TE Vwgh Beschluss 2020/12/11 Ra 2019/04/0041

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Veröffentlicht am 11.12.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
97 Öffentliches Auftragswesen

Norm

BVergG 2006 §129 Abs1
BVergG 2006 §325
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa-Janovsky, über die Revision der Bietergemeinschaft bestehend aus 1.) der H GmbH Niederlassung Austria, und 2.) der I Gesellschaft m.b.H., vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Jänner 2019, Zl. W138 2210940-1/23E, und den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Februar 2019, Zl. W138 2210940-2/4E, betreffend jeweils vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei: A Aktiengesellschaft, ), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Aus dem angefochtenen Erkenntnis ergibt sich folgender unstrittiger Sachverhalt:

Die mitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) führte ein Vergabeverfahren betreffend einen Bauauftrag im Oberschwellenbereich. Der Zuschlag sollte nach dem Bestbieterprinzip erfolgen. Die Revisionswerberin beteiligte sich an diesem Vergabeverfahren als Bieterin.

Im Zuge der vertieften Angebotsprüfung betreffend das Angebot der Revisionswerberin ersuchte die Auftraggeberin mehrfach um schriftliche Aufklärung jeweils bestimmt bezeichneter Mängel. Die Revisionswerberin beantwortete diese Aufklärungsersuchen jeweils fristgerecht.

Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 30. November 2018 wurden das Hauptanbot und das Alternativangebot Nr. 1 der Revisionswerberin ausgeschieden.

Der fristgerecht eingebrachte Nachprüfungsantrag, mit dem die Revisionswerberin die Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung beantragte, ist Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens. Die vorgeschriebenen Pauschalgebühren wurden von der Revisionswerberin entrichtet.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung der Ausscheidensentscheidung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und erklärte unter einem die Revision für nicht zulässig.

Über den eingangs dargestellten Sachverhalt hinaus stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, die dem Vergabeverfahren zugrunde liegende Ausschreibung sei nicht bekämpft worden. Aus den bestandfesten Bedingungen habe sich unter anderem Folgendes ergeben:

Das Angebotsleistungsverzeichnis müsse mit dem Ausschreibungsleistungsverzeichnis übereinstimmen und sei vollständig ausgepreist mit Angabe aller angebotenen Nachlässe und des Gesamtpreises abzugeben. Die Struktur des Leistungsverzeichnisses habe in jeder Hauptgruppe eine Obergruppe betreffend „Übergreifende Leistungen“ beinhaltet. Dort seien insbesondere Baustellengemeinkosten und Regieleistungen erfasst. Die Kosten für das Einrichten und Räumen der Baustelle (einmalige Kosten) sowie die zeitgebundenen Kosten der Baustelle seien in den entsprechenden Positionen des Leistungsverzeichnisses anzubieten. Mit dem Einheitspreis würden die zeitgebundenen Kosten des Baustellenbetriebes abgegolten. Das Leistungsverzeichnis habe im Positionstext hinsichtlich der Hauptgruppen 02, 03, 04 und 06 jeweils gleichlautend die Angabe von Verrechnungspositionen betreffend „Zeitgebundene Kosten Bauzeit PA“ anteilig zur Bauzeit und eine Rechnungsposition betreffend Räumen der Baustelle vorgesehen.

Die Revisionswerberin habe in den vorgenannten Positionen („Zeitgebundene Kosten der Baustelle“ - etwa Gehälter, unproduktive Löhne, Kosten der Baustelle wie Miete, Pachtzins, Gebühren, etc sowie Kosten des Betriebes besonderer Anlagen wie Unterkünfte, Küchen, Kantinen - und „Räumen der Baustelle“) keine Kalkulation der Lohnkosten auf Positionsebene innerhalb der Hauptgruppen vorgenommen. Vielmehr sei im Angebot der Revisionswerberin der Preisanteil „Lohn“ ausschließlich in den Positionen der Hauptgruppe 02 ausgewiesen worden. In den übrigen oben genannten Hauptgruppen (03, 04 und 06) sei der Lohnanteil mit „0“ ausgepreist.

In einem ersten Aufklärungsersuchen der Auftraggeberin vom 10. Oktober 2018 seien der Revisionswerberin K7-Blätter mit der Aufforderung zu detaillierter Angabe von kalkuliertem Zeitaufwand betreffend Lohn und Geräte übermittelt worden. Den retournierten K7-Blättern sei unter der Position „Zeitgebundene Kosten der Baustelle“ in der Hauptgruppe 02 die Angabe von 35 Mann-Monaten für „Polier Ing.bau“ und 70-Mann-Monate für „Polier Erdbau“ zu entnehmen gewesen. Eine Anzahl der einzusetzenden Poliere oder eine Aufteilung der Mann-Stunden auf die fraglichen Positionen der Hauptgruppen 03, 04 und 06 sei nicht erfolgt. In diesen Hauptgruppen seien die Positionen betreffend „Zeitgebundene Kosten und Räumen der Baustelle“ wiederum jeweils mit „0“ ausgewiesen worden. Ebenso sei in der Position „Probefeld Bodenstabilisierung“ der Preisanteil „Sonstiges“ mit 0 Euro kalkuliert worden.

In der Folge sei die Revisionswerberin mit Schreiben der Auftraggeberin vom 30. Oktober 2018 aufgefordert worden, die Darstellung der Lohnanteile in den Hauptgruppen 03, 04 und 06 nachvollziehbar aufzuklären, widrigenfalls das Angebot ausgeschieden werden müsse. Dies habe die Revisionswerberin zusammengefasst damit beantwortet, dass die in der Hauptgruppe 02 kalkulierte Baustelleninfrastruktur ausreichend sei und entsprechende Reserven bzw. Leerlauf- und Randzeiten beinhalte, sodass die betreffenden Positionen in den anderen genannten Hauptgruppen für den Lohnanteil kostenneutral angeboten werden könnten. Weiter seien bei der Position „Probefeld Bodenstabilisierung“ nur die über die Kosten für die über die Sowieso-Leistungen hinausgehenden Tätigkeiten zu kalkulieren, weil das Probefeld in einem Bereich errichtet werde, der im Endzustand jedenfalls zu stabilisieren sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es sei zu prüfen, ob die von der Auftraggeberin herangezogenen Ausscheidensgründe im Sinne des § 129 Abs. 1 Z 3 und Z 7 BVergG 2006 angezogen worden seien. Unstrittig seien in dem Angebot der Revisionswerberin die Preisanteile „Lohn“ in den Zeitgebundenen Kosten und für das Räumen der Baustelle nur in der Hauptgruppe 02 ausgewiesen worden.

Seitens der Revisionswerberin sei nicht bestritten worden, dass eine - ausschreibungskonforme - Aufteilung der Preisposition „Lohn“ auf die Hauptgruppen 02, 03, 04 und 06 möglich sei, was sich letztlich auch daran zeige, dass nicht nur sämtliche weitere Bieter eine solche Aufteilung vorgenommen hätten, sondern auch die Revisionswerberin hinsichtlich anderer Mitarbeiterkosten mit anteiligen Mann-Kosten kalkuliert habe. Verlange eine Ausschreibung die Auspreisung verschiedener Leistungspositionen so dürfe der Bieter - bei sonstiger Ausschreibungswidrigkeit des Angebots - grundsätzlich keine Verschiebung der Kosten zwischen diesen Positionen vornehmen. Da die Revisionswerberin nach eigenen Angaben die Baustellengemeinkosten nicht in den Hauptgruppen 03, 04 und 06 ausgewiesen habe, sondern ausschließlich in der Hauptgruppe 02, liege ein der bestandfesten Ausschreibung widersprechendes Angebot vor, das zwingend auszuscheiden gewesen wäre. Dies gelte ebenso für die Position „Sonstiges“ im Zusammenhang mit den Kosten für „Probefeld, Bodenstabilisierung“ deren Verschiebung zu einer anderen Leistungsposition als Sowieso-Kosten.

Da die Revisionswerberin entgegen dem bestandfesten Preisaufgliederungsgebot der Ausschreibung die Leistungsverzeichnispositionen in den vorgenannten Angebotsteilen nicht den Ausschreibungsbedingungen entsprechend vorgenommen habe, sei das Angebot der Revisionswerberin zu Recht gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 ausgeschieden worden.

Die wirtschaftlichen Überlegungen der Revisionswerberin könnten das Abweichen von den Ausschreibungsbedingungen nicht rechtfertigen. Das Vorbringen zur Vergaberechtswidrigkeit der Ausschreibungsbedingungen hätte in einem diese betreffenden Nachprüfungsantrag releviert werden müssen. Dem Vorbringen der Revisionswerberin, die zeitgebundenen Kosten würden sich bei einem Entfall der Leistungen betreffend die Hauptgruppen 03, 04, 06 nicht verringern sei nicht zu folgen, das sich zumindest die ausgewiesenen Mannstunden im Falle eines Leistungsentfalls verringern müssten. Auch hinsichtlich der Position „Sonstiges“ im Zusammenhang mit den Probefeldern führe die von der Revisionswerberin vorgenommene Verlagerung in die Kosten der endgültigen Bodenstabilisierung dazu, dass diese Kosten auch für den Entfall von Probefeldern vergütet werden müssten. Diese Verlagerung der Kosten sei ausschreibungswidrig und spekulativ, weshalb auch in Hinblick darauf die Ausscheidensentscheidung richtig sei.

Von der Einholung eines Sachverständigengutachtens könne Abstand genommen werden, weil die Beurteilung der Ausschreibungswidrigkeit in erster Linie die Beantwortung von Rechtsfragen erfordere.

2.2. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag, die Auftraggeberin zum Ersatz der von der Revisionswerberin entrichteten Pauschalgebühr zu verpflichten ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

In seiner Begründung verwies das Bundesverwaltungsgericht auf die mit dem oben dargestellten Erkenntnis erfolgte Abweisung des Nachprüfungsantrages, die dazu führe, dass ein Ersatz der von der Revisionswerberin entrichteten Pauschalgebühr nicht stattzufinden habe.

2        3. Gegen diese Entscheidungen richtet sich die außerordentliche Revision.

3        4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

4        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6        4.1. Im Hinblick auf das Zulässigkeitsvorbringen ist Folgendes vorauszuschicken: Die tragende Begründung des angefochtenen Erkenntnisses stützt sich auf die Auslegung der verfahrensgegenständlichen Ausschreibungsbedingungen.

7        Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass der einzelfallbezogenen Auslegung von Ausschreibungsunterlagen in der Regel keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall stellt damit in der Regel nur dann eine die Zulässigkeit der Revision begründende Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dar, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. VwGH 26.6.2018, Ra 2016/04/0049, mwN).

8        Das Verwaltungsgericht hat fallbezogen aufgrund der bestandfesten Ausschreibungsbedingungen in Zusammenhang mit den insofern unbestrittenen Feststellungen betreffend die im Rahmen des Vergabeverfahrens erfolgte Vorgehensweise der Revisionswerberin in nicht unvertretbarer Auslegung der Auftraggebererklärung darauf geschlossen, dass das Angebot der Revisionswerberin nicht den in den Ausschreibungsbedingungen festgelegten Anforderungen zur Preisaufgliederung entsprochen hat und daher der von der Auftraggeberin angezogene Ausscheidensgrund verwirklicht gewesen sei. Eine Unvertretbarkeit dieser Rechtsansicht zeigt die Revision nicht auf.

9        4.2. Insofern die Revision in der Zulässigkeitsbegründung gemäß § 28 Abs. 3 VwGG vorbringt, das Bundesverwaltungsgericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, wonach die im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung zu beantwortende Frage, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar seien, in der Regel auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens zu prüfen sei, zeigt sie keine Rechtsfrage auf, von der die Entscheidung in der Revisionssache abhängt, weil die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts - wie der Zusammenfassung unter Punkt 2.1. entnommen werden kann - auf die betriebswirtschaftliche Nachvollziehbarkeit der beanstandeten Preisbestandteile nicht Bezug nimmt, sondern vielmehr zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Aufgliederung der Preise im Angebot der Revisionswerberin nicht ausschreibungskonform erfolgt ist. Eine Abweichung von der Rechtsprechung wird daher mit dem Vorbringen nicht dargetan.

10       4.3. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. Dezember 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019040041.L00

Im RIS seit

01.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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