasses eine Interessensabwägung und Würdigung konkreter Umstände dahingehend vorzunehmen, daß die Möglichkeit eines Diebstahles einer in ihrer unmittelbaren Nähe befindlichen Handtasche samt Waffe um vieles geringer zu bewerten sei, als die Gefahr, welcher die Beschwerdeführerin dadurch ausgesetzt werde, daß sie ohne Faustfeuerwaffe Patientenbesuche in abgelegenen Gebieten und milieubedingt gefährlichen Kreisen machen müsse.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 des Waffengesetzes 1986 hat die Behörde spätestens alle fünf Jahre die Verläßlichkeit des Inhabers eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte zu überprüfen. Ergibt sich hiebei oder aus anderem Anlaß, daß er nicht mehr verläßlich ist, so hat die Behörde diese Urkunden zu entziehen.

Gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. ist eine Person als verläßlich im Sinne dieses Bundesgesetzes anzusehen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie

1. Waffen nicht mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;

2. mit Waffen vorsichtig und sachgemäß umgehen und diese sorgfältig verwahren wird;

3. Waffen nicht an Personen überlassen wird, die zum Besitz von Waffen nicht berechtigt sind.

Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, daß angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des Waffengesetzes bei der Prüfung der Verläßlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. für viele andere das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1995, Zl. 95/20/0014, und die dort zitierte Vorjudikatur). Die Dauer der Innehabung des Waffenpasses und das in der Vergangenheit gesetzte Verhalten des Waffenpaßinhabers stellen keine geeigneten Kriterien dar, um die waffenrechtliche Verläßlichkeit annehmen zu können. Mit Entziehung der waffenrechtlichen Urkunde ist auch dann vorzugehen, wenn im Einzelfall ein nur einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertigt, der Urkundeninhaber gewährleiste nicht mehr das Zutreffen der im § 6 Abs. 1 WaffG genannten Voraussetzungen. Ist ein solcher Schluß aber zu ziehen, so hat die Behörde die ausgestellte Urkunde zu entziehen (vgl. hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1995, Zl. 94/20/0855).

Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerde keine Verfahrensmängel aufgezeigt, insbesondere nicht die Beweiswürdigung der belangten Behörde in Zweifel gezogen. Da auch der Verwaltungsgerichtshof keinen wesentlichen Verfahrensmangel zu erkennen vermag, hatte er den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen; letzterer ist derart, daß die Beschwerdeführerin eine Faustfeuerwaffe in ihrer Handtasche mit sich führte, diese für einen kurzen, über "Sekundenbruchteile" hinausgehenden Zeitraum in einem Trachtengeschäft auf dem Boden abstellte, um ihren im Rollstuhl sitzenden Vater behilflich zu sein, wobei die zwischen Rollstuhl und Wand eingeklemmte Handtasche in dieser Zeit von einer im Geschäftslokal befindlichen Diebin gestohlen werden konnte.

Gerät eine Waffe in Verlust, so ist es Sache des Berechtigten, eine konkreten Sachverhalt betreffend die Art und Weise des Umgangs bzw. der Verwahrung und den Vorgang, der zum Verlust der Waffe führte, darzutun. Die Beurteilung der im Einzelfall gewählten Verwahrungsart hängt dabei nur von objektiven Momenten ab. Ergibt sich aus dem Vorbringen des Berechtigten nicht, daß der Verlust der Waffe trotz sorgfältigen - d.h. insbesondere alle in der konkreten Situation zumutbaren Vorkehrungen gegen einen Verlust umfassenden - Umgangs bzw. sorgfältiger Verwahrung eingetreten ist, ist die Behörde schon aufgrund der Tatsache des Verlustes zur Annahme berechtigt, daß der Berechtigte die beim Umgang mit bzw. der Verwahrung von Waffen gebotene Sorgfalt nicht eingehalten habe (vgl. hg. Erkenntnisse vom 18. März 1993, Zl. 92/01/0234, Slg. Nr. 13.795/A sowie vom 29. November 1994, Zl. 94/20/0036 und vom 18. Dezember 1996, Zl. 95/20/0363).

Das Verwahren einer Faustfeuerwaffe in einer Handtasche, wobei diese für einen kurzen Zeitraum aus der Hand gegeben, auf den Boden gestellt und zwischen Rollstuhl und Wand eingeklemmt wurde, stellt aus objektiver Betrachtung keinen Umgang mit Waffen dar, der dieser Sorgfaltspflicht genügen würde bzw. als eine den konkreten Umständen nach angemessene Verwahrungsart angesehen werden könnte, zumal dadurch nicht gewährleistet ist, daß die Waffe nicht in die Hände unberufener Personen gelangt. Eine derartige Vorgangsweise in einem Verkaufszwecken dienenden Raum, der funktionsgemäß von anderen Personen - ohne jegliche Kontrolle - betreten und verlassen werden kann und in dem sich regelmäßig dritte Personen aufhalten, würde eine STÄNDIGE BEAUFSICHTIGUNG der Tasche notwendig machen. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Ablenkung durch andere, nicht außergewöhnliche Ereignisse (Hilfeleistung beim Mantelausziehen des im Rollstuhl sitzenden Vaters) vermag ihrem Standpunkt nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil damit zugestanden wurde, daß die Beschwerdeführerin in dieser Zeitspanne der Verwahrung ihrer Waffe nicht genügend Aufmerksamkeit (Sorgfalt) gewidmet hat. Die von ihr gegen den Verlust der Waffe getroffenen Vorkehrungen waren, wie der nicht unter außergewöhnlichen Umständen erfolgte Diebstahl zeigt, nicht geeignet, den Verlust der Waffe zu verhindern.

Im Gegensatz zu den Ausführungen in der Beschwerde erweist sich der von der belangten Behörde aus dem Verlust der Waffe und dem Umstand, daß der Diebstahl in einer Situation erfolgte, die eine besondere Sorgfaltspflicht erfordert hätte, gezogene Schluß, die Beschwerdeführerin habe nicht mit gebotener Sorgfalt gehandelt und es mangle ihr daher an der waffenrechtlichen Verläßlichkeit, nicht als rechtswidrig (vgl. das vorhin zitierte hg. Erkenntnis vom 18. März 1993).

Was schließlich die Interessenabwägung betrifft, die die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Gefährdung ihrer Person nach Entzug des Waffenpasses geltend macht, so ist ihr zu entgegnen, daß das Gesetz eine Berücksichtigung derartiger, offenbar unter dem Gesichtspunkt des Bedarfes zum Führen von Faustfeuerwaffen (als Voraussetzung der Ausstellung eines Waffenpasses) bedeutsame Umstände bei der Beurteilung der Verläßlichkeit einer Person nicht kennt. Ist der Schluß zu ziehen, daß der Inhaber einer waffenrechtlichen Urkunde nicht mehr die in § 6 Abs. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen gewährleistet, so hat die Behörde die ausgestellte waffenrechtliche Urkunde zu entziehen; für eine Ermessensentscheidung bleibt, wie aus § 20 Abs. 1 zweiter Satz WaffG deutlich hervorgeht, in einem solchen Fall kein Raum (vgl. u.a. hg. Erkenntnisse vom 9. September 1987, Zl. 87/01/0061, und vom 17. September 1986, Zl. 85/01/0085). Ist die Behörde aber zur Entziehung der Urkunde verpflichtet, bleibt auch für die Berücksichtigung des persönlichen Bedarfes für den Besitz oder das Führen einer Faustfeuerwaffe kein Platz.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995200472.X00

Im RIS seit

25.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

14.07.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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