TE Vwgh Beschluss 2020/12/9 Ra 2020/18/0449

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.12.2020
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des S K, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2020, W255 2132396-2/15E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger aus der Provinz Nangarhar, stellte am 4. März 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2        Mit Erkenntnis vom 21. Oktober 2016 erkannte ihm das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Beschwerdeverfahren den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung, die mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 12. Oktober 2017 einmalig bis 21. Oktober 2019 verlängert wurde (die Nichterteilung des Status eines Asylberechtigten wurde bereits infolge Zurückziehung der Beschwerde gegen den diesbezüglichen Spruchpunkt des Bescheides des BFA rechtskräftig).

3        Im August 2018 leitete das BFA amtswegig ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ein.

4        Mit Bescheid vom 8. Oktober 2018 erkannte das BFA dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, entzog ihm unter einem die befristete Aufenthaltsberechtigung, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ eine Rückkehrentscheidung gegen ihn, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

5        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab. Das BVwG erklärte die Revision gemäß § 25a VwGG für nicht zulässig.

6        Begründend hielt das BVwG zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zusammengefasst fest, der Revisionswerber habe zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Schutzstatus und bei der letztmaligen Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung über keine Schul- oder Berufsausbildung verfügt und bloß marginale Berufserfahrung von einigen wenigen Wochen für die Ausführung von Hilfstätigkeiten in Afghanistan vorweisen können. Zudem sei der Revisionswerber nicht in aufrechtem Kontakt zu seiner Kernfamilie gestanden. In einer Gesamtschau sei es nunmehr zu einer nachhaltigen und maßgeblichen Verbesserung der subjektiven bzw. persönlichen Situation des Revisionswerbers gekommen. Er habe in Österreich bereits zwei Jahre Berufserfahrung als Bauarbeiter, in der Gastronomie und als Produktionshelfer gesammelt und stehe (wieder) in Kontakt mit seinem Vater, seinen Geschwistern und seinem Onkel, wobei er auch deren Aufenthaltsort kenne. Diese Familienangehörigen könnten ihn im Falle seiner Rückkehr (auch finanziell) unterstützen. Hervorzuheben sei außerdem, dass der Revisionswerber aufgrund seiner Erwerbstätigkeit bereits über Ersparnisse in der Höhe von etwa EUR 10.000,-- bis 15.000,-- verfüge. Auch der Gesundheitszustand des Revisionswerbers, der zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen seiner chronischen Hepatitis-B-Erkrankung in Behandlung gestanden sei, habe sich wesentlich und nachhaltig gebessert. Derzeit benötige der Revisionswerber keine Behandlung. Der Revisionswerber könne zwar nicht in seine Herkunftsregion Nangarhar zurückkehren, da ihm dort ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit drohe, allerdings stehe ihm unter näherer Begründung die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung.

7        Zur Rückkehrentscheidung nahm das BVwG eine Abwägung der für und gegen den Verbleib des Revisionswerbers in Österreich sprechenden Umstände nach Art. 8 Abs. 2 EMRK vor und kam zu dem Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers überwögen.

8        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die in der Zulassungsbegründung zusammengefasst vorbringt, das BVwG habe die Beurteilung der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht nach den vom Verwaltungsgerichtshof geforderten Kriterien vorgenommen. Zudem wendet sich die Revision gegen die der Rückkehrentscheidung zu Grunde liegende Interessenabwägung und führt dazu ins Treffen, das BVwG habe sich in seinen Erwägungen von den Leitlinien der hg. Judikatur entfernt.

9        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Insoweit die Revision vorbringt, das BVwG habe die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten fehlerhaft und nicht nach den hg. Leitlinien vorgenommen, ist Folgendes zu entgegnen:

14       Die Heranziehung des Tatbestands des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 wie im vorliegenden Fall setzt voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat. Nicht jede Änderung des Sachverhalts rechtfertigt allerdings die Aberkennung des subsidiären Schutzes. Eine maßgebliche Änderung liegt unter Bedachtnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) vielmehr nur dann vor, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht (vgl. VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0381, mwN).

15       Es ist Aufgabe der Behörde - sofern im Folgenden keine anderslautenden Aussagen erfolgen, gelten die auf die Behörde bezogenen Ausführungen auch für eine im Beschwerdeverfahren getroffene Entscheidung des Verwaltungsgerichtes - offen zu legen, weshalb sie davon ausgeht, dass die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorliegen (vgl. VwGH 29.1.2020, Ro 2019/18/0002, mwN).

16       Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich dabei auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153).

17       Der Revision gelingt es nicht aufzuzeigen, dass das BVwG, das die Änderung der Umstände fallgegenständlich auf die Erlangung von maßgeblicher und mehrjähriger Berufserfahrung durch den Revisionswerber, den wiedergewonnenen Kontakt zu Familienangehörigen und die während der unselbständigen Tätigkeit gewonnenen Ersparnisse stützte, von den hg. Leitlinien abgewichen wäre. Es trifft auch - entgegen dem Revisionsvorbringen - nicht zu, dass das BVwG sich lediglich auf Sachverhaltselemente gestützt hat, die sich seit der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung nicht geändert hätten. Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des BVwG begann der Revisionswerber seine Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet im Jahr 2018 und resultieren auch seine Ersparnisse aus diesem Einkommen (vgl. zur „umfassenden Betrachtung“ der Sachverhaltsänderungen wiederum VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, Rn 102).

18       Wenn die Revision in diesem Zusammenhang auch die mangelnde Berücksichtigung der Richtlinien des UNHCR beanstandet, so ist ihr zu entgegnen, dass das BVwG die Richtlinien in der gebotenen Weise herangezogen und seinen Erwägungen zu Grunde gelegt hat.

19       Sofern sich die Revision gegen die Rückkehrentscheidung wendet, ist festzuhalten, dass sich das BVwG im Rahmen seiner durchgeführten Interessenabwägung mit allen entscheidungswesentlichen Umständen auseinandergesetzt hat. Dabei wurden die Aufenthaltsdauer von mehr als fünf Jahren im Inland, die mehrere Jahre andauernde unselbständige Beschäftigung, diesbezügliche Empfehlungsschreiben des Arbeitgebers, der Besuch von Kursen sowie bestehende Bekanntschaften des Revisionswerbers berücksichtigt. Allerdings stellte das BVwG diesen Aspekten gegenüber, dass der Revisionswerber nur sehr geringe Deutschkenntnisse aufweise, sowie dass er einer Empfehlung des ÖIF, Integrationsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen, nicht nachgekommen sei und über keine Familienangehörigen und keinen engen Freundeskreis im Inland verfüge. In diesem Zusammenhang hob es auch die hohen öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen hervor und kam zu dem Ergebnis, dass diese öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber den Interessen des Revisionswerbers überwögen. Dass diese Erwägungen an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leiden würden, vermag die Revision nicht darzulegen (zum diesbezüglichen Prüfkalkül des Verwaltungsgerichtshofes vgl. VwGH 8.1.2020, Ra 2019/18/0329, mwN).

20       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180449.L00

Im RIS seit

08.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten