Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Mayerhofer & Rainer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. V*****, 2. V*****, 3. D*****, alle vertreten durch Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH in Wien, 4. D*****, 5. W*****, 6. S*****, 7. B*****, wegen Abgabe von Willenserklärungen (Streitwert 15.000 EUR), über die Revision und den darin enthaltenen Revisionsrekurs der erst- bis drittbeklagten Parteien gegen den Beschluss und das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 12. Februar 2020, GZ 35 R 241/19d-87, mit dem das Teilurteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 10. September 2019, GZ 13 C 316/15f-78, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision und der darin enthaltene Revisionsrekurs werden zurückgewiesen.
Die erst- bis drittbeklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen deren mit 3.070,64 EUR (darin 511,77 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisions- und Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Streitteile sind oder waren jedenfalls bei Zustellung der Klage Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Die Rechtsvorgänger des Erst- und der Zweitbeklagten als damalige weitere Mit- und Wohnungseigentümer räumten dem Vater der Klägerin als deren Rechtsvorgänger im Jahr 1973 das Recht ein, die restliche Dachbodenfläche auszubauen und daran Wohnungseigentum zu begründen. Der Wohnungseigentumsvertrag wurde 1991 abgeschlossen. Im Zug der Veräußerung von Wohnungseigentumsobjekten an die weiteren Beklagten wurde in den Kaufverträgen auf den zwischen den Verkäufern und dem Rechtsvorgänger der Klägerin vereinbarten Dachgeschossausbau hingewiesen, sie stimmten diesem zu. Die Klägerin übernahm die Anteile ihres Vaters 1992, baute den Dachboden aus und errichtete Wohnungseigentumsobjekte aufgrund eines von allen damaligen Miteigentümern unterfertigten und 2007 bewilligten Einreichplans. Beim Dachgeschossausbau kam es zu Abweichungen von der Baubewilligung, weshalb die Klägerin einen Auswechslungsplan erstellen ließ. Die Beklagten haben diesen nicht unterschrieben. Der Auswechslungsplan – in der Fassung vom 24. 4. 2017 – ist mit der statischen Berechnung ./D für ein Baueinreichungsverfahren ausreichend und einem Konsens zuführbar. Ob er der Ausführung in natura entspricht, steht nicht fest.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren der Klägerin, die Beklagten zur Zustimmung zu der von der rechtskräftigen Baugenehmigung abweichenden Bauführung gegenüber der zuständigen Baubehörde durch Unterfertigung des – näher bezeichneten – Auswechslungsplans vom 24. 4. 2017 zu verpflichten. Geringfügige Abweichungen von der 2007 erteilten Baubewilligung erforderten einen Auswechlungsplan, dessen Unterfertigung die Beklagten unbegründet verweigerten.
Die Beklagten erhoben – soweit im Revisionsverfahren wesentlich – aufgrund eines von der Klägerin durch Klagerücknahme unter Anspruchsverzicht beendeten Verfahrens den Einwand der entschiedenen Rechtssache. Die von der Klägerin vorgenommenen Klageänderungen seien unzulässig. Die Vereinbarung aus 1973 sei mit dem Wohnungseigentumsvertrag von 1991 erfüllt. Die Zustimmung zum Dachgeschossausbau sei widerrufen worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in seiner zuletzt geänderten Fassung mittels Teilurteil statt. Die Klageänderung sei zuzulassen, weil dadurch ein weiterer Prozess vermieden werden könne. Da der Plan samt statischer Berechnung geeignet sei, der Baubehörde zur Erwirkung einer Baubewilligung vorgelegt zu werden, seien die Beklagten aufgrund der ihnen überbundenen Zustimmung zum Dachgeschossausbau zur Unterfertigung verpflichtet. Das Gericht habe kein fiktives Bauverfahren durchzuführen. Ob die Ausführung in der Natur dem Plan entspreche, sei nur im Bauverfahren zu überprüfen. Für einen Widerruf der Zustimmung zum Dachbodenausbau fehle jeder Hinweis.
Das Berufungsgericht verwarf die wegen Nichtigkeit erhobene Berufung und bestätigte das Teilurteil mit der Maßgabe, dass es Schreibfehler bei der Bezeichnung des Auswechslungsplans durch Ergänzung von Unterstrichen und Austausch eines Buchstabens berichtigte. Weder die behauptete Widersprüchlichkeit im Spruch noch eine entschiedene Rechtssache liege vor. Die Einwände gegen die Zulassung der Klageänderung hielt es für nicht berechtigt. Rechtlich teilte es die Auffassung des Erstgerichts. Ob die tatsächliche Bauführung der zuletzt vorgelegten Planung entspreche, sei irrelevant, weil mit dem zu unterfertigenden Plan der Konsens mit der Baubehörde erst hergestellt werden solle. Auf die Verkehrsüblichkeit oder das wichtige Interesse im Sinn des § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 komme es in diesem Verfahren nicht an. Über Zulassungsantrag nach § 508 ZPO ließ das Berufungsgericht die Revision nachträglich zu, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Beklagten Anspruch auf Vorlage eines richtigen und vollständigen Auswechslungsplans bereits bei Planunterfertigung hätten.
In ihrer Revision streben die Beklagten primär die Abänderung dahin an, dass die Klage zurück- oder abgewiesen werde. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig. Eine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage spricht sie nicht an. Der darin enthaltene Revisionsrekurs ist nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Antragsgemäß war nach dem Tod der Zweitbeklagten deren Parteibezeichnung im Kopf dieser Entscheidung auf ihre Verlassenschaft zu berichtigen (§ 235 Abs 5 ZPO).
2.1. Bestätigt das Berufungsgericht einen in die Urteilsfertigung aufgenommenen Beschluss des Erstgerichts auf Nichtzulassung der Klageänderung meritorisch in den Gründen seines Urteils, ist nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0039278) eine weitere Anfechtung der Nichtzulassung der Klageänderung gemäß § 528 ZPO ausgeschlossen. Auch die Prüfung der Zulässigkeit einer vom Erstgericht ohne formellen Beschluss zugelassenen Klageänderung erfolgt nicht im Rahmen des Berufungsverfahrens, die zweite Instanz wird insoweit vielmehr als Rekursgericht tätig, sodass sich die Anfechtung nicht nach § 519, sondern nach § 521 ZPO richtet (RS0102058).
2.2. Hier befasste sich das Erstgericht – ohne einen ausdrücklichen Beschluss darüber in die Urteilsausfertigung aufzunehmen – mit der Zulässigkeit der Klageänderung durch Bezugnahme auf die Letztfassung des Auswechslungsplans ./Y inhaltlich und ließ diese Änderung zu. Das Berufungsgericht prüfte die dagegen in der Berufung erhobenen Einwände und sah sie – ebenfalls in Urteilsform – als nicht berechtigt an, beide Vorinstanzen haben daher über die Frage der Zulässigkeit der Klageänderung (in verfehlter Entscheidungsform) implizit Beschluss gefasst. Die vom Berufungsgericht bestätigte Zulassung der Klageänderung ist damit wegen des Rechtsmittelausschlusses des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO mit der als Revisionsrekurs zu behandelnden Revision nicht anfechtbar (RS0039253), was bei konformen Entscheidungen auch dann gilt, wenn sie nur in den Entscheidungsgründen erfolgte (3 Ob 93/13t).
2.3. Auf die Argumente gegen die Zulässigkeit der Klageänderung und die in diesem Zusammenhang monierte Aktenwidrigkeit ist daher nicht einzugehen.
3. Die in der Berufung behauptete Nichtigkeit des Ersturteils wegen mangelnder Exekutierbarkeit und entschiedener Rechtssache hat das Berufungsgericht geprüft und mit Beschluss verworfen. Die Verneinung einer Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz durch das Berufungsgericht ist nach ständiger Rechtsprechung aber nicht mittels Revision bekämpfbar (RS0042981; RS0043405).
4.1. Zu der in der Revision als erheblich bezeichneten Rechtsfrage, wann von einer „Maßgabebestätigung“ auszugehen sei, liegt umfangreiche Rechtsprechung des Höchstgerichts vor. Demnach ist von einer Bestätigung der Entscheidung des Erstgerichts dann auszugehen, wenn beide Instanzen nach meritorischer Prüfung zum selben Ergebnis gelangen. Ein durch das Rechtsmittelgericht beigefügter Beisatz schadet dann nicht, wenn der Beschwerdeführer durch den Spruch der zweiten Instanz nicht mehr belastet wird als durch den der ersten (RS0044215). Der unterschiedliche Wortlaut des Spruchs allein ändert am bestätigenden Charakter einer Entscheidung zweiter Instanz nichts (RS0044215 [T8]). Eine „Maßgabebestätigung“ ist eine bestätigende Entscheidung, wenn der Beisatz nur einer Verdeutlichung der Entscheidung des Erstgerichts dient, damit also keine Änderung des Inhalts der erstgerichtlichen Entscheidung und ihrer Rechtskraftwirkung gegenüber den Parteien vorgenommen werden soll (RS0074300). Keine abändernde Entscheidung liegt vor, wenn die zweite Instanz in einer „Maßgabebestätigung“ lediglich ihre Entscheidung dem tatsächlichen Entscheidungsgegenstand anpasst (RS0042684). Wenn eine Änderung des Inhalts der erstgerichtlichen Entscheidung vom Rekursgericht weder vorgenommen wurde noch beabsichtigt war, weil das Rekursgericht selbst auf den wahren Entscheidungswillen des Erstgerichts verwies, liegt ein bestätigender Beschluss vor (RS0042684 [T3]).
4.2. Hier besteht kein Zweifel daran, dass das Berufungsgericht mit seiner Maßgabebestätigung nur den Entscheidungswillen des Erstgerichts, der durch die Bezugnahme auf den Plan ./Y und die Entscheidungsgründe eindeutig vorgegeben war, durch die korrekte Bezeichnung dieses Plans im Weg der Anfügung der Unterstriche und des Austauschs eines unrichtig geschriebenen Buchstabens umsetzte. Es ist daher von einer inhaltlich gleichlautenden Entscheidung im Sinn dieser Rechtsprechungsgrundsätze auszugehen, eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich nicht.
5.1. Auch die Frage, ob die Beklagten Anspruch auf Vorlage eines richtigen und vollständigen Auswechlungsplans bereits bei Planunterfertigung haben, kann bereits anhand vorliegender höchstgerichtlicher Rechtsprechung beantwortet werden, sodass auch damit die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründet werden kann.
5.2. Hier wird die Zustimmungspflicht der Beklagten aus der zwischen den Rechtsvorgängern der Streitteile getroffenen Vereinbarung, die an sie überbunden worden sein soll, abgeleitet. Der Inhalt der Vereinbarung aus 1973 und deren Überbindung an die Rechtsnachfolger der damaligen Vertragsparteien (vgl hierzu 5 Ob 219/16s) sind im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Dass sich die Zustimmung der Beklagten nicht auf die nun vorgenommene, tatsächliche Ausführung des Dachgeschossausbaus beziehe, behaupten sie in der Revision nicht. Sie beanstanden nur, es sei nicht geprüft worden, ob der Auswechslungsplan dem Istzustand entspreche, weshalb für den Fall, dass der Plan die tatsächliche Bauausführung unrichtig wiedergebe, sie zur Unterfertigung eines inhaltlich unrichtigen Dokuments verpflichtet würden.
5.3. Im Zusammenhang mit dem Änderungsrecht der Wohnungseigentümer nach § 16 WEG sprach der Oberste Gerichtshof bereits aus, dass nur eine gravierende Änderung von Baumaßnahmen, denen die übrigen Wohnungseigentümer ursprünglich zugestimmt haben, einer neuerlichen Willensbildung der Wohnungseigentümer bedarf (5 Ob 55/19b; vgl RS0127250). Die ergänzende Vertragsauslegung kann ergeben, dass geringfügige Änderungen – insbesondere wenn sie ihre Ursache in einer notwendigen Anpassung an tatsächliche bauliche Gegebenheiten hatten – von der ursprünglichen Zustimmung gedeckt sind (5 Ob 55/19b). Die Frage, ob eine baubehördliche Bewilligung einer Änderung erforderlich und zu erlangen ist, spielt im Verfahren nach § 16 WEG solang keine Rolle, als nicht von vornherein feststeht, dass mit einer Bewilligung der Baubehörde keinesfalls zu rechnen ist (RS0083330 [T1]). Demgemäß sprach der Fachsenat aus (5 Ob 9/91), dass die Entscheidung über die Baubewilligung und die Überwachung der bewilligungsgemäßen Bauausführung der Baubehörde zukommt, die auch dafür zu sorgen hat, dass alle die Sicherheit und von Personen und Sachen gewährleistenden Vorschriften und Auflagen eingehalten werden. Die für baubewilligungspflichtige Maßnahmen durch die Bauordnungen vorgeschriebene Zustimmung aller Miteigentümer ist durch Beschluss des Außerstreitrichters im Änderungsverfahren dann durchsetzbar, wenn eine Verletzung von Interessen der übrigen Miteigentümer nicht in Betracht kommt. Es genügt daher, dass der die Änderung anstrebende Mit- und Wohnungseigentümer die gewerberechtlichen und/oder baurechtlichen Voraussetzungen für sich hat. Sind die Änderungen baubehördlich voraussichtlich zulässig, müssten die widerstrebenden Mit- und Wohnungseigentümer aufzeigen, weshalb dennoch mit der Baubewilligung nicht zu rechnen ist. Entspricht die Änderung nicht den Bauvorschriften, müsste der Bauführer dartun, dass dennoch eine Bewilligung erfolgen kann.
5.4. Diese Rechtsprechungsgrundsätze sind auch hier anzuwenden, sodass die die Zustimmung der Beklagten begehrende Klägerin darzutun hatte, dass eine Bewilligung des Auswechslungsplans erfolgen kann. Dies ist ihr gelungen, weil feststeht, dass der von ihr zuletzt vorgelegte Plan samt statischer Berechnung ausreichend und geeignet ist, bei der Baubehörde eingereicht zu werden und zu einem Baukonsens zu führen. Die Entscheidung über die Baubewilligung selbst und die Überwachung der bewilligungsgemäßen Bauausführung (darunter fällt auch die Frage, ob der tatsächlich errichtete Dachbodenausbau den nunmehr eingereichten Plänen entspricht), kommt – wie schon die Vorinstanzen erkannt haben – nur der Baubehörde zu. Nur diese hat zu prüfen, ob das errichtete Bauwerk dem Auswechslungsplan entspricht. Den Beklagten bleibt es unbenommen, ihre öffentlich-rechtlichen Einwendungen im Bauverfahren zu erheben.
6. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Gemäß §§ 41, 50 ZPO haben die Revisionswerber der im Zwischenstreit über die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels obsiegenden (vgl RS0123222) Klägerin deren tarifgemäß verzeichnete Kosten des Revisions- und Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Textnummer
E130181European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00180.20M.1022.000Im RIS seit
04.01.2021Zuletzt aktualisiert am
04.01.2021