TE Vwgh Erkenntnis 1997/7/10 97/07/0004

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Veröffentlicht am 10.07.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §8;
B-VG Art118 Abs2;
VwRallg;
WRG 1959 §102 Abs1 litd;
WRG 1959 §105;
WRG 1959 §13 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, über die Beschwerde

1.

der Gemeinde Ka, 2. der Gemeinde S, 3. der Gemeinde I und

4.

der Gemeinde G, alle vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 20. November 1996, Zl. 411.223/02-I 4/94, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: D AG in Wien, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 22. Oktober 1982 beantragte die mitbeteiligte Partei (mP) beim Landeshauptmann von Tirol (LH) die Wiederverleihung ihres mit 10. Februar 1992 befristeten Wasserbenutzungsrechtes zum Betrieb des Wasserkraftwerkes W.

Mit Kundmachung vom 24. September 1990 beraumte der LH für

20. und 21. November 1990 eine mündliche Verhandlung an.

Mit einem am 15. November 1990 beim LH eingelangten Schriftsatz vom 9. November 1990 erhoben die beschwerdeführenden Parteien Einwendungen. Sie führten aus, die mP habe bereits Einwände vorgebracht bzw. Forderungen geltend gemacht, als ihr zu Ohren gekommen sei, daß die Wintersport Ka Gesellschaft m.b.H. & Co. KG um die Bewilligung für eine kleine Beschneiungsanlage im D-Gebiet (Einzugsgebiet der T) angesucht habe. Dabei würden nur geringe Wassermengen abgeleitet. Beschneiungsanlagen seien aber in schneearmen Wintern für den Wintertourismus von großer Bedeutung und deshalb von nicht unerheblichem öffentlichem Interesse. Es werde deshalb beantragt, dem Antrag der mP (um Wiederverleihung des Wasserbenutzungsrechtes) in dieser Form nicht stattzugeben. Bei einer Wiederverleihung ersuchten die beschwerdeführenden Parteien, daß dies nur in der Form geschehe, daß eine Restwassermenge entsprechenden Ausmaßes im Gf sichergestellt werde und daß eine finanzielle Abgeltung für die eingetretenen "unmeßbaren Schäden" erfolge. Außerdem müsse sichergestellt werden, daß die mP keine Einwendungen gegen die Ableitung von Wasser für Beschneiungsanlagen und andere im öffentlichen Interesse der beschwerdeführenden Parteien liegenden Vorhaben erheben dürfe.

Mit des LH vom 7. Februar 1992 wurde der mP das Wasserbenutzungsrecht für das Wasserkraftwerk W wiederverliehen (Spruchabschnitt I).

Den Einwendungen der beschwerdeführenden Parteien "wegen Wasservorbehaltes für Beschneiungsanlagen" wurde keine Folge gegeben (Spruchabschnitt VI/2).

Die beschwerdeführenden Parteien beriefen. Sie brachten unter näherer Darlegung ihrer Auffassung vor, bei Beachtung ihrer Argumente hätte die Wasserrechtsbehörde erster Instanz zu dem Ergebnis kommen müssen, daß die Erzeugung von Kunstschnee zur Förderung der heimischen Fremdenverkehrswirtschaft und einer ganzen Region wesentlich höher einzuschätzen und zu bewerten sei als das Interesse der mP. Sie beantragten, den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend abzuändern, daß zu ihren Gunsten das Maß der Wasserbenutzung derart eingeschränkt werde, daß die beschwerdeführenden Parteien dieses Wasser für Beschneiungszwecke verwenden könnten.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 20. November 1996 wies die belangte Behörde die Berufungen der beschwerdeführenden Parteien ab (Spruchabschnitt I).

In der Begründung heißt es, die belangte Behörde habe sich vorerst damit auseinanderzusetzen gehabt, ob den beschwerdeführenden Parteien im erstinstanzlichen Verfahren Parteistellung zugekommen sei. Die beschwerdeführenden Parteien hätten weder in der Wiederverleihungsverhandlung noch in ihrer Berufungsbegründung eine potentielle Beeinträchtigung ihrer Trinkwasserversorgung geltend gemacht, noch sei vorgebracht worden, daß durch die Wiederverleihung des Wasserbenutzungsrechts das für die Abwendung von Feuersgefahren und für die Zwecke des Haus- und Wirtschaftsbedarfes ihrer Bewohner erforderliche Wasser entzogen werde. Auch aus dem verfahrensgegenständlichen Projekt und den Ergebnissen des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens sei eine Berührung dieser subjektiv-öffentlichen Rechte der beschwerdeführenden Parteien nicht erkennbar. Eine Parteistellung derselben könnte sich daher grundsätzlich nur darauf gründen, daß ihnen durch das Vorhaben der mP das für sonstige öffentliche Zwecke erforderliche Wasser entzogen werde. Es sei daher zu prüfen, ob der von den beschwerdeführenden Parteien geforderte Wasservorbehalt für ihre Beschneiungsanlagen einen Zweck zum Gegenstand habe, der unter die sonstigen öffentlichen Zwecke im Sinne des § 13 Abs. 3 WRG 1959 zu subsumieren sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 9. Februar 1961, Slg. N.F. 5.496/A, ausgesprochen, daß unter solchen öffentlichen Zwecken nur eine im öffentlichen Interesse, also im Interesse des Gemeinwesens als solchem stehende Verwendung von Wasser und nicht eine Verwendung verstanden werden könne, die jedermann unter der Voraussetzung erlaubt sei, daß dadurch insbesondere fremde Rechte und öffentliche Interessen nicht verletzt würden, eine Verwendung, die mithin an sich nicht im öffentlichen Interesse stehe. Bei diesem sonstigen öffentlichen Bedarf handle es sich demnach um einen notwendigen und zur Befriedigung von Aufgaben dienenden Bedarf, deren Besorgung den Gemeinden nach der Gemeindeordnung obliege und sohin in den typischen Aufgabenbereich einer Gemeinde falle. In Betracht käme hiebei der Bedarf für öffentliche Trinkwasserversorgungsanlagen, öffentliche Kanalanlagen und die notwendige Nutzwasserversorgung. Die Wasserversorgung für Nutzwasseranlagen wie öffentliche Springbrunnen oder eben Beschneiungsanlagen könne jedoch nicht als Verwendung von Wasser im notwendigen Interesse des Gemeinwesens betrachtet werden, weshalb dieser Wasserbedarf nicht unter den Begriff "Bedarf für sonstige öffentliche Zwecke" subsumiert werden könne. Den Beschwerdeführern sei daher im Wiederverleihungsverfahren keine Parteistellung zugekommen. Ungeachtet der mangelnden Parteistellung sei aber zum Berufungsvorbringen anzumerken, daß der von den beschwerdeführenden Parteien verfolgte Zweck bestenfalls gleichwertig mit dem Zweck der Wasserkraftanlage sei, daß aber die vom Gesetz geforderte Höherwertigkeit des Fremdenverkehrs gegenüber der Wasserkraft und Industrienutzung keinesfalls erkannt werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, daß zu ihren Gunsten das Maß der Wasserbenutzung gemäß § 13 WRG 1959 durch einen Vorbehalt derart einzuschränken sei, daß sie dieses Wasser für Beschneiungszwecke verwenden könnten. Sie bringen dazu im wesentlich vor, die Verwendung von Wasser für die Beschneiungsanlagen sei für den Fremdenverkehr von überragender Bedeutung und liege daher im öffentlichen Interesse. Die belangte Behörde habe auch außer Acht gelassen, daß die Aufgaben der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich im Art. 118 Abs. 2 B-VG in Form einer Generalklausel umschrieben seien. Dies bedeute in den letzten Jahrzehnten ein stetiges Ansteigen der von den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zu regelnden Materien. In diesem Zusammenhang werde auch von einer "dynamischen" Umschreibung des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde gesprochen. Gerade in Anbetracht dieses Umstandes hätte die belangte Behörde bei richtiger Würdigung der Kompetenzen von Tiroler Fremdenverkehrsgemeinden erkennen müssen, daß die Wasserbenutzung für Beschneiungsanlagen im ureigensten Interesse bzw. im öffentlichen Interesse liege. Dieser Wasserbedarf sei demnach ein öffentlicher und vor allem auch notwendiger Bedarf zur Befriedigung und Besorgung gemeindeautonomer Interessen und falle sohin in den typischen Aufgabenbereich der beschwerdeführenden Parteien.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mP hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 102 Abs. 1 lit. d WRG 1959 sind Parteien Gemeinden im Verfahren nach § 111a, sonst nur zur Wahrung des ihnen nach § 13 Abs. 3 und § 31c Abs. 3 zustehenden Anspruches.

Nach § 13 Abs. 3 WRG 1959 dürfen das Maß und die Art der Wasserbenutzung keinesfalls so weit gehen, daß Gemeinden, Ortschaften oder einzelnen Ansiedlungen das für die Abwendung von Feuersgefahren, für sonstige öffentliche Zwecke oder für Zwecke des Haus- und Wirtschaftsbedarfes ihrer Bewohner erforderliche Wasser entzogen wird.

Von den im § 13 Abs. 3 WRG 1959 angeführten Tatbeständen kommt im Beschwerdefall nur jener der "sonstigen öffentlichen Zwecke" in Betracht.

Die beschwerdeführenden Parteien versuchen in der Beschwerde darzutun, daß die Verwendung von Wasser für den Einsatz von Beschneiungsanlagen dem Fremdenverkehr dient und damit im öffentlichen Interesse gelegen ist. Das reicht aber auch zutreffendenfalls nicht aus, um ihrer Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

§ 13 Abs. 3 WRG 1959 spricht - anders als § 105 leg. cit. - nicht von öffentlichen Interessen, sondern von öffentlichen Zwecken. Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ist dort, wo sich der Gesetzgeber in einer als legistische Einheit anzusehenden Vorschrift unterschiedlicher Ausdrücke bedient, grundsätzlich davon auszugehen, daß diese unterschiedlichen Ausdrücke nicht dasselbe bedeuten (vgl. die bei Potacs, Auslegung im öffentlichen Recht, 85 und 91, angeführte Rechtsprechung). Der Begriff "öffentliche Zwecke" kann daher nicht - wie dies die beschwerdeführenden Parteien tun - mit dem Begriff des öffentlichen Interesses gleichgesetzt werden. Daraus folgt, daß aus dem Vorliegen eines öffentlichen Interesses für eine bestimmte Wasserverwendung noch nicht darauf geschlossen werden kann, daß diese Wasserverwendung auch eine solche für öffentliche Zwecke darstellt. Eine Wasserverwendung für öffentliche Zwecke erfordert zwar, daß es sich um eine im öffentlichen Interesse, also im Interesse des Gemeinwesens als solchen stehende Verwendung von Wasser handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1961, Slg. N.F. 5.496/1961); die im § 13 Abs. 3 WRG 1959 angesprochenen öffentlichen Zwecke sind aber nicht dasselbe wie die öffentliche Interessen des § 105 leg. cit. (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1988, 83/07/0204). Das öffentliche Interesse ist zwar eine notwendige, aber keine ausreichende Bedingung für eine Einordnung einer Wasserverwendung unter den Begriff der "öffentlichen Zwecke".

Aus dem Wort "Zweck" ist zu folgern, daß es sich um Wasserverwendungen handeln muß, die nicht nur die von der Gemeinde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen berühren, sondern die in einem noch engeren Zusammenhang zur Gemeinde stehen. Dieser Zusammenhang besteht dann, wenn es sich um eine Wasserverwendung für Aufgaben handelt, deren Besorgung der Gemeinde obliegt (vgl. in diesem Sinne auch Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, 77, demzufolge es sich bei dem sonstigen öffentlichen Bedarf um den Bedarf zur Befriedigung von Aufgaben handelt, deren Besorgung den Gemeinden nach der Gemeindeordnung obliegt. Dem ist mit der Einschränkung zuzustimmen, daß sich eine Obliegenheit der Gemeinde zur Besorgung einer Aufgabe nicht nur aus der Gemeindeordnung ergeben kann).

Es ist der Gemeinde zwar nicht verwehrt, Wasser für Beschneiungsanlagen zur Verfügung zu stellen oder Beschneiungsanlagen selbst zu betreiben; zu den einer Gemeinde obliegenden Aufgaben etwa im Sinne eines gesetzlichen Versorgungsauftrages gehört derlei aber nicht. Die belangte Behörde hat daher zu Recht der Berufung der beschwerdeführenden Parteien keinen Erfolg zuerkannt.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997070004.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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