TE Vwgh Erkenntnis 2020/12/3 Ra 2020/19/0275

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Veröffentlicht am 03.12.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §62 Abs4
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth und den Hofrat Dr. Pürgy sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Juni 2020, Zl. W189 2231040-1/6E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Partei: A M S in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtwidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1        Der Mitbeteiligte ist russischer Staatsangehöriger und wurde am 2. März 2004 in Österreich geboren. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. Februar 2008 wurde ihm im zweiten Rechtsgang durch Asylerstreckung internationaler Schutz gewährt.

2        Mit Urteil vom 13. Jänner 2020 des Landesgerichts für Strafsachen Wien wurde die mitbeteiligte Partei wegen zweifacher Begehung des Verbrechens des Raubes gemäß §§ 142 Abs. 1 und 2 sowie gemäß § 142 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt.

3        Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 5. April 2020 erfolgte eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten und die Feststellung des Verlusts der Flüchtlingseigenschaft sowie die Nicht-Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. Ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung in die Russische Föderation festgestellt, eine 14-tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise festgelegt und ein fünfjähriges Einreiseverbot erlassen.

4        Das BFA stützte die Aberkennung des Status des Asylberechtigten im Spruch des Bescheides auf § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005. In der Bescheidbegründung führte das BFA aus, der Mitbeteiligte habe Asyl durch Erstreckung aufgrund der Asylgewährung an seinen Vater zuerkannt bekommen. Dem Vater des Mitbeteiligten sei mit Bescheid des BFA vom selben Tag der Status des Asylberechtigten aberkannt worden. Es sei zu einer maßgeblichen und nachhaltigen Änderung der Lage im Herkunftsstaat des Mitbeteiligten gekommen.

5        Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

6        Das BVwG gab der Beschwerde des Mitbeteiligten statt und hob den Bescheid ersatzlos auf. Begründend führte es aus, dass dieser wegen eines unauflösbaren Widerspruchs zwischen Spruch und Begründung inhaltlich rechtswidrig sei. Einerseits habe das BFA die Aberkennung des Status des Asylberechtigten im Bescheidspruch auf § 7 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 gestützt, andererseits nenne es in der Bescheidbegründung den Endigungstatbestand des Art 1 Abschnitt C Z 5 GFK (Vorliegen einer maßgeblichen und dauerhaften Änderung der Lage im Herkunftsstaat), der wiederum auf den § 7 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 verweise und verneine das Vorliegen eines „besonders schweren Verbrechens“ gemäß § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 2005.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es geprüft habe, ob der offenbar versehentlich angeführte Tatbestand des § 7 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 erfüllt sei, obwohl sich die gesamte Begründung des Bescheids auf den eigentlich anwendbaren § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 bezogen habe. Es liege ein berichtigungsfähiger Schreibfehler iSd § 64 Abs. 4 AVG vor, weshalb der Spruch berichtigend zu verstehen sei und sich das BVwG mit dem Wegfall der Umstände gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art 1 Abschnitt C Z 5 GFK auseinandersetzen hätte müssen.

8        In einem Beschwerdeverfahren gegen die Aberkennung von internationalem Schutz müsse das BVwG, wenn es die Anwendbarkeit eines Aberkennungstatbestandes verneine, auch prüfen, ob ein anderer Aberkennungstatbestand erfüllt sei. Das BVwG weiche auch insofern von der Judikatur ab, als es in der Sache entscheiden und den vom BFA im Spruch herangezogenen Tatbestand durch den im Revisionsfall tatsächlich heranzuziehenden ersetzen hätte müssen.

9        Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

10       Die Revision ist zulässig und begründet.

11       Die Anwendung des § 62 Abs. 4 AVG setzt einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe voraus, dass eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie deren Offenkundigkeit gegeben ist. Die Berichtigung ist auf jene Fälle der Fehlerhaftigkeit eingeschränkt, in denen die Unrichtigkeit eine offenkundige ist, wobei es allerdings ausreichend ist, wenn die Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit des Bescheides hätten erkennen können und die Unrichtigkeit ferner von der Behörde - bei entsprechender Aufmerksamkeit - bereits bei der Erlassung des Bescheides hätte vermieden werden können. Bei der Beurteilung einer Unrichtigkeit als offenkundig im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG kommt es letztlich auf den Inhalt der übrigen Bescheidteile (zB Begründung) bzw. auf den Akteninhalt an (vgl. VwGH 28.1.2019, Ra 2018/01/0428, mwN).

12       Handelt es sich um offenbar auf Versehen beruhende Unrichtigkeiten, die nach § 62 Abs. 4 AVG jederzeit hätten berichtigt werden können, ist die Entscheidung auch vor einer Berichtigung bereits in der entsprechenden richtigen Fassung zu lesen (vgl. etwa VwGH 29.4.2019, Ro 2018/20/0013).

13       Diese Rechtsprechung hat das BVwG im Revisionsfall nicht beachtet:

14       Aus der Begründung des Bescheides des BFA geht ohne jeden Zweifel hervor, dass es die Aberkennung des Status des Asylberechtigten auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 stützen wollte, weil es zu einem Wegfall der Umstände, die seinerzeit zu einer Asylgewährung an den Vater des Mitbeteiligten und - durch Asylerstreckung - an den Mitbeteiligten geführt habe, gekommen sei. Das BFA führt in dem Bescheid sogar ausdrücklich aus, dass es auch in Erwägung gezogen hatte, zusätzlich den Aberkennungstatbestand des § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 heranzuziehen, weil von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt werde, dass ein Raub als „besonders schweres Verbrechen“ zu werten sei, wobei fallbezogen hiervon angesichts der verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten Abstand genommen wurde.

15       Bei der Anführung der Z 1 (des § 7 Abs. 1 AsylG 2005) im Spruch des Bescheides handelt es sich daher - wie von der Amtsrevision vorgebracht - um eine offenbar auf Versehen beruhende Unrichtigkeit, welche gemäß § 62 Abs. 4 AVG jederzeit hätte berichtigt werden können. Daher wäre der Spruch in der entsprechenden richtigen Fassung zu lesen gewesen.

16       Das BVwG hat dies verkannt und den Bescheid des BFA behoben. Bereits damit hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

17       Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 3. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190275.L00

Im RIS seit

02.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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