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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A S, vertreten durch Rast & Musliu, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 2020, W159 2191699-1/16E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 4. April 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit Angst vor dem Krieg zwischen der Miliz Al Shabaab und der Regierung begründete. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gab er an, aufgrund einer versuchten Zwangsrekrutierung durch die Al Shabaab geflüchtet zu sein.
2 Mit Bescheid vom 3. März 2018 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Somalia fest und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Das BVwG stellte insbesondere fest, dass der Revisionswerber in Somalia weder von staatlichen Behörden, noch von bewaffneten Organisationen wie der Al Shabaab verfolgt wurde. Die behauptete Verfolgungsgefahr durch die Al Shabaab sei daher nicht glaubhaft.
5 Die vorliegende außerordentliche Revision rügt im Vorbringen zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen die Beweiswürdigung des BVwG, bringt vor, dass das BVwG Recherchen vor Ort zur Überprüfung der Aussagen des Revisionswerbers hätte durchführen müssen, und wendet sich gegen die Interessenabwägung im Rahmen der Rückkehrentscheidung.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Das BVwG stützte die Annahme der Unglaubhaftigkeit der behaupteten Probleme des Revisionswerbers mit der Al Shabaab beweiswürdigend auf zahlreiche im Einzelnen angeführte Widersprüche seines Vorbringens vor dem BFA einerseits und während der Verhandlung vor dem BVwG andererseits, etwa darauf, dass der Revisionswerber in der Verhandlung als Fluchtgrund nannte, dass er von einem geplanten Anschlag der Al Shabaab gehört, diesen bei der Polizei gemeldet und daher Probleme mit der Al Shabaab bekommen habe. Die - in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA als einzigen Fluchtgrund vorgebrachte - Zwangsrekrutierung erwähnte er hingegen lediglich auf konkretes Nachfragen des erkennenden Richters und machte diesbezüglich äußerst vage Angaben. Das Revisionsvorbringen, die vom BVwG als entscheidungswesentlich eingestuften Abweichungen in den Erzählungen des Revisionswerbers seien in einer Gesamtschau marginal, trifft somit nicht zu und vermag eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung (vgl. etwa VwGH 23.10.2020, Ra 2020/18/0404, mwN) nicht aufzuzeigen.
11 Soweit die Revision geltend macht, dem BVwG wäre es „zuzumuten“ gewesen, mit Recherchen vor Ort, etwa durch einen Vertrauensanwalt, die Angaben des Revisionswerbers betreffend die Rekrutierungsversuche durch die Al Shabaab zu überprüfen, ist festzuhalten, dass ein darauf gerichteter Beweisantrag nicht gestellt wurde. Die Frage, ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar (vgl. VwGH 18.2.2020, Ra 2020/18/0025, mwN). Die Revision zeigt mit ihren pauschalen Ausführungen, wonach das BVwG bei Betreiben der gebotenen Nachforschungen zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass das Vorbringen des Revisionswerbers „durchaus glaubwürdig“ sei, nicht konkret auf, dass weitere amtswegige Ermittlungen fallbezogen „erforderlich“ im Sinne des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 gewesen wären (vgl. dazu VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100, 0101, Rn. 11).
12 Was die Beanstandung der Rückkehrentscheidung betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie, wie vorliegend der Fall, auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt ist und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 11.9.2020, Ra 2020/18/0306, mwN).
13 Im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigte das BVwG die Dauer des Aufenthalts des Revisionswerbers in Österreich von über vier Jahren sowie seine Bemühungen um Integration, den Besuch von Deutschkursen sowie seine gemeinnützigen Tätigkeiten und stellte den privaten Interessen des Revisionswerbers am Verbleib in Österreich die dagegen sprechenden öffentlichen Interessen gegenüber. Dabei kam das BVwG zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und an der Einhaltung der aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen gegenüber den persönlichen Interessen des Revisionswerbers überwöge. Dass diese Interessenabwägung unvertretbar wäre, zeigt die Revision nicht auf.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 9. Dezember 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180466.L00Im RIS seit
11.01.2021Zuletzt aktualisiert am
11.01.2021