TE OGH 2020/11/25 6Ob210/20f

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Veröffentlicht am 25.11.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** G*****, vertreten durch Dr. Andrea Herbeck, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei K***** G*****, vertreten durch Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterhalts, über die außerordentliche Revision und den Rekurs der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Aufhebungsbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 3. September 2020, GZ 43 R 274/20t-173, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss wird zurückgewiesen.

II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Zu I.:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist gegen einen Beschluss der zweiten Instanz, mit dem ein erstinstanzliches Urteil aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen wurde, der Rekurs nur zulässig, wenn das Berufungsgericht das ausgesprochen hat (RS0043898). Das gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht mit seiner Entscheidung einen Teil des erstgerichtlichen Urteils bestätigt, einen anderen Teil dieser Entscheidung aufhebt und die Rechtssache im letzteren Umfang an das Erstgericht zurückweist (RS0043854).

1.2. Ein Ausspruch, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist, ist hier nicht erfolgt. Der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss ist daher als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.

Auf die in diesem Zusammenhang als erheblich geltend gemachte Rechtsfrage – das Berufungsgericht habe dem Erstgericht zu Unrecht die Aufnahme der beantragten Zeugenbeweise aufgetragen – kommt es daher nicht an.

Zu II.:

2.1. Der hier anzuwendende § 69 Abs 2 EheG gewährt dem nach § 55 EheG geschiedenen Ehegatten weiterhin einen Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB wie bei aufrechter Ehe, wenn gemäß § 61 Abs 3 EheG ausgesprochen wurde, dass das Verschulden an der Zerrüttung allein oder überwiegend den anderen Ehegatten trifft. Damit soll bewirkt werden, dass für den unterhaltsberechtigten Ehegatten keine Schlechterstellung gegenüber dem Zustand bei aufrechter Ehe eintritt (9 Ob 67/10h).

2.2. § 94 Abs 2 erster und zweiter Satz ABGB haben das Ziel, dem den Haushalt führenden Ehegatten einen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten bei bestehender häuslicher Gemeinschaft und nach deren Auflösung – ausgenommen den Fall des Rechtsmissbrauchs – zu gewähren (RS0009749 [T1]; RS0009742).

Für die Beurteilung, ob Rechtsmissbrauch vorliegt, der zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 94 Abs 2 Satz 2 ABGB führt, sind stets die Umstände des Einzelfalls maßgeblich (RS0009766 [T4, T9]; RS0009759 [T13]).

2.3. Der Rechtsmittelwerber wirft der Klägerin als Rechtsmissbrauch vor, sie weigere sich willkürlich, einer Berufstätigkeit nachzugehen, obwohl er ihr eine Ausbildung finanziert habe. Damit wird schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt, weil ein willkürliches Verhalten oder eine Weigerung der Klägerin nicht feststehen; die Rechtsrüge geht daher nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (vgl RS0043312).

2.4. Ist eine Hausfrauen-(Männer-)ehe gegeben, dann kann vom Unterhaltsberechtigten nicht verlangt werden, dass er einem eigenen Erwerb nachgeht und für seinen Unterhalt selbst sorgt (RS0009720; 10 Ob 7/14y). Dies gilt nur dann nicht, wenn es der einvernehmlichen Lebensgestaltung entsprochen hätte, dass der Unterhaltsberechtigte später einem Erwerb nachgeht oder wenn erwiesen ist, dass nach der einvernehmlichen Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse auch bei aufrechter Lebensgemeinschaft eine Änderung hätte eintreten sollen (RS0009609; Gitschthaler/Höllwerth, Ehe- und Partnerschaftsrecht, § 94 ABGB Rz 222).

2.5. Die Vorinstanzen lehnten eine Anspannung der Klägerin auf ein Eigeneinkommen im Hinblick auf die langjährige Übung der Ehegatten ab.

2.6. Angesichts der Umstände, dass die Klägerin seit der Geburt der Kinder 1988 und 1989 nicht berufstätig war, die eheliche Lebensgemeinschaft bereits seit dem Jahr 2000 aufgehoben ist, die Klägerin seither nur vier Monate lang (im Jahr 2013) berufstätig war, der Beklagte ihr sowohl vor als auch nach der Beendigung dieser Berufstätigkeit Geldunterhalt leistete und bis Mai 2018 die Wohnkosten der Klägerin trug, begründet es keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht zum Ergebnis kam, dass selbst eine allfällige, im Jahr 2013 getroffene Vereinbarung über eine Berufstätigkeit die Anspannung der Klägerin auf ein Eigeneinkommen nicht rechtfertigen könne. Es ist vielmehr vertretbar, diesen Sachverhalt dahin zu werten, dass die Streitteile durch die kurzzeitige Berufstätigkeit der Klägerin, mag ihr auch eine Vereinbarung zugrunde gelegen sein, nicht von ihrer langjährigen einvernehmlichen Übung abgegangen sind.

Dass die Parteien noch während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft und für den Fall, dass diese weiterbestehe, die spätere Aufnahme einer Berufstätigkeit der Klägerin vereinbart hätten, behauptet der Rechtsmittelwerber nicht.

2.7. Insgesamt zeigt die Revision des Beklagten daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

Textnummer

E130174

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00210.20F.1125.000

Im RIS seit

04.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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