TE Vwgh Beschluss 2020/12/2 Ra 2020/22/0183

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Veröffentlicht am 02.12.2020
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E19104000
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht
72/01 Hochschulorganisation

Norm

B-VG Art133 Abs4
EURallg
NAG 2005 §64 Abs2
NAGDV 2005 §8 Z8 litb
UniversitätsG 2002 §74 Abs6
VwGG §34 Abs1
32016L0801 Studenten-RL Art18
32016L0801 Studenten-RL Art18 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des B R, vertreten durch Dr. Alois Eichinger, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 8. Juli 2020, VGW-151/089/7755/2020-2, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die Beschwerde des Revisionswerbers, eines russischen Staatsangehörigen, gegen den abweisenden Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (Behörde) betreffend einen Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels als Student gemäß § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

In seiner Begründung verwies das VwG darauf, dass der Revisionswerber im relevanten Studienjahr 2018/2019 lediglich Prüfungen im Ausmaß von sechs ECTS-Punkten abgelegt und somit keinen ausreichenden Studienerfolg nachgewiesen habe. Dass der Revisionswerber seit Oktober 2019 an einem Erweiterungsstudium teilnehme und im Rahmen dessen zwischen 12.10.2019 und 4.6.2020 neun Prüfungen im Ausmaß von 30 ECTS-Punkten abgelegt habe, sei nicht geeignet, einen ausreichenden Studienerfolg für das entscheidungsrelevante Studienjahr 2018/2019 (1.10.2018 - 30.9.2019) nachzuweisen. Gründe im Sinn des § 64 Abs. 2 NAG habe der Revisionswerber nicht vorgebracht.

5        In der Zulässigkeitsbegründung wird zusammengefasst vorgebracht, § 8 Z 8 lit. b Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - Durchführungsverordnung (NAG-DV) iVm § 74 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002 (UG), wonach mit einem Antrag auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels für Studenten auch ein Studienerfolgsnachweis für das vorangegangene Studienjahr vorzulegen sei, sei im Lichte der Art. 21 Abs. 2 lit. f iVm Art. 18 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit dahin gehend auszulegen, dass ein nicht ausreichender Studienfortschritt nur als Überschreitung einer Höchststudiendauer verstanden werden könne. Der Studienerfolg zwischen dem Abschluss des letzten Studienjahres und der Entscheidung des VwG müsse berücksichtigt werden, anderenfalls wäre der Auftrag, ein aktuelles Studienblatt und eine Studienbestätigung vorzulegen, überflüssig und unnötig.

6        Gemäß Art. 21 Abs. 2 lit. f der Richtlinie 2016/801 können Mitgliedstaaten unter anderem die Verlängerung von Aufenthaltstiteln für Studenten ablehnen, wenn diese keine ausreichenden Studienfortschritte nach Maßgabe des nationalen Rechts oder der nationalen Verwaltungspraxis machen. Im österreichischen Recht (§ 8 Z 8 lit. b NAG-DV iVm § 74 Abs. 6 UG) ist ein ausreichender Studienfortschritt durch einen Studienerfolgsnachweis für das vorangegangene Studienjahr im Ausmaß von 16 ECTS-Anrechnungspunkten nachzuweisen (vgl. dazu etwa VwGH 3.6.2020, Ra 2020/22/0047, Rn. 6, mwN: für die Beurteilung des Studienerfolgs kommt es ausschließlich auf das vorangegangene, im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt bereits abgeschlossene und nicht auf das aktuell laufende Studienjahr an; 19.4.2016, Ro 2015/22/0004, Rn. 10, mwN: Gegen die Heranziehung des Studienerfolgs im aktuell laufenden Jahr und ein damit verbundenes Hinwegsehen über den fehlenden Studienerfolg im zuletzt abgelaufenen Studienjahr spricht, dass mit jedem Verlängerungsantrag und somit grundsätzlich jährlich der Studienerfolg für das jeweils vorausgegangene Studienjahr nachzuweisen ist).

Daran vermag - entgegen der vom Revisionswerber vertretenen Auffassung - Art. 18 Abs. 3 der Richtlinie 2016/801 nichts zu ändern. Dieser Artikel regelt die Gültigkeitsdauer von Aufenthaltstiteln; nach dessen Abs. 3 können Mitgliedstaaten festlegen, dass die gesamte Aufenthaltsdauer zu Studienzwecken auf die Höchststudiendauer nach nationalem Recht beschränkt ist. Diese Bestimmung steht in keinem Zusammenhang mit dem Nachweis eines ausreichenden Studienfortschrittes nach Maßgabe des nationalen Rechts oder der nationalen Verwaltungspraxis (vgl. zum Fehlen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bei klarer Rechtslage etwa VwGH 18.9.2020, Ra 2020/06/0108, Rn. 13, mwN).

7        Da sich der Verlängerungsantrag auf den künftigen Aufenthalt des Revisionswerbers als Student bezieht, ist dafür - durch Vorlage eines aktuellen Studienblattes und einer Studienbestätigung - auch nachzuweisen, dass er weiterhin immatrikuliert ist. Daraus lässt sich jedoch nicht der Schluss ziehen, dass auch die im laufenden Studienjahr abgelegten Prüfungen als Nachweis für einen ausreichenden Studienerfolg zu berücksichtigen wären.

8        In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

9        Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den - im Übrigen gänzlich unbegründeten - Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 2. Dezember 2020

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020220183.L00

Im RIS seit

26.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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