TE OGH 2020/11/25 6Ob190/20i

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Veröffentlicht am 25.11.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. E*****, vertreten durch Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. C*****, 2. W*****, beide vertreten durch Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3. R*****, vertreten durch Hasch & Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, wegen 77.500 EUR sA, über die Revisionen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. Mai 2020, GZ 1 R 39/20s-52, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 3. Dezember 2019, GZ 5 Cg 147/16m-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die Beklagten sind schuldig, dem Kläger die mit 2.657,21 EUR (darin 442,67 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen, und zwar der Erstbeklagte 1.195,74 EUR (darin 199,21 EUR USt), der Zweitbeklagte 850,31 EUR (darin 141,65 EUR USt) und der Drittbeklagte 611,16 EUR (darin 101,81 EUR USt).

Text

Begründung:

Zum bisherigen Verfahrensverlauf kann auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 28. 3. 2018, AZ 6 Ob 45/18p, verwiesen werden. Die Vorinstanzen haben nunmehr übereinstimmend dem Klagebegehren stattgegeben, wobei sie auf bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlagen gestützte Gegenforderungen der Beklagten als nicht zu Recht bestehend erkannten.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

1. Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle „in Bezug auf die aufrechnungsweise eingewendeten Bereicherungsansprüche“ Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Es entspricht allerdings ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die Begründung eines Zulässigkeitsausspruchs, wonach eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle, letztlich eine Scheinbegründung ist. Genügte nämlich für die Zulässigkeit einer Revision bereits das Fehlen einer höchstgerichtlichen Entscheidung zu einem vergleichbaren „Sachverhalt“, dann müsste der Oberste Gerichtshof in vielen Fällen die Sachentscheidung fällen, obgleich sie in Wahrheit keine erhebliche Rechtsfrage, sondern nur die Einzelfallgerechtigkeit berührenden Wertungsfragen aufwirft (RS0122015).

2. Es gelingt aber auch den Beklagten in ihren Revisionen nicht, eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzuzeigen:

2.1. Der erkennende Senat hat zur Frage, ob im Zeitverlauf eine (Bauherrenmodell) oder zwei (Vorgründungsgesellschaft und Miteigentümergesellschaft) Gesellschaften bürgerlichen Rechts nach den §§ 1175 ff ABGB vorlagen, in der Entscheidung 6 Ob 45/18p bereits abschließend Stellung genommen (ErwGr 3.1.) und ausgeführt:

Die Beklagten [unterstellen] das Vorhandensein einer einzigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die in den Gründungsphasen 1 und 2 aus den (sachleistungsberechtigten) Gründungsmitgliedern bestanden habe und der in der Phase 3 die (ausschließlich geldleistungspflichtigen) Miteigentümer beigetreten seien, also Gesellschaftsanteile übernommen hätten. Sie übersehen dabei allerdings, dass sie im Verfahren erster Instanz ausdrücklich ausgeführt haben, die „Vorgründungsgesellschaft“ sei von der MEG Z*****straße zu trennen; mit Abschluss des Miteigentümervertrags Beilage ./A sei der Zweck der „Vorgründungsgesellschaft“, künftig eine Miteigentümergesellschaft (MEG) zu gründen, beendet gewesen, weshalb eine Identität oder sonstige ableitbare Rechtsnachfolge zwischen den beiden Gesellschaften nicht bestanden habe (vgl etwa ON 8). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, mit der Unterfertigung des Miteigentümervertrags Beilage ./A sei eine neue Gesellschaft bürgerlichen Rechts gebildet worden, die „Vorgründungsgesellschaft“ sei zu diesem Zeitpunkt beendet gewesen, ist somit nicht zu beanstanden.

Die Beantwortung von Fragen, die vom Rechtsmittelgericht, das die Aufhebung verfügt hat, auf der Grundlage des gegebenen Sachverhalts bereits abschließend entschieden wurden, kann (auch) aufgrund neuer Tatsachen nicht mehr in Zweifel gezogen werden; abschließend erledigte Streitpunkte können im fortgesetzten Verfahren somit nicht mehr aufgerollt werden (rs0042031&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&GZ=&VonDatum=&BisDatum=19.09.2020&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=d4cd3dd8-3bbf-4362-9c7d-4042e9b5fbde&Dokumentnummer=JJR_19930511_OGH0002_0010OB00547_9300000_003">RS0042031). Das Verfahren im zweiten Rechtsgang ist stets auf den von der Aufhebung ausdrücklich betroffenen Teil zu beschränken (RS0042031 [T4]). Dies gilt auch bei Aufhebungsbeschlüssen wegen des Vorliegens von Feststellungsmängeln; die Verfahrensergänzung ist auf den durch die Aufhebung betroffenen Teil einzugrenzen (RS0042031 [T18]).

2.2. Die Beklagten machen im Revisionsverfahren geltend, die Vorinstanzen hätten keine ausreichenden Feststellungen getroffen, um die Einlagepflicht der Beklagten beurteilen zu können, sondern sich einfach mit einer Zweifelsregel begnügt; darüber hinaus seien die Leistungen der Beklagten für den Kläger jedenfalls erkennbar gewesen.

2.2.1. Die Entscheidung 6 Ob 45/18p (ErwGr 3.2.3.) hat ausgeführt, dass in Ermangelung vertraglicher Vereinbarungen gemäß dem dispositiven § 1184 ABGB aF jeder Gesellschafter einen gleichen Anteil zum gemeinschaftlichen Hauptstamm beizutragen hat, was aber nur bedeute, dass der Wert der Beiträge gleich hoch sein soll, nicht jedoch, dass jeder dasselbe einzubringen hat. In diesem Zusammenhang trug der erkennende Senat den Vorinstanzen nähere Feststellungen zur Frage auf, welche Beiträge mit den Beklagten vereinbart worden waren. Die Vorinstanzen stellten nunmehr fest, dass eine Vereinbarung der Miteigentümer dergestalt, dass die Einlagen ausschließlich in Barzahlungen zu leisten sind, zwar nicht erfolgt und es auch konkret zwischen den Miteigentümern nicht vereinbart worden war, dass der Erstbeklagte 208.000 EUR, der Zweitbeklagte 87.000 EUR und der Drittbeklagte 52.200 EUR als Eigenmittel jeweils bar aufzubringen hätten; allerdings waren mit den weiteren in der Phase 3 dazugekommenen Miteigentümern die Verrechnung dieser Vorleistungen und die Gegenverrechnung derselben mit einer Kapitalsanteilsgewährung gegen Sacheinlagen auch nicht vereinbart worden.

2.2.2. Grundsätzlich gilt, dass im Katalog der Rechte und Pflichten der Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts an erster Stelle die Pflicht steht, zum Hauptstamm beizutragen (Jabornegg/Resch/Slezak in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1184 Rz 1). Im vorliegenden Fall wurden den einzelnen Gesellschaftern der Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestimmte Miteigentumsanteile an der Liegenschaft zugewiesen, woraus sich das Verhältnis ihrer Kapitalanteile an der Gesellschaft ergibt. Da bestimmte Vereinbarungen über die Aufbringung der Anteile nicht festgestellt wurden, kommt § 1184 ABGB aF zur Anwendung, wonach jedes Mitglied außer dem Falle einer besonderen Verabredung verbunden ist, einen gleichen Anteil zum gemeinschaftlichen Hauptstamm beizutragen. Die Feststellung des Erstgerichts, wonach eine Pflicht zur Aufbringung von Barzahlungen nicht vereinbart wurde, schadet dabei nicht, weil eben überhaupt keine Vereinbarungen getroffen wurden und sich deshalb die Beitragspflicht der Beklagten aus dem dispositiven Recht ergibt. Die gegenteilige Ansicht der Beklagten im Revisionsverfahren liefe darauf hinaus, dass sie einen Kapitalanteil an der Miteigentümergesellschaft erhalten würden, ohne dafür irgendeine Leistung dieser gegenüber erbracht zu haben.

2.3. Was die „Erkennbarkeit“ der Leistungen der Beklagten für die späteren Investoren und Gesellschafter der Miteigentümergesellschaft (darunter den Kläger) betrifft, so führte die Entscheidung 6 Ob 45/18i (ErwGr 4.3.) aus, dass die von den „Gründungsmitgliedern“ über die von ihnen einzulegenden Barmittel und Sachwerte sowie die dafür gewährten Kapitalanteile getroffene Festlegung nur dann Inhalt des Gesellschaftsvertrags der Miteigentümergesellschaft wären, wenn alle übrigen Mitglieder der Gesellschaft bürgerlichen Rechts dem zumindest konkludent zugestimmt hätten. Der damaligen Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach die Rentabilitätsberechnung keine hinreichende Grundlage für die Annahme einer dem Maßstab des § 863 ABGB entsprechenden konkludenten Zustimmung bildete, trat der erkennende Senat in diesem Zusammenhang nicht entgegen: Aus der Berechnung lasse sich nämlich nicht entnehmen, wer von den „Gründungsmitgliedern“ und in welcher Höhe Geld und/oder einen Sachwert, für die Kapitalanteile gewährt wurden, einzulegen hatte und wie der Sachwert bewertet wurde.

Über Auftrag des erkennenden Senats, Feststellungen zur Frage, ob die Vorgehensweise hinsichtlich der Sacheinlagen den späteren Investoren bekannt gewesen war, Feststellungen zu treffen (ErwGr 4.4.), verbreiterten die Vorinstanzen die Sachverhaltsgrundlage nunmehr dahin, dass der überwiegenden Mehrheit der Miteigentümer nicht bekannt gewesen sei, dass sich die Gründungsmitglieder (Gesellschafter der Phasen 1 und 2) anstelle von zu erbringenden Bareinlagen Sacheinlagen anrechnen ließen und daher weniger Barzahlungen leisteten; es sei ihnen auch nicht bekannt gewesen, dass sich diese Gründungsmitglieder allfällig erbrachte Vorleistungen zur Gewährung der Kapitalanteile anrechnen ließen.

Damit ist aber die Verneinung einer konkludenten Vereinbarung durch die Vorinstanzen durchaus vertretbar. Die Revisionen erklären auch nicht näher, warum dem Kläger und den anderen Gesellschaftern der Phase 3 die Anrechnung bekannt gewesen sein sollte.

2.4. Die Beklagten stützen ihre Gegenforderungen in Höhe der von ihnen behaupteten Sacheinlagen auf bereicherungsrechtliche Überlegungen. Auch dies haben die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend verneint:

2.4.1. § 1431 ABGB setzt (nur) voraus, dass eine Nichtschuld irrtümlich gezahlt wurde (RS0033765). Die Voraussetzungen dieser Kondiktion sind daher das Fehlen der Verbindlichkeit, auf die geleistet wurde, und ein Irrtum des Leistenden über ihren Bestand: Der Zahler muss in der Absicht geleistet haben, eine Verbindlichkeit zu erfüllen, und die Zahlung muss auf einem Irrtum beruhen, der die zu zahlende Schuld oder den Gegenstand, den der Zahler leistete, betrifft (RS0033607). Der zugrunde liegende Irrtum kann ein Tatsachen- oder Rechtsirrtum sein (RS0033607 [T5]). Ein rechtfertigender Grund ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Wertbewegung in Erfüllung eines Schuldverhältnisses stattgefunden hat (RS0020094).

Hier lag auf Seiten der Beklagten weder eine Nichtschuld noch ein Irrtum vor, erfüllten sie doch mit den von ihnen behaupteten Arbeitsleistungen eine tatsächlich bestehende Verpflichtung aus dem Gesellschaftsvertrag über die „Vorgründungsgesellschaft“; für eine Rückforderung dieser Leistungen gegenüber der mit Blg ./A gegründeten Miteigentümergemeinschaft besteht somit keine Grundlage.

2.4.2. § 1435 ABGB wird über seinen Inhalt hinaus als Stützpunkt für die grundsätzliche Anerkennung einer Kondiktion wegen Wegfalles des Grundes und Nichteintritts des erwarteten Erfolgs verwendet (RS0033952). Hiezu bedarf es keiner ausdrücklichen Abrede über den Rechtsgrund der Zuwendung; es müssen aber doch Motiv und Zweck der Leistung in einer dem Leistungsempfänger zweifelsfrei erkennbaren Weise zum Ausdruck gebracht worden sein, um im Falle der Zweckverfehlung die Leistung rückfordern zu können (RS0033952 [T8]). Die Kondiktion ist zulässig, wenn sich der Leistungsempfänger über den Zweck und den Charakter der Leistungen im Klaren war oder sich hätte im Klaren sein müssen (RS0033952 [T15]). Nicht das Motiv des Leistenden für die Arbeit, sondern die objektive Erkennbarkeit desselben und die Verursachung durch den Leistungsempfänger sind ausschlaggebend (RS0021813).

Anwendungsfälle dieser Rechtsprechung sind etwa Aufwendungen eines Lebensgefährten für den Bau eines Hauses auf dem Grund des anderen Lebensgefährten und für die gemeinsame Haushaltsführung im Hinblick auf die nach der Fertigstellung des Hauses beabsichtigte, dann durch den Tod eines Teiles aber nicht mehr zustandegekommene Eheschließung (RS0033694; vgl auch RS0033696) oder wenn Leistungen in der (später enttäuschten) Erwartung einer Erbseinsetzung erbracht wurden (RS0033806; RS0033952 [T19]). Auch derjenige, der in der Erwartung der späteren Einräumung der Wohnmöglichkeit in einem fertigzustellenden Haus eigene Arbeitsleistungen und sonstige Leistungen erbrachte, kann, wenn der erwartete Rechtsgrund nicht eintritt, angemessene Entlohnung begehren (RS0033709).

Einen diesen vergleichbaren Anwendungsfall haben die Vorinstanzen hier zutreffend verneint, weil für den Kläger und die anderen Gesellschafter der Phase 3 nicht erkennbar war, dass sich die Beklagten für ihre Leistungen eine Gegenleistung erwarteten; für eine solche Erkennbarkeit hat das Beweisverfahren keine Anhaltspunkte ergeben. Die Entscheidung 6 Ob 45/18p hat bereits ausgeführt, dass die Rentabilitätsrechnungen dazu nicht ausreichend deutlich waren. Hinzu kommt, dass der Miteigentümervertrag Blg ./A eine eigene Entgeltbestimmung über ein Verwalterhonorar enthielt sowie dass zusätzlich noch ein Management- und Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen worden war, sodass die hinzutretenden Gesellschafter nicht erkennen mussten, dass die Beklagten darüber hinaus noch eine weitere Gegenleistung erwarten würden, waren doch Erst- und Zweitbeklagter Organe der Managementgesellschaft und der Drittbeklagte einer deren Mitarbeiter.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

Textnummer

E130192

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00190.20I.1125.000

Im RIS seit

05.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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